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BERLIN  Dienstag 11. November

1930

Der Abend

Erfcheint taglio außer Sonntags. Bugleich Abendausgabe des Vorwärts". Bezugspreis beide Ausgaben 85 Vf. pro Woche, 3,60 M. pro Monat.

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47. Jahrgang

66 anzeigenpreis: Die einfvaltige Nonpareillegeile

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Wirds billiger oder nicht?

Was sagt die Regierung? Brotfabrikanten bestreiten ihre Zusage

Die Bereinigung der Berliner   Brotfabrikanten veröffentlicht folgende Erklärung:

Die Mitteilung in der heutigen Morgenpresse, daß die Brotfabrikanten Groß- Berlins   sich dem Ernährungs ministerium gegenüber bereiterklärt haben, den Brotpreis von 50 Pf. auf 46 Pf. zu senken, entspricht nicht den Tatsachen.

Die Zusage geht lediglich dahin, den Brotpreis von 50 Pf. auf 48 f. herabzusehen auf die Dauer von zwei Monaten.

Treten innerhalb dieser Zeit die vom Ernährungs. ministerium in Aussicht gestellten Produktions. verbilligungen nicht ein, so behalten die Brot. fabrikanten sich vor, ihre Preise entsprechend zu ändern.

Die Preissentung, die heute früh durch eine amtliche Beröffent lichung angekündigt wurde, wird hier von einem der nächstbeteiligten Faktoren schon wieber zu 50 Prog.   abgeleugnet Daß die Fleischermeister etwa bereitwilliger feien, als bie Brotfabrikanten, ist taum anzunehmen. Es bleibt also die Frage, mas von der ganzen Preisabbaualtion übrig bleibt als die Bohnkürzung. Die Arbeiter werden so gewaltsam in die Stimmung hineingetrieben, Die fie an teine 3usagen mehr glauben läßt, von welcher Geite immer sie fommen mögen. Wenn die Regierung, die die Lohnsentung mit allen Mitteln betrieben hat, jetzt nicht die Kraft und den Mut findet, die Preissentung mit aller Intensität herbeizuführen, so darf sie über die Entwickelung sich nicht wundern, die die Folge dieses Versagens sein wird.

Ein Arbeiterhaushalt.

Vor der Verschlechterung durch den Lohnabban.

Ein Leser schreibt uns:

Ich habe mit meiner Frau einen Wochenetat für unseren aus sechs Köpfen bestehenden Haushalt ausgearbeitet, der zur Zeit fol­gendermaßen aussieht:

Miete für 2 Zimmer.

2 Pfund Fleisch

1 Pfund Burit

Brötchen je 2 für 2 mal Kaffee

20­

10 Pfund Kartoffeln täglich

3 Pfund Gemüse à 10 ẞf täglich

4 Brote à 50 Bf.

3. Liter Milch à 30 Pf

2.60 1.30 168 Stud à 3 Pf. 504 7X 10 à 35 Bfg.. 245 7X3 à 10 pf 2.10 2. 1.05 4.50

1 Pfund Zucker

Salz, Pfeffer und Gewürz

1 Päckchen Tee.

Schuhfrem

-.30 20

-.78

.15

.10

1.­

2.50

185

Zusammen 47.92

Pilsudskis Untersuchungsrichter

Sowjetkommiffar Demant- Die Wahrheit wird beschlagnahmt

Warschau  , 11. November.( Eigenbericht.) Der heutige Robotnit" veröffentlicht die fenfationelle Tatsache, daß der Untersuchungsrichter Demant, dem die gefangenen Oppo­fifionsabgeordneten von Brest  - Lifowit unterstellt sind, und der mit feinem Namen das unerhörte Borgehen der Pilsudski  - Regierung gegen diese Gefangenen dedte, bis zum Jahre 1921 fommuniffi. sher kommiffar in Sowjetrußland gewesen ist und nach Polen  erst nach dem polnisch- sowjetruffischen Kriege, unterſtüht von einem der Führer der polnischen Kommunistischen Partei, zurüdkehrte.

Diefem ehemaligen Sowjetkommiffar ist die Untersuchung gegen die Brester Gefangenen anvertraut worden, unter denen sich der premierminister, und mehrere Mitglieder der ehemaligen polnischen Regierung befinden, die gegen Rußland   krieg geführt, ebenfo zahlreiche Offiziere, die gegen die Bolfchemiten gefämpft haben. Der polnische Juftizminister Car   war über diese Bergangenheit des Unterfuchungsrichters Demant genau informiert. Der heutige Robotuit", der eine öffentliche Klärung dieser An­gelegenheit forderte, wurde beschlagnahmt. gelegenheit forderte, wurde beschlagnahmt.

81 Abgeordnete verhaftet.

Warschau  , 11. November.

In den Kreisen der Oppofition mird die Zahl der in legter Zeit verhafteten Berfonen auf etma 5000 beziffert, wobei allerdings die wegen der Unruhen in Ostgalizien   verhafteten Utrainer mit gerechnet sind. Die Zahl der verhafteten ehemaligen Sejmabgeord neten und Senatoren beträgt 81, eine Biffer, die auch von der Regierungspreffe bestätigt wird.

Das Wahlgeheimnis wird beseitigt. Die polnischen Wähler sollen öffentlich für den Regierungs blod stimmen.

Warschau  , 11. November. Der polnische Hauptwahlkommissar Gizydi hat ein Rundschreiben an die Borsigenden der Bezirkswahlkommissionen erlassen, worin er behauptet, daß das Wahlgeheimnis nicht vom Wähler, sondern mur von der Wahlkommission verlegt werden fönnte. Die Wahl. ordnung enthaite tein Verbot für den Wähler, seine Absicht, für irgendeine Liste zu stimmen, im Wahllotal bekanntzugeben; Dom Wähler werde nur gefordert, daß er im Wahllokal Ruhe be wahre und feine Agitationsreden halte. Hingegen bedeute es feine Bergewaltigung des Wahlgeheimnisses, menn der Wähler laut erfläre, daß er seine Stimme für diese oder jene Liste abgebe. Der rechtsstehende Kurjer Warszawski" nennt diese Anweisung des Generalfommiffars eine Ueberraschung. Der von der Regierungs,

Kaffenrapport

Heimwehr­

5 Pfund Margarine zum Aufstrich und Kochen

Pfund Malztaffee und Pfund Bohnenkaffee

Seife, Perfil, Sil und Ata

Elektrisches Licht und Gas

1 Zentner Brifetts( 8. 3.).

ein

Wieviel müßte ich verdienen, um außer den aufgeführten Aus gaben auch noch die Ausgaben für Kleidung und Schuh. 3eug bestreiten zu können? Da bleibt tein Pfennig für irgend­welche Kulturbedürfniffe, auch nicht für Bier und eine Sonntags. zigarre  . Das heißt, ich rauche wöchentlich für 30 Pf. Tabat Bädchen der billigsten Sorte. Mißgönnt mir einer der Herren Generaldirektoren, die gewohnt sind, täglich ihre Havannas   zu rauchen, diesen Genuß? Will mir Herr Stegerwald verraten, wie ich meinen Lebensstandard noch weiter herabjeßen tann oder fall? Ich kann ihm aber verraten, diß wir troz Verbrauchs von 10 Pfund Kartoffeln täglich zum Magenfüllen noch nicht voll. gefättigt ins Bett steigen und nur im Schlafe den Hunger überwinden. Bielleicht berechnet ein Wissenschaftler, wieviel Ra Lorien in unseren Rationen überflüssig sind, denn 2 Pfund Fleisch, 1 Pfund Wurst und 21 Pfund Gemüse wöchentlich für sechs Ber sonen im Alter von 10 bis 54 Jahren ist vielleicht gar noch Ver. schwendung wertvollster Nährstoffe.

Ich will noch hinzufügen, daß von den Familienangehörigen nur der älteste Sohn als Lehrling 7 Mart wöchentlich verbient, wovon 3 Mart für das Fahrgeld draufgehen. Wer meinen Etat aufmerffam prüft, mird finden, daß darin mur das nadte Leben auf seine Rosten tommt. Unberücksichtigt find Fahrgeld. Dezzeiht den Lurus Kleidung, Schuhwaren und alljährlich ein Ausflug nach Wannsee   zu Pfingsten geblieben. Der Preis abbau eilt!

Theater

R.

جسام

D

Kasse

DO

Acht Mandate- und dafür das ganze Theater?

partel empfohlene Berzicht auf das Wahlgeheimnis gebe doch die Möglichkeit, einen Druck auf die Wähler auszuüben, was gerade auf dem Dorfe bei den heutigen Bedingungen eine ungeheure Rolle spielen müsse. Die Propaganda zur offenen Wahl bezwecke in Birk lichkeit eine Bereitelung ber Wahl. Hingegen begrüßt der im Regierungslager stehende Expreß Poranny" das Rundschreiben des Hauptwahlkommissars. Die polnische Bresse in Oberschlesien  fordere die Wähler auf, den Wahlzettel vor dem Einlegen in ben Umschlag den Anwesenden zu zeigen und gleichzeitig zu sagen: Ich stimme für den Regierungsblod."

Aussperrung in Bielefeld  .

Weber 8000 Metallarbeiter auf der Straße. Bielefeld  , 11. November.

Der Arbeitgeberverband der Bielefelder   Metallindustrie hat am Montag die Aussperrung der in den angefchloffenen Betrieben be. fchäftigten Metallarbeiter beschloffen

Die Aussperrung beginnt am heutigen Abend. Es werden von ihr etwa 8000 bis 9000 Arbeiter bettoffen.

Dem Arbeitgeberverband der Metallindustrie sind außer der Firma Baer u. Rempel und den Bielefelder   Miele- Werten alle größeren Unternehmungen angeschloffen. Von der Aussperrung find Lehrlinge und Wochenlöhner ausgenommen.

Das Reichsarbeitsministerium ist schon von den Tarifftreitig. teiten benachrichtigt worden; auch die Stadtverwaltung Bielefeld  foll um thre Vermittlung angegangen werden.

Ein Minister wird durchs Los bestimmt! Für die Landesregierung von Steiermart. Graz  , 11. November.

Die fünftige Landesregierung in Steiermart wird sich nach den Wahlen aus drei Chriftlich- Sozialen, drei Sozialdemokraten, einem Vertreter des Nationalen Wirtschaftsblocks und Landbundes und einem Bertreter des Heimatblods zusammenfeßen. Ueber das noch unbelegte neunte Regierungsmandat wird zwischen den Christlich Sozialen und der Sozialdemokratischen Partei gel oft werden.

Starhemberg auf Reftftimmen.

Wien  , 11. November.

Nach Mitteilung der Verbandswahlbehörde wird aus den Rest stimmen des Heimatblods im dritten Wahlkreisverband der jeziqe Innenminister Fürst Storhemberg( Oberösterreich  ) ein Manbat, Das ein zweites Justizminister Hueber( Salzburg  ) erhalten. einzige Grundmandat des Heimatblods erhielt der Arbeiter der Alpinen Montangesellschaft Lengauer in Donawig.

Janson abgeblikt.

Das Reichsbanner läßt grüßen...!"

"

Eisenach   11. November  .( Eigenbericht.) Bor der Straffammer des Eisenacher Landgerichts fand vor einigen Tagen die Beleidigungsflage des Oberbürgermeisters Dr. Janson gegen die Eisenacher Volkszeitung" statt. Die Zeitung hatte den Bericht einer Reichsbannerfundgebung in Weimar   wieder gegeben, nach welchem der Bundesführer des Reichsbanners, Sörfing, in bezug auf das Gespräch des Oberbürger meisters Dr. Janson mit dem Polizeikommissar Machts im Hotel Excelsior" in Berlin   geäußert hatte: Janson will auch einmal ein großer Mann werden, das Eisenacher Reichs­banner laffe Janson grüßen, er folle seinen Schnabel halten".

Der verantwortliche Rebatteur der Eisenacher Bolkszeitung" Schroot erhielt einen Strafbefehl von 400 M. Das Große Schöffen gericht ermäßigte die Strafe auf 100 m. und betonte, daß die be­mußte Servorhebung der Ausführung Hörfings in Fettdrud als eine Beleidigung des Oberbürgermeisters aufzufaffen fei. Staatsanwalt und Berurteilter hatten gegen dieses Urteil Be rufung eingelegt. Die Straffammer wies die Berufung des Staats­anmalte zurüd, gab dagegen der Berufung des Angeklagten statt,