Morgenausgabe lod
Nr. 517
A 260
47.Jahrgang
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Dienstag
4. November 1930
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Länger arbeiten- weniger Lohn! Reuwahl in America
Das Arbeitsbeschaffungsprogramm der Unternehmer.
Alle Welt ist sich darüber flar, daß die tatastrophale ArbeitsLoftgfeit so nicht weiter dauern darf und daß Regierung, Parlament und Unternehmer verpflichtet sind, den Vorschlägen der Gemert schaften endlich ernsthaft Beachtung zu schenken. Die preußische Regierung hat bereits der Reichsregierung entsprechende Borschläge unterbreitet. Runmehr meldet sich auch die Vereinigung der deutschen Arbeitgeberperbähde
In ihrer Stellungnahme weist die Bereinigung auf den Schluß bericht hin, den eine Sachverständigenfommission in Berbindung mit den Feststellungen einer Regierungskommission zur Unterbringung Arbeitsloser auf Veranlassung der englischen Arbeiter regierung erstattet hat. In diesem Schlußbericht wird darauf hingewiesen, daß eine künstliche Belebung der Konjunktur durch staatliche Intervention oder durch Subvention notleidender Unternehmungen ungeheure Mittel verschlingen würde, abmegig und ungefund sei. Damn heißt es in dem von der Vereinigung zitierten Passus:
Das einzige Mittel gegen die feit Jahren auf der englischen Wirtschaft lastende Arbeitslosigkeit ist die Bergrößerung
von Produktion und Handel"
,, Nur durch Sentung des Cohnes unter Umständen auch in Form der Arbeitszeitverlängerung und der Aufrechterhaltung des bisherigen Gesamtlohnes"
wäre eine Einschränkung der Arbeitslosigkeit möglich.
Die Bereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände macht es fich sehr leicht, aber jede ernsthafte Diskussion wird dadurch um so schwerer. Wenn es wahr ist, daß nur durch eine Bergröße rung der Produktion und des Handels die Arbeitslosigkeit behoben werden kann, dann ist dies nur möglich, wenn der Abfaz felbft gesteigert wird. Der Absatz fann aber doch nur gesteigert werden, wenn auch die auftraft der großen Masse der Verbraucher gesteigert wird.
Das kann geschehen entweder durch eine Herabse hung der Preise, die der Senkung der Rohstoffpreise und der Senkung der Gestehungskosten durch die Rationalifierung ohnehin folgen muß, oder aber bei gleichbleibenden Preisen durch eine starte Erhöhung der Löhne und Gehälter.
Man tann sich zur Not auch vorstellen, daß z. B. die Löhne und Gehälter, die Tantièmen und Dividenden progressiv nach oben gejenkt und gleichzeitig noch in viel stärterem Maße auch die Preise gesentt merden. Das würde aber nur zu einer Rom .
Darauf tommt es in der Tat an! Aber wie sollen Brobuftion plizierung des Problems führen und zu Arbeitsfämpfen, und Handel pergrößert werden? wie wir einen foeben in der Berliner Metallindustrie erlebt haben, die gemiß nicht geeignet sind, die Wirtschaft anzufurbeln.
Darauf ermidert die Vereinigung: Durch eine„, allfeitige Senfung der Gestehungskosten als Grundlage für die Senfung der Preise und die Hebung des Absages." Unter Sentung der Ge stehungskosten versteht die Bereinigung aber eine Sentung der Löhne. Wie durch diese Verringerung der Kaufkraft, auch wenn die Breise dann im gleichen Ausmaße gesenkt werden, der Abja gesteigert werden kann, das verrät die Vereinigung allerdings
nicht.
Sie geht sogar noch weiter! Sie lehnt nicht nur eine schematische oder generelle Verkürzung der Arbeitszeit" ab, da fie in ihren Folgen die Arbeitslosigkeit vergrößern" müßte, und zwar weil sie eine Einengung der gerade für die Arbeitszeit unerläßlichen Bewegungsfreiheit der Betriebe" nach sich ziehen würde.
Wenn es sich in der Vereinigung wirklich um die Ankurbelung
Apathie im Land der politisch- neutralen Arbeiterschaft
Washington , Ende Oktober.( Eigenbericht.)
Die Wahlen zum 72. amerikanischen Bun bestongreß finden heute statt. Die amerikanische Nation hat nun Gelegenheit, sich über die künftige Zusammensetzung der beiden gefeßgebenden Häuser, des Bundessenats und des Repräsentantenhauses, flar zu werden und der wie in der übrigen Welt so auch hier aufgesammelten politischen und mirt chaftlichen Unzufriedenheit Luft zu machen.
Jedoch das Problem so formulieren heißt es leugnen. Bon bewußten Wahläußerungen politischer und wirtschaftlicher Unzufriedenheit fann hierzulande feine Rede sein, soweit sie eben nicht aus sozialistischen und anderen Kreifen mit bestimmten programmatischen Forderungen kommen. Der Rest ist Wahlmache und einzig dazu bestimmt, den Wähler in das republikanische Regierungslager oder in das oppofitionelle Lager der Demofraten zu lotsen. Unter diesen Voraussetzungen erscheint die allgemeine Wahlapathie, die von beiden Parteien offen zugegeben wird, nur zu ver ständlich. Sie ist ein Beweis mehr, daß die amerikanische Nation bis heute noch nicht verstanden hat, sich mit grundlegenden Uebeln ökonomischer und politischer Natur radikal auseinanderzusehen und sie mit Hilfe des Stimmzettels zu korrigieren.
machten taum 60 Prozent der amerikanischen Wahlberechtigten aus. Ueber 40 Prozent der Wählerarmee hatten Entscheidung über wichtigste nationale Fragen einfach zu es vorgezogen, zu Hause zu bleiben und die ihnen vorgelegte ignorieren.
Die legten Präsidentschaftswahlen des Jahres 1928 brachten infolge der Bedeutung der aufgemor fenen Fragen und der auf beiden Seiten herrschenden Bitterfett die bisher unerreichte Rekordziffer von 37 000 000 der Wirtschaft, drehen würde, dann brauchte sie nicht diesen tom- 23ählern auf die Beine. Aber selbst diese 37 Millionen plizierten und gefährlichen Weg vorzuschlagen, sondern fönnte ihren Organisationen den guten Rat geben, den Mitgliedsfirmen dringend ziehen, und zwar auf Grund der bereits eingetretenen zu empfehlen, die Preise einer ernsthaften Nachprüfung zu unterSentung der Gestehungsfoften. Was die Vereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände hier vorschlägt, führt nicht zu einer Behebung, sondern zu einer Berschärfung der Arbeits losigkeit. Ihre Stellungnahme wird nicht dittiert von der Sorge um die Wirtschaft, sondern von dem reaktionären Machthunger, die Not der Arbeitslosen zur Vergrößerung des Profits auszunuzen.
Arbeiterpartei gegen Schutzzoff.
Vergeblicher Vorstoß der Konservativen gegen Macdonald.
Condon, 3. November. ( Eigenbericht.)
Im dichtbesetzten Unterhause begann am Montagnachmittag die Debatte über ben tonservativen Mißtrauensantrag gegen die Regierung. Als die Sigung eröffnet wurde, betrat der am Donnerstag in Süd- Paddington gegen den offiziellen tonfer vativen Kandidaten gewählte Major Taylor den Saal. Gifiges Schweigen herrschte auf ben tonservativen Banten, als Beaverbrooks Kandidat schüchtern seinen Platz auf der tonservativen Seite des Hauses suchte. Ironischer Beifall fam aus den Reihen der Arbeiterabgeordneten, die den fonservativen Oppositionellen einluden, auf die Regierungsfeite zu tommen. Baldwin blickte bescheiden zu Boden.
auch weiter zu schaffen. Die Leistungen der Arbeiterpartei tönnten sich in ökonomischer Beziehung gegenüber den Leistungen der ehemals tonservativen Regierung immer sehen lassen, obwohl diese Arbeiterpartet nur eine Minderheitsregierung sei.
Graham schloß seine Rede unter stürmischem Beifall der Arbeiterpartei mit dem Befenntnis zum Sozialismus, der allein einen wahren und endgültigen Ausweg aus der kapita listischen Krise schaffen könne.
Als dann in später Abendstunde Sir Robert Samuel für die Liberalen das Wort ergriff, war das Urteil über den fonfervativen Mißtrauensantrag gefällt. Samuel erklärte, daß die Liberalen, wenn es ihnen auch schwer fallen würde die Arbeiter. regierung zu stüßen, teineswegs für den tonservativen
Nach 11 Uhr wurde die Debatte auf Dienstag vertagt.
Neville Chamberlain hatte darauf den wenig verlockenden Auftrag, den Mißtrauensantrag zu begründen. Er tat Mißtrauensantrag stimmen würden. das in glatter aufgewärmter Rede, die für Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit nur das einzige Heilmittel fennt: den 3ollschutz zur Stärkung des inneren Marites und zur größeren Einheit des Britischen Reiches. Sowohl bei den Liberalen wie bei der Arbeiter. partei erntete. Chamberlain nur einen Heiterfeitserfolg.
Handelsminister Graham, mit großem Beifall emp fangen, setzte dem tonservativen Redner gründlich zu. In einer fräftigen Rede erklärte Graham: Gewiß sei der Freihandel für die Arbeiterpartei feine endgültige Lösung der vom kapitalistischen System geschaffenen Erschütterung der Weltwirtschaft.
Aber gefünder und besser als der Protettion simus sei der Frei handel immer noch, wenn er geftügt werde durch Reorganisation
ter Industrie und des Marftes.
Profeffionsmus und Zoll bedeute Erhöhung der Preise und der Lebenshaltung, Verminderung der Kaufkraft der Massen, verminderter Probuftionsabjal im Jnlande wie im Auslande. Dazu werde die Arbeiterregierung niemals die Hand reichen. Was zur Hebung der Krife getan werden fönne habe die Arbeiterregierung getan und versuche sie als Minderheitsregierung
Dem„ Kurjer Czerwony" aus Lodz zufolge wurden die dortigen Büroräume der Sozialistischen Partei von einem regierungsfreundlichen Böbel gestürmt und voll ständig zerstört. Vorher wurden sämtliche Scheiben zer trümmert. Als die Polizei am Tatort erschien, waren die Täter schon längst in Sicherheit. In den Partei räumen fand kurz vorher noch eine Besprechung der Lodzer Sozialistenführer statt.
Bei den Bürgerratswahlen in Basel haben die Sozialdemo. Bei den Bürgerratswahlen in Basel haben die Sozialdemo. fraten ihre Mandatszahl von 7 auf 9 von insgesamt 40 guftzigert. Die Kommunisten haben ein Mandat perloren und behalten nunmehr noch vier.
einem Jahre zutreffen, wo es nicht um die Belegung des Um wieviel mehr muß dieses mangelnde Interesse in Bräsidentenseffels und die vierjährige Festlegung auf einen bestimmten Parteienkurs, dafür aber um das Mächteverhältnis im Bundeskongreß geht? Die Par teien wiffen das auch und sind mit Hilfe der großen Presse bemüht, das Interesse der Wähler auf wichtige innerpolitische Probleme, wie Prohibition, Sozialversicherung, Wirtschaftsfrise usm., zu tonzentrieren und se damit an die Wahlurnen zu bringen. Es ist sicherlich interessant, daß die amerikani schen Blätter in diesem Zusammenhange auf die überaus starte Wahlbeteiligung bei den deutschen Reichstagswahlen hinweisen und sie dem amerikanischen Wähler als Muster porhalten. Aber der amerikanische Wähler ist nun einmal anders. An Präsidentenwahlen mit ihrem Persön lichkeitsappell und ihrem individualistischen Anstrich beteiligt er sich, aber die Kongreßwahlen vergißt er, ob gleich beide Wahlatte sich gegenseitig ergänzen und von der harmonischen Zusammenarbeit der Exekutivgewalt mit den parlamentarischen Kräften die Wohlfahrt des Landes abhängt.
Für die Parteien ist das Bild natürlich flar. Sie wissen, daß die Wahlen des Jahres 1930 einen guten Gradmesser für die Präsidentschaftswahlen im Jahre 1932 abgeben und daß aus ihnen mit ziemlicher Sicherheit die künftige Entwicklung gefolgert werden kann. Alle Anzeichen lassen auf starte Gewinne der demokratischen Partei schließen, und maßgebende Beobachter gehen sogar soweit, eine demokratische Majorität im fünftigen Repräsentantenhause zu prophezeien. Im demokratischen Lager hofft man insgeheim auf teine Riesenerfolge, da eine Majorität nur zu leicht zu einem Rückschwung des Pendels in 1932 und zur Bersorgung der jegt unterliegenden republikanischen Parte? mit bequemen Wahlargumenten führen fann. Wie dem auch sei, die Spekulationen sind nuglos, da der neu gewähite Bundeskongreß mit seiner starten Hinnetgung zur Oppositionspartei verfaffungsmäßig er ft am 4. März 1931 sein Amt antritt und sich erst im folgenden Dezember zur ordentlichen Tagung versammelt. Bis dahin übt der gegenwärtige Kongreß feine Rechte aus, und man kann sich aus dieser leicht vorstellen, welche Schwierigkeiten sich Zwitterstellung eines geschlagenen und noch im Amte befindlichen Parlaments ergeben können. Seit Jahren liegen dem Bundessenat Anträge auf Abstellung dieses Uebelstandes und fofortige Uebernahme der Macht durch den neugewählten Kongreß vor, aber bisher find feine bindenden Beschlüsse gefaßt worden.
Amerita fühlt feine Wirtschaftstrise mit ihren Begleit