Beilage
Freitag, 14. November 1930
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Isbo
Der Abend
Shalausache des Vorwärt
Unter Indianern
Besuch in einer Pueblo Reservation
Pueblo Indianer ihre Wohnburgen
indianische
| Traum- Müller macht Politik
Eine halbe Fahrstunde von Taos in New Merito haben die Wunderglaube an Vorwärts" Leitartikel Paradies in zehn Jahren- bolschewisierte Tannenbäume- 100 Millionen Gastote
Bolfenkrazer.
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Unser guter Pontiac" müht sich träftig, uns durch den Staub hindurch zu ziehen. Er madelt wie ein Betrunkener durch die Löcher der ungepflasterten Straße im Indianerreservation, die täglich von einigen Dußend Autos benutzt wird. Ein gutes Borzeichen für die Ordnung in diesem Selbstverwaltungsstaat ist dieser Empfang allerdings nicht, und die Feder unseres Indianers auf dem Wasser behälter des Autos schüttelt unmutig hin und her.
Da kommt uns ein Rotgesicht auf ungesatteltem Pferd entgegengesprengt. Man weiß nicht regt, ob es seinen Federschmuck den Fremden zuliebe spazieren führt oder ob es Staats, uniform trägt. Kriegführen ist den armen Rothäuten heute nicht mehr gestattet. Bann Harvay und die ganze Reiseindustrie nicht wäre, würde mahrscheinlich der letzte Mohikaner längst seinen Federschmuck mit einem modernen Strohhut vertauscht haben.
Bruder Rathaut lächelt uns so freundlich entgegen, als unsere Filmfamera läuft, als wäre er in Hollywood geschult worden. Sein Honorar tassiert er sofort ein. Beim Fortreiten dürfen wir ihn von hinten umsonst filmen.
Wir lesen auf der Weiterfahrt eine andere Rothaut auf, die barfüßig, in der brennenden Hize in ihre dicke Wolldeste gehüllt, dem Indianerdorfe zustrebt. Zuerst weiß man nicht recht, hat nian Mann oder Frau vor sich. Zwei dide schwarze Haarflechten hängen zu beiden Seiten der Schultern porn herab. Das stets bart. lose Gesicht( den Indianern wächst tein Bart) ist runzelig und weich wie bei vergrämten alten Frauen.
Der gutmütige Fahrtgenosse spricht das Englisch mie ein Deutscher aus. Sein ,, th" flingt mie," und erinnert an mein eigenes. Jetzt zeigt er nach rechts, mo aus den hohen Kornfeldern Der Eingang zum Dorfe hervorleuchtet.
Hier am Eingang des Dorfes sind die primitiven Steden. umzäunungen für das Bieh. Ein paar schmarze Schweine sielen fich im Staub, Hühner gadern uns verwundert entgegen, und einige Bierde heben erstaunt die Köpfe. Eine rate Frau bemüht sich, die Ziege zu veranlassen, ihr ein menig Milch zum Supper zu geben, und ein Junge bringt ein Pferd heim, das hinter sich einen vor fintflutlichen Holzpflug zieht.
Als erstes am Dorfplay treffen wir die Kirche. Es ist ein fatholisch- chriftliches Gotteshaus. Alle Bueblo sind römisch- katha. lischen Glaubens; ihr Priester ist der oberste Machihaber im Stamn
er ist auch der Leiter ihrer uralten heidnischen Tänze. Das Kreuz glänzt am Gotteshause aber der Pueblo betet bie Sonne an und glaubt an die überlieferten Kräfte der Natur, die er in seinen heiligen Maskentänzen verehrt. Das Auto hält auf dem großen runden Dorfplat. Eine Schar Kinder ist im Sar wie ein Fliegenschwarm um uns versammelt. ,, Penny for Kandy", betteln fie. Das füße Belytsche schmedi ihnen also wie unseren Jungen und Mädelur daheim. s ich fie photo graphieren mill, rust fie eine barsche Stimme zurüd. zur Linken steht der indianische Wolkenkratzer, von dem die Stimme herüber. schallt. Sie fordert mich auf, hinüber zu kommen.
Der Lehmbau vor mir hat vier unregelmäßige Stod werte. Das unterste ist am breiteiten und längsten. Die höheren rüden sowohl in der Länge mie in der Breite ein, und die Treppen find son außen angestellte Leitern.
Ich steige über zwei brüchige Leitern ins zweite Etodtwert. Nirgends sind Fenster. Einige offene Türen, zeigen table Räume, gelegentlich mit Bolldeden belegt, die mahrscheinlich als Ruhelager dienen. In einem der Räume, an denen ich vorbei muß, fäugt eine Mutter ihr Kind.
In der Mitte des zweiten Stockwerts erwartet mich der barsche Alte, der jetzt recht freundlich guten Abend" sagt und mir die Hand reicht. Gin Schild an der Tür meldet ,, Office". Das war also das Meldeamt oder die Bürgermeisterei.
,, Sind Sie der Bürgermeister?" frage ich den Alten. Er nicht, indem er verlegen lächelt. So ganz wohl scheint er sich in seiner Würde nicht zu fühlen. Er reicht mir ein gedrucktes Blatt, von dem ich erfahre, daß es 1 Dollar tostet, wenn man im Bereiche der Indianerreservation graphiert.
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,, Das Träumen ist des Müllers Luft." Herr Balter 1918) nicht nur den Suezkanal, sondern dazu noch halb Nord Müller, der im Malif- Verlag das Buch mit dem Titel„ Wenn wir 1918..." herausgebracht hat, ist gewiß fein Leichen- Müller, er ist ein simpler Traum- Müller. Er flammert sich an das Borrecht oller Schwächlinge, ausgiebig von den Erfolgen zu phantasieren, die ihnen die rauhe Wirklichkeit versagt hat. Und wie das so geht Sst man erst im Lande der füßen Wunschträume gelandet, da fallen alle Grenzen, Schwierigfeifen und Hinderniffe: Weltrevolutionen vollziehen sich am laufenden Bande, der Kapitalismus plagt wie eine Seifenblase, es regnet meltumwälzende Erfindungen, Büsten rerwandeln sich binnen einiger Monate in Baradiesgärten, die Land: wirtschaft wird zum Sonntagsvergnügen erholmgsbedürftiger Städter; dabei ist die benötigte Bodenfläche troß verdreifachter Bevölkerungszahl so klein, daß ganz Europa in einen Bergnügungspart mit Spazieranlagen verwandelt werden kann.
Ich weiß von einem Festungsgefangenen, der sich die Qualen verhinderter Erotit nicht anders abzuleiten wußte, als daß er seine angeblichen Liebeserlebnisse zu Papier fritzelte. Da wuchsen denn in der Phantasie aus etlichen sehr bescheidenen Beziehungen erotische Ungeheuerlichkeiten, vor denen einem Büstling gegraut hätte. Unfer Traum- Miller mill die Geschichte jeit 1918 schreiben, wie sie sich nach seinen Wünschen hätte vallziehen müssen. Gegen feine Phantasie bleibt jener Festungsgefangene cin Waisenfnabe. Traum- Müller aber hat nicht die Entschuldigung, daß ihm die Mög. lichkeit aftipen Handelns gefehlt hätte.
Deshalb
Nach Trcunigott Müllers unerforschlichem Ratschluß beginnt die Weltrevolution am 9. November 1918 mit der Besetzung des Vorwärts" durch kommunistische Parteianhänger, genau zehn Jahre später ist sie durch die Kapitulation des letzten fapitalistisch gebliebenen Staates, der Vereinigten Staaten von Amerika , sieg reich beendet. Ein recht flottes Tempo. Immerhin bietet der Zeit. raum von zehn Jahren einige sachliche Schwierigteiten. müssen unserem Traum- Müller selbst die Bäume den Gefallen tun, unter dem Bolichemismus erheblich schneller zu wachsen als bisher. Denn sonst könnte Traum- Müller nicht bereits im neunten Jahre der Weltrevolution hocherfreut berichten, daß die Wieder. aufforstung der abgeholzten Gebirge Frankreichs und Italiens nunmehr restlos durchgeführt sei. Ein wahres Glück, daß das Buch im Jahre 1929 endet und nicht im Jahre 1930, fonft mären seine bolichewisierten Trainnbäume bis dahin schon in den Himmel ge
madhjen.
Sie würden damit feine Ausnahme von dem übrigen Buchinhalt machen. Der einzige Borwurf, der gegen Traum- Müller vom linientreuen Standpunkt der Komintern zu erheben wäre, ist der, daß er uns bie Boldewisierung des Mondes, des Mars und der Milch Straße vorenthält. Wo er schon einmal so schön im Phantasieren war, wäre das ein Aufwaschen gewesen. Sonst vollbringt Traummüller ja Wunder genug. Die paar Mißerfolge und Rückschläge der roten Revolutionsarmée, die bereits im Dezember 1918 den Fran80fen und Engländern vernichtende Schläge beibringt, hat Müller Seite 460 schon auf Seite 46 beendet gewesen wäre. ja nur erfinden müssen, meil sonst seine Weltrevolution statt auf Das hätte feinem Honorar geschadet. Sonft ist dieser herrlichen Wunscharmee nichts unmöglich: es foftet sie beispielsweise nur ein Siegestelegramm von zipei Zeilen, um an einem Tage( und zwar noch im Dezember
mir abfahren. Man hat das leise Gefühl, unwillkommener Eindringling zu sein. Im weiten Bogen gehen uns die heimkehrenden Frauen aus dem Wege. Sie gestatten es nicht, daß man sie photographiert. Ohne ihre Erlaubnis ist jedoch die Aufnahme verboten wie in der Anweisung des Bürgermeisters oder Präfekten zu lesen mar.
Die in den modernen Indianerschulen ausgebildeten Knaben und Mädchen verlassen zum großen Teil die Reservationen. Sie wollen Amerikaner sein und verstehen die Sprache der eigenen Bäter. nicht mehr. Wie lange wird der fleine Rest der Ich reiche dem Alten einen Fünfdollarschein. Er legt ihn in Pueblò und Apachen und wie sie alle heißen, noch seine Gigenart eine Zigarrenschachtel und tlappt sie zu. bemahren? für Harvaŋ und den Freindenverkehr!
D nein", sage ich ,,, ich befomme 4 Dallar zurüd." Der Alte zieht einen Dollar hervor und gibt ihn mir. E000 → der fann nicht rechnen! Ich hole mir selber 4 Dollar aus der Kiste und stede sie ein. Aufmerfsem schaut der Bürgermeister zu. Ob et bloß so dumm tut?
Der Mann wird von der ganzen Gemeinde gewählt. Ginige außerdem gewählte ältere Männer helfen ihm bei der schwierigen Kunst des Regierens. Die Polizei wird auch gewählt. Sie hat die Ordnung im Indianerstaat aufrechtzuerhalten. Solange der Bürgermeister die Fremden nech selber zur" Office" hinaufruft, wird die Polizei wahrscheinlich zum Pferdehüten verwendet.
Ich ernte zum Schluß ein Dankeschön" und einen Händedrud und fann nun nach Herzenslust photographieren.
Das Dorf fümmert sich kaum um die Fremden. Nur die Kinder haben sich wieder eingefunden. Frquen und Männer arbeiten auf den Feldern ringsum. Das Land gehört dem Stam in und 2qnd wird dem einzelnen zur Bearbeitung zugeteilt. Er corf es nicht verkaufen, mur perpachten. So ist eine Art Dotffommunis mus hier geschaffen.
Eine junge Frau geht vorüber. Sie grüßt in Englisch . Das Kind hängt ihr auf dem Rücken so in ein Tuch gewickelt, daß es aufrecht steht und nach hinten schaut. Man heiratet sehr früh bei den Indianern. Der Grund liegt vielfach in der Wohnungsfrage. Die Frau erht die Wohnung von der Mutter. Der Mann und feine Söhne sind nur Gäste in der Behausung. Bill der junge Mann olio selbständig werden, so muß er sich eine Frau nehmen. Sollte die Wohnung seiner Schwiegermulier noch gebraucht werden, so bayt ihm der Stamm eine neue Untertunft.
Die junge Frau geht zum Bacofen. Es steht eine ganze Reihe dieler halbtugelförrtigen Gebilde vor der Bahnburg. Sie find aus Lehm gebaut und haben nur ein Loch, so daß sie wie Hundehütten aussehen. Die Squam padt dürres Reifig in den Ofen und zündet es. an. Wenn es ausgebrannt ist, wird sie die M dis fuchen darin baden.
Aus der Kirche läutet die Abendgloce. Im Westen geht glutrat Die Sanne unter und färbt die Lehmburgen des Darfes rötlich. Die hohen Felsen dahinter find duntel und bläulich. Es ist 3eit, daß
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Ein Frauenleben
Bericht über einen Roman*)
Fritz.
Es ist so unendlich großes Massenleid über die Menschen gefommen, daß das Schicksal des Einzelnen dagegen zu verschwinden scheint. Und ist es nicht in der Tat so, besonders in der Haft der Großstadt: Jeder mit seinem eigenen Schidjal so schwer bepadt, daß man es nicht einmal Hartherzigkeit nennen kann, wenn er vorübereilt an der Not des anderen, vielleicht in einem Augenblick ihm die helfende Hand reicht, um dann aber doch bald wieder von dem eigenen beängstigenden Kampf gepackt zu sein.
Aber ist nicht manches, was Einzelschicksal nur zu sein scheint, typisch für die Lebensgestaltung in unserer Zeit? Denn es ist nicht wahr, daß wir in einer Belt leben, in der gleich dem Kampf in der Natur, nur der Tüchtige sich durchsetzt.
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Bar fie nicht tapfer, die Marie Szameitat, die, auf dem Lande groß geworden, als armes Inftleutekind Der Bater ein Trinker, die Mutter fleißig und abgehärmt und doch eine gute Freundin der Tochter fiu als ganz blutjunges Mädchen an einen schwachen Menschen verliert, der ihr zum Schidsal und Hauptursache ihres Scheiterns wird? Doch: wie ist sie tapfer, die Unerfahrene, die in der nächsten Stadt das uneheliche Kind empfängt und trotz der Enttäuschung der Mann ist verschwunden mit vollem Lebens mut das neue Arbeitsleben in der fremden Stadt, Berlin , an pact! Da trifft sie ihn wieder, der sie verlassen und Urjade mor so bitteren Schmerzes. Was hilft ihr Widerstreben, da fie dem Mann verfallen ist, ihn liebt, trozdem sie nicht blind ist feinen Schwächen gegenüber. Als sie wieder ein Kind von ihm erwartet, beftimmen ihn Freunde, daß er Marie heiratet hat sie nun gefiegi? Ach, es ist nur ein furzes Glud; 4 Kinder werden furz hintereinander geboren aber der Mann versagt, ist schwächlich und gerät schließlich in üble Gesellschaft, gerät in die Schlingen der Juftiz, fommit heraus, versucht es mit Maries Hilfe von neuem; Wiedoch da ist nichts mehr zu retten, immer tiefer finft er. viel mußte fie durchmachen, die tapfere Marie, die immer wieder
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afrifa zu besetzen. Geschwindigkeit ist, wie man sieht, teine egerei! Mißlingt wirklich einmal etwas, jo brechen gottlob immer im entscheidenden Moment in den Heeren und Hauptstädten der gerade befämpften fapitalistischen Staaten die nötigen Meutereien und Revolutionen aus. In England siegt beispielsweise die Weltrevolution entsprechend allen Gesetzen der Wahrscheinlichkeit am Tage der Einnahme von Berlin durdy Ententetruppen! Mit diesem militärischen Siegestempo hält natürlich das gesteigerte Produktionstempo Schritt. Benn bereits 1928 alle afrifanischen Neger in Wohnpalästen wohnen und im gleichen Jahre die europäischen Proletarier so viel Flugzeuge, Autos und Motorjachten haben, daß sie den kapitalistischen Amerikanern einige zehn Millionen Flugboote geschentweise anbieten fönnen, jo er innert uns das immer wieder lebhaft an das bolsche wistische Rußland , das bekanntlich auch nicht weiß, wie es seinen enorment industriellen Produktionsüberschuß loswerden soll! Aber noch viel mehr als produziert wird in dem Buche e perziert und Krieg geführt. Traum- Müller versäumt zum Beispiel nicht, uns in 32 Katalognummern genau die fünftige Ausrüstung eines Jugendmitgliedes des proletarischen Behrverbandes darzustellen, wobei Badehose, Notizbuch und Bleistift nicht vergessen sind. Welch univerjaler Stopf, der inmitten einer Beltrevolution den Bleistift nicht vergißt!
Num aber zum Schluß ein trauriges Geständnis: daß all diese Herrlichkeiten nur Müllersche Phantasie geblieben sind, daran trägt einzig und allein die Schuld der Borwärts", weil er ab 9. Rovember 1918 die falschen Leitartikel geschrieben hat. Hätten wir statt dessen die von Traum- Müller verfaßten Leitartikel geschrieben, die uns der Verfasser in umständlicher Grausamkeit, ohne Kürzungen und Beglasjungen, für zehn Jahre nachserviert, so wärealles ganz anders gekommen. Wir hätten sogar noch vor einem Jahre den schönen Augenblid erlebt, wo die revolutionäre Zentral leitung an die amerikanischen Arbeiter ein drahtloses Ultimatum sendet, entweder binnen drei( genau drei!) Stunden den Kapitalismus in Amerika abzuschaffen oder aber sie sähe sich mit leichtem Bedauern genötigt, auf einen gewissen Knopf zu drüden, modurch innerhalb von zehn Minuten das Leben sämtlicher hundert Millionen Nordamerifoner durch Gift. gas vernichtet sein würde!( Was auch uns als die praktiſchſte Methode erscheint, den hundertprozentigen Bolschewismus rasch und relativ schmerzlos durchzuführen.)
Daß diele für alle Sadisten höchst erfreuliche Ausrottung von hundert Millionen Amerikanern durch bolichemistisches Giftgas unter bleiben mußte, auch das ist nur Schuld des Vorwärts" und feiner falschen Schreibweise. Eine Gemeinheit von diesem„, Bormärts", uns dies harmlose Borgnügen vorzuenthalten. TraumMüller, Mensch, kommen Sie zu uns, erflettern Sie unseren Redaktionsstuhl und nehmen Sie endlich die Weltgeschichte in ihre bewährte Sand! Es ladet Sie sehnsüchtig ein
Ihr
Jonathan. B. S. Die tollste Phantasie Traummüllers hätte ich beinahe vergessen: Er träumte, durch den Befig eines jozialdemokratischen Mitgliedsbuches sich ein geistiges Alibi verschaffen zu können!
von neuem anfängt, seit Jahren die Familie erhält, unendliche Geduld mit dem einft geliebten Manne hat, bis sie feinen anderen Ausmeg mehr sieht, als die Scheidung von dem wieder einmal Inhaftierten! Dann aber erst tritt das Schlimmifte ein: Er wird freigelassen und überfällt fie in ihrer Wohnung, betrunken und pertommen, glaubt, sie habe ihn der Polizei verraten, vergewaltigt fie und verschwindet wieder. Wird sie sich von diesem Schredlichen wieder aufraffen? Sie findet sich wieder, fämpft von neuem. Muß sie nicht sich ganz den Kindern geben? Bis dann die schreckliche Ertenntnis ihr fast die Besinnung raubt: Sie ist schwanger, foll ein Kind haben von dem verfommenen franken und jetzt gehazten Menschen. Nun findet sie keine Ruhe mehr. Wieviel vergebliche Bersuche, daß ein menschlicher Arzt ihr helfen möge! Troß mancher freundlichen Hilfsbereitschaft einfacher Menschen scheint alles vergebens. Bis fie schließlich den Weg findet zu einer weisen Frau", die sie sofort nach dem Eingriff hinauswirft, empört darüber, daß Marie ihr zwei Monate der Schwangerschaft weniger an gegeben. Was tun? Halb irrfinnig vor Schmerzen irrt sie schließlich in der Nacht in den Grunewald ; was sollte sie auch tun, fonnte sie
doch nicht bei den Kindern bleiben? Als sie von der Last befreit, das Totgeborene begraben will, überrascht sie die Polizei. Man muß fie abführen das verlangt das Gefeß.
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Nun gibt Marie den Kampf verloren Zuchthous, die Kinder verlassen ist nicht doch alles vergeblich gewesen? Alles wird stumpf in ihr, nur dazu noch findet sie Billen und Kraft: sich die Pulsadern zu öffnen, um den Rest von Leben verströmen zu lassen.
In der Morgenstunde lieft man in der Redaktion die eingelaufenen Meldungen. Darunter ist in dürren Worten des Bolizeiberichtes ein Schicksal gefündet. Nichts von Bedeutung" stellt der Redakteur feft und die Räder sausen- weiter, jeder haftet seinen Weg, als fei nichts geschehen.
Und doch ist ein Helden epos abgeschlossen. Es ist nur eine unter vielen, die mit stärkster Lebensbejahung das Ringen aufnahmen, unendlichen Reichtum an Mütterlichkeit verströmten, sich nicht unterkriegen lassen wollten, ihre Aufgabe in der Hingabe ertannten und darum immer wieder sich durchrangen. Aber das Leben und unsere heutige Gesellschaft ist erbarmungslos und der nichtet grausam und sinnlos die Tüchtigsten, Warmherzigsten und Bertpouften.
Es ist Frant gelungen, das Schicksal dieser einfachen großen Frou schlicht, padend und wahr zu gestalten. Wenn man in der ersten Hälfte sprachlich noch manches reiner wünschte, in der zweiten Hälfte ist auch die Sprache mit dem gewaltigen Stoff zufaminen gemachsen.
Gerade weil das Buch nicht Tendenz ist, wirkt es um so erschütternder. Es ist seltsam, daß ein Mann so voll tiefen Berstehens das Heldenlied der Mutter zu schreiben imftande war. Tony Sender .
*) Josef Maria Frank : Das Leben der Maria Szameitat.( Roman- Berlag Der Bücherfreis.)