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Vor den Sowjelgerichten

Nach einer ruffischen Zusammenstellung

Ja, getötet, aber schuldig bekenne ich mich nicht und bedaure meine Tat nicht."

Diese sonderbaren Worte sprach vor dem Moskauer   revolutio­nären Tribunal ein fleiner schmächtiger Mann mit fanatisch glänzenden Augen.

,, Ich bebaure es nicht", wiederholte er, weil meine Schüsse eine gerechte Bergeltung, ein Protest gegen die ungerechte Wohnungspolitik waren."

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Der Getötete war der bekannte Organisator der Sporterziehung der Sowjetjugend W. G. Marz, der in dem Hause Kropotkinstraße 33 o'er Zimmer bewohnt hatte. In diesem Hause ging ein fort mährender Kampf zwischen dem Hausverwaltungsrat, zu dem Marz gehörte, und der oppositionellen Arbeitergruppe" Ein Arbeiter, der mit seiner tuberkulösen Frau und einem minder jährigen Kind in einem kleinen Zimmer hauste, beanspruchte zwei Bimmer von Marz Wohnung. Als er sie nicht bekam, tamen Bertreter der Arbeitergruppe" zu Marz, trugen seine Sachen in das Zimmer des Arbeiters hinaus, und siedelten den Anderen in die größere Wohnung über. Marz ging vors Gericht, und dieses entschied: ihm seine Wohnung zurückzugeben und den Arbeiter in sein früheres 3immer zu übersiedeln. Die Gerichtsentscheidung wurde von der Arbeitergruppe" mit Schreien und Proteftrufen beantwortet. Als Marz das Gerichtsgebäude verlassen hatte, trat ein Mitglied der, Arbeitergruppe", Naumow, auf ihn zu und schoß ihn mit den Worten: Du brauchst eine Wohnung da haft du sie!" nieder. Dann gab er auf den Gefallenen noch zwei Schüsse ab, lief schnell einem anderen Mitglied des Verwaltungsrates nach und schoß auch ihn nieder.

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Auf der Polizei gab Naumow die schriftliche Erklärung ab: ,, Die ungerechte Wohnungspolitik, die das Interesse der Arbeiter felbst vor Gerichten ignoriert, empörte mich und zwang mich, zwei Bertreter der antiproletarischen Gruppe zu töten." Während der Berhandlung machte er den Eindruck eines Menschen, der eine schwere Pflicht erfüllt hat, und obgleich er versteht, daß er formell ungesetzlich handelte, er sich moralisch. für unschuldig hält. Seine Tat bezeichnete er als einen Protestatt und erklärt, daß Marz wie auch andere Sowjet- und Parteiorgane sich von der Arbeiterklasse losgetrennt haben und sich nicht interessieren, unter welchen Be­dingungen die Arbeiter leben müssen.

Das Gericht verurteilte Naumom zu zehn Jahren Einzelhaft.

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Der Anklageakt zählt eine Reihe schwerster Verbrechen auf: Tutubalin wird des bewaffneten Raubes, des Banditentums, einiger Raubmorde, eines Mordverfuches, des bewaffneten Wider standes bei der Verhaftung und der Verwundung eines Millionärs beschuldigt. Auf die Frage des Vorsitzenden erwidert er leise, langsam:

Ja... ich bin schuldig und bitte, mich zu erschießen." Dann schildert er seine Laufbahn: Als Zwanzigjähriger wird er von dem Gericht unter der 3arenregierung zum Zuchthaus in Sibirien   verurteilt, weil er während einer Schlägerei einen Chinesen getötet hat. Er flieht, wird ergriffen, bekommt noch einige Jahre, flieht wieder, wird wieder ergriffen, wieder ver­urteilt. Nach 13 Jahren wird er von der Revolution befreit, als Agent der Kommunalabteilung in Tomst angestellt, dann ent­lafsen und beginnt wieder sein Verbrecherleben.

Dem Berteidiger erklärte er auf die Frage, warum er erschossen

werden will:

,, Ueberlege dir meine Lage... ich bin ganz allein, keine Ver­wandten, teine Bekannten.. Bon niemand ein freundliches Wort. Nun, ich friege 10 Jahre Einzelhaft, werde nach 5 oder 7 Jahren begnadigt.. Komme heraus. Wohin soul ich gehen?... Wer wird mich haben wollen?... Arbeiten fann ich nicht mehr... Und wer wird meine Arbeit wollen... Also wieder rauben oder töten... Nein, ich habe genug.

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Nach den Reden des Staatsanwalts und des Verteidigers stand Tutubalin sofort auf und bat laut mit aufgeregter Stimme: ,, Ich bitte sehr... mich zu erschießen..."

Das Gericht verurteilte ihn zum Tode durch Erschießen.

Das Gericht verurteilte Elena zu 8 Jahren Zuchthaus und ermäßigte dann die Strafe in Berücksichtigung der schweren Bér­hältnisse, unter denen Elena lebte und die Tat beging, zu einem Jahr. Gleichzeitig wurde beschlossen, gegen Elenas Vater, die Stiefmutter und deren Schwester Antlage zu erheben.

Matrena Bujlatowa zog ihren Sonntagsstaat an und ging mit ihrem Bruder und den Freundinnen in das Nachbardorf zum Tanz. Am nächsten Morgen fand man drei Kilometer von dem Dorf in einem verschlossenen Schuppen das Mädchen aufgehängt. Die Untersuchung ergibt folgendes Bild:

Die Tanzerei und Schnapserei ist in vollem Gang. Plöglich stürzt sich eine Gruppe Burschen auf Matrena und schleppt sie in den Flur. Sie wehrt sich, schreit um Hilfe, hält sich an den Freundinnen fest niemand hilft ihr. In dem dunklen Flur dauert der Kampf fort, die Burschen warten auf ihre Reihe. Die Dorfjungens fommen in den Saal gelaufen und rufen den Tanzenden zu, was sie in dem Flur gesehen. Kein einziger hilft. ,, Dafür gibt es Alimente!" bemerkte jemand. Die Mädchen lachen. Bor Gericht gefragt, warum sie nicht hinausgingen, antworten sie, daß sie Angst hatten, man würde mit ihnen dasselbe tun. Die Burschen reden sich aus; sie war aus einem anderen Dorf, das ginge sie nichts an, oder sagen, daß, als sie hinauskamen, niemand mehr da war.

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Inzwischen wurde die ohnmächtige Matrena auf den of gefchleppt, auf die Erde geworfen und weiter vergewaltigt. In dem Flur waren es sechs vor Gericht stehen 13 Angeklagte. Und dann? Dann mußte man die Spuren des Verbrechens beseitigen. Man ladet das Mädchen auf und trägt sie in die Nacht hinaus. Ein Schuppen. Berschlossen. Einer bricht die Holzwand Einer bricht die Holzwand auf. Noch fünf Minuten die letzte Zuckung. Die Matrena existiert nicht mehr.

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Und dort werden die Tänze fortgesetzt. Die Zurückkehrenden werden mit Scherzen empfangen. Sie tanzen weiter. Am nächsten Abend wurde wieder getanzt... Dreizehn Angeklagte, 43 Beugen wer ist schuldig? Das Gericht entfernt sich zur Beratung.

( Deutsch   von M. Charol.)

Der größte Elevator. In Lübeck   ist der größte Elevator der Welt gebaut worden, und zwar als Reparationsgut für Frankreich  , da er für den Hafen von Rouen   bestimmt ist. Nach einer mit teilung der Umschau" ruht dieser riefige Bagger auf zwei Bon tons von je 60 Meter Länge und 7% Meter Breite, der Abstand zwischen den Bontons beträgt 11 Meter, die größte Breite 26% Meter. Der höchste Punkt der Anlage liegt 34 Meter über dem Wasserspiegel. 47 Eimer von je 500 Liter Inhalt fönnen bis zu 450 Rubikmeter Erde   in einer Stunde aus Schuten fördern. Die Kosten für diese riesige Maschine belaufen sich auf Millionen Mart.

Lappen unter Naturschutz

An dem langen eisigilaren Torneträst- See, hoch oben in Schweden  , wo die Erzbahn schon durch das Hochgebirge duft, ist ein tiefer Sattet in die Gebirgskette eingeschnitten: die Lappenpforte. In diese geheimnisvolle Bergwelt haben sich die alten Bewohner des Landes zurückgezogen, diese aussterbenden Indianer Europas  , die die schwedische Regierung unter einen besonderen Naturschutz gestellt hat. Von ihnen erzählt Donald Stuart in seiner interessanten ,, Schwedenfahrt", die er in dem bei Eugen Diederichs   in Jena   er­schienenen Deutsch- Nordischen Jahrbuch für 1930" veröffentlicht. ,, Spätestens in Kiruna   tauchen die ersten Lappen auf", schreibt er, ,, plattnafig, breitmäulig und flein  , wie schon Heine wußte. Sie gehen tief in den Knien, als wateten sie immer über Moospolster und Sümpfe. Sie stehen auf den Bahnhöfen umher, als ob sie reisen wollten. Sie sind aber da, um sich photographieren zu lassen, und wenn man sie mit der Linse fangen will, ehe man ihnen eine Krone gegeben hat, zetern sie mit dünner, hoher Stimme Abwehr. Nicht allen geht es so gut wie einigen in Norwegen  , die mit einem Reisebüro einen Vertrag haben und, wenn die Schiffsfirene ertönt, ihr ager beziehen und beginnen, primitive Genüffe für folkoristische Neugier zu tochen. Renommierlappen finden sich fast um jebes Schnitzereien und Flechtwert, die so übel nicht sind. Anständige Hotel, fie leben von der Küche des Hauses und fertigen Handarbeiten,

Andenken.

Aber hinter den Bergen an der Bahn führen die kleinen Kerle Leben. Dann begegnet man vielleicht einer. Riefenherde von Renn­mit den kindlichen und etwas scheuen Mongolenaugen noch ihr freies tieren und dem freien Lappen, der mit ihr bei Beginn des Frühlings in die Berge zieht nach Finnland   oder nach Norwegen  , überall hin, sehr ritterlich gegen ihre unproduttive nationale Minderheit, die wo noch fümmerliche Einöde für Renntiere ist. Die Schweden   sind ungern zur Schule geht, zu europäischer Arbeit, wie man's nimmt, unfähig oder unluftig ist und als Attraktion für Forschungs- und Bergnügungsreisende bestenfalls die 3infen von dem Kapital auf­bringt, das der Staat zu ihrer Erhaltung aufwendet. Sie dürfen die letzten ,, Wilden" Europas   sein. Ihr Gehege verengt sich immer mehr, bis es bloß noch ein etwas größeres Freiluftmuseum sein wird und ihr Aberglaube sich von teinem unberührten riesenhaften Wasser­fall und nicht mehr vom ungebrochenen Schweigen einsamer Hoch­täler nähren kann. Wasserkräfte mit Millionen Pferdestärken, playing grounds für Touristen ohne Zahl, schlummerndes Erz, und möglicherweise auch noch einmal Nuzen aus dem Birkenbusch, das alles verspricht Lappland  . Neuland im Norden."

Ein riesiger Tunnelbau. Eine der bedeutendsten Ingenieurtaten, die jemals für die Wasserzufuhr unternommen worden sind, wird jegt in England ausgeführt. Es handelt sich um die Anlage einer über 130 Kilometer langen Wasserleitung, die von Manchester  nach Haweswater führt. Durch gewaltige Sprengungen, bei denen 150 000 Tonnen Felsen mit 250 000 Tonnen Explosivstoff beseitigt werden sollen, wird eine 46 Kilometer lange Tunnelstrede angelegt, deren größter einzelner Tunnel 8 Kilometer lang ist und allein 200 Millionen Mark fosten soll. Die Oberfläche des Gees bei Haweswater wird von 30 Meter auf 58 Meter durch einen großen Damm gehoben, und dabei wird die 1000 Jahre alte Kirche von Mardale mit den umliegenden Gebäuden unter Wasser gesetzt. Der Gee, der gegenwärtig etwa 4 Kilometer lang ist, wird bis zu efner Ausdehnung von etwa 15 kilometer vergrößert und damit zum zweitgrößten See Englands gemacht.

André Maurois  : Kindheit und Weisheit

des Schicksals) befragte. Die Reifezeit beginnt, sobald der Er­wachsene auf die magischen Kulte verzichtet und die Bedingungen an­nimmt, die die Wirklichkeit seinen Wünschen auferlegt."

Es gibt Augenblicke im Leben, die uns alle auf dieselbe Ideen-| selben Ecke eines leeren 3immers Monsieur le Sort( den Herrn gruppe zurückzuführen scheinen. Eines Tages sprach ich mit einem Freund des Cocteauschen Romans ,, Enfants terribles" und er äußerte sich dazu: Cocteau   hat recht, wenn er sagt, die Kindheit ist oft ein tragischer Zeitabschnitt. Ich selbst habe einen sechzehnjährigen Sohn, an dem ich den Uebergang von der Kindheit zum Jüng­lingsalter beobachten kann. Aber wie wenig gleicht das den Dar: umfaßt die Jahre der Trauer und Verzweiflung, der oft ein schred stellungen der optimistischen Romanschreiber! Denn die Jugendzeit licher Todesgeschmad beigemischt ist. Erst mit reiferem Alter kommt auch das Glück zu uns.

Aus dieser Erklärung sieht man, daß nur sehr wenige zur voll­ständigen Reife gelangen. Für die meisten von uns bleiben die Zauberwelt und die wirkliche Welt zwei Länder mit beweglichen Grenze ist das Romanthema zum Beispiel. Ein Mensch stimmt zu Grenzen. Die Geschichte der langsamen Annäherung an diese oder weigert sich, das Vorhandensein einer Welt außerhalb der physi­falischen und psychologischen Geseze anzuerkennen. Das ist das Thema von ,, Der Kartause von Barma" ,,, Lys dans la Vallée", von

Tutubalin hörte das Urteil ruhig an, verbeugte sich tief und sagte: in die Moral" von Walter Lippmann  , in dem ich eine Theorie des Wilhelm Meifter" und allen großen Biographien.

Ich danke sehr."

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Auf der Anklagebant figen zwei Studenten, die Leidtragende

ist ein 17jähriges Mädchen mit gut entwickelten Formen und un­ruhigem Blick., Die Anklage lautet gegen den einen der Studenten

Am Abend las ich in einem amerikanischen   Buch Einführung Jünglingsalters und der Reifezeit fand, die mir dasselbe zu be­flätigen schien, was mich am Morgen verblüfft hatte.

in

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Das Jugendalter, der Zeitabschnitt der ersten. Lieben, bringt die Wiederkehr zum Zauberglauben mit sich. Bon neuem werden für einige Jahre die wirklichen Menschen durch gottähnliche Geschöpfe Manche Menschen reifen niemals: das heißt, sie nehmen nie die ersetzt, die mit einem Wort unser Glück oder Unglück entscheiden. Lehren der Wirklichkeit an und bleiben bei dem Glauben, daß die Macht, der fampflose Erfolg lassen den Menschen ein ewiges Kind

bleiben.

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Die frühe Kindheit ist die Zeit der magischen Kräfte. Schon Les Idées et les Ages" wird nachgewiesen, daß das wirkliche auf Bergewaltigung, gegen den anderen auf Beihilfe, wobei den Hindernis dem Kinde unbekannt ist. Es lebt auf einer Zauberinjel allein in seiner Schwäche, und wird von göttlichen Kräften, einer beiden die psychische Krankheit des Mädchens bekannt geweet Mutter oder einer Amme genährt. Wenn sie ihm wohlwollen, ist Welt nach ihren Wünschen gemacht sei. Der große Reichtum, die alles möglich, und es fann die Gunft erwidern, zuerst durch Schreie und Gebärden( Periode der Allmacht durch zauberische Gebärden, Die Merkmale der Erwachsenen Kindheit" find bekannt: Dr. G. Ferenczi), dann durch Worte und Säge( Periode der ma­nämlich der Gedanke, daß eine geheime Verschwörung zwischen den gischen Zauberformeln). Der Versuch zeigt dem kleinen Kinde nicht, Menschen und den Dingen besteht, um ihren Wünschen zu wider­daß die Dinge durch eine Handlung oder Arbeit erobert werden streben, jenes Gefühl, daß das Leben ihnen etwas schuldet, daß es tönnen. Während der ersten 15 Monate muß es zu den Dingen doch die Pflicht der Welt wäre, sich mit ihnen zu beschäftigen, ent­getragen werden, oder man muß sie ihm bringen. Seine Borstel- stammen einer optimistischen Philosophie, die das Verschwinden des lung vom Weltall   kennt keine Widerstände als seine Launen. Diesem Bösen verspricht, gleichwie eine Mutter ihr Kind tröstend in die 3eitabschnitt, den wir alle durchmachen, entspricht wahrscheinlich Arme nimmt und ihm verspricht, den bösen Tisch zu bestrafen. die unbesiegbare Neigung, die wir für das Wunderbare halten. Die Selbst bei denen von uns, die schließlich die Gleichgültigkeit der Mutter ist dem Kind eine Fee, der Vater ein Zauberer. Köchin, Natur, und die defensive Selbstfucht erkannt haben, dauert oft ein Gärtner, Portier und Nachbarin sind Heren und Zauberer mit befindliches Trauern und ein melancholisches Badauern an über ver­stimmten Eigenschaften und der Gegenstand besonderer Berehrung." Wenn diese Gottheiten sich durch die Macht der Schreie oder Worte gnädig gezeigt haben, herrscht das Kind in seiner Scheinwelt.

fein foll. Der Tatbestand war, daß der zweite Angeklagte das Mädchen auf einem Tanzabend bei seiner Schwester tennen gelernt hat, wo fie sich sehr leichtsinnig benommen hatte. Er erwähnte, daß er in einem Zimmer mit einem sehr interessanten und schönen Studenten wohne, worauf das Mädchen ihn kennen lernen wollte. Auf dem nächtlichen Rückwege ging sie zu dem Studenten hinauf, um den Regen abzuwarten. Um 4 Uhr morgens tam der erste Angeklagte nach Hause und fand den Freund und das Mädchen, das ihm er­zählte, seine Photographie habe ihr gefallen. Der Freund legte fich auf zufammengerückten Sesseln schlafen, der Student überredete bas Mädchen, sich mit ihm ins Bett zu legen. Sie behauptet, als unschuldiges Mädchen die Tragweite ihres Tuns nicht gekannt zu haben. Später habe sie sich gewehrt, set aber von dem Studenten vergewaltigt worden. Der Student sagte aus, das Mädchen habe teinen Widerstand geleistet. Der Freund will so tief geschlafen haben, daß er nichts hörte.

Beide Studenten wurden freigesprochen.

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Die junge Bäuerin Elena Rossijstaja wurde angeflagt, ihr neugeborenes Kind vorfäßlich dadurch getötet zu haben ,,, baß fie es am Atmen hinderte". Elena hatte ein Berhältnis mit einem Arbeiter und versuchte, die Folgen vor der Stiefmutter zu ver­bergen. Als die Geburtsstunde fam, schloß sie sich in ihrer Kammer ein. Um feine Spuren zu hinterlassen, führte sie die Geburt über einer Schüssel aus das Kind soll sich in der Schüssel verschluckt baben und daran erstickt sein. Dagegen stand die Behauptung der Stiefmutter und ihrer Schwester, das Kind wäre am Morgen ge boren und erst am Abend von Elena getötet worden, dadurch, daß sie ihm Wasser in Mund und Nase gegossen habe, bis es ersticht ſei. Sie hätten selber gesehen, wie Elena das Verbrechen aus­führte. Die Stiefmutter will ihren Mann gerufen haben, aber Dieser sagte, das wäre Elenas Kind und gehe sie nichts an. Elena bezeichnete die Aussage der Stiefmutter und deren Schwester als Lüge und bewies, daß sie von beiden durch Jahre mit Haß ver­folgt werde.

Sobald es sich allein bewegen kann, sieht es sich von feind­lichen Dingen umgeben, von deren Borhandensein es bisher nichts wußte. Die Katze fragt, der Hund beißt, das Feuer brennt; weder Schreie noch magische Worte haben Gemalt über diese Schmerz quellen. Durch fie verläßt das Kind die Zauberwelt und nimmt Fühlung mit der Wirklichkeit. Aber das geht nur sehr langsam; erst mit 12 oder 15 Jahren verliert es das Gefühl seiner Allmacht. Wenn es verwöhnt und allein in einer zärtlichen Familie auf­gewachsen ist, bleibt es lange im Schuß der natürlichen Herrschaft. Darum ist die Fühlungnahme mit anderen Kindern und die Cha­ratterbildung durch die Schule notwendig. Solange es sich gegen die Schlägereien in der Klaffe, die Berfolgungen und Berspottungen, diefe schmerzhaften Lehren der Wirklichkeit, wehrt, verteidigt sich das Gefühl der magischen Allmacht. Cocteaus Helden hüten in einer Schublade Fetische und Amulette. Alle phantasiebegabten Kinder haben neben der Religion, die sie lernen, eine eigene My thologie mit grausamen Sagungen. Die meisten Eltern wissen nichts von den primitiven Kulten, die in ihrem eigenen Hause gläubig in verschwiegener Heimlichkeit geübt werden. George Sand  betete die Göttin Corambé an. Ich fennen einen Meinen Jungen, der vor jeder Entscheidng in einer Ede  , und zwar immer in der=

lorene Sllusionen der frühen Kindheit. Wir wissen, daß die Weſt,

in der wir leben, unvollkommen ist, aber wir hoffen auf eine andere, in der wir das goldene Zeitalter unserer Kindheit wiederfinden werden. Die wahre Reife, die wahre Weisheit wird nur von denen erlangt, die von ganzem Herzen, wie Mark Aurel  , sagen: ,, Jeder, der zu dir gehört, o Welt, geht auch mich selbst an". Oder wie Des­ cartes  : Ich habe die Gewohnheit angenommen, meine Wünsche zu forrigieren, noch bevor die Welt ihren Berzicht erzwingt, und dabei zu bedenken, daß das, was nun einmal nicht eintreffen konnte, auch für mich belanglos war".

Hier sieht man, daß die Weisheit sich wieder mit der Kindheit vereint. Während die Wünsche sich der Natur der Dinge anpassen mußten, steht er sich jetzt in einer Welt, die sich seinen Wünschen anpaßt. Er tann sich nun seinen Leidenschaften hingeben, aller­dings nicht wie ein Kind, weil andere über ihre Folgerungen wachen, aber weil er der Herr der Meute ist, und sie, wenn er mill, wieder zurückrufen kann. Nur sehr wenige erlangen diese Kind­heit der Weisheit, und der Uebergang von der Zauberinsel zum carnaval étrange", dem wirklichen Dasein, bleibt das große Drama bes menschlichen Lebens. Die heimlichsten und mühsamsten Tra­gödien spielen sich auf den Schulhöfen ab, wo jeden Tag ein zehn­jähriger Hamlet die Ungerechtigkeit, den Haß und die Bosheit ent deckt, sie ablenkt oder annimmt und schließlich ein Mensch wird. ( Autorisierte Uebertragung von Eva Schulz- Behlan.)