Die Umstellung in der BVG. Der Einbruch in die Reichstagsbibliothek
Genoffe Majerezit scheidet aus.
Wie wir gestern schon meldeten, werden im Vorstand der 5VG. nicht nur die Gehälter beträchtlich gekürzt, sondern auch feine Mitgliederzahl wird von fünf auf vier verringert. Genosse Dr. Majerczik, der bisherige Leiter der Verkehrsabteilung, wird bei dieser Gelegenheit aus seinem Amte ausscheiden. Die fozialdemokratische Stadtverordnetenfrattion ist mit seinem Ausscheiden einverstanden. Genosse Majerczit hat sein Amt unter außerordentlich schwierigen Verhältnissen übernommen. Der Zusammenschluß der Berliner Verkehrsbetriebe zur BBG. erfolgte in einer Zeit, als die öffent liche Wirtschaft durch die drosselnde Anleihepolitif Schachts aufs schwerste gefährdet und die kommunalen Finanzen auf das ernſteſte bedroht wurden. Der Aufbau der BVG. mußte also in schwerer Sturmzeit durchgeführt werden. An diesem Aufbau Dr. Majerczik, der das verantwortliche Amt der Verkehrsdisposition und Tarifpolitik leitete, in hervorragendem Maße beteiligt. Die Tariferhöhung der BVG., die die Berliner Bevölkerung nicht mit Unrecht sehr beunruhigte, war freilich nicht sein Wert. Sie ist, allerdings mit als Folge der starken und notwendigen, aber sehr fostspieligen Ausbauten des U- Bahnnetzes seinerzeit vom Oberpräsidenten der Provinz Brandenburg der Stadt Berlin und damit auch der BVG. auferlegt worden.
war
Bei der Durchführung der Verkehrs- und Tarifpolitik zeigten sich später start gegensägliche Auffassungen zwischen Dr. Majerczik und dem Aufsichtsrat, die nicht zu überbrücken, aber von grundsäglicher Bedeutung für die Führung der BVG. waren. Schon im September sprach sich Genosse Majerczit deshalb dahin aus daß der Anstellungsvertrag nach seinem Ablauf nicht mehr verlängert werden sollte. In zwischen war er mit Erfolg um Ersparnisse im Verkehrsbetrieb bemüht, die schließlich eine beachtliche Summe erreichten und die innere Gesundung der BVG. fördern werden.
Daß Genosse Majerczit in absehbarer Zeit aus seinem Amt scheiden wird, bedauern wir sehr. Wir hoffen aber, daß seine geschulte
Außer der Verfassungsurkunde noch andere Dokumente gestohlen
noch einige andere Werke mitgenommen haben. In dem gleichen eisernen Schrank, in dem sich die wertvolle Verfassungsurkunde befand, hatte man auch einige Raritaturen von 1848 aufbewahrt, seltene Graphifen, und weiter wissenschaftliche Werke, die man nicht in die offenen Bibliotheksregale einreihen wollte. Zugleich mit der Verfassungsurkunde hat der Dieb diese Graphiken mitgenommen und außerdem einige Bände über Seguaswissenschaft, und zwar die Sittengeschichte des Weltkriegs von Magnus Hirschfeld und drei Bände Bilderlegiton der Erotik", herausgegeben vom Institut für Sexualforschung in Wien . Man kann annehmen, daß die entwendete Verfassungsurkunde einen
Wert von wenigstens 100 000 Mark
In den letzten Tagen wurde, wie bereits mitgeteilt, in der Reichstagsbibliothek das Fehlen der Verfassungsurkunde vom 28. März 1849 festgestellt. Die Urkunde befand sich in einem der verschloffenen eisernen Schränke im Speicher der Reichstagsbibliothet; sie stellt ein Unikum insofern dar, als unter dem gedruckten Text der Reichsverfassung sich die OriginalAbgeordneter unterschriften fämtlicher der nationalversammlung der Pauls- Kirche befinden. Tert und 19 Seiten Unterschriften. Die Urkunde ist auf Pergament gedrudt; sie umfaßt 27 Seiten Das Format ist etwa 35:23 3entimeter, der Einband besteht aus rotem Leder; auf der Borderseite befindet sich ein Adler in Silber. Zu den Bibliotheksräumen des Reichstags haben nur die Bibliothetsbeamten Schlüssel. Das hat allerdings nicht verhindern hat. Diese wertvolle Eigenschaft des Dokuments dürfte es allerdings lönnen, daß bereits im Sommer d. I. einmal ein Einzugleich dem Dieb, wenn er nicht etwa felber ein fanatischer Sammler bruch in die Bibliotheksräume des Reichstags verübt wurde. sein sollte, nahezu unmöglich machen, feinen Raub in Deutschland Damals wurden Wertgegenstände gestohlen, die ein Bibliotheks zu veräußern. Denn jeder Händler oder Interessent, dem das Do beamter für die Zeit seiner Sommerreife in den Schränken unter- tument angeboten würde, muß sofort wissen, wo es gestohlen ist. gebracht hatte. Der Diebstahl an sich aus dem Tag und Nacht bewachten Reichstag und aus den unter besonderem Verschluß gehaltenen Bibliotheksräumen dürfte trotzdem nicht allzu schwer gewesen sein. Es liegt in der Natur des Reichstags, daß sich zu ihm außerordentlich viele Menschen Zutritt verschaffen können. Der Dieb hat ferner den eisernen Schrank mit einem einfachen Dietrich öffnen können, und ihn nach vollbrachter Tat jogar fäuberlich wieder zugeschlossen.
Man kann in der Reichstagsbibliothek leider nicht genau das Datum des jüngsten Diebstahls ermitteln Die Verfassungsurkunde von 1849 ist zuletzt in ihrem eifernen Gewahrsam im November 1929 festgestellt worden, seitdem aber nicht mehr herausgesucht. Erst vor einigen Tagen wurde der eiserne Schrank, der einem der eisernen Garderobenschränke gleicht, wie sie in manchen Betrieben für die Angestellten bereitstehen, geöffnet. Man wollte nämlich die Urkunde für ein Bildwerk über den Reichstag photographieren lassen und stellte dabei ihr Fehlen fest. Zugleich entdeckte man, daß der oder die Diebe außer der Verfassungsurkunde
Kraft und große Wirtschaftserfahrung der öffentlichen Wirtschaft, die Heute Hallensportfest
Kenner und Könner dringend braucht, erhalten bleiben wird.
Der Raubüberfall in der Stadtbank. 1500 Mart Belohnung ausgetett.
Bon den Räubern, die die Filiale der Stadtbant in der Wils= nader Straße heimsuchten, ist bisher noch teine Spur gefunden worden. Es ist jetzt festgestellt, daß insgesamt 14 000 Mark geraubt wurden. Die Summe besteht in der Hauptsache aus 50-, 20 und 10- Martscheinen, 100- Martnoten waren nur wenige darunter. Die Beschreibung der Täter ist sehr lückenhaft. Es sollen Leute von etwa 25-30 Jahren gewesen sein, die mittelgroß waren und helle Sportmüßen und wahrscheinlich graue Anzüge trugen. Die Stadtbank hat auf die Ergreifung der Räuber eine Belohnung von 1000 Mart ausgesetzt, die Kriminalpolizei eine solche von 500 Mart. Außerdem werden 10 Prozent vom Wert der wiederbeschafften Summe zugesichert. Mitteilungen zur Auftlärung werden an das Raubdezernat A 5 im Polizeipräsidium erbeten.
des Arbeiter- Turn- u.Sportbundes Im Sportpalast , Potsdamer Straße , tindet nachmittags 3 Uhr eine Heerschau aller Sportarten unserer Sportireunde statt. Alle Genossen, die dem Arbeitersport Sympathie entgegenbringen, werden ersucht zu erscheinen. Der Bezirksvorstand.
Betrug und Kohlenwucher.
Drei Monate Gefängnis für einen Hausbesizer.
Diefer Tage fand vor der Zweifen Großen Straffammer des Landgerichts III Berhandlung gegen den Kaufmann Leon kohen aus der Eisenacher Str. 29 und den Kohlenhändler S. aus Charlottenburg statt, die mit der Berurteilung beider Angeklagten endete.
Der Verhandlung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der. Kohlenhändelr S. hatte von dem Hauseigentümer Leon K. für zwei Grundstüde in Charlottenburg die Belieferung der 3entralheizungsanlagen mit Rots erhalten. Die allgemeine Unfitte der Rabattgewährung an Rotsbesteller spielte auch in diesem Falle die entscheidende Rolle. Kohen hatte von dem Kotslieferanten Im ehemaligen Herrenhaus veranstaltete der Landesverband 10 Prozent der Rechnungsbeträge, später jogar 12 Prozent für sich Mark Brandenburg des Vereins für das Deutschtum im in Anspruch genommen, die er auch erhielt. Als der Kohlenhändler Ausland eine Kundgebung für den bedrohten deutschen Often. Nach die Abfuhr der von ihm verkauften Mengen durch eine andere Firma dem Fahneneinmarsch, der von den Trägern des Vereinsbanners ausführen ließ, verständigte er Kohen davon, daß er nicht mehr in und der Reichsfahnen geführt wurde, und musikalischen Darbietungen der Lage sei, die 12 Prozent Rabatt zu gewähren, da er dann selber folgte eine Reihe von Vorträgen, von denen das Referat„ Die nichts mehr verdiene.( 12 Prozent machen bei einem Zentner etwa Staaten Südosteuropas und ihre deutschen Minderheiten" des Ge- 35 Pfennig aus.) Kohen, ein gebürtiger Serbe, der in der Inflationswerkschaftssekretärs Furtwängler besonderen Beifall fand. Er zeit die Berliner Grundstücke gekauft hat, wollte den mühelosen, aber betonte, daß die Bewegung für das Deutschtum im Auslande frei recht lukrativen Nebenverdienst nicht missen und ersann einen AusJei von Chauvinismus und vor allem die Erhaltung deutscher Kultur, weg. Er überredete den Kohlenhändler, der für die Häufer ftets deutscher Schulen und deutschen Wesens jenseits der Grenzen erstrebe. Schmelzfoks Brech I" liefert, Rechnungen über Schmelztots Aus diesen Erwägungen heraus sei auch der Kampf gegen die Un- Brech II" auszustellen, dadurch habe er ja dann die Differenz gerechtigkeiten der Friedensverträge von 1919 zu erklären. Der zwischen Sorte I und Sorte II- für den Zentner 18 Pf. gemeinsame Gefang der Nationalhymne schloß die Veranstaltung. schon wieder für sich heraus, so daß eine Weitergewährung des
10.Seemann
O.Wöhrle
Unternehmer
Deutschland ist wirklich das Land, wo Milch und Honig fließt, wenn man nur tüchtig die Arme rührt und das nötige Sigfleisch mit auf die budlige Welt gebracht hat, um täglich seine zwölf bis dreizehn Stunden auf dem lederbespannten Schusterschemel zu sizen! Nur tüchtig zugegriffen, nur unverdrossen geschuftet, feine Arbeit zurückgewiesen, und mag es sich um das lumpigste Riesterchen handeln, und das Sohlleder geflopft, daß hell der Unterlagestein flingt und die Nähmaschine mit der derben Steppnadel sausen gefassen, dalli, dalli, dann kommt man schon vorwärts und kann seine Familie ernähren, mögen abends auch ein halbes Dugend hungrige Mäuler um die dampfende Belltartoffelschüffel fizen!
So ungefähr lautete die Lebensmarime des Schuhmachermeisters Andreas Eisermann, der im Osten Berlins eine Flickschusterei betrieb, der er eine kleinen Laden angegliedert hatte.
Das war lange vor dem Krieg. Eisermanns Geschäft ging gut. Er hatte eine zahlungsfähige Kundschaft, die nicht nur Flickarbeit brachte, sondern sich auch von Zeit zu Zeit Maßarbeit fertigen ließ, so daß der Meister in der Lage war, einige Gesellen zu beschäftigen. Daher war er meistens guter Dinge, nahm das Leben rund und in allen seinen Teilen wohlgefügt, und pfiff luftig sein Liedlein, ob es nun am frühen Morgen oder am späten Abend war.
Seiner Frohmütigteit wegen war er im ganzen Biertel beliebt, und fo fonnte er sich mit seiner Kund'chaft und auch mit seinen beiden Gehilfen manchen Scherz und manche Neckeret erlauben, ohne daß ihm irgendwer seinen Schnack übel nahm, mochte er noch so derb und ausgelassen sein. Im übrigen hatte er zu den Dingen der Welt und seiner Umgebung eine eigene philosophische Einstellung, die er aber niemanden aufdrängte.
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Vor allem war er sehr stolz auf sein Handwerk. Er fonnte toll werden vor Zorn, wenn ihn jemand geringschäßig Schuster nannte.
Ich bin fein Schuster!" pflegte er dann zu sagen. Ich bin Schuhmacher! Schuster heißt Pfuscher. Ich aber bin Meister und habe mein Handwerk redlich gelernt!"
Aus diesem primitiven Handwerkerstolz heraus hielt er auch große Stücke auf seine Innung. Es verschlug ihm nichts, daß es nur eine Zwangsinnung war.
Was sein Innungsblatt schrieb, war richtig. Darauf konnte man schwören wie aufs Evangelium.
Manchmal, wenn er die Schweinsborsten eingedrillt hatte und nun den Bechdraht mit gelbem gut duftenden Bienen wachs einwachste und die langen Enden mit seinen fräftigen, muskulösen Händen langstrich, die schwarzgebeizt von Lack und Lohe waren, blickte er versonnen in die wasserflare Glaskugel, die im Lampengalgen auf dem Arbeitstisch hing, und nidte wie in Beschauung vor sich hin.
Die Gesellen tannten diesen Zustand bei ihrem Meister und störten ihn nicht bei derlei Betrachtungen.
Kam in solchen Augenblicken ein Kunde in den Laden und wollte bedient werden, so wurde der Meister grob wie Bohnenstroh und ließ seinem Unmut freien Lauf. Aber das verdroß die Kunden nicht, ihm ihre Arbeiten aufzutragen; denn der Mann lieferte wirklich sauberes, solides und dabei doch preiswertes Schuhwerk. Da tam die Kon furrenz nicht mit. Auch die drei kleinen Krauter nicht, die sich im Lauf der letzten Jahre in seiner unmittelbaren Nähe festgesezt hatten. Die schlug er mit seiner Arbeit glatt aus dem Felde.
Meister Eisermann hatte es aber auch verdammt nötig sich zu rühren und fleißig zu sein. Seine Familie wollte leben. Sie wuchs jedes Jahr um einen Kopf mehr War seine Frau auch schwach und fränt lich, im Kinderfriegen nahm sie's mit der Gesündesten auf. Die reinste Gebärmaschine, mit der Pünktlichkeit eines Uhr werts funktionierend.
Vater Eisermann war gar nicht böse über den sich jährlich mehrenden Segen. Er vertrat den Standpunkt: Ein rechter Mann jetzt dem Kaiser möglichst viele Jungens in die Welt! Sie werden ihm gute Soldaten. Denn das ist es, was Preußen braucht!
Eifermann sprach daher mit Stolz von seinen fünf
Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß die Bibliothek des Reichstags im Augenblick etwa 320 000 Bände umfaßt, die in einem riesigen Saal untergebracht sind, in dem sich die Regale auf drei Stockwerfe verteilen.
Rabatts möglich sei. Zu diesem unlauteren Manöver, das auf Kosten der Mieter ging, fand sich der Kohlenhändler denn auch bereit. Mit Hilfe der Brennstoff- leberwachungsstelle in der Königin- Augusta
Straße 15 tam der Betrug ans Licht, und es wurde Anzeige erstattet.
Die Angeklagten Kohen und S. wurden wegen Betruges zu je 500 Mart Geldstrafe verurteilt, Kohen außerdem wegen schwerer Urkundenfälschung zu 3 Monaten Gefängnis( mit Bewährungsfrist) sowie zu einer Geldbuße von 1000 Mart.
August Nogens begnadigt.
Neustrelit, 1. November. Der im April d. 3. vom Schwurgericht Neustrelitz zum Tode verurteilte Bandarbeiter August Nogens ist auf Beschluß des Mecklenburg Strelißer Staatsministeriums zu lebensläng 11 chem 3uchthaus begnadigt worden.
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Billiger Sonntag im 300. Der 2. November ist billiger Sonntag im 300. Das Eintrittsgeld beträgt nur 50 Pf. für Erwachsene und 25 Pf. für Kinder; dieselbe Ermäßigung gilt auch für das Aquarium. Bon 4 Uhr nachmittag ab findet Militärkonzert unter Leitung des Obermusilmeisters Hagemann statt.
Wirtschaftskrise und Arbeitnehmerschaft." Im Programm der Aftuellen Abteilung, Vortragsreihe ,, Bovon man spricht", wird am Montag, dem 3. November, 20 Uhr, Wilhelm Eggert , Borstandsmitglied des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes , über das Thema„ Wirtschaftskrise und Arbeitnehmerschaft" sprechen.
Arbeiterbildungsschule. Der Kursus des Genossen Braunthal fällt am Montag, dem 3. November, aus. Fortsetzung Montag, dem 10. November.
Orchesterchorkonzert des Berliner Sängerchors. Der Berliner Sängerchor veranstaltet am Montag, dem 3. November, 20 Uhr, in Bortrag gelangen Werte von Johannes Brahms . Das gesamte Berder Neuen Welt"( Hasenheide) ein Orchesterchorkonzert. Zum liner Sinfonieorchester wirft mit Der Eintrittspreis beträgt influsive Textbuch an der Abentasse 1,50 M.
Was geht in Polen vor? Im Rahmen des 4. wissenschaftlichen Klubabends der Deutschen Liga für Menschenrechte wird Joseph Dubrowitsch am Montag, dem 3. November über die jüngsten Borgänge in Polen , die feit Wochen die Deffentlichkeit erregen, iprechen. Gäste gegen Zahlung des Antoftenbeitrages willkommen. Der Vortrag findet im Wirtschaftspolitischen Saal des Reichswirtschaftsrates, 9, Bellevuestr. 15, abends 8.30 Uhr, statt.
Jungen, die nacheinander da waren, in der Größe abgestuft wie Orgelpfeifen.
Von dem Mädchen aber sprach er nicht mit Stolz; denn die war zart und schmal und tränklich und ganz der Mutter nachgeraten.
Der älteste der Jungens, Paul, war ein gewißter Bengel, der schon als kleiner Steppte, taum zur Schule gekommen, der Kundschaft die fertigen Stiefel ins Haus trug und dabei manchen Sechser und manchen Groschen einheimste.
Sein Rivale auf diesen Gängen war Ludwig, sein um ein Jahr jüngerer Bruder, der weniger sprach, dafür aber um so nachdenklicher war. Da er sah, wie sein Bruder Paul sich ein hübsches Naschgeld verdiente, brängte er sich förmlich mit Gewalt zum Stiefelaustragen. Denn Geld oder gar Süßigkeiten fannten Eisermanns Kinder noch wenig. Des Sonnabends, wenn die Mutter vom Einholen zurückkam, hatte der Kaufmann die übliche Tüte voll Brustkaramellen mitgegeben. Die wurden redlich verteilt. Jedes der Kinder erhielt zwei Bonbons. Das war dann die ganze naschhafte Herrlichkeit für die lange, lange Woche bis zum nächsten Sonnabend.
Der Schuhmachermeister sah dem stillen Konkurrenztampf seiner beiden ältesten Knaben behaglich schmunzelnd zu. Im übrigen ließ er fie tun, was sie wollten. Daher fam es, daß sie richtige Gassenfeger wurden, sich in der langen Freizeit in den Straßen umhertrieben und allerlei Streiche anstellten. Wohl tamen Klagen über sie zu ihres Vaters Ohren. Aber der Alte fuhr mit feinem siedigen Donnerwetter drein, sondern lachte nur.
Die Verwilderungen der Jungen hatte zur Folge, daß fie schließlich auch der Mutter nicht mehr gehorchten. Ja, sie höhnten die trante Frau manchmal geradezu aus. Wohl tlagte fie's ihrem Manne. Doch Bater Eisermann tröstete fie mit dem nachgerade stereotyp gewordenen Sag. Bedenke doch, Frau, es sind Jungens, und das sind immer wilde Men chen!"
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Manchmal mußte er sich aber doch dazu bequemen den Spannriemen, das schusterliche Wahrzeichen, zur Hand zu nehmen, um den beiden Flegeln den ärgsten Uebermut auszuklopfen. Freilich, diese Erziehungsmethode hielt nie lange vor. In feinem Falle länger, als bis die Schwielen wieder abgeschwollen waren; denn die Straße hatte sie zu fehr in den Klauen. ( Fortsegung folgt.)