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Freie Sozialistische Hochschule.

Weltwirtschaftsfrise und Arbeitslosenproblem.

Genosse Fri Naphtali sprach am Sonnabend in der Freien Sozialistischen Hochschule im Saal des Preußi­schen Staatsrats über das Thema Weltmirtschaftsfrise und Arbeitslofenproblem". Die entscheidende Frage jo führte er aus, von der auch die Lösung des Arbeitslosen­problems abhängig ist, muß so formuliert werden, ob die jetzige Krise ein einmaliges untypisches Ereignis in der fapitalistischen Wirt­schaft ist. Allerdings ist jede der früheren Krisen ein historischer Sonderfall, der nur gemisse typische Grundzüge mit allen anderen Fällen gemeinsam hat.

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Die typischen Erscheinungen- Preissturz, Rüdgang von Pro­duktion und Verbrauch, Sinfen von Rapitalzins und Aktienkursen und vor allem die Arbeitslosigkeit find auch für die Gegenwarts­frise bezeichnend. Besonders auffallend ist die verblüffende Gleich förmigkeit der Erscheinungen im Gesamtgebiet der heutigen kapita­ listischen Wirtschaft, insbesondere in den wichtigsten Ländern Eng­land, Deutschland und Amerifa, während Frankreich in bezug auf die Arbeitslosigkeit außergewöhnliche Erscheinungen zeigt, die aber anscheinend schon zu verschwinden beginnen.

Selbst in den Arbeitsiosenzahlen unterscheidet sich die heutige Krise nicht wesentlich von den früheren Freiseßungen von Arbeits­fräften. Daß die Krise nur eine Folge der überstürzten Rationali sierung der Nachkriegszeit sei, kann nicht zutreffen, weil die Rationalisierung ein ständiger Wesenszug der gesamten kapitalistischen Entwicklung ist und in der Zeit der großen technischen Erfindungen des vorigen Jahrhunderts noch viel schneller fortschritt als heute. Der Vorwurf an die Gewerkschaften, die Rationalisierung zu sehr begünstigt zu haben, ist unberechtigt, denn die Rationalisierung wird von der internationalen Konkurrenz erzwungen. Wäre in Deutsch land nicht rationalisiert worden, so hätten wir vermutlich heute eine viel höhere Arbeitslosigkeit, weil Deutschland dann nicht konkurrenz­fähig märe.

Die Behauptung nationalsozialistischer Theoretifer", die Krise wäre durch die Reparationszahlung verursacht, ist ein wirtschaftlicher Unsinn. Von den Reparationen wird die regelmäßige Konjunktur­und Krisenwiederkehr des Kapitalismus nicht erzeugt. Natürlich ist es richtig, daß die Wertverschiebung außerhalb des regulären Waren­custausches von Deutschland über die ehemals alliierten Schuldner­länder nach Amerika gewisse Sonderzüge der Krise erzeugt, z. B. die Not der deutschen Staats- und Gemeindefinanzen. Aber die Kapital­vernichtung durch Produktionseinschränkung und die Spekulations­verluste durch die Krise sind um ein vielfaches höher als die 2 Mil­liarden Reparationszahlungen!

Besondere charakteristische Züge der Krise und der Arbeits­losigkeit werden durch den sogenannten organisierten Rapi­talismus erzeugt. Man hat früher, für eine Zeit des Auf­schraunges mit Recht, geglaubt, daß die organisierte Produktion im Kapitalismus zur Abmilderung der Konjunkturschwankungen bei­tragen würde. Jetzt zeigt sich aber bei viel höherem Grad der Mono­polisierung der Wirtschaft eine Krisenverschärfung, zu der der Grund schon in den Zeiten der guten Konjunktur durch lleber­steigerung der Preise für die Monopolprodukte und die dadurch er­zeugte übermäßige Ausdehnung der Produktion gelegt wird. Die Kapitalverlufte und die Preisstürze sind damn, wie das Beispiel des Kupferfartells zeigt, um so fatastrophaler.

Bu allebem tommt noch, daß neben den regelmäßigen, etma 7. bis 10jährigen, Sonjuntturen noch größere Bellenbemegungen der tapitalistischen Entwicklung, Ebbe und Flut ", in etwa 30jähriger Periode beobachtet werden. Unsere Krise scheint im Be­ginn einer längeren Ebbeperiode zu liegen.

Die Schlußfolgerungen aus dieser Untersuchung find: Diese Krise ist meber die revolutionäre Endtrise des Kapitalismus, noch eine spezielle Reparations. oder Rationalisierungstrije, sondern eine durch bestimmte Umstände verschärfte normale Krisenerscheinung. Für die Arbeiterbewegung ergibt sich die Folgerung, daß zwar im Kapi­talismus weder diese Krise noch überhaupt eine Krise verhindert werden konnte, aber daß der Klassentampf zugleich bewußte Konjunkturpolitif sein muß. Das bezieht sich besonders auf alle Fragen der Sozialpolitit, die Dank dem Machtgewinn der Ar­beiterschaft im demokratischen Staat jetzt mehr als früher im Border. grund politischer Auseinandersetzung steht und vor allem auf den Kampf um die Erhaltung des Lohmniveaus. Es ist eine in jeder Strife beobachtete Erfahrungstatsache, daß das Mißverhältnis zwischen Produktion und Konsumfähigkeit nur aufgehoben werden fann, wenn der Preisrüdgang stärter ist als die Lohnsenkung, die in jeder Krise notwendig er

folgt.

So muß die Arbeiterklasse die Machtmittel zur Beeinflussung ter Wirtschaftslage, die sie besitzt, rücksichtslos ausmützen, und in flarer Zielbewußtheit mit fühlem Berstand und eisernem Willen jeden Kampf um Sozialpolitif und Lohn als einen Kampf für das fozialistische Endziel, für die endgültige Beseitigung des fapitalistischen Konjunktur- und Krisenmechanismus führen.

Dieser Vortrag von Fritz Naphtali wird in wenigen Tagen beim Verlag J. H. W. Dietz Nachfolger in den Wortlaut als Broschüre er­scheinen. Preis 0,30 Mr.

Wer nicht pariert, fliegt!

Die Volfspartei unter der Fuchtel der Rationalsozialisten. Frankfurt a. M., 8. November. ( Eigenbericht.).

Die Frankfurter Nationalsozialisten hatten sich fünfthürin gische Abgeordnete verschrieben, die angeblich einen Rechen­schaftsbericht über die thüringische Regierungspolitif ablegen sollten. Die Ausführungen der Redner verdienten feinerlei Erwägung, wenn nicht das Mitglied der thüringischen Regierung, Staatsrat Marschler, in dieser nationalsozialistischen Rundgebung mit der Deutschen Voltspartei in Thüringen abgerechnet hätte. Er verriet mit nackten Worten, daß es den Nationalsozialisten bei einem Antrag auf Auflösung des Landtags nur darauf angekommen wäre, die Bolkspartei unter das taudinische Joch zu 3 wingen. Sie müßten endlich einmal Farbe bekennen. Berweigern fie den Nationalsozialisten ein hundertprozentiges Vertrauensvotum, so würde der Landtag aufgelöst. Dann sei es mohl mit ihrer Herrlichkeit vorbei. Dabei entschlüpfte Herrn Marschler ein weiteres Bekenntnis, das für die Deutsche Boltspartei im Reich und ihrem ftellvertretenden Borsigenden Herrn Dingelden nicht ganz uninter effant sein dürfte: wer mit den Nationalsozialisten in einer Regie­rung zusammenfäße, habe sich ihr zu fügen. Rompromiffe gebe es nicht, wer nicht parieren molle, der fliege!

Der kleine Bombenlegerprozeß gegen Dr. Hellmann und Ge­nassen, bei dem es sich um die Attentate vom März d. J. in Bad Oldesloe und Neumünster handelt, wird in der am 8. De zember beginnenden zehnten Schwurgerichtsperiode in Altona ver

handelt werden.

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Gelöbnis

Gelöbnis am 9. November.

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NOVEMBE

Fort mit dem Hafenkreuz!

Bros.

Die Not der Gemeinden.

Beschlüsse des Deutschen Städtetages zum Regierungsprogramm.

Der Vorstand des Deutschen Städtetages hat fich gestern ein-| mit großer Energie für eine radikale Senfung der vielfach unge­gehend mit dem Reformprogramm der Reichsregierung befaßt. Ueber heuerlichen Preisspannen zwischen den Erzeuger- und Kleinhandels­das Ergebnis der Beratung machte Präsident Dr. Mulert auf preifen ein. einer Pressefonferenz nähere Mitteilungen.

Der Präsident des Deutschen Städtetages erkannte ausdrücklich an, daß die Ordnung der Reichsfinanzen Vorbedingung für die Gesamtgefundung des öffentlichen Lebens sei, jedoch müßte der Deutsche Städtetag als Organ der Kommunen mit allem Ernst darauf hinweisen, daß in dem Regierungsprogramm die Gefundung der Gemeinden völlig außer acht gelaffen ist. Die unmittelbare Ursache aller finanziellen Schwierigkeiten sei wie beim Reich so auch bei den Gemeinden die fatastrophale Arbeitslosigteit. Die Zahl der Wohlfahrtserwerbslosen, die sich jetzt bereits dem Stand von 800 00 Unterstützten nähere, würde durch die Berkürzung der Krisenfürsorge vom Januar ab sprunghaft hochschnellen, jo daß man

mit einer Million Wohlfahrtserwerbslojer rechnen müsse. Diese Last könnten die Gemeinden beim besten Willen finanziell einfach nicht tragen. Nach den Erfahrungen der letzten Jahre wirkt sich ein Ronjuntturaufschmung zunächst aus. schließlich bei der Arbeitslosenversicherung und der Krisenfürsorge aus, und erst bei einem lang anhaltenden Aufschwung setze eine zögernde Entlastung bei den Wohlfahrtsermerbslosen ein. Die Ge­Schwierigkeiten für sie 1931 noch steigern. Someit es meinden müssen also damit rechnen, daß sich die finanziellen mit wirtschaftlicher Bernunft vereinbar sei, hätten sich die Kommunen entschloffen, die fachlichen Ausgaben zu broffeln, dies sei jedoch in den Fällen nicht möglich, wo sachliche Ausgaben zur Beschaffung von Arbeit vorliegen.

Dr. Mulert, der

die Preissenkung für die wichtigsten Lebensmittel ais das Kernproblem der jezigen Lage bezeichnete, fetzte sich sodann

Großes Schauspielhaus.

* 3m weißen Rößl."

Berkehrsstodung in der Karlstraße wegen der Auffahrt zur Charell Premiere. Atemstodung der Fünftausend, die entzüdt find, weil so viel Schund so schön inszeniert werden kann. Schließlich ein Erfolg, der in Tobsucht ausartet.

M. H.

Uraufführung in der Volksbühne. Friedrich Wolf : Die Matrofen von Cattaro ". Friedrich Wolf schildert in sechs padenben Bilbern bas ufflammen und die Niederwerfung der Matrosenrevolte der öfter­reichischen Marine aus dem Anfang des Jahres 1918. Die in Günther Starts grandioser Regie mit echter Begeisterung spielenden Darsteller entzündeten im Bublifum revolutionäre Stimmung, die sich in erregten Zwischenrufen äußerte. Bon allen über die Bühnen gegangenen Matrosenstüden hat Friedrich Wolfs Schauspiel die stärkste und nachhaltigste Wirkung. Eine großartige und bewundernswerte Aufführung. Am Schluß ertönte im 3u schauerraum die Internationale.

Dgr.

Es ist bei der Not der breifen Boltsmassen einfach nicht zu vertreten, wenu in Brelau die Preisspanne des Bäders zwischen Mehl- und Brotpreis 11 Pf. betrage, in Köln aber 28% Pfennig je Kilo Brot. Dies ergibt zwischen diefen beiden Großstädten eine Differenz der Preisspanne von 261 Proj. Es sei ferner ffandalös, wenn in Berlin allein Schwankungen des Brofpreises in den verschiedenen Gegenden um 25 Pro 3. festzustellen seien.

Noch ärger liegen die Dinge bei den kartoffelpreisen. Während der Landwirt in der Umgebung von Berlin die Karloffeln zu 60 bis 80 Pf. je 3entner verlaufe, zahle die Berliner Bevölkerung 3,50 2, alfo fast das Sechsfache. Demgegenüber bestände in Köln zwischen Erzeuger- und Berbraucherpreis bei den Kartoffeln nur eine Differenz von 70 Pf. je Zentner. Um bei der Preis­fenfung der lebenswichtigen Nahrungsmittel zu einem wirklich greifbaren Ergebnis zu kommen, würden auch die Kommunen alle Kräfte einsetzen.

In der Frage der Gehaltssentung forderte Dr. Mulert von den Beamten Berständnis dafür, daß die Schaltsaufbesserung vor drei Jahren von ganz anderen wirtschaftlichen Voraussetzungen ausgegangen fei, als die heutige Lage aufweise. Der Städtetag muß aber fordern, daß die durch den Gehaltsabbau erzielten Er­sparnisse den Kommunen in vollem Ausmaße zugute fommen. Das Besoldungssperrgeseh, das die Angleichung der Kom­munalbeamtengehälter an die Bezüge der Reichsbeamten vorsieht, gründung abgelehnt, daß hierdurch nur neue Beunruhigung mird dagegen vom Städtetag mit der nicht ganz stichhaltigen Be entstände und die finanzielle Bedeutung dieser Maßnahme nicht von Gewicht sei.

.Gegen die Halbierung der Hauszinssteuermittel für den Wohnungsbau madt der Städtetag scharf Front. Es ginge nicht an, den Wohnungsbau in derartigen Krisenzeiten ab= zudroffeln. Auch gegen die von der Reichsregierung vorge­fehene schematische Sentung der Realsteuern wendet fich der Städtetag mit der Begründung, daß in einigen Ländern, mie Sachsen und Baŋern, gar teine Ueberlastung durch Realsteuern vorliege. Im Interesse einer geordneten Weiterführung der Gemeindefinanzwirtschaft wird die volle Beweglichkeit Der Einnahmegestaltung gefordert. Die Gemeinden müßten in diesem Zusammenhang auf die Einführung des Zuschlagsrechts zur Einkommensteuer bereits zum 1. April 1931 dringen, während im Regierungsprogramm erst April 1932 als Termin festgesetzt ist. Das sogenannte Plafondgefeg, das für die nächsten drei Jahre einen Zwangsetat vorsieht, sei einfach undisputabel, denn dann müsse die Regierung auch die Sahl der Wohlfahrtserwerbslosen un Deränderlich halten.

Hafenkreuzprozeß in Holftein. In dem Prozeß gegen die fünf Nationalsozialisten, die sich wegen einer umfangreichen Prügelei mit Rommunisten zu verantworten hatten, wurde der Hauptangeflagte Dr. Grang mit einem zweiten Angeklagten freigesprochen und drei weitere Angeklagte zu je 100 Mart Geldstrafe verurteilt.

Keinen Goebbels - Bedarf hat die Tschechoslowatei; jie hat ihm das Auftreten in einer Prager Naziversammlung( sie einzuberufen ift mahrhaftig eine arge Provokation!) verboten.