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BERLIN  Freitag 31. Oktober

1930

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512 255 47. Jahrgang

Der Abend

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Ladendorff Bank und Nerzpetz

Geheimnisvolle ,, Entschädigungsgelder" an Hausbesitz- Abgeordnete

Bei der Erledigung des Bertrages zwischen dem Lande Anhalt und Preußen über die Verpachtung der anhaltischen kaliwerke an die Preußag hat sich herausgestellt, daß zwei anhaltische Landtagsabgeordnete, die als Hausbesitzer gewählt waren und der Wirtschaftspartei naheftehen, eine Entschädigung" im Betrage von 10 000 und 12 000 Mark von der Berliner   Bank für Handel und Grundbesitz 2.-G. erhalten haben. Diese Bank steht dem wirtschaftsparteilichen preußischen Landtagsabgeordneten Ladendorff, dem Führer der deutschen  Hausagrarier, so nahe, daß er Aufsichtsratsvorsitzender dieser Aktiengesellschaft ist.

Die Auszahlung der sogenanten Entschädigungsgelder" ist in Anhalt als eine Bestechung von Abgeordneten aufgefaßt worden. Fälschlicherweise hat man jogar die Preußag bezichtigt, diese Entschädigung veranlaßt und vermittelt zu haben.)

Der Landtag von Anhalt hat nun einen Untersuchungs­ausschuß eingefeht, der die Sache nachprüfen soll. Inzwischen hat Herr Ladendorff, dessen Rolle bei dieser Affäre im Vorwärts" zum ersten Male in der Deffentlichkeit angedeutet wurde, durch eine ..Berichtigung" im Vorwärts" die Angelegenheit einigermaßen zu vertuschen gesucht. Jetzt aber tommt aus den Verhandlungen des Unterfuchungsausschusses eine Meldung, die sowohl Herrn Ladendorff wie jeine Bant in einem noch merkwürdigeren Licht er­scheinen läßt.

Deffau, 31. Oktober. In der gestrigen Sitzung des Untersuchungsausschusses meigerte sich der Bankdirettor Seiffert, dem Dessauer Bücherfachverständigen die Einsicht in die Bücher der Berliner  Bant für Handel und Grundbesitz( Ladendorff- Bank) zu geftatten, und zwar wegen Gefährdung des Bankgeheimnisses. Seiffert erklärte sich aber bereit, sich in Dessau   vernehmen zu lassen. Das Staatsministerium lehnte ab, vor dem Untersuchungsausschuß auf Grund von bloßen Vermutungen Erklärungen abzugeben. Im weiteren Verlauf der Sitzung wurde festgestellt, daß weder ein anhaltinischer Minister noch ein anhaltinischer Beamter irgendwelche Zuwendungen erhalten habe, weder von der Dessauer Realkreditbank noch von der Berliner   Bank für Handel und Grundbesitz. Direktor Seiffert gab allerdings zu, an die Abgeordneten Günther und Marzahn   10 000 bzw. 20 000 Mart gezahlt zu haben, das Geld sei aber von diesen, wie er bekundete, nicht angefordert worden. Bei den felegraphisch angewiesenen 12 000 Mart habe es sich um den beabsichtigten Kauf eines Jerzmantels gehandelt, der Kauf sei

jedoch unterblieben.

Der preußische Fraktionsführer der Wirtschaftspartei, Abg. Ladendorff, hat bekanntlich in seiner Berichtigung" an den ,, Borwärts"( Nr. 508) ausdrücklich erklärt, daß die beiden Haus: befizerabgeordneten ,, auf ihren Antrag und nach Borlegung von Unterlagen" die Gelder erhalten hätten. Wer sagt nun hier die Wahrheit der Bankdirektor Seiffert oder sein Aus­Auf= sichtsratsvorsigender Ladendorff?

Brüning forrigiert Wirth.

Die Polizeigelder für Franzen werden weiter gezahlt. In der Frage der Weiterzahlung der Polizeigelder an Braunschweig   hat der Reichskanzler folgendes Telegramm an das Staatsminifterium in Braunschweig   gerichtet:

Der Herr Reichsminister des Innern hat mir von dem Inhalt des Schreibens kenntnis gegeben, das er am 27. Oktober an die braunschweigische Regierung gerichtet hat und in dem er zum Aus­druck bringt, daß er sich die Entscheidung über die weitere Auszahe lung der auf das Land Braunschweig   entfallenden Zuschüsse zu den Polizeifoffen zunächst vorbehalten müffe.

Nachdem die Angelegenheit zum Gegenstand einer Aus­sprache innerhalb der Reichsregierung gemacht ist, bechre ich mich mitzuteilen, daß auch das Reichskabinett sich die endgültige Entscheidung vorbehalt. Für die Regelung des Zwischenzustandes ist der Herr Reichsminiffer des Innern zuständig, der hierüber gleichzeitig besondere Mitteilung macht." Wie wir vom Reichsminister des Innern erfahren, triff in der Zwischenzeit in der Auszahlung der Polizeigelder eine Unter­brechung nicht ein, vielmehr ist die Auszahlung für November inzwischen bereits erfolgt.

Diese Meldung bedeutet nichts Geringeres, als daß der Reichs­innemininister durch seine Kabinettskollegen eine blamable Riederlage einfteden mußtel

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Hochwasser bei Berlin  

Der Ortsteil Bohnsdorf   bei Berlin  . Grünau wurde infolge des starken Regenfalles der letzten Nacht von einer großen Ueberschwem­mung heimgesucht, die von der Kamera festgehalten wurde

Oderdamm gebrochen

In 80 Meter Breite- Der Ort Scheidelwit vollständig unter Waffer

Ohlau  , 31. Oktober.

In der Nähe von Scheidelwik ist heute morgen der der damm auf dem rechten Oderufer zweimal gebrochen, und zwar einmal in der Nähe der Försterei Scheidelwik, etwa zehn Kilometer oberhalb Ohlau  und zum anderen etwa einen Kilometer weiter Strom­abwärts, und zwar in einer Breite von etwa 80 Meter. die Wassermassen ergießen sich in die anliegenden Forsten. Scheidelwit steht völlig unter Wasser und ist von jedem Verkehr abgeschnitten. Auch die tele­phonischen Verbindungen sind unterbrochen.

Zwischen Katzbach und Queiß!

Während die Mehrzahl der Berliner   Sommerfrischler, die

einmal durch den Taubenmarkt unterbrochenen friedlichen Stille dem ermüdeten Großstädter Balsam bietenden Städtchen Liebenthal nach Löwenberg, dessen umfangreiches und geschmackvoll erneuertes Rathaus zu den architektonischen Glanzpunkten Schlesiens zählt. Die Bahn stößt in Bad Hermsdorf auf die Katzbachtalbahn, die von Merzdorf, hinter Hirschberg, ausgehend, die Orte Ober- und Niederkauffung, Alt- Schönau   und Schönau, herm s- darf Bad und Goldberg, einst durch Goldbergbau berühmt, nach   Liegnitz führt. Nennen wir nun noch die Bahnlinie von Hirschberg über Bolkenhain nach   Jauer sowie die Bahn Hirsch berg- Lahn- Löwenberg, so ist der Ring in dem genannten Städtedreieck voll geschlossen.   Neiße, Bober, Queiß und Kazbach spotten noch immer der Bändigung durch den Menschen. Der Sommergast lernt sie freilich meist in bescheidenem Ausmaße fennen.  

Schlesien aufsuchen, sich auf die Höhen des Riefengebirges und des Schneeschmelze im schlesischen Gebirge.

Jsergebirges verteilen, lockt   Niederschlesien verhältnismäßig menige Touristen an. Bald hinter   Görlitz beginnt mit   Lauban die Reihe größerer und kleinerer Städte, die in dem Dreieck Lauban­Hirschberg- Liegnitz liegen. Zweigbahnen führen von den beiden schlesischen Hauptlinien überall hin, so daß es wohl nur größerer Initiative bedürfte, um auch nach den entzückenden kleinen Städten  Niederschlesiens die Touristen in starkem Maße zu locken. Eine furze Charakteristik dieser Orte, deren Namen jetzt durch das Hoch­wasser in aller Munde sind, ein Hochwasser, das selbst die groß artigen Talsperren bei   Marklissa und bei Mauer( Queiß und Bober) nicht zu brechen vermochte, wird zeigen, wie reich Natur und Kunst diese Gegend gestaltet haben.   Lauban, die bekannte Stadt der der Taschentücher", ist fast als Bergstadt anzusprechen. Ihre An­lagen haben sich diesen Gebirgscharakter vortrefflich zu Nuzen gemacht. Greiffenberg ist ein alter, durch den Leinwand­handel einst in Blüte gewefener Ort. Seine stillen Patrizierhäuser muten den an Betrieb gewöhnten Großstädter melancholisch an. Ein Blick in das tiefgegrabene Bett des Queiß läßt ahnen, wie ge­waltig hier das Wasser sich austoben kann. Von Greiffenberg rechts geht eine Bahn über Friedeberg a. d. Queiß nach   Flinsberg. Die Romantik des hier vor den Blicken des Talwanderers aufsteigen­den Isergebirges verdient mehr als bisher genossen zu werden. Die Berhältnisse sind hier noch einfacher als in den südlicher gelegenen Zentralen des Kletter- und Wintersports. Nach links zieht sich ein Schienenftrang über das mit seinen Laubenhäusern und seiner nur  

Niederschlesien von Oderflutwelle bedroht.  

Breslau, 31. Oktober.

Die am Donnerstagmorgen einsehenden Regenfälle haben in den letzten 24 Stunden in den Sudetenländern gefahrdrohenden Umfang angenommen. In den Mittelgebirgsorten, mie Bad   Reinerz, Oberschreiberhau und   Flinsberg, ift die gestern morgen noch 10 bis 25 Zentimeter hohe Schneedecke fast restlos verschmunden. Außerdem sind starke Regenfälle niedergegangen, die meist 25 Zentimeter erreichen. Den Gebirgs­flüssen werden daher große Mengen von Schmelzwasser zugeführt, zumal das Tauwetter sich bis in die höchsten Lagen der schlesischen Gebirge erstreckt. Die   Schneekoppe hat auch heute morgen noch plus 2 Grad, Weststurm und auch Regen.

Die Gefahr einer neuerlichen Hochwasserkatastrophe besteht aber nicht nur vom Gebirge her. Die Wasserstandsmeldungen der verschiedenen Oder- Begel- Stationen mit Ausnahme des Aus­gangspunktes   Ratibor zeigen noch immer steigende Ziffern, ein Zeichen für die von Ober- nach   Niederschlesien hereinbrechende Flutwelle der   Oder.

Prälat Schofer gestorben. Wie die Freiburger Tagespost" meldet, ist der Führer der badischen Bentru: nspartei Prälat D. Dr. Schofer in der Nacht zum heutigen Freitag einem Herzschlag erlegen.