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Nr. 515 47. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts

Sonntag, 2. November 1930

ettatskammer

In Zeiten politischer Hochspannung, besonders menn diese DOR isenhaften Momenten begleitet ist, zeigt sich in meiten Bevölkerungskreisen eine starke Unsicherheit über die weiteren Möglichkeiten zur Beschaffung des notwendigen Nahrungs­bedarfs. Der Kapitalflucht im großen entsprechen die Angst­käufe der Hausfrauen im kleinen. Für den kommenden Winter sind jedoch Befürchtungen in dieser Richtung unbegründet, noch nie maren alle Speicher der Reichshauptstadt dermaßen mit Lebensmitteln überfüllt, wie in diesem Herbst. Wenn trotz­dem heutzutage Getreide, Kartoffeln, Zucker und Hülsenfrüchte zu einem großen Teil fast unverkäuflich sind, dann liegt das Dielmehr an der Wirtschaftskrise mit ihrer drückenden Arbeits­losigkeit: die breiten Verbrauchermassen haben kein Geld, um sich die nötigen Lebensmittel in den sonst üblichen Mengen zu kaufen, allenthalben fehlt es an Kaufkraft. Ein wenig anders liegen die Dinge allerdings beim Hausbrand. Hier ist vorerst wenig zu sehen von überfüllten Lägern. Wir wollen versuchen, uns ein Bild von der tatsächlichen Lage zu machen und im einzelnen die wirtschaftlichen Verhältnisse bei den ver­schiedenen Gegenständen unseres täglichen Bedarfs besprechen.

Ueberschwemmung Berlins mit Kartoffeln. Beginnen wir mit den Kartoffeln, die nicht nur in Zeiten der Krise das Hauptnahrungsmittel der arbeitenden Bevölkerung bilden. Berlin ist mit Kartoffeln geradezu überschwemmt. Troßdem die Interessentenverbände jeden Tag die Kartoffelerzeuger durch den Rundfunk und durch die Zeitungen mahnen, feine Kartoffeln mehr nach Berlin zu senden, weil sonst die Großhandelspreise immer weiter finfen müssen, nehmen die Zufahren an Kartoffeln enorme Ausmaße cn. Daß dies feine Redensart ist, beweisen die statistischen Auf­zeichnungen der Berliner Güterbahnhöfe über den Kartoffelverkehr; die neuesten Zahlen reden eine anschauliche Sprache. So wurden gezählt: neuan! ommende bahnstehende standgeldpflichtige Wagen Wagen Wagen 670 437 541

am 18. Oftober

20.

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21.

B

22.

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23

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24

233

150

691

143

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557

190

657

467

186

601

415

163 000 000 573

1065 3891

409­2826

In der vorhergehenden Woche vom 11. bis zum 18. Oktober waren dagegen auf den Berliner Güterbahnhöfen nur 990 Wagen mit Kartoffeln neu angekommen, 3075 standen schon auf den Bahn­höfen und 2085 standen schon so lange, daß sie standgeldpflichtig geworden waren. In der Woche vom 18. bis zum 24. Oftober tamen jedoch rund 2500 Kartoffelwagen hinzu, ohne daß ein Ende der Kartoffelüberflutung Berlins zu sehen wäre. Denn die diesjährige Kartoffelernte beträgt 44 Millionen Tonnen, das sind 13 Proz. mehr als im Vorjahre. Die Landwirte, die dringend Geld brauchen, werfen alle verfügbaren Mengen auf die großen Absahmärkte und bieten sogar an, sofern sie nicht allzu weit von Berlin entfernt wohnen, die Kartoffeln den Berliner Hausfreauen per Fuhrwerk frei ins Haus zu liefern. Wir wollen dabei nicht verschweigen, daß riele Landwirte jede Unterscheidung zwischen Speise- und Futter­fartoffeln vermissen lassen, es muß sehr schlecht um die Qualität der nach Berlin fomnienden Kartoffeln stehen, wenn sogar in der Nr. 42 der Mitteilungen der Preisberichtssteile beim Deutschen Landwirt schaftsrat" zu lesen ist, daß die Landwirte Kartoffeln in wenig be­friedigender Qualität an den Markt bringen, so daß häufig berech tigte Beanstandungen zu verzeichnen sind". Aber dies nur nebenbei. Die Hauptsache sind die hohen Preise. Man sollte doch annehmen, daß bei einem derart großen Angebot das überhöhte Preisniveau langsam fintt, aber nichts von alledem. Noch immer müssen die

"

Berlin

Hausfrauen für die Winter- Industrietartoffel 35 Pf. für 10 Pfund bezahlen, obwohl die Landwirte als Erzeuger noch nicht die Hälfte dieses Preises erhalten. Der Gewinn bleibt auf den langen Etappen des Zwischenhandels, und die Reichsregierung, deren Finanzminister Dietrich mit Donnerstinime in der letzten Sitzung des verflossenen Reichstags den Preisabbau forderte, hat sich schützend vor den Profit der Kartoffelhändler gestellt, indem sie umfangreiche Stügungskäufe in Kartoffeln vornahm und erhebliche Mengen dieser Hackfrucht aus dem Verkehr zog und sie den Kartoffelflockenfabriken zuführte. An­statt die Kartoffelpreise entsprechend dem Ueberangebot ihrem ver. dienten Schicksal zu überlassen.

Alle Getreidespeicher überfüllt!

Die Ueberschwemmung Berlins mit Kartoffeln ist gegenüber der. jenigen mit Getreide fast ein Kinderspiel. Wir hatten dieser Tage Gelegenheit, in die Hallen des riesigen, neun Stockwerfe hohen Getreidespeichers am Berliner Westhafen hineinzusehen: es ist un­möglich, auch nur noch ein Körnchen Roggen unterzubringen, wenn es nicht durch Selbstentzündung zur Katastrophe fommen soll. Dessenungeachtet fahren Tag für Tag ganze Flotten von Kähnen vor und wollen ihre großen Getreideladungen löschen. Doch das ist unmöglich, denn weder in einem städtischen Lagerhaus, noch in einem privaten Speicher Berlins ist gegenwärtig noch Getreide einzulagern. Trotzdem ist für die Getreidehochflut kein Ende abzusehen. auf den märkischen Wasserstraßen waren in Richtung Berlin unterwegs in

ver Woche vom

4.- 10 Oktober.. 5065000 kg Weizen 4186 000 kg Roggen 11.- 17. 4877000

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5966000

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also genau die gleiche Entwicklung wie bei den Kartoffeln. Dabet muß man berücksichtigen, daß das Inlandsangebot an Getreide zur 3eit gar nicht einmal erheblich ist, weil die Landwirte mit der Hack fruchternte und den herbstlichen Bestellungsarbeiten vollauf in An­spruch genommen sind und zum Dreschen bisher noch gar keine Zeit hatten. Der ärgfte Störenfried am Weltgetreidemarkt ist augenblid­lich Sowjetrußland. In diesem Lande sind die Lebensmittel längst wieder rationalisiert, nur nach langem Schlangestehen" tönnen die Städter ihr täglich Brot erhalten, trotzdem laufen ununterbrochen Weizentransporte durch die Dardanellen, eine halbe Million Tonnen(!) war das im vergangenen September, das ist die Hälfte einer Wochenvertabung der ganzen Welt kein Mensch fann ab sehen, welche Maße die Borratsstauungen an Getreide noch an­bei einem erstmalig zu verzeichnendem Rückgang der Anbaufläche nehmen werden. Die diesjährige Roggenernte Deutschlands beträgt als unterdurchschnittlich bezeichnet, reicht jedoch zur Deckung des um 2 Proz. ungefähr 7,7 Millionen Tennen. Diese Menge wird deutschen Bedarfs vollkommen aus, abgesehen von den vorhandenen Großhandelspreise, aber auf eine Auswirkung dieser Entwicklung Borräten. Entsprechend diesem Ueberangebot schwanken wohl die auf den Berliner Brotpreis warten wir schon lange vergeblich. Und beim Weizen sind wir vollkommen von der reinigenden Konkurrenz Weizen ein Zollsatz von 185 Mart liegt, tönnen sich die deutschen des Auslandes abgesperrt. Weil auf jeder Tonne einzuführenden Weizenpreise auf der doppelten Höhe des Weltmarktpreises halten.

Fehlende Käufer für Zucker.

Die Zuckerernte steht vor der Tür und noch liegen in den Speichern Berlins die Zuderjäde zu Bergen gestapelt. Weil es an Kauffraft fehlt. Dabei wird die Zuckerernte in Deutschland eine aus. nahmsweise große sein, nämlich 45 Millionen Zentner. Dagegen be trägt der deutsche Inlandsverbrauch nur 35 Millionen Zentner, 20 Proz. der deutschen Rübenzuderernte müssen also auf dem Welt­marit abgesetzt werden. Niemand braucht also eine Bucerfnapp­heit zu befürchten, im Gegenteil! Nun muß man 6 Zentner Rüben

Das Innere einer gefüllten Speicherhalle.

haben, um daraus einen Zentner Zuder gewinnen zu fönnen. Die Verarbeitungskosten für jeden Zentner Rüben stellen sich auf 90 Pf., das wären demnach für jeden Zentner Zucker 5,40 Mark reine Ver­arbeitungskosten ohne den Preis für die Rüben. Der Weltmarkt­preis für Zucker, der sich nach dem ausschlaggebenden tubanischen Rohrzuder richtet, beträgt jedoch mur 5 Mart pro Zentner, so daß dieses verluftbringende Ausfuhrgeschäft an Rübenzucker durch über­höhte Inlandspreise wieder wettgemacht werden muß. Das kann fich die Zuckerindustrie leisten, denn Zucker ist in Deutschland mit 16 Mart pro Zentner zollgeschützt! Trotzdem will man in Zukunft auf den Export verzichten. So lesen wir in der Nr. 38 der ,, Deut­schen Handelsrundschau", dem Organ der Edeka - Genossenschaften:

,, Es wäre durchaus verständlich, wenn der Landwirt im Hinblick auf die vorerwähnte Tatsache seine Rüben einfach auf dem Felde verfaulen ließe, um sie als Düngemittel wieder zu gebrauchen." Eine derartige Ungezogenheit müßte plafatiert werden und gleich­zeitig die Verbraucher davon in Kenntnis gesetzt werden, daß man bei einer nicht absehbaren 3uderernte dan Großhandelspreis für den 3entner Rohzuder auf 23 Mart in die Höhe treiben will!

Die Versorgung mit Dreßfohlen.

Wir sparen uns eine Schilderung des Erben, Bohnen- und Staffeemarktes. Ueberall große Borräte bei vereinzelten Käufen. Beim Kaffee haben die am 5. März in Kraft getretenen Zoll­erhöhungen von 65 auf 80 Pf. für das Pfund Rohkaffee und von 87 auf 150 Pf. für das Pfund Rösttaffee zu einem besonderen Rück gang des Verbrauchs und zur Abwanderung zum Malzfaffee ge­führt; von Januar bis Juli 1930 wurden nach Deutschland 112 500 Säcke Kaffee weniger eingeführt als in der gleichen Zeit des Ber­der Versorgung Berlins mit Hausbrand. In dem hinter uns liegen­jahres. Etwas anders liegen die Dinge, wie schon angedeutet, bei den Sommer der Krise, einem Sommer mit 400 000 Erwerbslosen ein. Die Braunkohlengruben legten deshalb Feierschichten ein, um allein in Berlin , deckten sich nur wenige Familien mit Preßfohlen bei den Händlern sind teine übermäßig hohen Vorräte vorhanden, die Haldenbestände nicht ins Ungemessene wachsen zu lassen. Auch fäufen zurückhielten. Andererseits spielte natürlich auch der Kapital­weil diese aus Furcht vor einem plötzlichen Preisabbau mit Lager­Zufuhren an Braunkohlen in den verflossenen Monaten dieses mangel in diesen Kreisen eine erhebliche Rolle. So betrugen die Jahres reichlich millionen Tonnen, das ist ungefähr die Hälfte des vorjährigen Verbrauchs. Nun war der letzte Winter ein milder, und es fragt sich, ob bei strenger Kälte die Braunkohlenmenge des Vorjahres von knapp 3 Millionen Tonnen zur Deckung des Haus­brandbedarfs in diesem Winter ausreicht. Zumal Berlin in seiner Versorgung mit Hausbrand allein auf das Niederlaufizer Braun­fohlenrevier angewiesen ist; die mitteldeutsche Braunkohle ist start teer- und schwefelhaltig und kann nur in besonderen Rostösen ver­brannt werden. Wir wollen jedoch hoffen, daß die Feierschichten Dom Sommer noch eingeholt werden können und daß die Ver­ladungen auch bei strenger Kälte flott vonstatten gehen. Dann sind auch beim Hausbrand feine Befürchtungen für eine Knappheit gegeben.

*

Wie wir gesehen haben, ist bei den Lebensmitteln kein Grand zu Besorgnissen vorhanden. Ueberall find Scheunen und Speicher bis unter die Dächer mit Waren gefüllt. Nur fehlt es an Käufern. Die Umsätze der Warenhäuser an Bekleidung betragen nur noch 79 Proz. der Ziffern von 1925, das Teilzahlungsgeschäft ist im Juli 1930 gegenüber dem gleichen Monat des Vorjahres um 36 Proz. zurückgegangen, die Geldeingänge um 12 Proz., und nur noch 48 Proz. ihres vorjährigen Bedarfs haben 1930 die Teilzahlungs­geschäfte eingekauft. Erschreckend aber geradezu sind die Ziffern über die Darlehnsgesuche beim Staatlichen Leihamt in Berlin , die im ersten Halbjahr 1930 4,35 Millionen Mark betrugen gegen nur 1,58 Millionen im ganzen Jahre 1925! Deshalb ist es eine Unfitte sondergleichen, in diesen Zeiten daniederliegender Kaufkraft auch noch die Löhne abbauen zu wollen. Nicht Lohnabbau, sondern Preis­abbau muß die Parole sein, dann werden auch die Borräte in den überfüllten Speichern langsam abnehmen.

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