Der Abend
Erfcheint täglich außer Sonntags. Zugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Pf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat. Redaktion und Erpedition; Berlin SW 68, Lindenstr. 3
10 Pf.
Nr. 524
B 261 47.Jahrgang
66 Anzeigenprets: Die einspaltige Nonpareillezetle
Spätausgabe des„ Vorwärts"
80 Pf., Reklamezeile 5 M. Ermäßigungen nach Tarif. Bosscheckkonto: Vorwärts- Berlag G. m. b. H., Berlin Nr. 37536. Fernsprecher: Donhoff 292 bis 297
Heute vormittag um 11% Uhr begannen im Reichsarbeitsministerium die Verhandlungen über die Entlohnung der Berliner Metallarbeiter, deren Ausgang von der gesamten deutschen Oeffentlichkeit mit größter Spannung erwartet wird.
Die Entscheidung über diese für die Arbeiterschaft wichtige Frage ist bekanntlich einem unparteiischen Dreimännerkollegium übertragen worden, das aus dem früheren Reichsarbeitsminister Dr. Brauns als Vorsitzenden und Oberbürgermeister Jarres und Prof. Sinsheimer als Beisitzern besteht.
Dr. Brauns eröffnete die Verhandlungen mit dem Dank an die Parteien für das Vertrauen, das sie den Mitgliedern des Schiedsgerichts durch ihren Vorschlag entgegengebracht haben. Kein Mitglied des Schieds: gerichts habe sich zu diesem Amt gedrängt. Es will den ganzen Fragenkomplex nochmals genau prüfen, um zu einem freien und objektiven Urteil zu kommen. Das Schiedsgericht hat entweder einstimmig oder mit Mehr: heit darüber bindend zu entscheiden, wie die Löhne der Arbeiter und Arbeiterinnen in der Berliner Metallindustrie festgesetzt werden sollen.
Das Schiedsgericht muß seine Entscheidung innerhalb von zwei Tagen treffen; es hätte gern. mehr Zeit zur Verfügung gehabt, doch war es vorher nicht möglich, die Verhandlungen aufzunehmen.
Dr. Brauns schlug vor, keine größeren Plädoyers zu halten über die allgemeine wirtschaftliche Lage, weil diese Dinge den Parteien und den Mitgliedern des Schiedsgerichts geläufig sind. Die Ausführungen der Die Ausführungen der Parteivertreter sollen möglichst darauf konzentriert wer den, die Lage der Berliner Metallindustrie zu klären, ihre Gestehungskosten, ihre Konkurrenz fähigkeit, die Entlohnungsmöglichkeiten, die Entwicklung der Löhne in den letzten Jahren usw. zu prüfen.
In kontradiktorischen Verhandlungen soll die Ent. wicklung der Lebenshaltungskosten, die Indexfragen usw. geklärt werden. Die Reichstreuhandgesellschaft ist ebenfalls ersucht worden, diese Fragen zu prüfen und dem Schiedsgericht sowie den Parteien ein Gutachten
darüber zu erstatten.
Mit dieser Art der Verhandlungsführung erklärten sich die Vertreter beider Parteien einverstanden. Die Unternehmer sind dabei vertreten durch Geheim. rat Ernst v. Borsig, Generaldirektor Dr. Köttgen. Rechtsanwalt Dr. Oppenheimer vom VVMJ., Dr. Lutz vom Gesamtverband der Metallindustriellen und Generaldirektor Kremmener, und außerdem nimmt diesmal an den Verhandlungen auch der Vorsitzende der Lohnkommission des VBMJ., Direktor Max Hasse ,
teil.
Die Arbeiter sind wiederum durch den Bevollmäch tigten des Deutschen Metallarbeiter- Verbandes Urich , den Vorsitzenden des Ortsausschusses Berlin des ADGB . Bredow und eine Reihe anderer Funktionäre vertreten.
Es begannen darauf die eigentlichen Verhandlungen vor dem Schiedsgericht, in denen im allgemeinen für bzw. gegen den Lohnabbau die Argumente vorgetragen wurden, die bereits in den Verhandlungen vor dem Ansbruch des Streiks von den Unternehmern und Arbeiter. vertretern vorgebracht worden sind.
Gegen 2 1hr wurden die Verhandlungen unterbrochen. Sie sollen nach einer kurzen Mittags. pause fortgesetzt werden.
Indische Kämpfe.
Bombay, 7. November. ( Eigenbericht.) In Bombay danern schwere Kämpfe zwischen Demonstranten und Polizisten fort. Am Donnerstag erfolgte ein Angriff gegen das Polizeihauptquartier, die Polizei trieb die Massen mit Schüssen auseinander. 40 Angreifer wurden, beriwundet.
Der polnische Wahlschwindel
Die faffierten Listen werden gewählt
Kwapinski haftentlaffen.
Warschau , 7. November. ( Oft- Expreß.) Jenen Schülern, die in staatsfeindliche Tätigkeit" verwickelt sind, Hauptvorstand der polnischen sozialistischen ist auch verwehrt, ein solches Gesuch einzubringen. Arbeiterparteien angehört, hat die Wählerschaft aufge Partei, die dem Zentrolinken Block der Bauern- und fordert, in drei galisischen Kreisen, in denen die Wahllisten des Blocks für ungültig erklärt worden sind, ihre stand betont, daß diese Demonstration den später beim Stimmen dennoch dem Block zu geben. Der HauptvorObersten Gerichtshof zu erhebenden Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahlen stützen werde.
-
Unter diesen Wahlkreisen ist auch der von Rratau mit Seit 1897 vertritt er Stratau parlamentarisch bis 1918 in dem Sejmmarschall 3gnaz Daizyniti als Liftenführer. Wien , feither in Warschau . 74 000 Stimmen erhielt voriges Mal allein die sozialistische Liste in diesem Wahlkreis jetzt joll die vereinigte Linksopposition nicht einmal 100 Unterschriften aufgebracht haben. Ein willfähriger Graphologe hat nämlich ,, auf Pflicht und Gewissen" befundet, daß. 55. Ünterschriften gefälscht seien. Die persönliche Erklärung aller 100 Unterzeichner, daß sie eigenhändig unterschrieben haben, gilt nichts.
diese ungültigen" Stimmen, auch wenn man sie totschweigt, Wenn Pilsudski feine 300 Mandate bekomimit, werden den schamlosen Rechtsraub hinausschreien. Ungültig sind nicht diese Listen- ungültig ist die ganze Schwindel wahl, und infam tassiert werden wird schließ lich das Regime der Gewaltund der Gaunerei, das die Republik Polen zu einem neuen, ja schlimmeren Barat macht.
Die Verfolgung der Opposition.
Die Massenverhaftungen unter Anhängern der Oppositions Bolitiker megen ,, staatsfeindlicher Tätigkeit" verurteilt worden, in parteien und der Minderheiten dauern an. Wieder sind mehrere Ladz z. B. zwei Redakteure zu je einem Jahre Festung, weil sie ihren Blättern einen Bericht über den Krakauer Kongreß
der Lintsopposition gesandt haben!
Das Appellationsgericht hat entsprechend dem Antrage der Verteidigung den vor kurzem zu einem Jahre Festung verurteilten der Haft entlaſſen. Sozialistenführer Kwapinsfi gegen 1000 Zloty Raution aus
Kwapinfti war der eigentliche Führer der polnischen Kampforganisation zur Zeit des Zarismus Pilsudski saß seit 1905 im ficheren Desterreich. Die Ruffen fonnten wapinjti fangen, er hat zehn Jahre als Kettensträffing in Dref vergetragen, daß er als Vorsitzender des Landarbeiterverbandes fich bracht. Möglicherweise hat es zu feiner Haftentlassung start bei um weitere Zulassung polnischer Landarbeiter in Deutschland bemühen fann.
Pabst Empfang in Desterreich.
Bur rechten Zeit der rechte Mann am rechten Ort.
Die Verfassung der Republik Desterreich bestimmt, daß feines Vertrauens zur Amtsführung bedürfen. Auf diese der Nationalrat das souveräne Bolt vertritt und Minister Berfaffung sind alle Staatsdiener, vom Bundespräsidenten Millas bis zum jüngsten Wehrmann vereidigt.
Die Heimwehr will diese Verfassung stürzen. Zwei Heimmehrführer find Minister des Innern und der Justiz. Sie lassen jetzt alle Waffen beschlagnahmen, die nicht im Besitz der Heimwehr , des Bundesheeres und der Polizei sind. Zum Schuß dieser Aktion richtet Polizei und Bundesheer der Republik Maschinengewehre und Geschüße gegen alle, die an der Verfassung festhalten wollen.
Tage ist 1918 die demokratisch- parlamentarische Republik Der 12. November ist Staatsfeiertag, denn an diesem Deutschösterreich ins Leben getreten. Wegen Verschwörung gegen die Verfassung ist der reichsdeutsche Putschist Pabst aus Deutschösterreich ausgewiesen worden.
In Drohobycz ( Dstgalizien) ist das ukrainische Gym- Die Heimmehrregierung hat diese Ausweisung aufgenafium megen staatsfeindlicher Tätigkeit der Schüler gehoben. Am Staatsfeiertag, dem 12. November, trifft Babst schlossen worden. Nur die Schüler der untersten drei Klassen aus Italien wieder im Heimwehrzentrum Innsbruck ein, tönnen vom polnischen Gymnasium übernommen werden, hin- feierlich geleitet von den knatternden Motorrädern der gegen müssen die älteren Schüler ein Gesuch einreichen, um in Heimwehr . Gymnasien anderer Städte aufgenommen werden zu dürfen. Seipel ist als Bundeskanzler gewöhnlich verhindert ge