Einzelbild herunterladen
 

BERLIN  Donnerstag 30. Oftober

1930

Der Abend

Erfcheinttäglich enter Sonntag Sugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Expedition; Berlin   SW68, Lindenftr. 3

10 Pt.

Nr. 510

B254

47. Jahrgang

66 anzeigenpreis: Die einspaltige Nonpareillezcile

Spätausgabe des Vorwärts

80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Voßscheckkonto: Vorwärts- Verlag G. m. b. H., Berlin   Nr. 37536. Fernsprecher: Donhoff 292 bis 297

Abstimmung der Metallarbeiter

Arbeitsaufnahme bei Siemens bei Siemens- Alle RGO. Leute melden sich

Entsprechend dem Beschluß der Zentralstreifleitung des Siemens. fonzerns, heute die Arbeit wieder aufzunehmen, ein Beschluß, der gefaßt wurde angesichts der Tatsache, daß ein nicht unerheblicher Teil der Unorganisierten die Arbeit schon gestern und vorgeftern wieder aufgenommen hatte, wurde heute in allen Werken des Siemensfonzerns die Arbeit wieder aufgenommen. In einigen Ab­feilungen gab es Schwierigkeiten, weil den Arbeitern, die sich zur Arbeit meldeten, erklärt wurde, Arbeit sei nicht vorhanden.

Auch in den Abteilungen und Werfen, wo die sogenannte revo­lutionäre Gewerkschaftsopposition" eine mehr oder weniger große Anhängerschaft hat, ist die Arbeit rest los wieder aufgenommen worden. Man könnte jogar sagen, daß hier die Arbeitsmeldung besonders glatt und pünftlich verlief.

Damit steht feineswegs im Widerspruch, wenn die Rote Fahne" heute früh meldet, die ,, Belegschaft des Siemenstonzerns" habe gestern nachmittag im ,, Moabiter Gesellschaftshaus" eine Bersammlung ab­

Heim Birkenwerder städtisch.

Die Deutschnationalen wieder einmal blamiert. Heute vormittag hatte fich im Rathaus ein Ausschuß mit einer. Stiftung der Firma Karstadt   für städtische Schulzmede zu be fassen. Es handelt sich um das Heim in Birtenwerder, das von einem Kuratorium für törperlich behinderte Berliner   Schul finder eingerichtet worden ist. Die Gründung des Heimes ging zurück auf eine Schenkung der Firma Karstadt  , im Kuratorium befanden sich Stadtschulrat Nydahl und Stadtbaurat Bagner. Die Deutschnationalen hatten von Unregelmäßigkeiten gemunfelt und die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen die beiden Magistratsmitglieder gefordert. In der heutigen Sigung erklärte der Bertreter der Deutschnationalen, Herr v. Jedlin, daß die Unter­suchung ergeben habe, daß keinerlei Anlaß zu Beanstandungen vor­liegt. Die Deutschnationalen zogen darauf ihren Antrag auf Ein­leitung eines Disziplinarverfahrens zurück.

Das Kuratorium wird sich nun in nächster Zeit auflösen und die Stadt wird die Bewirtschaftung des Kinderheimes in Birken­ werder   in eigener Regie übernehmen.

gehalten und einstimmig die Fortsetzung des Streits beschlossen. Die Belegschaft des Siemenstonzerns zählt in Berlin   etwa 40 000 Mann. Im Moabiter Gesellschaftshaus" haben etwas über 400 Personen Platz. Wieviel Personen in der Versammlung waren und wieviel davon bei Siemens beschäftigt sind die Referenten waren jedenfalls Betriebsfremde wissen wir nicht. So femmen die Beschlüsse der Belegschaften zustande, von der die kommu­nistische Presse heute voll ist.

Wohl standen

-

Schreichöre vor den Siemensbetrieben,

doch handelte es sich durchweg um betriebsfremde Arbeitslose, die von der KPD.   dorthin beordert waren. Die Belegschaft selbst fümmerte sich nicht um diese Leute.

In der AEG- Turbinenfabrif, wo rund 3000 Arbeiter beschäftigt sind, ist die Arbeit heute früh nach einer Abstimmung, die ebenfalls eine Mehrheit für den Abbruch des Streifs ergab, die Areibt restlos aufgenommen worden. Das gleiche ist in mehreren fleinen Betrieben der Fall.

In den Betrieben, wo eine Abstimmung erst heute im Laufe des Tages erfolgt, dürfte das Ergebnis nicht zweifelhaft sein. Unter der Führung des Deutschen Metallarbeiter verbandes wird die Arbeiterschaft ebenso geschlossen die Arbeit wieder aufnehmen, wie sie vor zwei Wochen aus den Betrieben ging. Die Lügen und Aufschneidereien der RGO. erledigen sich von selbst. Für die Berichterstattung der Berliner  Prawda nur ein Beispiel:

Unter der Ueberschrift: SPD.  - Betriebsrat fommt zur RGO.", teilt es mit, daß der sozialdemokratische Betriebsobmann der Firma Rein u. Rülder in Halensee   am Schluß der gestrigen Belegschaftsversammlung seinen Eintritt in die RGD. erflärt

habe.

Der Betriebsratsobmann dieser Firma war tatsächlich nicht Mitglied der Sozialdemokratischen Partei, sondern sympathifierte schon lange mit der KPD  . und ihrer Gewerkschaftsfiliale, RGO. genannt. In dem Bericht, den dieser Obmann von der Obleute fonferenz gab, stellte er den mirklichen Verlauf dieser Zusamme tunft völlig auf den Kopf. So verkehrte er die Ausführungen der Vertreter des Siemenstonzerns gänzlich in ihr Gegenteil. In der GO. ist für solche Sozialdemokraten" der richtige Plaz.

Hitler  - Schmus in Wien  

Starhemberg   preist den Heimwehrstaat"

Bersammlung stattfand. Dort fam es zwischen beiden Parteien zu schweren Zusammenstößen, bei denen auch Schüsse fielen. Drei chriftlichsoziale Versammlungsteilnehmer mußten schwerverletzt in die Klinik übergeführt werden. Sie wiesen zum Teil Messerstiche auf. Zahlreiche andere Personen wurden leicht verletzt. Die Gen­darmerie mußte mit gefälltem Bajonett vorgehen. Im Laufe der Nacht wurde ein starkes Gendarmerieaufgebot sowie eine Abteilung des Bundesheeres nach Hötting   entjandt, die den ganzen Ort ab­sperrten. Mehrere Verhaftungen wurden vorgenommen.

Wien  , 30. Oktober.  ( Eigenbericht.) schlossenem Zuge nach Sötting, wo eine christlichsoziale Der Innenminister Starhemberg  , der Bundesführer der Heimwehr  , hat gestern abend bei einem Fackelzug der seimivehr der übrigens außerordentlich kläglich ausgefallen ist und an dem nicht mehr als 250 Menschen teilgenommen haben- eine ausgesprochene Butsch rede gehalten. Er sagte: ,, Wenn auch die Heimwehr   in einen Wahlkampf eingetreten ist, der ihr doch gar nicht liegt, so hat sie nicht die Absicht, auf kurze Zeit um die Gunit der Stimmenzuwendung zu bitten. Man hat die Heimwehr gebraucht, darum ist sie in die Regierung eingetreten. Sie ist die einzige Macht, die den roten Terror brechen fann und gebrochen hat. Wahl: resultate tönnen dieser Macht nichts

mehr ändern. Es wird der Tag kommen, wo nur mehr Leute unseres Sinnes die Regierung in der Hand haben werden, denn wir wollen die hundertprozentige Lösung: den Heimwehrstaat." Und dann sagte er noch einmal: Wir sind einmal daran( nämlich aus dem bolichemistischen" Staatswesen halbwegs einen Staat zu machen) und möge die Wahl ausgehen wie immer, wir werden die Zügel nicht mehr aus der Hand geben." Er versicherte zwar, daß das Gerede von einem Putsch Unsinn sei, fündigte aber zum Schluß wieder das Nahen des Tages, an dem das Schicksal Desterreichs in die Hände der Heimwehr gelegt sein wird.

Mefferstecherei in Innsbruck  .

Innsbrud, 30. Oktober.  ( TU.) Nachdem es in der letzten Zeit wiederholt zu Störungen von Bählerversammlungen gekommen ist, vermittelte die Tiroler Landesregierung einen Burgfrieden, den sämtliche Parteien von den Nationalsozialisten bis zu den Sozialdemokraten geschlossen haben. Trotz des Abschlusses dieses Burgfriedens kam es am Mittwochabend zu einem schweren Zusammenstoß. Nach einer so­zialdemokratischen Versammlung zogen die Teilnehmer in ge­

Femegericht gegen Reichsgericht

Ich hoffe, daß sich in dem 60- Millionen- Boll doch einige finden werden, die mit den System richtern, die diese Offiziere in die Gefängnisfe geschickt haben, ein Boltsgericht halter werden." ( Goebbels   im Sportpalast)

-

F

W

3m Namen des dritten Reichs! Wir, drei amnestierte Fememörder, haben für Recht erfannt: Der Kopf des Senatspräsidenten X. am Reichsgericht wird jeht in den Gand rollen. Fertigmachen!"

Brünings Besprechungen

Heute mit Bayern  , morgen mit den andern

In Berfolg der seit einiger Zeit im Gange befindlichen Be­sprechungen der Reichsregierung mit den Länderregierungen fand heute eine nochmalige Besprechung des Reichstanzlers Dr. Brüning und des Reichsfinanzministers Dietrich mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Held statt. Zur Erörterung standen Fragen Ausgleichs des bayerischen Haushalts. Aehnliche Besprechungen über des Wirtschafts- und Finanzplans der Reichsregierung und des den Wirtschafts- und Finanzplan der Reichsregierung finden morgen in Berlin   mit den mitteldeutschen Ländern und den Hansestädten und am Sonnabend, in Dresden   mit der sächsischen Staatsregierung statt.

Brasiliens   Staatsfrise.

Unsicherheit und Inflation.

Porto Alegre  , 28. Ottober.( Verspätet eingetroffen.) Die Revolution hat, mit Ausnahme der Beschießung des Schiffes Baden  ", bisher reichs deutsche   Personen oder deut­sches Volkstum nicht geschädigt. Hier liegende deutsche   Schiffe sind unbeschädigt und fahren nächster Tage aus. Das Geschäftsleben stockt. Das Moratorium wird wahrscheinlich verlängert werden. Die Banken zahlen nur 10 Proz. der Guthaben aus. Devisen- verkehr gibt es überhaupt nicht. Städtisches Notgeld ist im Umlauf, staatliches Bonusgeld im Druck. Man spricht von der Einführung des Goldmilreis in der Art, wie Ende 1923 in Deutschland   die Rentenmark. Die Arbeitslosigkeit ist groß. Die Zeitungen stehen unter Zensur. Der Revolutionsgeneral Cavor a ist in Rio eingetroffen, der Revolutionsführer Vargas wird am Sonnabend dort erwartet. Aufsehen erregt ein Zeitungsartikel des angesehenen radikalen Politikers Marceno Suarez, der eine glatte Absage an die provisorische Regierung richtet. Die Marine verhält fich noch abwartend.

Tardieu streichelt Mussolini  . Frankreich   an die Spitze der Revisionsbewegung will Daladier  .

-

-

Wo

'

Paris  , 30. Oftober.( Eigenbericht.) In seiner Festrede auf dem Regierungsbankett zu Ehren der Ozeanflieger Coftes und Bellonte machte der Ministerpräsident Tardieu eine diskrete Andeutung auf die letzte Hetzrede Musso­linis. Wir leben in einer verworrenen Zeit- erflärte er man nur allzu leicht mit großen Worten um sich wirft, die in keinem Verhältnis zu den praktischen Erfüllungsmöglichkeiten stehen. In diesen Fehler möchte ich nicht verfallen und möchte nur betonen, daß Frankreich   ein ruhiges, vernünftiges Land ist, das sich nicht dazu bestimmt glaubt, anderen Völkern gute Lehren geben zu müssen."

Léon Blum   betont im Populaire", daß Mussolinis Hezrede wenigstens das eine Gute gebracht habe, daß die Revision der Friedensverträge offiziell erörtert und die Möglichkeiten zur Wiedergutmachung der darin enthaltenen Ungerechtigkeiten gegeben Niemand könne behaupten, daß Europa   in einem Jahr­hundert noch genau so wie heute aussehen werde. Man könne die Revision der Berträge nicht mehr aufhalten, denn man fönne Europa   nicht wie eine Mumie einschnüren. Wenn man also.

habe.

-

wie