Einzelbild herunterladen
 

Morgenausgabe lod

Nr. 517

A 260

47.Jahrgang

Böchentlich 85 Bt. monatlich 3,60 2. tm voraus zahlbar. Boftbezug 4.32. etnichließlich 60 Big. Boftzeitungs- und 72 Bfg Boftbeftellgebühren. Auslands abonnement 6,- M pro Monat

Der Borwärts erscheint wochentag lich zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel Der Abend Illustrierte Beilagen Voll und Zeit und Kinderfreund". Ferner Frauenstimme Technit". Blick in bie Bücherwelt". Jugend- Bormärts". und Stadtbeilage".

Vorwärts

Berliner   Boltsblatt

Dienstag

4. November 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

te eta ipaltige Ronpareillezetle 80 Pfennig. Reflamezeile 5,- Reichs. mart. Kleine Anzeigen das ettge bruckte Wort 25 Pfennig zuläfftg zel fettgebrudte Borte). jedes weitere Bort 12 Bfennig Stellengeluche das erste Wort 15 Bfennig, jedes weitere Bort 20 Pfennig Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte Arbeitsmarkt Reile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile Bfennig. Anzeigenannahme imhaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstraße 3 Fernsprecher Donboft 292-297 Telegramm- Abr Sonaldemokrat Berlin  .

Vorwärts: Verlag G. m. b. H.

Bostschedkonto: Berlin   37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Wallsti 65. Dt u.Disc.- Gel., Depofitenkaffe, JerufalemerStr 65/66.

Länger arbeiten- weniger Lohn! Reuwahl in America

Das Arbeitsbeschaffungsprogramm der Unternehmer.

Alle Welt ist sich darüber flar, daß die tatastrophale Arbeits­Loftgfeit so nicht weiter dauern darf und daß Regierung, Parlament und Unternehmer verpflichtet sind, den Vorschlägen der Gemert schaften endlich ernsthaft Beachtung zu schenken. Die preußische Regierung hat bereits der Reichsregierung entsprechende Borschläge unterbreitet. Runmehr meldet sich auch die Vereinigung der deutschen   Arbeitgeberperbähde

In ihrer Stellungnahme weist die Bereinigung auf den Schluß bericht hin, den eine Sachverständigenfommission in Berbindung mit den Feststellungen einer Regierungskommission zur Unterbringung Arbeitsloser auf Veranlassung der englischen Arbeiter regierung erstattet hat. In diesem Schlußbericht wird darauf hingewiesen, daß eine künstliche Belebung der Konjunktur durch staatliche Intervention oder durch Subvention notleidender Unter­nehmungen ungeheure Mittel verschlingen würde, abmegig und un­gefund sei. Damn heißt es in dem von der Vereinigung zitierten Passus:

Das einzige Mittel gegen die feit Jahren auf der englischen Wirtschaft lastende Arbeitslosigkeit ist die Bergrößerung

von Produktion und Handel"

,, Nur durch Sentung des Cohnes unter Umständen auch in Form der Arbeitszeitverlängerung und der Aufrechterhaltung des bisherigen Gesamtlohnes"

wäre eine Einschränkung der Arbeitslosigkeit möglich.

Die Bereinigung der deutschen   Arbeitgeberverbände macht es fich sehr leicht, aber jede ernsthafte Diskussion wird dadurch um so schwerer. Wenn es wahr ist, daß nur durch eine Bergröße rung der Produktion und des Handels die Arbeitslosigkeit behoben werden kann, dann ist dies nur möglich, wenn der Abfaz felbft gesteigert wird. Der Absatz fann aber doch nur gesteigert werden, wenn auch die auftraft der großen Masse der Ver­braucher gesteigert wird.

Das kann geschehen entweder durch eine Herabse hung der Preise, die der Senkung der Rohstoffpreise und der Senkung der Gestehungskosten durch die Rationali­fierung ohnehin folgen muß, oder aber bei gleichblei­benden Preisen durch eine starte Erhöhung der Löhne und Gehälter.

Man tann sich zur Not auch vorstellen, daß z. B. die Löhne und Gehälter, die Tantièmen und Dividenden progressiv nach oben gejenkt und gleichzeitig noch in viel stärterem Maße auch die Preise gesentt merden. Das würde aber nur zu einer Rom  .

Darauf tommt es in der Tat an! Aber wie sollen Brobuftion plizierung des Problems führen und zu Arbeitsfämpfen, und Handel pergrößert werden? wie wir einen foeben in der Berliner   Metallindustrie erlebt haben, die gemiß nicht geeignet sind, die Wirtschaft anzufurbeln.

Darauf ermidert die Vereinigung: Durch eine, allfeitige Sen­fung der Gestehungskosten als Grundlage für die Senfung der Preise und die Hebung des Absages." Unter Sentung der Ge stehungskosten versteht die Bereinigung aber eine Sentung der Löhne. Wie durch diese Verringerung der Kaufkraft, auch wenn die Breise dann im gleichen Ausmaße gesenkt werden, der Abja gesteigert werden kann, das verrät die Vereinigung allerdings

nicht.

Sie geht sogar noch weiter! Sie lehnt nicht nur eine schema­tische oder generelle Verkürzung der Arbeitszeit" ab, da fie in ihren Folgen die Arbeitslosigkeit vergrößern" müßte, und zwar weil sie eine Einengung der gerade für die Arbeitszeit unerläß­lichen Bewegungsfreiheit der Betriebe" nach sich ziehen würde.

Wenn es sich in der Vereinigung wirklich um die Ankurbelung

Apathie im Land der politisch- neutralen Arbeiterschaft

Washington  , Ende Oktober.( Eigenbericht.)

Die Wahlen zum 72. amerikanischen Bun bestongreß finden heute statt. Die amerikanische   Nation hat nun Gelegenheit, sich über die künftige Zusammensetzung der beiden gefeßgebenden Häuser, des Bundessenats und des Repräsentantenhauses, flar zu werden und der wie in der übrigen Welt so auch hier aufgesammelten politischen und mirt chaftlichen Unzufriedenheit Luft zu machen.

Jedoch das Problem so formulieren heißt es leugnen. Bon bewußten Wahläußerungen politischer und wirtschaft­licher Unzufriedenheit fann hierzulande feine Rede sein, soweit sie eben nicht aus sozialistischen   und anderen Kreifen mit bestimmten programmatischen Forderungen kommen. Der Rest ist Wahlmache und einzig dazu bestimmt, den Wähler in das republikanische Regierungslager oder in das oppofitionelle Lager der Demofraten zu lotsen. Unter diesen Voraussetzungen erscheint die allgemeine Wahlapathie, die von beiden Parteien offen zugegeben wird, nur zu ver ständlich. Sie ist ein Beweis mehr, daß die amerikanische Nation bis heute noch nicht verstanden hat, sich mit grund­legenden Uebeln ökonomischer und politischer Natur radikal auseinanderzusehen und sie mit Hilfe des Stimmzettels zu korrigieren.

machten taum 60 Prozent der amerikanischen   Wahl­berechtigten aus. Ueber 40 Prozent der Wählerarmee hatten Entscheidung über wichtigste nationale Fragen einfach zu es vorgezogen, zu Hause zu bleiben und die ihnen vorgelegte ignorieren.

Die legten Präsidentschaftswahlen des Jahres 1928 brachten infolge der Bedeutung der aufgemor fenen Fragen und der auf beiden Seiten herrschenden Bitter­fett die bisher unerreichte Rekordziffer von 37 000 000 der Wirtschaft, drehen würde, dann brauchte sie nicht diesen tom- 23ählern auf die Beine. Aber selbst diese 37 Millionen plizierten und gefährlichen Weg vorzuschlagen, sondern fönnte ihren Organisationen den guten Rat geben, den Mitgliedsfirmen dringend ziehen, und zwar auf Grund der bereits eingetretenen zu empfehlen, die Preise einer ernsthaften Nachprüfung zu unter­Sentung der Gestehungsfoften. Was die Vereinigung der deutschen   Arbeitgeberverbände hier vorschlägt, führt nicht zu einer Behebung, sondern zu einer Berschärfung der Arbeits losigkeit. Ihre Stellungnahme wird nicht dittiert von der Sorge um die Wirtschaft, sondern von dem reaktionären Macht­hunger, die Not der Arbeitslosen zur Vergrößerung des Profits auszunuzen.

Arbeiterpartei gegen Schutzzoff.

Vergeblicher Vorstoß der Konservativen gegen Macdonald.

Condon, 3. November.  ( Eigenbericht.)

Im dichtbesetzten Unterhause begann am Montagnachmittag die Debatte über ben tonservativen Mißtrauensantrag gegen die Regierung. Als die Sigung eröffnet wurde, betrat der am Donnerstag in Süd- Paddington gegen den offiziellen tonfer vativen Kandidaten gewählte Major Taylor   den Saal. Gifiges Schweigen herrschte auf ben tonservativen Banten, als Beaverbrooks Kandidat schüchtern seinen Platz auf der tonservativen Seite des Hauses suchte. Ironischer Beifall fam aus den Reihen der Arbeiterabgeordneten, die den fonservativen Oppositionellen einluden, auf die Regierungsfeite zu tommen. Baldwin blickte bescheiden zu Boden.

auch weiter zu schaffen. Die Leistungen der Arbeiterpartei tönnten sich in ökonomischer Beziehung gegenüber den Leistungen der ehemals tonservativen Regierung immer sehen lassen, obwohl diese Arbeiter­partet nur eine Minderheitsregierung sei.

Graham schloß seine Rede unter stürmischem Beifall der Arbeiterpartei mit dem Befenntnis zum Sozialismus, der allein einen wahren und endgültigen Ausweg aus der kapita listischen Krise schaffen könne.

Als dann in später Abendstunde Sir Robert Samuel für die Liberalen das Wort ergriff, war das Urteil über den fon­fervativen Mißtrauensantrag gefällt. Samuel erklärte, daß die Liberalen, wenn es ihnen auch schwer fallen würde die Arbeiter. regierung zu stüßen, teineswegs für den tonservativen

Nach 11 Uhr wurde die Debatte auf Dienstag vertagt.

Neville Chamberlain   hatte darauf den wenig ver­lockenden Auftrag, den Mißtrauensantrag zu begründen. Er tat Mißtrauensantrag stimmen würden. das in glatter aufgewärmter Rede, die für Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit nur das einzige Heilmittel fennt: den 3ollschutz zur Stärkung des inneren Marites und zur größeren Einheit des Britischen   Reiches. Sowohl bei den Liberalen wie bei der Arbeiter. partei erntete. Chamberlain   nur einen Heiterfeitserfolg.

Handelsminister Graham, mit großem Beifall emp fangen, setzte dem tonservativen Redner gründlich zu. In einer fräftigen Rede erklärte Graham: Gewiß sei der Freihandel für die Arbeiterpartei feine endgültige Lösung der vom kapitalistischen  System geschaffenen Erschütterung der Weltwirtschaft.

Aber gefünder und besser als der Protettion simus sei der Frei handel immer noch, wenn er geftügt werde durch Reorganisation

ter Industrie und des Marftes.

Profeffionsmus und Zoll bedeute Erhöhung der Preise und der Lebenshaltung, Verminderung der Kaufkraft der Massen, ver­minderter Probuftionsabjal im Jnlande wie im Auslande. Dazu werde die Arbeiterregierung niemals die Hand reichen. Was zur Hebung der Krife getan werden fönne habe die Arbeiterregierung getan und versuche sie als Minderheitsregierung

Der polnische Faschismus.

Lodzer Sozialistenbüro geßürmt.

Warschau  , 3. November.

Dem Kurjer Czerwony" aus Lodz   zufolge wurden die dortigen Büroräume der Sozialistischen Partei von einem regierungsfreundlichen Böbel gestürmt und voll ständig zerstört. Vorher wurden sämtliche Scheiben zer trümmert. Als die Polizei am Tatort erschien, waren die Täter schon längst in Sicherheit. In den Partei räumen fand kurz vorher noch eine Besprechung der Lodzer Sozialistenführer statt.

Bei den Bürgerratswahlen in Basel   haben die Sozialdemo. Bei den Bürgerratswahlen in Basel   haben die Sozialdemo. fraten ihre Mandatszahl von 7 auf 9 von insgesamt 40 guftzigert. Die Kommunisten haben ein Mandat perloren und behalten nun­mehr noch vier.

einem Jahre zutreffen, wo es nicht um die Belegung des Um wieviel mehr muß dieses mangelnde Interesse in Bräsidentenseffels und die vierjährige Festlegung auf einen bestimmten Parteienkurs, dafür aber um das Mächte­verhältnis im Bundeskongreß geht? Die Par teien wiffen das auch und sind mit Hilfe der großen Presse bemüht, das Interesse der Wähler auf wichtige innerpolitische Probleme, wie Prohibition, Sozialversicherung, Wirtschafts­frise usm., zu tonzentrieren und se damit an die Wahlurnen zu bringen. Es ist sicherlich interessant, daß die amerikani­ schen   Blätter in diesem Zusammenhange auf die überaus starte Wahlbeteiligung bei den deutschen   Reichstagswahlen hinweisen und sie dem amerikanischen   Wähler als Muster porhalten. Aber der amerikanische   Wähler ist nun einmal anders. An Präsidentenwahlen mit ihrem Persön lichkeitsappell und ihrem individualistischen Anstrich beteiligt er sich, aber die Kongreßwahlen vergißt er, ob gleich beide Wahlatte sich gegenseitig ergänzen und von der harmonischen Zusammenarbeit der Exekutivgewalt mit den parlamentarischen Kräften die Wohlfahrt des Landes abhängt.

Für die Parteien ist das Bild natürlich flar. Sie wissen, daß die Wahlen des Jahres 1930 einen guten Gradmesser für die Präsidentschaftswahlen im Jahre 1932 abgeben und daß aus ihnen mit ziemlicher Sicherheit die künftige Entwick­lung gefolgert werden kann. Alle Anzeichen lassen auf starte Gewinne der demokratischen Partei schließen, und maßgebende Beobachter gehen sogar soweit, eine demokratische Majorität im fünftigen Repräsentanten­hause zu prophezeien. Im demokratischen Lager hofft man insgeheim auf teine Riesenerfolge, da eine Majorität nur zu leicht zu einem Rückschwung des Pendels in 1932 und zur Bersorgung der jegt unterliegenden republikanischen Parte? mit bequemen Wahlargumenten führen fann. Wie dem auch sei, die Spekulationen sind nuglos, da der neu gewähite Bundeskongreß mit seiner starten Hinnetgung zur Oppositionspartei verfaffungsmäßig er ft am 4. März 1931 sein Amt antritt und sich erst im folgenden Dezember zur ordentlichen Tagung versammelt. Bis dahin übt der gegenwärtige Kongreß feine Rechte aus, und man kann sich aus dieser leicht vorstellen, welche Schwierigkeiten sich Zwitterstellung eines geschlagenen und noch im Amte befind­lichen Parlaments ergeben können. Seit Jahren liegen dem Bundessenat Anträge auf Abstellung dieses Uebelstandes und fofortige Uebernahme der Macht durch den neugewählten Kongreß vor, aber bisher find feine bindenden Beschlüsse gefaßt worden.

Amerita fühlt feine Wirtschaftstrise mit ihren Begleit­