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Alsdorf . 25. Oktober. Unter grauvcrhangenem Himmel pilgerten om frühen Morgen die Angehörigen der Opfer der Grubenkotaftrophe und mit ihnen fast alle Einwohner von Alsdorf und den schwer- betroffenen Hachbargemeinden Kellersberg und Schaufenberg zu den Trouerfeiern, die mit Seelenämtern und Trauergottesdienflen be- ganncn. Die Häuser haben halbmast geflaggt: schwer und steif hängen die durchnagten Jahnen herab. Geistliche treffen von aus- wärts ein. Am Kasino der Grubenverwaltung sind die Bergknappen in ihrer schwarzen Tracht mit Barett und Jederbusch, die brennende Grubenlampe in der Hand, angetreten. Sie werden den Toten das letzte Geleit geben. Bon auswärts treffen viele Kraftwagen ein. Die mit einem Ausgebot von 500 Mann anwesende Schutzpolizei hat Mühe, die umfassenden Absperrungsmasznahmen aufrechtzuerhalten. Auch Lastkraftwagen, mit Tannengrün aus- geschlagen, die die Toten vom Verwaltungsgebäude zum Jriedhos bringen werden, treffen ein. Einfache weihe Kreuze werden auf Magen geladen: sie tragen nur den Bamen des Toten und haben alle die gleiche Jorm. In des Verwaltungsgebäude werden unaus- hörlich Kränze und Blumen getrogen und vor den Särgen niedergelegt. Vor den(Särgen. Zu der Traucrfeier in der Waschtaue, im Verwaltungsgebäude und in den anschließenden Hallen hatten sich nebe» den Angehörigen der Opfer viele Vertreter von Behörden und Verbänden eingefunden. Man sah nebe» den Ministern den Oberpräsidenten und die Regierungspräsidenten der Rheinprovinz , Vertreter des in- und ausländischen Bergbaues. Vor den Särgen und überall an den Wände» sah man Kränze, deren Schleifen die Farbe» vieler Länder und Städte trage». Der Trauerschmuck wurde durch zahlreiche Lorbeerbäume vervollständigt. Als erster sprach Generaldirektor Dr. Westermann. Daraus nahm Reichsarbeitsministcr Dr. Stegerwald als Vertreter des Reichspräsidenten , des Reichskanzlers und der Reichsregierung das Wort. Unendliche Trauer, so führte er unter anderem aus, liegt über ganz Deutschland , und mit unserem Volke trauern fast alle Völker der Welt um die Helden der Arbeit, vor deren Särgen wir aus? tiefste erschüttert stehn. Die Regierungen von Frankreich und von Südslawien haben besondere Vertreter zur heutigen Trauer- feier entsandt. Namens der Rcichsregierung danke ich für die da- durch zum Ausdruck gebrachte Teilnahme a» unserem deutschen Unglück. Unser herzliches und aufrichtiges Mitgefühl gilt vor ollem den Hinterbliebenen und Verletzten. Was irgend getan werden kann, um ihr Leid zu lindern, sie vor Rot zu Utewahren, soll und wird geschehen. Im Namen der preußischen Stalsregierung drückte Handels- minister Schreiber den Angehörigen der Opfer die wärmste Anteilnahme aus. Tief erschüttert stehen mir, so erklärte er unter anderem, a» den Särge» all der brave» Bergleute, die mitten in friedlicher Arbeit von furchtbarer Katastrophe überrascht, so jäh dem Leben und ihren Lieben entrissen wurden. Den seelischen Schinerz der Anghörigen können wir nicht lindern, so wollen wir wenigstens die äußere» Lasten erleichtert» und ihnen dadurch über die schwerste Not himvegl�elfen. Dr. Schreiber sprach dann die Hoffimng aus, daß es der Untersuchung gelingen möge, die Ursache der Katastrophe zu klären und neu« Mittel und Wege zu finden ziir Abwehr der Gefahren, die immer noch den Bergbau i'Mlquern. Alles werde geschehen, was irgend in Menschenhänden liege, um die Wiederkehr' ähnlicher Katastrophen zu verhüten. Der Minister schloß mit Wünschen sür die baldige Genesung der Vcr- mundeten und herzliche» Danlcswortcn an alle, die npscrmutig ihr Leben für die Bergung der Verunglückten einsetzten. In dem Dunkel dieser Traucrtage ist hie Tat der Rettungstruppen ei» leuchtendes Zeichen bergmännischer Kameradschaft. Den Toten ober weihen wir als Abschiedsgeruß zur letzten Grubenfahrt den alten Bergmannsgruß: Glückauf. Im Namen der Arbeiterschaft sprach das Betriebsratsmitglied Wacker: Tief erschüttert stehen wir an der Bahre unserer toten Kameraden. Gestatten Sie mir als Vertreter der. Belegschaft, ihnen ein letztes Gedenken zu widmen. Grausame Ernte habe der Tod s gehalten. Wohl keiner von den getöteten Bergleuten Hab« ani 21. Oktober, als sie wohlgemut zur Arbeit einfuhren, daran gedacht, � daß diese Schicht ihre letzte sein würde. Nach Wünschen für die baldige Genesung der Verwundeten schloß Wacker: Mögen alle Stände das schwere Los des Bergmai, es erkennen und mit uns danach streben und dahin wirken, daß der Bergarbeiterschutz weiter «rusgebaut wird, damit wir in Zukunft von solchen Unglücke» ver- schont bleiben. Ihr toten Kameraden, Glückauf, auf Wiedersehen.
Es folgten die Ansprachen der Geistlichen der drei Konfesstonen, die Trostworte an die Angehörigen der Verstorbenen richteten. Dann nahmen die Vertreter der verschiedenen Gewerkschaften das Wort. Auch sie versicherten den Angehörigen die tiefste Anteil- nähme und gaben dem Wunsch Ausdruck, dag alles getan werden möge, um in Zukunft solche Katastrophen zu verhindern. Im Namen des Verbandes der Bergbauindustriearbeiter, des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes und der in der Berg- bauinternationale zusammengeschlossenen Gewerkschaften sprach der Borsitzende des Bergarbeiterverbandes, Reichstagsabgeordneter H u f e m a n n. Er forderte im Namen der Toten all« Anftrengun- gen, die Frage der Ursache des Unglücks zu klären, und wenn Schuldige ermittelt würden, sie zur Rechenschaft zu ziehen. Im Namen der Lebenden forderte er die Untersuchung, damit in Zukunst alle die Fehler vermieden werden, die zu solchen Unglücken führen könnten. Es müsse noch viel mehr als bisher getan werden, um das Leben der Bergarbeiter zu schützen. Zum Schluß überbrachte ein Vertreter des holländischen Roten Kreuzes die Beileidsgrühe Hollands . Noch einem Choral setzte sich dann der Trauerzug in Bewegung. In Alsdorf selbst werde» 1Z7 Tote, davon 77 Alsdorser, beerdigt, in Kellersberg S7 und in Schauffenberg 10.' Vie Totenfeier im Rundfunk. Um Uhr begann die Uebertragung der Totenfeier für die 262 Opfer von Alsdorf auf den Berliner Rundfunk. Man hörte zunächst eine Reihe Trauerreden — Worte schmerzlichsten Abschieds, tiefen Mitgefühls, bewegten Gedenkens. Auch Vertreter der Kameraden aus der Grube sprachen, offenbar christlich-religiös
Deutscher Dampfer beschossen. New Aork, 25. Oktober. Der Hapag-Dampfer„Bade n" wurde vom Fort Eopacabana unter Feuer genommen, als er den Hafen van Rio verlassen wollte. Die„Baden" kehrte sofort nach Rio zurück und landete 18 Per- fönen, die durch das Artilleriefeuer getötet oder ver- w u n d e t worden sind. Der deutsche Dampfer war mir P a s s a- gieren und Post an Bord von Hamburg nach Buenos Aires gegangen. Der Justizminister der neuen Regierung hat sein Bedauern über den Vorfall ausgesprochen und die W i e de r g n t m o chn» g versprochen.
Der veugewähltc Präsident von Brasilien , P r c st c»(links), dessen Amtsübernahme durch den Militärputsch verhindert wurde, und der jetzt gestürzte Präsident Washington Luis Perreira de Snfa(rechts), der infolge der Revolution zurücktrat.
gläubige Männer, die Opfer des immer gefahrdrohenden Stein- kolstenbcrgbaues beklagend. Während der Rede des preußische« .Handelsministers hört« man eine Frauenstimme ausschluchzen. Zlußer den christlichen Priestern sprach, da auch ein Jude unter den Toten ist, ein Rabbiner, er unterließ religiöse Worte, mahnte aber, daran zu denken, daß hunderttausende Arbeiter in Deutsch - land ständig von Lebensgesahr bedroht sind. Nach der Einsegnung trug man die 262 Särge ins Jreie. Orgelspiel überbrückte die lange Zeit, die diese traurige Arbeit be- anspruchte: Oratorien-, Fugenmusik, Chopins Trauermarsch. Nach längerer Zeit war das Heraustragen der Särge aus der schwarz- verhangenen Waschkaue, dem Reinignngsraum der Kohlenhäuer» beendet. Wieder Orgelmusik. Zu den wehmütigen Weisen, die die Bergmannskapelle spielt, werden dann die kranzbedeckten Särge unter dem Geleit der Angehörigen, der Kameraden, der Geistlichen beider christlichen Kirchen abgefahren—, die aus Alsdorf und die aus Schaufenberg und aus den anderen Orten, der Umgebung. Die schluchzende Menge der Trauernden drängt herzu, macht wieder Platz, die Motoren der Totenwagcn springen an. Dieses langwierige Abfahren der Särge muß furchtbar er- schütternd gewirkt haben, man merkte das der Stimme des Ansagers wohl an. Drei Hekatomben schwerarbeitcndcr Kumpels sind wieder da- hin, gefolgt den Toten so vieler Bergwerkskatastrophen: Courrieres , Radbod, Dorstfeld, Neurodc—, ein paar Namen. Endlos ist die Reihe. Das alte Kampflied des sozialistischen Proletariats klingt uns in Ohr: Wer schafft das Gold zu Tag«....
Bei der Hapag in Hamburg ist bis heute mittag keine weitere Nachricht«ingegangen, als daß die„Baden" gestern nachmittag um 3 Uhr brasilianischer Zeit Rio de Janeiro angelaufen und um 7 Uhr abends den Hafen in Fortsetzung ihrer Reise nach Buenos'Aires wieder vorlassen habe. Ob die Meldungen, die von 18 Toten und Verletzten durch die Beschießung des Dampfers spreche», zutreffen, bleibt daher abzuwarten. Das Programm des Diliators. Rio de Janeiro (über New Port), 25. Oktober. Die neue Regierung hat ein längeres Manifest über ihre Politik verössentlicht, in dem sie die Auslösung des Paria- ments ankündigt. Es soll ein neuer Kongreß eine neue Per- iassung ausarbeiten. Weiter ist die Einführung einer Ein- heitssteuer und anderer politischer Reformen geplant.-Die neue Regierung will solange die Macht in Händen behalten, bis die unmittelbaren Ziel« der Revolution erreicht seien. Die i n t e r n a t i o- nolen Verpflichtungen würden eingehalten werden. Haupt- ausgäbe der Regierung sei vorläufig die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung sowie der nationalen Einheit. Der Staatsstreich ist in der Hauptstadt nicht ganz so u n- blutig verlausen, wie man annimmt. Bei den Aus- schreitnngen in der Stadt sollen mehrere Personen getötet und etwa 60 verwundet worden sein. Für annähernd 20 Millionen Pesos Sachschaden soll durch Zerstörung van Gebäuden und Druckereien sieben antirevolutionörer Zeitungen an- gerichtet worden sein. Oer neugewählte Präsident geflüchtet. TXexo Port. 25. Oktober. Der neugewähli« Präsident, Dr. Julia Prestes, der am 15. November sein Amt antreten sollte, scheint aus Brasilien ge- flohen zu sein und sich vom politischen Leben zurückziehen zu wollen. Die Revolution ist vor allem infolge der Unzufriedenheit über die Methoden bei der Wahl Prestes ' ausgebrochen. Es dürften Neuwahlen erforderlich sein, denn es ist nicht anzunehmen, daß di- Revolutionsregierung ihrem politischen Gegner trotz des Sieges der revolutionären Bewegung die Macht überlassen wird.