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Morgenausgabe

Nr. 501

A 252

47.Jahrgang

Böchentlich 85 31. monatlich 3,60 m. im voraus zahlbar. Boftbezug 4,32 0. einschließlich 60 Bfg. Boftzeitungs- und 723fg. Bostbestellgebühren. Auslands abonnement 6.- M pro Monat

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Der Borwärts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend". Illustrierte Beilagen Boll und Zeit" und Kinderfreund". Ferner Frauenstimme" Technif"." Blid in die Bücherwelt". Jugend- Borwärts" und Stadtbeilage".

กระ การ

Vorwärts

Berliner Volksblatt

Sonnabend

25. Oftober 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etatpaltige Nonpareillezetle 80 Pfennig. Reflamezeile 5,- Reichse mart. Kleine Anzeigen das ettge brudte Wort 25 Pfennig( zuläffig mei fettgebrudte Borte), jebes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Bort 15 Biennig, jedes weitere Bort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Zeile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imHaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentealorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Kernsprecher: Donboft 292-297 Telegramm- Adr: Sozialdemokrat Berlin  .

Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Preußen schafft Arbeit!

Das Programm der Regierung Braun.

Die preußische Staatsregierung hat der Reichsregierung Borschläge zur Arbeitsbeschaffung unterbreitet, bei deren Durchführung der Arbeitsmarkt um etwa 430 000 Arbeits fräfte entlastet werden würde. Die Hauptpunkte dieses Ar­beitsbeschaffungsprogramms sind:

Keine Belegschaftsverminderung bei ausreichender Beschäftigung für 40 Wochenstunden.

Ein neues Berufsschuljahr zur besseren Vorbildung der Jugendlichen; 250 000 auf ein Jahr vom Arbeits.

markt zurückgehalten.

Bisher 110 000 ausländische Landarbeiter zugelassen, jekt: Preußen will deutsche Arbeitslose an ihre Stelle sehen.

Umfassende Meliorationsarbeiten zur Hebung des Tandwirtschaftlichen Ertrages. Jährliche Beschäftigungs möglichkeit für 78 000 Arbeiter.

Kenntnisse in allen Wirtschaftskreisen immer wieder Klage geführt wird, soll das neue Schuljahr zur Besserung dieser Kenntniffe immer halb des Rahmens der Boltsschule selbst verwandt werden.

Als weitere Anregung hat die preußische Staatsregierung, die schon in den vorangegangenen Jahren immer für den fortschreitenden Abbau des Kontingents dieser Arbeiter eingetreten ist, der Reichs regierung vorzuschlagen, alsbald flarzustellen, daß im nächsten Jahr feinerlei ausländische Wanderarbeiter( fogenannte Sachsengänger) für die deutsche Landwirtschaft zugelassen werden

dürfen.

Dadurch könnte etwa 110 000 deutschen   Arbeitslosen Arbeit verschafft

Zu diesem Programm teilt der Amtliche Preußische genügend deutsche Ersatzkräfte für diese Landarbeit nicht zur Ber­Bressedienst folgendes mit:

Das Staatsministerium unterbreitet der Reichsregierung den

Borschlag, alsbald durch Gesetz eine Regelung dahingehend zu treffen, daß bis auf weiteres alle Betriebe, die zu einer Einschrän­tung ihrer Arbeit gezmungen sind, so lange keine Verminderung ihrer Belegschaft vornehmen dürfen, als die von der Arbeitsein­fbräntung betroffene Belegschaftsgruppe bei einer Verminderung der Arbeitszeit noch mindestens 40 Wochenstunden oder 5 Tages fchichten Beschäftigung finden tann. Durch eine solche Maßnahme

würde

die weitere Zunahme der Arbeitslosigkeit nicht un wesentlich gehemmt

und dem unerträglichen 3ust and ein Ende bereitet werden, daß bei einer deutschen   Arbeitslosigkeit von fast drei Millionen Menschen über 100 000 Arbeitsplätze wieder non Ausländern ein­genommen werden. Der immer wieder vorgebrachte Einwand, daß fügung ständen, wird restlos widerlegt durch die Feststellun gen der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenver­ficherung, nach welcher sich die schon jetzt in die Landwirtschaft in namentlich die Jugendlichen im allgemeinen recht gut bewährt erheblichem Umfang vermittelten berufsfremden Arbeitsträfte und haben, und daß die gegenteiligen Behauptungen, die gelegentlich in die Deffentlichkeit dringende Einzelfälle betreffen, teineswegs 2 gemeingültigkeit befizen.

der obigen. Vorschläge ein umfassendes Meliorations. Gleichzeitig, hat der preußische Ministerpräsident in Ergänzung programm des ministers für Landwirtschaft, Do. mänen und Forsten, Dr. Steiger, das ebenfalls die zu stimmung des Staatsministeriums gefunden hat, an den Herrn und gleichzeitig den individuellen Verhältnissen der einzelnen Be- Reichskanzler meitergeleitet. Landwirtschaftsminister Dr. Steiget friebe genügend Rechnung getragen werden. Auch ein Personen schlägt vor, im Rahmen des Arbeitsbeschaffungsprogramms des mechsel innerhalb der Belegschaft würde hierdurch nicht verhindert. Reiches mit größtem Nachdruck für die Berücksichtigung der land­Das Staatsministerium einigte sich ferner darauf, durch eine wirtschaftlichen Meliorationen einzutreten. Der Land vorübergehende Berlängerung der Schulpflicht wirtschaftsminister stellt ein auf drei Jahre berechnetes um ein weiteres Jahr ein 3 u strömen von neuen Arbeits- Meliorationsprogramm auf, das für die Ostprovinzen träften auf den Arbeitsmarkt in der jegigen Rot- etwa 90 millionen Mart, für die übrigen Landesteile etwa 310 Mil­etwa 90 millionen Mart, für die übrigen Landesteile etwa 310 mil geit zu verhindern. Dabei ist daran gedacht, das weitere lionen Mark vorsieht, also jährlich rund 135 Millionen Schuljahr in erster Linie der Vorbereitung des Jugend- mart erfordert. Er verweist auf die große Bedeutung, die diesem lichen auf feinen tünftigen Beruf zu widmen und die Programm bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit zutomme. Da Ausbildung, die er so erfährt, bei seiner späteren Berufsausbildung nämlich bei Meliorationen durchschnittlich 70 Broz der aufzu­wendenden Mittel auf Löhne entfallen, so würden etwa 94,5 Mil lionen Mark jährlich für Entlohnung Berwendung finden und 78 000 Arbeitern auf diese Weise eine Beschäftigung sichern.

in angemessenem Umfang zur Anrechnung zu bringen. Lediglich für diejenigen Jugendlichen, die das Ziel der Bolksschule nicht erreichen und über beren mangelhafte elementare

Umsturz in Brasilien  .

Die Marine stürzt die Regierung.

Rio de Janeiro  , 24. Oktober. Die Regierung ist gestürzt. Präsident Washington Luiz hat seinen Rücktritt erklärt.

Jezt hat also zu guter Lezt auch in der weitaus größten füdamerikanischen Republik  , in Brasilien  , die Revolution" gefiegt. Revolution? Wenn eine Offiziers- und Bolififerclique die andere nach einem mehr oder minder langen und blutigen Bürgerkrieg ablöst, so ist das in unseren Augen noch lange teine Revolution. Höchstens ein gewaltsam durchgeführter Personenwechsel, der auf die soziale, wirtschaftliche und sogar auf die politische Entwicklung des Landes keinen fühlbaren Einfluß ausübt.

einigermaßen organisiert ist: und es ist wohl kein Zufall, daß gerade Uruguay   von jenen Cliquenfämpfen zwischen rivali fierenden Militärs und Politikern verschont geblieben ist, die fich stolz ,, Revolutionen" nennen.

Diese politische Rückständigkeit der südamerikanischen Republiken hatte Genosse Hilferding   in seinem Referat auf den Kieler Parteitag 1927 treffend charakterisiert:

,, Die Demofratie egiftiert nur, wo starte, mit politischem Bewußtsein erfüllte proletarische Organisationen dahinterstehen; sonst geht sie zugrunde. Sehen Sie sich die füd. amerifanischen Staaten an! Famose Verfassungen, Demo­tratie in Ordnung, aber feine proletarische Organisation, Cliquen­wirtschaft, Militärputsche ufm.. eine vollständige Verlodderung. weil Demokratie nur möglich ist, wenn eine starte bewußte Arbeiterklasse dahintersteht."

So stehen wir dem vorläufigen Abschluß des Bürger krieges auch in Brasilien   ziemlich gleichgültig gegenüber. In Ländern, in denen die Bevölkerung, die zum größten Teil aus Das Volt" jubelt? Was beweist das schon! Als kürz- Mischlingen besteht, oft mit den rücksichtslosen Methoden des lich in Argentinien   Irigoyen gestürzt wurde, lag Buenos Frühtapitalismus ausgebeutet wird, werden sich die wirt Aires tagelang im Freudentaumel. Dabei hatte erst wenige fchaftlichen Zustände nicht im geringsten deshalb ändern, weil Monate zuvor die direkte Präsidentenwahl durch das Volk ein Irigoyen durch einen Uriburu, oder ein Washington Luis eine ungeheure Mehrheit für ihn ergeben. Und viele von durch einen General Castro gestürzt worden ist. Für die aus denen, die jetzt in Rio de Janeiro   Todesrufe gegen den zurück- ländischen Kapitalisten, namentlich die Nordamerikaner, die getretenen Bräsidenten Washington Luis   ausstoßen, ihr Geld mit Hilfe der gestürzten Machthaber nugbringend dürften noch vorgestern zum Kampfe gegen die Rebellen auf- investiert haben, mag der Personenwechsel von beunruhigender Bedeutung sein, und es scheint in der Tat, als ob die gefordert haben. Diese politische Unreise der südamerikanischen Volksmassen Washingtoner Regierung d. h. die Finanzgrößen von Wall ist nicht zuletzt durch das Fehlen einer nennenswerten moder- street, einen neuen schweren Nackenschlag erhalten hat. Aber nen Arbeiterbewegung zu erklären. Außer in darüber hinaus sollte man den Ereignissen in Brasilien   keine Argentinien  , wo gewiffe Anfäße einer sozialistischen   und übermäßige innenpolitische und erst recht feine internationale gemertschaftlichen Bewegung vorhanden sind, gibt es eigentlich Bedeutung beimessen. nur- einen Staat, nämlich ll ruguay, wo die Arbeiterschaft

( Weitere Meldungen fiehe 3. Geite.)

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Das Ende der Staatspartei.

Und das Ende des deutschen   Liberalismus. Von Anton Erkelenz  .

Rein verständiger Sozialdemokrat wird sich freuen über ben 3 usammenbruch der Staatspartei und mit ihr der Demokratischen Partei. Aus den Erinnerungen und Staat ist die Demokratische Partei   nicht wegzudenken. Gewiß. aus den geschichtlichen Leistungen seit 1918 für den neuen Der große Machtförper dieser zwölf Jahre war und ist die Sozialdemokratische Partei  . Auch das Zentrum war und ist, vermöge seiner fatholischen Massen in bestimmten Landesteilen, für die Republik   ein bedeutender Machtfaktor. Eine Macht in diesem Sinne war die Demokratische Partei  . nie. Und dennoch war sie unentbehrlich für den Aufbau des neuen Staates. Sie war eine geistige Macht, nicht aus einer geschlossenen Ideenwelt heraus, sondern weil sie den Zugang hatte zu einem Teil, zeitweise zu einem großen Teil des geistigen Deutschland  ! Ohne die geschlossenen Macht­formationen der Sozialdemokratie wäre die Republik   längst nicht mehr. Aber ohne den Zuzug der ein bis zwei Millionen der ,, Gebildeten" aus der Lehrerschaft, auch einzelner Teile der Unternehmerschaft wäre die Deutsche   Republif viel schwächer gewesen und geblieben, als sie heute ist.

Mit der Demokratischen Partei sinkt der Liberalisa mus als politische Macht dahin. In einer Zeit, die nicht mehr ganz zum Kapitalismus zurück und die auch noch nicht den neuen Geist, die neuen Formen finden kann, die wachsen müssen und werden, fönnte ein entschlossener, sozial verantwortungsbewußter Liberalismus noch einmal eine ent­scheidend wichtige Aufgabe erfüllen. Liberalismus ist als Ge fationsform aber fintt rettungslos hin. Es gibt nur noch finnung auch immer noch vorhanden. Seine politische Organi Reste eines politischen, organisierten Liberalismus, obwohl es noch viele Liberale gibt. Ein großer Teil von ihnen wurde mehr und mehr gezwungen, die Erfüllung ihrer Ziele zu demokratie. Die anderen werden bald noch folgen müssen, suchen in Anlehnung an die Arbeitnehmermassen der Sozial­menigstens alle diejenigen, die nicht einfach im ,, bürgerlichen" wollen. Der Kampf um die Ideale, der Kampf Opportunismus der Deutschen Volkspartei   untertauchen um das Morgen bleibt allein der Sozial demokratie. Das englische Beispiel ist darin fast ebenso schlagend wie das deutsche.

Die Wurzeln der bisherigen Demokratischen   Partei waren in der Borkriegszeit vor 1910 die Wähler der damaligen Freisinnigen Volkspartei   und der Freifinnigen Vereinigung. In der ersteren sammelte sich der letzte Rest des radikalen und liberalen Kleinbürgertums von 1848, der diese Ideen teils noch bewußt gepflegt, teils nur traditionell weiter. getragen. Die Freifinnige Vereinigung war, besonders unter dem Einfluß von Barth und Naumann, eine Führer­gruppe von Intellektuellen, erfüllt vom Staatsgedanken und von dem Bewußtsein sozialer Pflicht für die Aufsteigenden, für die Hungrigen. Naumann usw. wollten hauptsächlich für die Arbeitnehmer und für den Staat wirfen. Es war- jetzt nachträglich sehe ich das deutlicher als damals eine fast unlösbare Aufgabe, eine" einbürgerliche Wählerschaft für die schwerste aller politischen Aufgaben, für eine Einordnung der Arbeitnehmerschaft in Staat und Nation zu gewinnen. Das gelang noch, solange die eiserne Reaktion des wilhelminiſchen Beitalters die Ideale und Gefühle des liberalen Kleinbürger­tums täglich verletzte und noch einen Rest achtundvierziger Stimmung wach erhielt. Als nach dem Kriege mit der Er­füllung dr achtundvierziger Ideale dies Band wegfiel, ging auch dieser Teil des Kleinbürgertums schnell zur Interessen politit über und wurde reaktionär. Damit verlor die Demokratische Partei   ihre soziologische Grundlage, ihre bis dahin noch einigermaßen leidliche innere Festigkeit. Das liberale Bildungselement war in sich nicht fest genug, um einen Rahmen unerschütterlicher Organisation zu schaffen. Treu blieben der Demokratischen Partei bis in die letzten Jahre hinein vier Gruppen: 1. Die Träger des Naumannschen Ideals des sozialen Liberalismus; 2. Arbeiter und Angestellte, die aus vielen Gründen nicht den Weg zur Sozialdemokratie finden fonnten; 3. ,, bürgerliche" Elemente, die aus ähnlichen Gründen nicht den Weg zur Sozialdemokratie fanden; 4. der Rest der Freihändler und die viel größere Zahl derjenigen, die für weitgehenden Güter- und Geistesaustausch eintraten. Kurz nach der Wahl 1928 schon trat die Gruppe 4 fast restlos aus. Die Dietrichsche Agrarpolitik, illiberal und auf Konservierung der landwirtschaftlichen Besitz- und Arbeitsmethoden eingestellt, führte zu einer Massenflucht be­sonders des Handels. Was parteipolitisch um so wichtiger war, als diese Kreise meist auch noch zu den sonst spärlichen Geldgebern gehörten. Die zahlenmäßig stärkste Gruppe waren danach die Arbeitnehmer, obwohl schon im Laufe der Jahre durch die schwankende Politik der Partei viele stille Abwanderungen nach links stattgefunden hatten. So haben vor und bei der Wahl schon Hunderttausende Demokraten   den Weg zur Sozialdemokratie gefunden und der Abfluß von der Demokratischen Partei ist unter dem Druck der Ereignisse nach der Wahl noch größer geworden. So schnell und unter so