und daß es zweitens die von der Sozialdemokratie vertretene Verständigungspolitit mar, die alle bisher erfolgten Revisionen herbeigeführt hat.
So bedeutete schon der Dames- Blan von 1924 eine Revision des Londoner Zahlungsplans von 1921, der YoungBlan von 1929 wiederum ist ein revidierter Dames- Plan. In dem Wunsch, auch diesen Young- Plan meiter zu revidieren in der Richtung auf 0,0 gibt es in Deutschland sicherlich feinen Unterschied der Parteien. Es gibt nur einen Unterschied zwischen denen, die in sorgfältiger Bertretung deutscher Bolts interessen mit den nüchternen Tatsachen rechnen, und den anderen, die aus Gründen parteidemagogischer Propaganda Illusionen hochzüchten.
So früh oder so spät die nächste Revision auch fommen mag, sicher ist, daß wir kein Mittel befizen, fie zu erzwingen, sondern daß wir dabei wiederum auf Verhandlung und Ver ständigung angewiesen sein werden. Es ist schon ein Unfinn, wie er nur in der Politik möglich ist, wenn man auf der einen Seite die schleunige Revision des Young- Plans fordert, auf der anderen aber versichert, die Ber ständi gungspolitif sei erledigt und maujetot. Hat die Berständigungspolitik teine Aussichten mehr, dann bleibt nur zmeierlei übrig: entweder Krieg zu führen oder sich willenlos mit dem gegebenen Zustand abzufinden.
Unsere nationalistischen Gegner, die wissen, daß sie keinen Krieg führen können und die sich doch auch gewiß nicht mit dem gegebenen Zustand abfinden wollen, sind in Wahrheit viel größere Optimisten der Verständigungspolitik als wir. Sie fordern Widerruf der Beschuldigung, daß Deutschland den Krieg verursacht habe, Erlaß der Kriegsentschädigung, Rückgabe des Korridors, Oberschlesiens , der Kolonien, Abrüstung der anderen Staaten in dem gleichen Maße wie Deutschland abgerüstet hat, und noch einiges mehr. Die Er füllung aller dieser Forderungen könnte, da kriegerische Mittel durch Vertrag und nach Lage der Dinge ausgeschlossen find,
nur das Ergebnis von Verhandlungen sein.
Unsere nationalistischen Gegner schreien, die Verständigungspolitik sei tot. In Wirklichkeit sind sie die Illusio nisten der Verständigung, während wir ihre Realpolitiker sind. Daß man Artischocken nur blattmeise essen kann, bemerkte übrigens auch schon Bismarc.
Allerdings besteht auch sonst zwischen jenen und uns ein tiefgehender Unterschied, der eben jetzt wieder in der Beurteilung der neuesten Mussolini Rede zu stärkstem Ausdruck kommt. Jene glauben, durch die Drohung mit einer deutsch - italienischen Kooperation den Druck auf den Verhandlungsgegner verstärfen zu können. Wir glauben an diese Möglichkeit nicht und sehen in jedem Bersuch, mit ihr zu spielen, eine schwere Bedrohung des euro päischen Friedens.
Franzen vor Gericht.
Am 5. November Berhandlung über die einstweilige Verfügung.
Die Redaktion des Braunschweiger Boltsfreund" hat gegen die einstweilige Verfügung, die der Naziminifter Franzen gegen fie erwirkt hat, Einspruch erhoben. Ueber diese Berfügung wird am 5. Jonember 1930 vor dem Landgericht Braunschweig öffentlich verhandelt. Das persönliche Erfheinen von Franzen ist an geordnet
Die fozialdemokratische Interpellation über den Fall Franzen wird am 30. Oktober im Braunschweigischen Landtag verhandelt werden.
Die Rechtspresse hat bisher den Fall Franzen in peinlichster Berlegenheit totzuschweigen versucht. Nach der Befanntgabe der offiziellen Einfeßung eines Strafperfahrens und nach der Ankündigung des Reichsinnenministers ist die Rechtspreffe gezwungen, das Schweigen zu brechen. Nun hört man plöglich, es handle sich nur um eine per sönliche Angelegenheit des Ministers, um Irrtum und Uebertreibung. Alle Mittel der Bertuschung werden versucht von der Hugenberg Preffe bis zur Kreuz3eitung".
Diese Parteinahme der konservativen Presse für Franzen hat auch ihr Gutes. Man weiß nun, was man dort unter der gerühmten altpreußischen Be amten torreftheit versteht! Herr Franzen hat nicht nur inkorrekt gehandelt, er hat sich vielmehr gerade des jenigen Bergehens schuldig gemacht, das das Gegenteil von Beamtenkorrektheit ist. Trotzdem wird er gedeckt, trotzdem soll sein Fall vertuscht werden.
Die Liebe zum Hakenkreuz ist in der Rechtspresse größer als die Rücksicht auf Konsequenz! Von der preußischen Korrektheit redet man nur, wenn es gilt, Sozialdemokraten zu verleumden, wenn es aber unt die Berfehlungen von Rechtspolitikern geht, läßt man alle Rücksicht auf die Korrettheit beiseite.
Um so nötiger ist es, diefen Herrschaften wirkliche Korrektheit beizubringen!
Große Worte der Nationalsozialisten.
Braunschweig , 28. Oktober. ( Eigenbericht.)
Die Braunschweiger Naziregierung betrachtet, wie ihr amtliches Organ heute abend verkündet, das Schreiben des Reichsinnen
minifters Birth als eine Einmischung in eine rein per fönliche Angelegenheit des Ministers Dr. Franzen, modurch das Bertauensverhältnis zwischen den Ländern und dem Reich auf das allerschwerste erschüttert werde. Das diftatorische Auftreten des Reichsinnenministers sei eine Verlegung der Würde des braunschweigischen Landes, für dessen Selbständigkeit einzig und allein die Partei Dr. Franzens eintrete. Die Antwort des braunschweigischen Staatsministeriums, die noch beraten werde, mürde eine Zurüdweisung der Einmischung des Reiches in die Angelegenheit Dr. Franzens darstellen. Die mehr volksparteilich fchillernden Braunschweigischen Neuesten Nachrichten" legen Dr. Franzen nahe, von sich aus auf die Immunität zu verzichten. Er wird in dieser Sigung lediglich eine RegierungsDer Braunschweigische Landtag tritt am Mittwoch zusammen. erflärung entgegennehmen, die Aussprache über den Fall Franzen erfolgt erst am Donnerstag.
Er wackelt!
Braunschweig , 28. Offober.( TU.) Die von dem Reichsinnenminister Dr. Wirth ins Auge gefaßte Sperre der Polizeifostenzuschüsse an das Land Braunschweig würde einen Betrag von jährlich 1289 000 m. qusmachen. Im Kabinett ist man sich darüber einig, daß man im Falle einer Sperre dieser Gelder durch das Reich entschiedenen Einspruch erheben werde. In weiten, der Regierung nahestehenden Kreifen ist man überzeugt, daß Braunschweigs Regierung und Cand nicht dafür bestraft werden könnten, daß etwa ein Minister nicht korrekt gehandelt habe. Trotzdem hat die Entwicklung, die die Angelegenheit in den letzten Tagen genommen hat, nicht dazu beigetragen, die Stellung des Minifters Franzen zu festigen.
Jn bürgerlichen politischen Kreisen sind starte Strömungen vorhanden, den Minister zu veranlassen, von seinem Amt zurückzutreten. Die Angelegenheit wird bis Mittwoch cutschieden fein müffen, da dann der Landtag zur Entgegennahme der Regierungserklärung zusammentritt.
Neumann Goebbels Theater.
Bor den Gefahren einer solchen Entwicklung soll man meder in Deutschland noch in Frankreich die Augen schließen. unerschüttert bleibt das Ariom der europäischen Politit, daß nur durch ein enges Einvernehmen zwischen Deutschland und Frankreich eine fünftige Ratastrophe vermieden Die nördliche Seite des Friedrichshains mar gestern Front under auf, bie blutrünftige Ranaille 3orgiebel" schimpfte. * merben fann, die beide Bölter in ihren Abgrund reißen würde. Kampfgebiet. Fast 700 Schußpolizeibeamten maren aufgeboten Einen Sas meiter aber brüstete er sich felbst damit, daß man in Eine deutsche Reichsregierung, die reale Berständigungs- orden, um die Rommunisten ind Rationalfasia. Rusland . mehrere tausend Menschen an die Wand gestellt habe. die in den beiden großeft Sälen am Friedrichshain BerReumann bettelte dann ble Nationalsozialistische Barber an; fie politik treibt und allen Lodungen auf die Bahn des Aben- fammlungen einberufen hatten, auseinanderzuhalten Schon am möge doch nicht immer gegen die Sowjetunion hezen, sondern teuers widerstrebt, wird stets bei der Mehrheit des deutschen Königstor begann die Absperrung. Die Straßenbahnen und Auto- einmal gegen den bösen Feind Frankreich marBolkes Verständnis finden. Vorausgesezt natürlich, daß sie busse durften nicht halten und die Straße zum Friedrichshain mar ichieren. Auch seine Anbiederungen, die Sowjetunión habe doch unter allen Umständen fest bleibt und eine flare Sprache polizeilich gesperrt. In den Prachtsälen am Märcheneine Rote Armee , die man zum Befreiungstampf zur Berführt. brunnen tagten die Kommunisten. Der Saal war überfügung stellen könne, zog nicht mehr. Als Neumann allzuviel füllt und die Polizei hatte ihn abgesperrt. Einige Kommandos der Schußpolizei ſtanden bereit, um Ausbrüche der kommuniſtiſchen Bersammlungsbesucher zu verhindern. Der größte Teil der Schuh polizei mar im Saalbau Friedrichshain postiert, meil es dort zum Krach tommen fonnte.
Große Vorstellung am Friedrichshain. - Heinz Neumann zweiter Sieger.
Die Nationalsozialisten hatten nämlich ursprünglich Die neue e rede Mussolinis scheint die künstlich geihre Eintrittskarten wahllos vertauft, und so hatten bald mehrere pflegte Langmut Frankreichs erschöpft zu haben. In parlamenta hundert Kommunisten Karten in den Händen. Als die rischen Kreisen verlautet, der Ministerpräsident Tardieu beab- Nazis das merkten, gaben sie Karten nur noch an SA.- Leute aus. fichtige, die außenpolitische Debatte in der Kammer zum Beginn der Die Versammlung der Nationalsozialisten war mit etwa 1200 Natio Herbsttagung dazu zu benutzen, um Mussolini die notwendige Ant- nalsozialisten und 300 Kommunisten besetzt. Die SA .. die wieder wort zu erteilen. Selbst die sonst mit dem Faschismus start lieb ihre rote Armbinde trug, war rings an den Wänden im Saal postiert. äugelnde Rechtspresse ist jetzt entrüstet. So erflärt das Man hatte sogar noch eine Anzahl Parteimitglieder in die SA.Echo de Paris", dessen Außenpolitifer Bertinag bisher Abteilungen gesteckt, die trugen als besonderes Kennzeichen ihre immer die Versöhnung zwischen den beiden lateinischen Schwestern- Taschentücher um den Arm. Die Versammlung begann zunächst mit nationen gepredigt hat, daß sich ein ,, wahrer Abgrund" zwischen dem Referat eines ehemaligen Kommunisten und Rom und Baris aufgetan habe, den selbst die geschichteste Diplomatie heutigen nationalsozialistischen Sturmtruppführers Cavrani, der den Kommunisten die intimen Geheimnisse ihrer Partei vorhielt.
nicht ohne weiteres überbrücken könne. Trotzdem ist man aber gerade im Lager der Rechten bereit, Mussolini mildernde Umstände auzubilligen, weil die von ihm bei den Pariser Großbanken erbetene Kredithilfe an dem Beto der französischen Regierung ge fcheitert ist.
Das fonnte der Redner um so besser, weil er heute noch von der Parteizentrale der KPD . die geheimsten Rundschreiben zugeschickt bekommt. Er verlas aus diesen sehr ergößliche Dinge, so u. a. eine Anordnung der KPD - Zentrale an ihre Mitglieder, rüdsichtslos aus allen Leitungen die zu entfernen, die heute nicht mehr ganz ficher wären.
Der zweite Redner war ein Deutschbalte, der den Kom
von Tanks, von fampfbeteifen Fliegerfruppen
Sprach, wurde ihm aus der Versammlung Nie wieder Krieg! zugerufen. Darauf erwiderte er, Nie wieder Krieg" habe nur die SPD. gerufen. Zum Schluß bettelte Herr Neumann um die Einstellung des Brudertrieges".
Dr. Goebbels sprach zum Schluß, und hielt Herrn Neumann vor, daß er wohl noch nie so zahm gesprochen habe wie heute. Man sei sonst von Neumann schärfere Töne gewöhnt, aber das läge wohl daran, daß diesmal die Nazis in der Mehrheit und die Kommu nisten in der Minderheit wären. Dr. Goebbels beschmerte sich be sonders darüber, daß er immer als Bourgeois angesprochen werde. Als darüber diskutiert worden sei, ob die Nationalsozialisten in die
Regierung gehen sollten und als dabei erörtert worden sei, wer denn nun Minister sein sollte, da hätte sein Name niemals unter den Titelanwärtern gestanden, da er zum Bolte stände.
Dr. Goebbels wollte sich offenbar mit seiner rebellierenden S2. aussöhnen. Er zeigte Heinz Neumann , daß er sich ebenjogut wie er auf prinzipienlose Demagogie verstehe. Spielte Heinz Neumann . den nationalen Mann, so betrieb Herr Goebbels um so fräftiger Demagogie der schwieligen Fauft.
Als die Versammlung der Nationalisten geschlossen wurde, murs
eingesetzt.
munisten sehr ergötzliche Dinge über ihr Paradies Sowjetrußland den die Polizeimannschaften wieder zum verstärkten Streifendienst land mitgebracht, die er in der Bersammlung umherzeigte. Das vorlas. Er hatte sich außerdem zwei Stüde Brotaus Rußangebliche Weizenbrot war mit Maismeht durchmengt und schmeckte bitter. Aus den fommunistischen Zeitungen der Sowjetunion verlas er dann die Lebensmittelrationen, die der russische Arbeiter erhält. Das waren 500 Gramm Brot pro Tag und 50 Gramm Fleisch und alle Monate ein Pfund Bütter.
Im Lager der Linken befürchtet man vor allem die mög lichen Rückwirkungen, die die Hege Mussolinis bei seinen Anbetern in ben nationalistischen Kreisen Deutschland.s haben tönne. Man ist besorgt, daß die Hitler , Hugenberg- und Stahl- munisten helmleute jetzt wieder mut schöpfen und in dem Wähne einer Unterflügung Mussolinis zu neuen Taten schreiten fönnten. Die bürgerlichen Linksblätter beschränken sich dieser Gefahr gegenüber meistens auf den Ausdrud der Hoffnung, daß es der Sozialdemokratie und ben übrigen Republikanern Deutschlands auch diesmal wieder gelingen werde, der nationalistischen Belle einen Damm entgegen zusetzen. Nur die radikale ,, Republique" Daladiers hat den Mut, zu erklären, daß Frankreichs allzu tonservative Außenpolitit an der Hochflut des Faschismus eine starte Mitschuld trage, und daß daher Frankreich die Initiative ergreifen müsse, um dieser Gefahr zu begegnen. Vor allem müsse sich Frankreich an die Spige der Bemegung für die Abrüstung und für bie tepision der unhaltbar gewordenen Friedensverträge stellen, wenn es der faschistischen Heze den Wind aus den Segeln nehmen wolle.( Wir unterschreiben jedes Wort dieser Aeuße rung der Republique". Nur wenn Frankreich seine bisherige Haltung in der Frage der Bertragsrevision und der Abrüstung gründlich ändert, wird es erwarten tönnen, daß der Kampf der deutschen Sozialdemokratie gegen den nationalistischen Faschismus zum Biele führt. Red. d. B..)
Starhemberg schaltet Schober aus. Die Demission des Polizei nizepräsidenten Dr. Pamer ist noch gestern angenommen worden, ter Nachfolger Brandl wurde ohne Befragen des beurlaubten Bolizeipräsidenten Schober ernannt. Weitere Pensionierungen dürften folgen.
Heinz Neumann wird ausgelacht. Unter den 300- Kommunisten, die im Saale maren, faß auch Heinz Neumann , der geistige Führer" der BD. Er sprach in der Diskussion. Heinz. Neumann wollte den Beifall der SA. erhaschen, indem er sie als Sozialisten bezeichnete, die doch eine ähnliche Kampffront einnehmen wie er. Er glaubte fich der Bersammlung beliebt machen zu fönnen, indem er in den
Wir kommuniffen tämpfen für die nationale und soziale Befreiung Deutschlands , und damit müssen eigentlich auch die Nationalsozialisten an unserer Seife ftehen.
Zuerst flatschte die Versammlung, als Herr Neumann aber immer wieder diese nationalen Töne anschlug und auf die An
schuldigungen gegen das Sowjetsystem nicht antworten wollte, lachte die Versammlung ihn bald aus.
Südstawien und die Demokratie.
Eine bemerkenswerte Ministerrede.
Die jugoslawischen Minister benuzen Inspektionsreisen zur Abhaltung von Berjammlungen, in denen sie zum Bolt sprechen. Das darf gegenwärtig nur die Regierung. Bei einer solchen Gelegenheit fagte in Groß Betschteret, im früher ungarischen Gebiet, der Just i 3- minifter Dr. Grifitio:
..Es märe perfehlt, wollte man ben Parlamentarismus und Leute, die die Träger des Parlamentarismus im Stacte gemesen find, mit Sot bewerfen, damit würden wir uns felbft verleugnen. Das Uebel lag in den ungezügelfen Auseinanderjegungen der Parteien, wodurch schwere Reibungen entstanden. Das Regime muß seine großen Aufgaben bis zu Ende durchführen.
Das Januar Manifest bezeichnet diesen Zustand als ein Uebergangs stadium. Darüber herrscht fein 3meifel. Dieses System ist nicht unser Ziel, sondern nur ein Mittel zur Gesundung des Staatsförpers, um ihn von allen Krankheiten, die an ihm nagten, zu befreien, um dann die richtige und wahre Demokratie herzustellen. Jedoch wird dieses System nicht weichen, folange fich die Regierung der großen Aufgaben nicht entledigen wird, die sie sich gefeht hat."
Als es mit der nationalen Befreiung nicht ging, glaubte Herr Einstweilen wird aber, wie zum Beispiel der letzthin gemeldete Neumann in dieser Versammlung dadurch Beifall zu erhaschen, daß| Fall Bribitschewitsch zeigt, in übelster Diktaturmanier regiert,