Neues Besoldungssperrgesetz. Franzens Bürgersteuer.
Die Einschränkung des Personalaufwands.
Neben dem Gehaltstürzungsgefeg sieht das Regierungsprogramm einen Gefeßentmurf zur Einschränkung des Ber= fonalaufmands in der öffentlichen Berwaltung vor. Dieser Gefeßentwurf, der zur Zeit vom Reichsrat beraten wird, umfaßt drei Teile: 1. die Gehaltstürzung bei Ländern und Gemeinden usw., 2. Die Bereinheitlichung der Befolbung und 3. die Unterbringung der Bersorgungsanmärter.
Im ersten Teil verpflichtet der Gefeßentmurf Länder und Gemeinden, Reichsbahn und Reichsbant tei ihren Beamten Dom 1 April 1931 ab dieselbe 6prozentige Gehaltstürzung durchzuführen, die im Reich auf Grund des Gehaltstürzungsgefeges erfolgen soll. Aehnlich wie im Reich sollen auch die Bezüge der Minister in den Ländern, der Landtagsabgeordneten, Stadtverordneten ufm. um 6 bis 20 Proz. vermindert werden. Um die Durchführung dieser Vorschriften zu beschleunigen, sollen die Länder das Recht erhalten, die erforderlichen Maßnahmen für die Landes- und Gemeindebeamten im Bege der Berordnung zu treffen.
Der zweite Teil des Gesezentwurfs umfaßt die Bestimmungen, die die Angleichung der Besoldungsvor= schriften in Ländern und Gemeinden an die des Reichs bezmeden. Damit wird das Besoldungssperr gesetz von 1920, das Ende 1926 außer Kraft getreten ist, in ver änderter Form wieder aufleben. Die Länder sollen dafür sorgen, daß ihre eigenen Beamten und vor allem die Beamten der Gemeinden finanziell nicht besser gestellt werden als die Reichs= teamten der entsprechenden Gruppen. Der Reichsfinanzminister soll berechtigt sein, sich durch Stichproben von der Durchführung dieses Grundsatzes zu überzeugen und erforderlichenfalls Einspruch gegen eine Besoldungsordnung zu erheben. Ueber diesen Einspruch entscheidet ähnlich wie unter dem Besoldungssperrgesetz von 1920 ein Reichsschiedsgericht, das beim Reichsgericht ge= bildet wird.
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In einem dritten Abschnitt sieht der Gefeßentwurf schließlich eine Reihe von Maßnahmen vor, die die Unterbringung der Bersorgungsanwärter aus der Reichswehr und der Polizei in Beamtenstellen der Länder, Gemeinden und Betriebsver= waltungen erleichtern sollen. Zu diesem Zweck wird bis zum 31. März 1935 eine Stellensperre für 3ivilanmärter gefordert. Die Ueternahme der Militäranwärter hat große finanzielle Bedeutung, denn die zur Zeit nicht untergebrachten 35 000 Anmärter belasten das Reich mit jährlich 40 millionen für die Zahlung der Uebergangsgebührnisse. Das Reich beabsichtigt, für seine eigenen Verwaltungen dieselben Vorschriften jeweils in die Reichshaushaltsgesetze auf zunehmen.
Da der Gesetzentwurf zum Teil in wohlerworbene Rechte der Beamten eingreift, die nach der Berfaffung geschützt sind, ist er auch nach Meinung der Reichsregierung verfassungsändernd. Das Hauptstück dieses Gesezentwurfs ist der Versuch, in Reich, Ländern und Gemeinden einheitliche Besoldungsgrundsätze durchzuführen. Die Begründung vermeist darauf, wie sowohl nach dem Erlaß des Reichsbejoldungsgefeges von 1920 als auch von 1927 Sander und Gemeinden bei ihren Besoldungsneuordnungen mesentlich über die Säge des Reichs hinaus gegangen find. Da sich die Festsetzung der Beamtengehälter auf Grund der verschiedenen Besoldungsordnungen immer mehr zu einer Geheimmissenschaft entwidelt hat, ist die Deffentlichkeit sehr fhmer in der Lage, sich über die mirtlichen Berhältnisse ein zu treffenbes Bild zu machen.
Die Begründung bringt aber einige Beispiele bafür, in melchem Umfange Länder und Gemeinden in vielen Fällen ihre Beamten günstiger gestellt haben als die Reichsbeamten. Ein Stadtaffiftent erhält z. B. 700 m. mehr, ein Stabiletretär 900 m. mehr als ber entsprechende Reichsbeamte. Der Gemeindevorsteher einer Landgemeinde non noch nicht 1000 Einmohnern bezieht bas Gehalt eines Oberregierungsrats. Der Landeshauptmann einer preußischen Broving erhält 2000 m. mehr als der Oberpräsident. Dazu tommen Vergünstigungen bei den Beförderungen, bei der Festsetzung des Besoldungsdienstalters, bei ben Ruhegehältern, Dienstaufwands. entschädigungen usw. usm.
Das Bild, das die Begründung von diesen Zuständen entwirft, ist für den Sachfenner nicht überraschend. Die Sozialdemo fratie hat seit jeher auf dem Standpuntt gestanden, daß eine unterschiedliche Behandlung zwischen Reichs, Landes: und Gemeindebeamten höchst unerwünscht ist. Dieses Messen mit zweierlei Maß schafft Mißftimmung bei den Benachteiligten, verstärkt das Drängen nach Besoldungsverbesserungen und erschwert die Berwaltungsreform. Deshalb hat die Sozialdemokratie auch in ihren Richtlinien vom 23. Juli 1930 die Forderung aufgestellt, daß die Gehaltsordnungen. der Länder, Gemeinden und Körperschaften des öffentlichen Rechts die Gehaltssätze der Reichsbefoldungsordnung nicht übersteigen dürfen.
Die Berhandlungen der Reichsrats- Ausschüsse. Die Vereinigten Ausschüsse des Reichsrats fegten am Donnerstag unter dem Vorsitz des Reichsfinanzministers Dietrich die Beratung des Gesezentmurfs über die Sentung der Realsteuern fort. Die Vorlage murde in erster Lesung erledigt. Eine zmeite Lesung soll in der nächsten Woche stattfinden.
Jm Braunschweiger Landtag stimmten die national fozialistischen Abgeordneten gegen die von ihrem Minister Franzen eingebrachte Bürgersteuer.
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Und da verließen sie ihn...
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Sturm im Landtag.
Gegen deutschnationale Freunde der Rowdystudenten.
Bor Eintritt in die Tagesordnung brachte Abg. Bord( Dnat.) einen Antrag seiner Fraktion ein, der sich mit den Zusammenstößen zwischen Studenten und Polizei vor dem Berliner Universitäts : gebäude beschäftigt. Der Aba. Bord beantragte, diefen Antrag sofort als ersten Bunft auf die Tagesordnung zu sehen, da der Landtag nach Ansicht seiner Frattion beschleunigt gegen derartige Auswüdhje des Polizeiregiments einschreiten müsse Es sei ein Hohn auf die verfassungsmäßig zugesagte Freiheit, wenn man die akademische Jugend von ihrem Universitätshof herunterprügele, mur weil fie ihrem unterdrückten Freiheitswillen nach akademischem Brauch Luft mache. Als der Redner erflärte: Der Landtag muß sich dagegen verwahren, daß ein System, das aus dem Berbrechen der Novemberrevolution entstanden ist... murde er von der Linken stürmisch unterbrochen und durch andauernde Schlußrufe am Weiterfprechen verhindert.
Bräsident Bartels ruft den Redner zur Ordnung. Die meiteren Ausführungen des Abg Bord geben im allgemeinen Lärm unter. Abg. Hellmann( Soz.) mies darauf hin, daß die Deutschnatio nalen in der eben beendeten Sigung des Aeltestenrats teine Wünsche zur Tagesordnung geäußert hätten. Daraus ergebe sich, daß es ihnen nicht auf eine fachliche Klärung der Vorfälle antomme, son. dern lediglich auf einen aus agitatorischen Gründen norgebrachten Angriff auf die Regierung. Zu den legten Ausführungen des Abg. Bord bleibt zu sagen,
daß diefer es dem aus dem angeblichen Kovemberverbrechen hervorgegangenen Staat verdantt, wenn er Polizeioffizier geworden ist und sich als solcher nicht scheut, non dem Staat Benfion zu beziehen, den er beschimpft.
Der Redner widersprach der sofortigen Behandlung des deutschnatio nalen Antrags.
Als der Abg. Bord( Dnat.) das Wort zur Ermidering ergreifen mollte, erhob sich bei den Lintsparteien ein so starter Lärm, daß er fich nicht verständlich machen fonnte.
Die sofortige Beratung des deutschnationalen Antrags war durch den Widerspruch der Sozialdemokraten unmöglich gemacht. Das Haus begann hierauf die dritte Beratung der Durch führungsbestimmungen zur
Gemeindebier-, Getränke- und Bürgerftever.
Abg. Dr. von Kries( Dnat.) unterstrich den Antrag seiner Frattion, das Staatsministerium möge sich vor seiner Stellungnahme zum Reichsfinanzprogramm im Reichsrat darüber im Landtag äußern.
ipannt seien, d. h. in Gemeinden, in denen die Zuschlagssäge über dem Landesdurchschnitt lägen. Er hoffe, daß die Abänderungsanträge der preußischen Regierung eine Mehrheit im Reichsrat, aber auch die Zustimmung der Reichsregierung finden mögen.
Abg. Kloft( 3.) bantte dem Finanzminister für die ausführliche Auskunft über die schwebenden manzfragen und mies auf die Notmendigteit hin, den Gemeinden angesichts ihrer erhöhten Lasten, hauptsächlich auf dem Gebiete der Bohlfahrt, eine Ausgleichsmöglichkeit zu geben.
Finanzminister Dr. Höpfer- Aschoff äußerte sich über das Reichsfinanzprogramm. Bei dem Besoldungs sperrgeien habe die preußische Regierung Bedenten nicht etwa gegen eine Angleichung der Bezüge an diejenigen im Reich, sondern des halb, meil entsprechende Maßnahmen von ihr bereits durchgeführt seien und sie Bedenfen gegen eine nochmalige Durch beantragen, daß eine Wiederholung des durchgeführten Ber fahrens nicht stattzufinden brauche. Der Minister richtet an die Beamtenschaft den Appell, die Gehaltstürzungsmaßnahmen verständnisvoll zu ertragen, da fidh am 1. April vielleicht ergeben merde, daß die Gehälter nicht herabgefeht, sondern bem gefumtenen Breisstand angeglichen worden seien. Die Reichsregierung habe den festen Willen, die Preissenkung weiterhin energisch zu betreiben und durchzuführen.
Die Ausschüsse begannen damn die zweite Lesung des Ausführung habe. Sie werde daher eine Alenderung des Gesezes dahin gabenbegrenzungsgeseges, das bestimmt, daß die Ausgaten in den Jahren 1932 und 1933 nicht höher sein dürfen als 1931. Strittig ist hier bekanntlich besonders die Stellung der Gemeinden, die darauf hinweisen, daß eine solche Begrenzung der Haushaltsausgaben durch den dauernden Zugang von Wohlfahrtsunter ftügungsempfängern außerordentlich erfdymert merde.
Preußen beantragt Kürzungen beim Behretat.
Im weiteren Verlauf der Donnerstagfizung, in der der Reichs etát beraten murde, beantragte die preußische Regierung mefentliche Kürzungen sowohl am ceres. mie am Marineetat An dem Haushalt der Reichsmarine follen 10 millionen gefpart werden. Wesentlich höher sind die von Preußen beantragten Kürzungen am Reichswehretat. Ob die preußischen Anträge eine Mehr heit im Reichsrat finden merden, ist vorläufig noch nicht sicher.
In der Nacht zum 22. Mai hielten drei faardeutsche Landjäger ein Auto an. Der Insaffe hatte feinen Ausmeis. Da er angab, Becker zu heißen und Reichsdeutscher zu sein, brachten die Landjäger ihn gemäß Dienstanweisung der Saarregierung an die Reichsgrenze. Die deutsche Polizei verhaftete Beder als langgesuchten Schwerverbrecher; bald erfannte man in ihm auch einen Spion für Frankreich . Die drei Landjäger aber wurden fo= fort entlassen und der Freiheitsberaubung angefagt und die Straffammer verurteilte sie zu je zwei Monaten Gefäng ais mit fünf Jahren Strafaufschub.
Gegen die im Reichsfinanzprogramm vorgesehene mit. wirtung des Reiches bei der Gestaltung der anderhaushalte habe er feine Bedenken, vielmehr begrüße er fie, da dann auch das Reich die Ueberzeugung gewinnen werbe, daß die Ersparnismöglichkeiten innerhalb des preußischen Haushalts die Grenze erreicht hätten.
Abg. Szillat( Soz.):
Benn man jezt, um die Breientungsattion rafcher in Gang au bringen, an die Konsumvereine herantritt, dann muß man auch fonsequent fein und die Son berbelastung der Ronium. Dereine mieder abbauen. Die Debatte enmedt den An ichein, als feien die Getränke im Steuern durch eine preußische Rotverordnung eingeführt worden
Berschiedene Barteien bringen. hier zum Ausdrud, was fie im Reich nicht vorzubringen magen.
Besonders die Deutsche Bolfspartei follte ihre entschiebene Haltung gegen die in der Moiperordningg enthaltenen Steuern lieber im Reichstag zum Ausdrud bringen, da dort die Möglichkeit besteht, die Berordnung zu ändern. Am 31. Dezember 1929 gab es in den Kommunen Don über 25 000 Einwohnern 242 508 Wohlfahrtsermerbslose. Die Zahl der Hauptunterſtüßungsempfänger und Arisenbetreuten betrug damals$ 85 673. Am 30. September 1930 aber hatten die Kommunen 478 000 Wohlfahrtserwerbslose bei 1,128 Millionen Hauptunterstügungs- und Krisenfürsorgeempfängern. Uns ist unverständlich, wie man es angesichts dieser Zahlen wagen will, den Gemeinden noch weifer die Mittel zu fürzen. ( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)
Die Absichten, die die Reichsregierung zur Erzielung einer spar fameren Rechtspflege verfolge, gehen auf preußische Anregung zurüd. Ein entsprechender Gefehentwurf werbe für Breußen eine jährliche Ersparung von sechs Millionen bringen. Bezüglich ber Bermaltungsvereinfachung, b. b. Aufhebung von Botal behörden, ſaien preußische Borschläge in Borbereitung. Die geplante Einheitsfteuer für Landwirtschaft und Gewerbe sei zu be grüßen. Ebenso nerdiene das geplante Steuerpereinbeit. lichungsgefes allgemeine Billigung. Bebenten seien da gegen zu erheben hinsichtlich der Neuregelung der Woh.. nungswirtschaft und der Realsteuerfentung. Preußen mürben danach im nächsten Jahre nur 120 millionen Mart Haus zinssteuermittel für die Neubautätigkeit zur Verfügung stehen, ein Betrag, der in feinem Verhältnis zum Bedarf ſtehe.
Deshalb habe die preußische Regierung vorgeschlagen, die Hauszinssteuermittel für die Neubautätigkeit nicht um die Hälfte, sondern um ein Drittel zu fürzen.
Wenn die Pläne der Reichsregierung gegen die Hauszinssteuer voll durchgeführt werden, dann wird die Wohlfahrtsbelastung der Gemeinden sich so steigern, daß eine geordnete Finanzwirtschaft der Kommunen überhaupt nicht mehr denkbar ist.( Lebhafte Zustim mung bei den Sozialdemokraten.) ir stimmen den Durchführungsbestimmungen zu, menngleich wir teine Freunde der Bürgersteuer find. aber es handelt sich ja hier nur um die Ausführung eines Reichsgefeges, und zwar eines solchen, das gemacht wurde, ohne daß wir selbst in der Regierungsfoalition maren. Wir unterscheiden uns in unserer Haltung von den Nationalsozialisten, meil wir verantwortungsbewußte Politik grundsätzlich treiben.( Beifall bei den Sozialdemokraten.)
Abg. Schwent( Romm.) bezeichnete die Bürgersteuer als unfozialfte aller Massensteuern.
Abg. Dr. Neumann( DBP.) begrüßte die. Einführung der Bürgersteuer, menn sie in der jeßigen Form auch nicht ganz den Wünschen der Deutschen Boltspartei entspräme.
Abg. Grüter( Wirtsch.- B.) betrachtete die Bürgersteuer als einen Borläufer zu den unbedingt notwendigen Zuschlägen zur Eintommensteuer. Angesichts der schlechten Erfahrungen, die man mit der Reichsbiersteuer gemacht habe, lehne seine Fraktion die Gemeindebier und Gemeindegetränkesteuer ab.
Die Durchführungsbestimmungen wurden in namentlicher Abftimmung mit 251 gegen 146 Stimmen endgültig verabschiedet. Es folgen die Großen Anfragen über die
Neuerrichtung pädagogischer Akademien.
Abg. Delze( Dnat.): Der Bebarf an Lehrern ift für einige Jahre noch gebedt. Wir sind beshalb gegen neue Afademien, aber besonders gegen eine meltliche Akademie, die teine gefeßliche Grund. Lage hat.
Abg. Dr. Schwarzhaupt( D. Bp.): Weltliche Schulen und dissi, bentische Lehrerakademien find nicht verfaffungsmäßig. Wir lehnen meltliche Lehreratademien aber auch grundsäglich ab, weil sie ums noch über die foufeffionelle Berfpitterung hinaus vom Ziel der nationalen Einheitsschule entfernen.
Kultusminifter Dr. Grimme:
Das Staatsministerium hat, als es am 24. Oftober die Errich hung non pier neuen Afademien beschloß, einer katholischen in Spandau , einer allgemeinen in Berlin und zweier evangelischer m Potsdam und Königsberg i. Br., nicht entfernt an eine Brüstierung der evangelischen Bevölkerung gedacht. Es bestehen fünfzehn Afademien, davon eine fimultan, zwei fatholisch und zwölf rein evan gelisch.( Hört, hört! Hints.)
Der evangelische Boltsteil hat aljo gegenüber allen übrigen Gruppen einen ganz gewaltigen Vorsprung.
Die Sentung der Realsteuern fönne nach Ansicht der Staatsregie. rung nur an solchen Orten erfolgen, wo die Reafftenersäge über( Sebr mobr!) Am liebsten hätten wir in Berfin eine große