1930
Der Abend
Erfcheint tåglich außer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin SW68, Lindenstr. 3
Spälausgabe des„ Vorwärts
10 Pt.
Nr. 504 B251
47. Jahrgeng
66 Anzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezeile
80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Poftfcheck konto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin Nr. 37536. Fernsprecher: Dönhoff 292 bis 297
Das neue furchtbare Grubenunglück bei Saarbrücken hat nach den letzten Nachrichten 99 Tote gefordert. 85 Tote sind geborgen. Im Lazarett sind drei Verlegte gestorben. Unter Tage liegen an einer Stelle, die aber nicht zugänglich ist, noch vier Tote. Außer diesen 92 Toten werden noch sieben Bergleute vermißt, die sich ebenfalls in dem brennenden Stollen befinden und als tot gelten müssen.
Wegen der bis zur Unerträglichkeit gestiegenen Hize in den Stollen sind die Bergungsarbeiten zur Zeit eingestellt worden. Man vermutet noch etwa zehn Berunglückte unter Tage, von denen indes teiner mehr am Leben sein dürfte. Im Laufe des heutigen Tages sind die Angehörigen der Berunglückten an die Bahren geführt morden, um die Toten zu identifizieren. Die Beisetzungsfeierlichkeiten find auf kommenden Mittwoch angesetzt.
Der Generalsekretär der Dominialminen, Raspail, hat der fran zösischen Presse eine Erklärung abgegeben, in der es u. a. heißt, Daß die Schäden in Friedrichsthal sehr beträchtlich seien. Trotzdem fönne man jetzt schon sagen, daß die Grube gerettet sei. Die genauen Ursachen der Katastrophe stünden zur Zeit noch nicht feft. Doch liege die Bermutung sehr nahe, daß man es mit schlagenden Wettern zu tun habe.
Einer im Schacht beginnenden Feuersbrunst fei eine schwere Explosion gefolgt.
Wenn das Unglück nicht noch größeren Umfang angenommen habe, so sei das in erster Linie der Kaltblütigkeit des Chefingenieurs und des höheren Personals zu verdanten. Man jei sofort bis zum Brandherd vorgedrungen und hätte ihn mit Grubenwasser eingeschränkt. Zur Zeit der Ratastrophe seien 700 Bergarbeiter in der Maybach- Grube beschäftigt gewesen. Das Unglüd habe sich durch eine starke Rauchentwicklung aus dem Schacht angekündigt, während die Explosion selbst von außen her nicht zu hören geweesn sei. Als das Alarmsignal ertönte, jeien die Bergarbeiter mit größter Be
Ex
SAARGEBIET
SAAR
Quierschied
fchleunigung zu Tage gefördert worden, wobei man festgestellt habe,
daß 110 Mann fehlten. Die Opfer seien in einem Stollen in 600 Meter Tiefe beschäftigt gewesen. Der französische Außerminister Briand hat an den Präsidenten der Saarländischen Regierungsfommission, Sir Ernest Wilton, ein Beileidstelegramm gerichtet, in dem es u. a. heißt, die Regierung der französischen Republik neige sich ehrfurchtsvoll vor den Opfern der Katastrophe. Die Regierung bitte, den betroffenen Familien ihr tief gefühltes Beileid und den opfermütigen Rettern ihre lebhafte Anerkennung auszusprechen.
Berichte von Geretteten.
Einer der Kumpel hat seinen Kameraden eine Strede mitgeschleift, che ihn giftige Gafe zwangen, seine Laft abzuwerfen. Ergreifend die Szene, wie ein Jahrhauer seine Grubenlampe fordert; er mill zurück in den Schacht, will vordringen in das undurchdringliche Dunkel durch die zufammengestürzten Gesteins massen; denn er weiß. unten liegen sein Bruder und sein Schwager. Drei Bergleute, die man schon zu den Vermißten zählte, waren lange Zeit in den Schwaten umhergeirrt, bis ihnen frische Luft den Weg zum Jungwald- Schacht wies, aus dem sie dann ins Freie lamen. Die Hize und die Schlagmetterſchmaden machen die Arbeiten der Rettungsmannschaften außerordentlich; chwer, die mit ihren Apparaten nur langjam vorwärts dringen können. Es ist jo gut wie ausgeschlossen, daß auch nur einer von den Eingeschlossenen noch lebend geborgen werden kann. Die Schilderungen der zur Ruhe gezwungenen Bergungsmannschaften geben ein Bild von der heldenhaften Arbeit und von dem furchtbaren Anblick, der ihnen in der
Tiefe begegnet. Dauernd befinden sie sich im harten Kampf mit den Schwaden und trotz aller Anstrengungen begegnen sie nur Toten und Toten. Schauerlich ist der Anblick verbrannter und erstickter Menschen. Auf den Straßen begegnet man überall weinenden Frauen, die, von Kameraden ihrer verunglückten Angehörigen gestüßt, nur langsam den Weg durch den dunklen Wald in ihr Heim finden. Hoffnung hat niemand mehr und trotzdem verhaart die schwer geprüfte Menge die ganze Nacht bis zum frühen Morgen hindurch am Gitter der Eingangstore, mo viele Frauen ohnmächtig zusammenfinfen. Die Grube Maybach wurde das leztemal 1907 Don einer Schlagwettererplosion heimgesucht, die 150 Bergleuten das Leben gekostet hat.
Bisher haben zu dem Unglück ihr Beileid ausgesprochen der Reichspräsident an die Direktion der Maybach- Grube, der Reichsaußenminister namens der Reichsregierung dem Präsidenten der Regierungskommission des Saargebietes jowie der Oberpräsident der Rheinprovinz und der Bischof Dr. Bornewasser. Zur Linderung der bittersten Not hat die Regierungstommiffion 200 000 Franten bewilligt.
Bei dem Präsidenten der Regierungskommission sind ferner Beileidstelegramme der französischen Regierung und des Ministers für öffentliche Arbeiten eingegangen.
Die Bergungsarbeiten.
Saarbrüden, 27. Oftober. Die Bergungsarbeiten auf Grube Maybach sind im Laufe der
Nacht fortgesetzt worden. Bis jetzt sind 86 Leichen zutage gebracht.
2 Tote liegen noch unter Tage, 3 Bergleute werden vermißi. Von den Verlegten find 4 schwer verwundet, 4 gestorben, 16 leicht verletzt und einer bereits entlassen. Was die Ursache des Unglücks betrifft, o fann nunmehr als feststehend angesehen werden, daß es sich um eine Schlagwetter- und Kohlenstaubexplosion handelt, die dann durch Gesteinstiefelung lokalisiert worden ist. Böllig unzutreffend sind die Gerüchte, daß am gestrigen Sonntag auf Grube Maybach eine neue Explosion stattgefunden habe. Diese Gerüchte erklären sich dadurch, daß gestern die brennenden Gase, nachdem sie berieselt und gelöscht worden waren, durch Wetterlufen an die Oberfläche gesaugt wurden; bei dem diesigen Wetter fanden die Rauchwolfen teinen jonellen Abzug.
*
,, Petit Journal" läßt sich von seinem nach Maybach entsandten Sonderberichterstatter melden, die Annahme, daß die Grubenfatastrophe auf Explosion einer Benzollokomotive zurückzuführen sei, treffe nicht zu. Technische Sachverständige betonten übereinstimmeno, daß es sich bei der Katastrophe um nichts anderes als um Schlag metter handeln könne und daß erst im Augenblick der Explosion eine Breßluftlokomotive, die sich in dem betreffenden Schacht befand, aus den Weichen gesprungen und gegen die Wand geschleudert worden sei.
Betit Journal" hat sich beim Sig der Saargrubenverwaltung in Paris über die näheren Umstände der Katastrophe auf Grube Maybach unterrichtet, und will auch hier die Bestätigung erhalten
|
In der Schachlanlage Maybach bei Quierschied ereignete sich am Sonnabend eine Schlagwellerexplosion. Unser Bild zeigt Angehörige und Sanitäler, die im Eingange des UnglücksSchachts auf neue Transporte Geborgener warten.
haben, daß es sich um Schlagwetter handeln müsse, weil keine Benzollokomotive in Gebrauch gewesen sei. In der Maybach- Grube wurden, wie betont wird, nur Trecker mit Preßluft verwendet.
Motorradunglück: Vier Tote!
-
Zwei Räder ineinandergeraft. Ohne Licht gefahren! Neustrelit, 27. Offober.
Vor dem Eingang zur Fajanerie in der Nähe von Neuftrelik ftießen am Sonntagabend 3 wei Motorräder zusammen. Dabei wurden drei Personen sofort getötet und eine vierte so schwer verletzt, daß sie auf dem Transport ins Krankenhaus starb. Bei dem Zusammenprall der Maschinen wurde noch eine Radfahrerin, die mit ihrem Fahrrad zwischen die Maschinen geriet, leicht verletzt. Das Rad wurde erheblich beschädigt. Die Schuldfrage ist noch nicht geflärt. Wie verlaufet, ist einer der Moforradfahrer ohne Licht ge. fahren.
Ganze Familie verbrannt.
Ehepaar mit fünf Kindern in den Flammen umgekommen. Paris , 27. Oftober.
Wie aus Madrid gemeldet wird, forderte ein furchtbares
Brandunglück auf einem Landgut in Soberbing in der Nähe
von Olivares das Leben einer fiebenköpfigen Familie. Auf dem Gut, das dem ehemaligen Torero Torres gehört, bradh Feuer aus. und dehnte sich mit ungeheurer Geschwindigkeit auf die Nebengebäude des Gutes aus. Das Dach des Wirtschaftshauses, in dem ein Angestellter mit seiner Frau und seinen fünf Kindern wohnte, stürzte zusammen und begrub die Bewohner unter den Trümmern. Nach mehrffündigen Bemühungen fonnten die Unglücklichen nur noch als verkohlte Leichen geborgen werden.
Naziführer als Mörder.
Den Gegner durch sechs Revolverschüsse getötet. Mainz , 27. Oftober.
Am Sonnabendabend kam es zwischen dem auf Urlaub befindlichen Sohn des verstorbenen Altbürgermeisters Haupt in Bodenheim , einem Studenten, und dem bei der Familie beschäftigten 30jährigen Dienstknecht Arzberger, dem Führer der dortigen Hitler: Leute, zu einer Auseinandersetzung, in deren Verlauf der Knecht einen Revolver zog und den Studenten durch sechs Schüsse tötete. Der Täter wurde von der erregten Bevölkerung so verprügelt, daß er mit lebensgefährlichen Verlegungen ins Kranten haus eingeliefert werden mußte.