Arbeiterregierung gesichert. Lloyd George kein Tory-Haadlanger. Loodo», i. Novsmber sEigeuKeÄcht.� 5" d« Debatte über den konservativ«» Mißnauensanrrag ergriff am Dienstagnochmittag Lloyd Georg« das Wort. Am Morgen hatte er bereits in den Tageszeitungen sein neues großes Programm zur Arbeitsbeschaffung und zur Reorganisation der Wirtschaft veröffentlicht: sein« Rede war hauptsächlich eine Vegrün- düng dieser Vorschläge. Sie bewegte sich im Rahmen des vorjährigen liberalen Wahlprogramms mit der einzigen Aenderung, daß Lloyd George jetzt nicht mehr erklärt, die Arbeits- losigkeit beseitigen zu wollen. Er will das Programm noch„anpacke n". Und um das zu tun, verlangt er zunächst eine Anleihe von 2Sl> Millionen Pfund, mit denen er im ersten Jahr 700 000 Menschen Arbeit beschaffen will, durch Wege- und Häuser- bauten, Elektrifizierung, Ausdehnung des Telephonnetzes und land- wirtschaftliche Siedlungen. Diese sollen 100 000 neuen Sauern« samilien Grund, Soden und Haus geben. Als Voraussetzung für die Reorganisation der Industrie fordert das liberale Programm eine Steuerermäßigung von mindestens zehn Pro- -ent und staatliche Finanzhilfe zur Rationalisierung der Sctriebe, ferner engere Zusammenarbeit von Sanken und Industrie unter Führung des Handelsministeriums. Daraus hielt Lloyd George eine scharfe und gründliche Abrechnung mit den konservativen. denen er die Hand zum Sturz der Arbeiterregieruug nicht reichen ivolle. Die Liberalen würden nicht für den konservativen Miß- lrouevsankrag stimmen und neutral bleiben; sie wollten der Regierung jede Möglichkeit zu einer konstruktiven Politik gewähren. Transportminister Herbert Morrison anerkannte das Se- mühen der Liberalen um die Lösung der Wirtschaftskrise, während die konservativen nichts anderes zu sagen wüßten als hohle Phrasen. Das liberale Programm ähnele in vielen Punkten den von der Regierung bereits in Angriff genommenen Maßnahmen, und deshalb sei die Kritik Lloyd Georges nicht stichhaltig. Wir haben nichts.zu entschuldigen, rief Morrison unter stürmischem Seifall der Arbeiterpartei. In den ersten 12 Monaten unserer Regierung haben mir 50 Millionen Pfund für Notständsarbeiten ausgegeben, bis Jahresende werden wir insgesamt 220 000 bis 250 000 Erwerbslosen neue Arbeitsgelegenheit gegeben haben. In den VA, Iahren konservativer Herrschast hat die frühere '.icgierung insgesamt nur 25 Millionen Pfund für Notstandsarbeiten ausgegeben. Morrison beruft sich zum Schluß aus die Ausführungen des Handelsministers Graham am Montag, der mit Recht den Kapitalismus als den olleinigen Urheber dieser furchtbaren Wirtschaftskrise bezeichnet hat, und auch«r wiederhole, daß nur der Sozialismus den einzigen und wahren Ausweg aus der Wirtschaftskrise bringen könn«.
Die Konkur ienzlädeu.
Hsilmagneiifeur Goebbels . Er nimmt nicht Weißkäse, sondern Rlnzinus. In«in«r.streng vertraulichen� Versammlung von Angehörigen Ut SA.-Leut« hat Dr. Goebbels am Montagabend auf allerlei jchrfftliche Anfragen großmündlich geantwortet. Wie der Meister Weißepbsrz weiß auch der Goebbels allerlei Wunderkuren. nur daß- ex im dritten Reich nicht Weißtäse, sondern R h: z i nus als Heilmittel anwenden lassen will. Wenn er»ämlrch, so sagte«r wörtlich, Innenmini st er geworden sei, so würde er sich i m m e r als Parteifunktionär fühlen. Würde«r dann in einer Zeitung angegriffen, so müßten die SA.-Leute den betreffenden Redakteuren je einen Liter Rhizinus zu trinken geben. Als Polizeiminister würde er dann dafür sorgen, daß die Beamten immer ein« halbe Stunde zu spät kämen, damit alles vorüber sei.» Im Reichstag.— nicht des dritten, sondern des gegen wär- t i g e n Reiches— sei es unmöglich, alle Tage eine solenne Prügelei aufzuführen, wie es die SA.-Leute vielleicht erwarten. Aber den Abg. Landsberg würde sich der H e i n e s schon einmal von der Reditertribüne holen, wenn er noch emnial das Wort Mörder auf ihn anwende. Im übrigen würden die Nazis.die Roten aus dem Reichstag hauen, daß sie das Wieder- kommen vergäßen". Von den Kommunisten müßten erst einmal sechs Mann abgeknallt werden, damit ihr Terror aufhöre. Schließlich empfahl Goebbels denjenigen hier anwesenden Parteigenossen, die etwa den roten Slättern Serichte über die„ver- trauliche" Versammlung geben sollten, vorher eine Lebens- Versicherung abzuschließen. d Es scheint bei dem politischen Wunderdoktor Goebbels wirklich nötig zu sein, ync Lebensoersicherung abzuschließen, bevor man sich in seine geistige Sehandlung begibt. Seine Rhizinus-Kur, von ihm selbst angewandt, scheint ein« regelwidrige Wirkung zu haben: Seine blutrünstige Beredsamkeit ist noch heftiger geworden als vorher, lind Rhizinus wirkt doch sonst mehr auf den Darm, als aus das Mundwerk!
„Schwarze Fahne" verurteilt. Gefängnisstrafen im oflprevßischen.Bauernnot�-Prozeß. Königsberg . 4. November. Am Dienstag wurde im Königsberger Bauernnotprozeß � folgendes Urteil verkündet: ! Di« Angeklagten Doepner, v. Platen. v. Weih und T l/y m i a n werden wegen Vergehens gegen§ lÄi des Strafgesetzbuches(Zugehörigkeit zu einer staatsieindlichen Organisation) ver- urteilt: v. Platen. v. Weiß und Thymian zu je drei Mona- l e n, Doepner zu fünf Monaten Gefängnis, die Ange- klagten Puchholz und Paltinat wegen schweren Aufruhrs zu je sechs Monaten Gefängnis. Di« Angeklagten Doepner und Wegerer werden von der Anklag« des Aufruhrs freigesprochen. Den Angeklagten Suchlzolz und Paltinat wird die Untersuchungshaft in vollem Umfange angerechnet. In der Begründung ging der Vorsitzende zunächst aus die in der ostpreußischen Landwirtschaft unzweifelhaft bestehend« Notlage und Verzweiflungsstimmung ein, deren Ursachen sowie die Auswirkungen nachzuprüfen nicht Zlufgab« des Gerichts gewesen sei. Eine Notlage gebe aber niemals das Recht, gegen gesetz- liehe Maßnahmen Front zu machen. Die Angeklagten Doepner. v. Weiß, n. Platen und Thymian kämen als A n st i f t« r u n d A n- führcr der Sausrnnotbewegung in Frage. Es habe sich um eine von langer Hand vorbereitete Vereinigung gclzandelt, deren Organisation im Ausbau begriffen, zum Teil auch schon durch- geführt wäre. Aufgabe des Gerichts fei die Feststellung gewesen, ob man mit vng es etzlichen Mitteln vorgegangen sei. Das Gericht Hab« dies« Frage bejahen müssen. Der Angeklagte
Attraktion im politischen Variete. Margies- Tschekist in(Sowjet-Oeutschland.
Die Kommunisten haben gestern abend den aus dem Zuchthaus entlassenen berüchtigten Einbrecher Rudolf M a r g i e s vom Schlesischen Sahn Hof abgeholt und ihm abends in der N s u e n W el t in einer kommunistischen Versammlung öffentlich zur Schau gestellt. Es herrschte der übliche kommunistische Trubel. Mit Transparenten, auf denen der Einbrecher und Pcckizistenmörder als„Klassen- kämpf«?" verherrlicht wurde, zog man in den Saal, und als der Mann eintraf, wurde er von einer Musikkapelle zur Bühne geleitet. Margies sprach als zweiter Redner und betonte, er würde auf die An- griffe des„Vorwärts" gegen ihn nicht antworten. Die Hetze gegen ihn fei nur so groß, weil er beim Kapp-Putsch herzhaft zugegriffen hätte. Das Gericht habe ihm Milderungsgrüad« für feine Taten — Ermordung dreier Polizeibeamter — versagt, weil er sie alle m i t besonderer Lust und Freude begangen hätte. Mit er- hobener Stimme verkündete er, daß er auch heute wieder mit der gleichen Lust und Liebe das gleiche tun würde. Er hielt fein« rechte Hand hoch, machte mitdemZeigefingerdieSe- wegu ng des A-b d r ü ck« n s und erklärte dazu, solange er diesen Finger noch krumm machen könne, würde er immer wieder bereit sein zu den gleichen Taten. Margies hatte aber noch einen besonderen Wunsch: Er wollte im kommenden Sowjetdeutschland gern die Rolle des roten Anklägers und Henkers spielen. Er würde auch, so versicherte er heute schon, mit großer Lust und Freude Todes- strafen verhängen. Bei diesem Sag nickl« ihm der Wttator der Kommunisten, Heinz Neumann , gnädig zu, als ob e r jetzt schon verfügen könne über die einzelnen Posten im kommenden Sowjetdeutschland. Dann sprach Heinz N e u m a n n. der in die gleiche Kerbe schlug und die Versicherung abgab, die Kommunisten würben eines Tages nicht nur der bürgerlichen Presse, sondern auch der sozialdemokrati- schein„das Maul verbinden". Im Sowjetdeutschland würden nur Kommunisten Versammlungs- und Redefreiheit haben, und auch nur deren Zeitungen„Pressefreiheit" genießen. Heinz Neumann feierte den Einbrecher Margies als ein Vorbild eines proletarischen Klassen kämpfers. Er sei einer der Führer, die den Kommunisten bei der Aufrichtung Sowjetdeuffch- lands helfen würden. Zu Margies gewandt, erklärte Heinz Neu- mann:„Du hast Deine größte Tat noch nicht begongen. Dieerwartenwirnoch von Dir." Dos ZK. habe«inen ganzen Packen Aufträge für ihn. ' Auch die Konkurrenz hat ihre Mörder. Wenn die Konmmnisten ihren Margies haben, wollen die Nationalsozialisten nicht zurückstehen. Sei ihnen trat gestern im Sportpalast ein richtiger Fememörder, der bekannte Heines auf. Die feige Sluttat, wegen deren er zu fünfzehn Jahren Zuchthaus verurteilt war, wird auch jetzt noch von ihm als„nationale Tat" gepriesen. Er nannte sich einen„durch die Kerker geschleppten Märtyrer der politischen Justiz". Dann behauptete er: „Meine Amnestierung kommt nicht auf das Konto der Regierung
Srüning, sondern auf das des Anwachsens der Nationalsozialisten." Heines war so undankbar, der freundlichen Hilfeleistung der Kom- nnmisten bei der Freilassung der Fememörder gar nicht zu gedenken. Am Schluß seiner Rede oerhieß Heines den Anhängern Opjer über Opfer, die sie zu bringen hätten. Nach Heines verkündete ein sicherer Redner die Werbung für das preußische Volksbegehren zur Beseitigung der„marxsstischen" Regierung Sraun-Severing als das Ziel der nationalsozialistischen Winterarbeit. Aus der Rede des Dr. G o e b b e ls sei nur e i n Satz erwähnt: „Neben mir sitzt ein Reichstagsabgeordneter, der zu 15 Iahren Zuchthaus oerurteitt war, mir gegenüber sitzt ein Mann, der an der Ermordung des Ministers Rathenau be- teiligt war." Die Versammlung quittierte diesen Hinweis mit Heilnffen. Klatschen und Seifallsgetrampel. «Schule der Betriebsunfall bei Mönzenber«. Münzenbergs Boulevardprefse ist ein ergötzliches Mißgeschick passiert. Weil Hitler als Soldat sich im Jahre 1919 als Mehrheit s- sozialdemokraten bezeichnet hat und weil auch der Femeleuinant Heines— angeblich— vor seinem 20. Lebensjahr einmal der Sozialdemokratie angehört haben-yoll, fühlt sich Münzcnbergs' Platt zu der Bemerkung berechtigt: Hier finden wir eine Schule vor, deren pädagogische Ergebnisse heute in die Nationalsozialistische P a.r t« i einmündeten: die Schule der SPD . Der neckische Zufall will es, daß diese Notiz in die- unmittelbare Näh« einer anderen geraten ist, die in fetten Lettern den feierlichen Empfang des„Märtyrers" Rudolf Margi.es durch die Ser- liner Kommunistische Partei ankündigt. Die„Rote Fahne " ober schreibt am gleichen Dienstag über Rudolf Margies folgendes: Nur faule Ausreden wußte der„Vorwärts" dagegen zu unserer Fessstellung, daß Rudolf Margies lange Jahre Mitglied ocr Sozialdemokratischen Par- t e i war. Wir wollen npch einmal die Tatsachen feststellen: Rudolf Margies war von 1904 bis 1920 Mitglied der SPD . Das stimmt zwar insofern nicht, als Margies von 1904 bis 1919 ununterbrochen wegen Einbruchdiebstahls im Zuchthaus gesessen hat— aoer warum bemühen sich Münzenberg -Presse und „Rote Fahne" eigentlich mit so glühendem Esser um den Nachweis, daß ihr Märtyrer Margies und der Fememörder Heines aus der gleichen Schule stammen? Wozu wir allerdings bemerken wollen, daß die Sozialdemo- lrati« für die Mordtaten der Margies und Heines ebensowenig die Verantwortung trägt wie irgendeine Schule für die Verbrechertaten der jedem Pädagogen bekannten„Unerziehbaren", die man schon daran erkennt, daß sie ihrer Schule möglichst bald den Rücke« kehreni
Doepner mußt« von der Anschuldigung des schweren Aufruhrs frei- gesprochen werden, weil er zu der Zeit, als die Menge zum Zlufrichr überging, bereits verhastet worden war. Allen Slngoklagten ist Strafaussetzung aus drei Jahre gewährt worden. Die Äoraussetzung dafür ist, daß der Angeklagt« v. Platen 300 M., die Angeklagten Doepner, v. Weiß und Thymian je 100 M, Suchholz und Paltinat je 150 M. Buße zahlen. Ein Charakter. , Der Hauptan geklagte von Weiß mußte während der Verhandlungen zugeben, daß er aus der Ostpreyßenhilse ohne jede Schwierigkeit 317 000 M. Zuschüsse erhalten hat!
Deutschland und— pilsudsti. Gewaliherrfchast hindert Annäherung. Freunde einer dcussch-polnsschen Annäherung findet man gewiß nur in den demokratischen Parteien. Mi« aber die Gewalt- i Herrschaft, die jetzt in Polen Terrorwahlen macht, die Annäherung-- arbeit erschwert, das zeigte eine Versammlung der Deutschen Liga für Menschenrechte am Montagabend. Der Warschauer Korrespondent des„Berliner Tageblatts", Herr Dubro wir z, schilderte, was
jetzt gegen die polnischen Oppositionsparteien, was aber auch gegen das ukrainische Volt in Ostqalizien mit einer Barbarei verbrochen wird, die man einem Kulttirstaat nicht zutrauen sollte. Gegen- dies« Schändlichkeiten protestierte zur gleichen Stunde eine Kundgebung der Ukrainer Zum 12. Jahrestag der Errichtung der westukrainischen Volksrepublik. Haute ist dieses große Volk auf vier Staaten vec- teilt: Polen . Sowjetunion , Rumänien und die Tschechoslowakei , hat fast das gleich« Schicksal, das Polen 150 Jahre getrogen hat. In der intercssanten Diskussion sprach auch Genosse Kr asnik vom Deusschen Lzndarbeiterverbaud. Er unterstrich, wie sehr den Freunden deussch-pplnischer Annäherung durch das Regime Pilsudslis ihx Wirken verbittert wird. Der Referent des Abends hatte diese« Regime, dessen Träger früher sich vielfach Soziilisten nannte«, als echten„Nationalsozialismus " dargestellt, der offen die Interessen der Großgrundbesitzer und Generäle vertritt. Genosse Krasnik teilte mit, daß der in Polen verl>astete und wegen einer jahrelang zurückliegenden Versammlungsrede zn einem Jahr G«- fängnis verurteilte frühere Abg. K wapi nf k i gerade nach Deutsch land kommen wollte, um als Borsitzender des polnischen Land- orbeiteroerbandes anzustreben, daß wenigstens ein Teil seiner Ver- bandskollegen noch weiter Saisonarbeit in der deutschen Landwirt- schaft leisten darf. Durch seine Verhaftung und Verurteilung ho« Polen seine Bürger um diese Möglichkeit gebracht.._____...