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Oer Kampf um Kränzen. Debatte im braunschwetgifchen Landtag. Vraaaschweig. 30. Ottober. Minister Dr. F ranzen sagte im Landtag v. a.. er sei bisher der einzige gewesen, der versucht Hab«. Älarheii zu schaffen! Auf Grund der einseitigen Behauptungen und durch die presse- m e u t e, fuhr er fort, ist der Verdacht entstanden, daß ich in- korrekt gehandelt Hab«: ober dieser Verdacht besteht zu Unrecht. Man fordert nun, daß meine Immunität aufgehoben wird. Ich würde diesen Antrag schon selbst gestellt haben, ich weiß aber, daß er nicht angenommen wird. Der Minister erklärte dann weiter, daß er die Unterlassungsklag« gegen denVoltsfreund" nicht seinetwillen, sondern im Imeresse der öffentlichen Ruhe und nicht zur Verdunkelung erhoben Hab«, sondern um der Berlin «: Polizei Gelegenheit zu geben, mit ihrem Material heraus­zurücken und ihre Zeugen den seinigen gegenüberzustellen! Wenn man ihm vorwerfe, daß er einen Ausnahmezustand in Braun- schweig Hobe schassen wollen, dann müsse er sagen, daß ein anderer angesichts der verleumderischen hehe desVolks- freundes" wohl schon eher zu Gegenmaßnahmen gegrissen hätte. Als derVolksfreumV die politische Leidenschaft aufreizte und ihm, dem Minister, berichtet worden sei. daß das Reichsbanner diese Gelegenheit zum Gegenstand einer großen Kundgebung machen wollte, habe er sich oerpflichtet gefühlt, das Verbot zu erlassen. Er würde es als erster begrüßen, wenn er diese Maßnahm« wieder zurückziehen könnte. Im übrigen werde am nächsten Mittwoch eine eingehende Klärung der Angelegenheit erfolgen, durch die allen weiteren verleumderischen Beleidigungen die Spitze abgebrochen werde. Fort mit Kränzen! Brauuschweig, 30. Oktober. (Eigenbericht.) In fünf überfüllten Massenversammlungen in Braunschwcig- Stadt sprachen am Donnerstag abend die sozialdemokratischen Land- tagsabgeordneten über den Skandal F r a n z e n. In allen Ver­sammlungen wurde der Rücktritt dieses Ministers, der sich un- möglich gemacht habe und die Aufhebung oller gegen die So- zialdemokratie und gegen dos Reichsbanner gerichteten Aus- nahmebestimmungen und einstweilige Verfügungen verlangt. & Minister Franzen sagte in einer Presseerklärung, der Reichs- minister Wirth sei gerode der richtig«, der ihm Vor- schriften machen könne.

Gozialdemokraiie und Vürgerium. Ein Nachwort zum Dortrag Thomas Manns . Die Ansprache, die Thomas Man » am 17. Oktober im Beethoven saal in Berlin gehalten hat. ist nunmehr im Druck er- ichienen.(Deutsche Ansprache von Thomas Mann , S. Fischer Derlog, Berlin .) Thomas Mann verwahrt sich ausdrücklich gegen die Rolle des Lehrmeisters, er nrmmt aus ehrlichster Ueberzeugung zu der Bedrängnis des Tages Stellung, weil ihn die politische Verwirrung und die Rot d«r anderen seelisch bedrückt, ihm zu unbeschwerten ge-.strgen Schaffen gleichsam den Atem raubt. Gewiß ein« edle Gesinnung! Thomas Mann ist der Ueberzeugung,daß der politische Platz d«z deutschen Bürgertums heute an der Seit« der Sozial- d« m o k r a t i« ist..." Er hat diej« Ueberzeugung unaufgefordert ausgelprochen. Hören wir feine Begründung:Marxismus hin, Marxismus her. die geistigen Uaberlieferungen deutscher Bürger- lichteit gerade sind es, die chr diesen Platz anweisen-, denn nur der Außenpolitik, die der deutsch -französischen Verständigung gilt,«nt- spricht«ine Atmosphäre im Innern, in der bürgerliche Glucks- nnspruch« wie Freiheit, Geistigkeit. Kultur überhaupt noch Lebens- Möglichkeit besitzen." In unsere Sprach« übersetzt, heißt dieses Bekenntnis eines repräsentativen Geistes des Bürgertums, daß dieses Bürgertum feineGlücksansprüche" aus eigener Kraft nicht mehr verteidigen kann, es heißt aber nicht, daß dies« Ansprüche unsere Ansprüche sind. Thomas Mann verkennt denn doch hie Ziel« der Sozialdemo. lratie, wenn er erklärt:Der sogenannte Marxismus der deutschen Sozialdemokratie besteht heut« in der Betreuung einer dreifachen Aufgabe: sie bemüht sich erstens, die sozial« und wirtschaftliche Lebenshaltung der arbeitenden Klasse zu schützen und zu bessern, sie will zweitens die doppelt bedrohte demokratische Staatssorm er- lichten, und sie will drittens� die aus dem demokratischen Staats- geist sich ergebende Außenpolitik der Verständigung und des Friedens verteidigen.* Gewiß, das will die Sozialdemokratie. Aber in diesen Bestrebungen und Wiltensmeinungen erschöpft sich heute der Marxismus der deutschen Sozialdemokratie keines- we g s. Unser« Kämpfe im Tag und um den Tag stehen unter dem einzigen Gesichtswinkel der Gestallung einer besseren Zukunft. Wenn unsere Abgeordneten auch in den Parlamenten weniger vom Zu- tunftSstaat und der sozialistischen Gesellschaft sprechen, weil dort um die Dinge des Tages gekämpft werden muß, so ist doch unsere ganze Bildungs. und Erziehungsarbeit auf die Vorbereitung und Frei- legung eines neuen Menschentums ausgerichtet. Wären die drei Aufgaben, deren Betreuung in der Tat die ständige Leistung unserer Partei ist, nur ihre einzigen Ausgaben, dann hätten wir kein Recht, uns Sozialisten zu nennen, die die Well verändern wollen, sondern wir wären bürgerliche Liberole, deren Ende wir erst soeben konstatiert haben. Wir stehen durchaus nichtSeite an Seit«*, wenn Thomas Mann den folgenden Satz bekunden kann:Niemand kann be- streiten, daß ein öffentlicher Etat und im besonderen ein Sozialetat van der Ueppigkell(!) des unsrigen eine ökonomische Abnormität darstellt in einem armen und verschuldeten Volk-, er muß nach außen und Innen anstößig wirken." Endlich noch ein letztes.Es ist wahr, sagt Thomas Mann, .de? bürgerliche Kulturgedank« entstammt geistiger Sphäre, während die gesellschaftlich« Klossenide« ihr« rein ökonomische Herkunft nicht verleugnen kann.* Nun, auch die Klassenlde« de« Proletariats ist geistiger Herkunft: nicht umsonst schrieb Engels 1882 in der Einleitung zu seiner SchrittDie Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft ": wir deutschen Sozialisten sind stolz darauf, daß wir abstammen nicht nur von Saint Simon , Fourier und Owen, sondern auch von Kant und Hegek."

Gutes Vorzeichen. Ebenso wie letzthin in Graz haben jetzt auch in Wien die Sozialdemokraten bei den Handelskammsrivahlen der Gewerbktreibenden Mandate gewonnen. So sieht dieEm- pöning über den Rathaus-Marxisrnus" aus! Diätenkürzung in Württemberg . Dom Präsidium des württem- bcrgischen Landtags ist beabsichtigt, eine Kürzung der Tage- a c.l d e r für die Abgeordneten durchzuführen. Di« Fraktion des Bauernbundes hat eine Kürzung um 20 Proz. beantragt.

Hugenberg brückt sich.

Das Rezept Hab ich noch vom Kriege her: Erst gehetzt, dann andere an die Front geschickt und selber volle Deckung genommen.

Boldwins Sieg über die Presselords. Beaverbroo? in der konservativen Parteiversammlung ausgepfiffen.

London . 30. Oktober.(Eigenbericht.) Die am Donnerstag in London stattgefunden« große konser- vattve Parteikonferenz endete wiederum mit einem per­sönlichen Erfolg Baldwins und mit einer schallenden Ohrfeige für die Zeitimgskönige Lord Rothermerc und Lord Beoverbrook. Der von der Oppositton veriangt« Rücklritl wurde mit 462 gegen 116 Stimmen abgelehnt. Tags zuvor hatte die konservative Presse«ine ArtSinowje w- Brief* gegen den konservativen Parteiführer aufflattern lassen. der aus der gleichen Ecke kam wie seinerzeit die Sinowjew -Fälschung gegen die Arbeiterpartei. Der hinterhältig« Angriff hatte jedoch nur dos Gegenteil dessen erreicht, was er bezwecken sollte. Oppositionelle konservative Abgeordnete hatten sich am Dienstag zu einer Sitzung vereinigt, in der sie ihr« Taktik für die heutige Parteikonferenz besprochen und in einer Entschließung nieder- legten. Beoverbrook und Rothermere, denen es feit Jahr und Tag noch der Parteiführung lüstert. holten nicht? Eiligeres zu tun. als diese Entschließung in ihrer Presse zu verbretten und die Nomen der oppositionellen Abgeordneten zu verösferttlichen. Dabei wurden auch Leute genannt, die weder die Resolutton unterschrieben, noch in der Sitzung anwesend waren. Nichts kenn- zeichnet besser die S k r u p e l l os i g k e i t, mit der Beoverbrook und Rothermere nach der Macht streben. Die gesamte unabhängige englische Presse stand darauf«in- mütig gegen die Presselords auf und es war ein im- schätzbarer Dienst, den di« Zeitungskönig« ihren Gegnern erwiesen hotten. Wer m England von Rothermere und Beoverbrook bekämpft und angegriffen wird, dessen Sieg ist gewiß und es war auch Baldwin seiner Sache sicher, als er am Donnerstag die Konferenz eröffnete und erklärte, er werde sich jedem Beschluß fügen und gegebenenfalls aus der Politik ausscheiden. Als Richtlinien für die kommende konservative Parteitaktik erklärte Baldwin, auch in Zukunft eine Politik der freien Hand führen zu wollen, was der Parteitag einstimmig guthieß.

Der prager Toufilmkrieg. Eine Erklärung des Neichsaußeumiuisters. MTB. verbreitet folgenden Bericht über die Donnerstagssitzung des Auswärtigen Ausschusses des Reichsrats. Der Reichsaußen- minister Dr. Curtius berichtete eingehend über di« Völkerbunds- tagung in Genf . Es schloß sich eine Diskussion über die Minder- heitcnfrage an., Auf ein« Anfrage des sächsischen Reichsratsbevollmächtigten Dr. Gradnauer über di« deutschenfemdlichen Kundgebungen in Prag und den Boykott deutscher Tonfilme gab der Reichsaußen- minister folgende Erklärung ab: Die Vorgänge in Prag hoben das deutsche Volk mit Recht errege und empört. Erfolge deutscher Tonfilme waren Anlaß zu wüsten Demonstrationen und Ausschreitungen gegen deutsch « Kunst, gegen das Deutschtum überhaupt. Die Boykottbewegung gegen den deut- schen Tonsilm ist vom Magistrat der Stadt Prag und dem größten Teil der tschechischen Presse gebilligt worden. Unmittelbar nach den ersten Demonstrationen hat der deutsch « Gesandte in Prag bei der dortigen Regierung interveniert. Ich Hab« in Gens den tschechoslowakischen Außenminister Dr. B e n« s ch aus die ernsten Folgen der Vorgänge hingewiesen. Mtt Genugtuung kann ich feststellen, daß die für die tschechi. stowaklsche Aühenpolittk verantwortlichen Stellen die Aus­schreitungen vorbehaltlos mißbilligt haben. Dr. Benesch hat sie auch in seinen Erklärungen vor dem Auswärtigen Ausschuß des Prager Parlaments auf das schärfste verurteilt. Ich begrüß« diese Erklärungen im Interesse guter nachbarlicher Be- Ziehungen zur Tschechoslowakei . Leider ist ihnen nicht die Wiederaufführung deutscher Tonfilme in Prag gefolgt. Darin liegt eine schwere Benoch- t e i l i g u n g deutscher K u n st e r z e» g n i s s e. Dieser Zu stand hat selbstverständlich Rückwirkungen in Deutschland zur(folge. Gleich noch den deutschenfeindlichen Kundgebungen haben deutsche Künstler ihr Austreten in Prag abgesagt., deutsche Sportvereine ihre Mitwirkung an Sporteei ensteilttingzn abgelehnt, deutsche

Darauf verließ der Parteiführer den Saal, um der gegen ihn gerichteten Debatte freien Spielraum zu lassen. Al» dann Beaverbrook am Rednerpull erschien, wurde er niedergeschrien, und nur mit Mühe konnte ihm der Vorsitzende Gehör verschaffen. Da? Ergebnis der Aussprache war der Sieg Baldwin». Die tlnierhausdebatte. London . 30. Oktober. (Gleicher, cht.) Da» Ilnterhouz setzte am Donnerstag die Debatte um die Thronred« fort. Aus einer von Macdonald abgegebenen Erklärung geht hervor, daß die Regierung weder einem Äntraz utf) Erhöhung des Ministerpräsidentengehalles zustimme, noch irgend- einem Vorschlag zur Göhottserhöhung für irgendeinen Minister. Hingegen sind die Gelder zur Beschaffung von Notstands-- arbeiten für weitere 160 000 Arbeitslose von Snowden be- willigt worden. Di« Konservativen haben gegen die Regie- rung ein Mißtrauensvotum eingebracht. Die Debatte setzte sich bis in die Nacht sort und wird da» Parlament auch bis in den Anfang der kommenden Woche beschäfti- gen. Wie Mosley am Mittwoch, so griff auch M o x t o n am Donnerstag in die Debatte«in, um gleichfalls seine der Regierung entgegengesetzten Ideen vorzutragen. Maxton sieht in der Thronrede nur Liberalismus und keinen Sozia- 1 i» m u s. » Ben Turner, der früher« Bergbauminister, dem es nicht gegeben ist, mit seiner abweichenden Meinung hinter dem Berge zu halten, sogt: Dies« unter der Arbeiterregierung zustande gekommene Thronrede sei die beste gewesen, die seil 100 Zähren gehalten wurde. Im Lauf« der Sitzung entwickelte dann Landwirtschostsmimstcr Addisson sein Agrarprogrannn in einer großen Rede. Der Minister fand stellenweise großen Beifall des gesamten Hauses.

Kunstställen gegenüber tschechoslowakischen Künstlern,. die die große- ren Resonanzmöglichkeiten Deutschlands sür sich nutzbar zu machen wünschen, kühle Zurückhaltung geübt. Diese Haltung deut- scher Kunst- und deutscher Sporttreise war bei der ganzen Sachloge selbstverständlich. Sie wird solange weiterdauern, bis eine Aenderung in Vroq ,u beob­achten Ist. In de,- Tat verträgt es sich nicht mit der Würde der deutschen Kultur, ihre Leistungen in einem Lande zu zeigen, in dem soeben aus Deutschenhaß ein« deutsche lhinftstätte,. wie da? Deutsche Theater in Prag , böswillig beschädigt worden ist. Es ver- trägt sich ebensowenig mit der Würde der deutschen Kultur, den Kunstwerken von Angehörigen eines Volkes besondere Förderung und Pflege angedeihen zu lassen, in dessen Hauptstadt di- Vor- ftthrung deutscher Künstlererzeugnisse durch Terrorakte verhindert wird. Es verträgt sich auch nicht mit der Würd« des deutschen Sports, sich in Wettkämpse init den Sportverbonden eines Volkes einzulassen, bei dem die Deutschenfeindlichkeit gewisser Kreise so offen zutage tritt. Solche Feststellungen sind schmerzlich Di« deutsche Außen. Politik muß«ine baldige Aenderung dieser Verhältnisse wünschen. Sie erwartet im Znteresse des kulturellen Austausches mit dem Nachbarvolk. mit dem wir gute Beziehungen weiterpslegen möchten. daß in Prag und der tschechischen Bevötkerung die Würde der deutschen Kultur und die Bedeutung des Deutschtums nicht länger o« r t a n n t werden. Primator" Baxo und Proger Hetzblätter werden nun erst recht toben, ober di« große Mehrheit der vernünfttgen Tschechen wird sich der Erkenntnis nicht verschließen, daß die deutsch -tschechischen Beziehungen durch Straßenradau weder bestimmt, noch von seinem Gebot abhängig gemacht werden können. Aus polen ausgewiesen und abgeschoben wurde der Wirtschaft» und Proinzredakteur Otto Stroko vomPosener Tageblatt". Er hat als oberschlefischer Optant Ausenthaltsrecht bis 1037, ober man bestreitet es ihm, da er in Lissa unangemeldet-gewohnt hätte. Die Lillaer Polizei hatte ihm aber gesogt, er brauche sich nichl oNzu- melden.