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Morgenausgabe

Nr. 537

A 270

47.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Volksblatt

Sonnabend 15. November 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die etnipalttge Nonpareillezeile 80 Pfennig. Reflame eile 5,- Reichs mart. Aleine Anzeigen das ettge Brudte Wort 25 Pfennig( zufäffig zmet fettgebrudte Borte), jedes weitere Bort 12 Pfennig. Stellengeluche das erste Bort 15 Bfennig, jedes weitere Wort 20 Pfennig. Borte über 15 Buchstaben sählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Seile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 20 Bfennig. Anzeigenannahme imhaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglic von 8 bis 17 Uhr.

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Aufruf zur Preissenfung.

Eine Rundgebung des Kabinettsausschusses.

Amtlich wird mitgeteit: Die von dem Kabinettsausschuß für Arbeits- und Preisfragen am Donnerstag in Aus ficht gestellte Verlautbarung hat folgenden Wortlaut: Wie die Reichsregierung in threm Wirtschafts- und Finanz­programm betont hat, ist die Herabsehung der Preise auf programm betont hat, ist die herabsetzung der Preise auf Der ganzen Linie eine Notwendigkeit. Durch Verbilligung von Erzeugung und Verbrauch muß die Wirtschaft neu belebt werden. Berbilligung des Verbrauchs, Senkung der Lebens haitungskosten sind insbesondere auch geboten, um die Wirkungen abzuschwächen, die sich aus der Kürzung der Beamtenbezüge und aus Lohnsenkungen ergeben. Ihr Ziel ist ebenfalls, die Lasten zu ermäßigen, die auf der Erzeugung ruhen.

Niemand darf und wird sich auf die Dauer dieser zwangs läufigen Entwicklung entziehen tönnen. Sache der Regierung ist es, sie mit allen Kräften zu fördern, damit die Schäden und Nach­teile der Uebergangszeit zum Ausgleich von Angebot und Nachfrage, von Breisen und Kauftraft abgekürzt und das Millionenheer der Arbeitslosen so rasch wie möglich der schaffenden Tätigkeit wieder zugeführt wird.

Die ungezählten und vielgestaltigen wirtschaftlichen Vorgänge des täglichen Lebens fönnen nun aber nicht durch staatlichen 3wang in diesem Sinne einheitlich und plöglich gestaltet werden. 3wang ist geboten, wenn der wirtschaftlichen Entwidtung wider bessere Erkenntnis Hindernisse bereitet werden, die anders nicht zu beseitigen sind. In diesem Sinne fördernd diese Verbilligungs tendenzen zu stützen, ist die Aufgabe des Kabinettsausschusses für Arbeits- und Preisfragen.

Fast noch wichtiger aber als 3wang ist neben den Berhand fungen des Staates zu gütlicher Lösung der Fragen der Drud der Berbraucher und der öffentlichen Meinung auf Widerstrebende. Wenn durch die Hand der Hausfrau jährlich etwa 25 Milliarden deutschen Volkseinkommens gehen, so ist es vornehmlich auch sie, die auf die Preishaltung stärksten Einfluß nehmen kann. Sie kann die Ver­täufer und die Waren bevorzugen, durch die site billiger und besser bedient wird als durch andere. Die öffentliche Meinung braucht es nicht zu dulden, daß durch Zurückhaltung im Preisabbau Einzelne unberechtigte Borteile haben, wenn andere in richtiger Erkenntnis der Lage Opfer bringen. Sie tam und muß auch hier der Gerechtigkeit zum Siege verhelfen. Der Presse jeder Richtung und Größe, be­sonders auch den Zeitungen auf dem Lande, sind hier wichtige volkswirtschaftliche Aufgaben erwachsen, die verdienstvoll gelöst

werden können.

Gerechtigkeit fann insbesondere der Landwirt fordern, dessen Preise weit unter dem Stand derer anderer Waren hinabgeglitten find. Wird dieser Bewegung Einhalt geboten, wird versucht, in an gemeffenen Grenzen die Preise der Agrarerzeugnisse und der anderen Waren einander anzunähern, dann braucht daraus für die

Lebenshaltungsfosten der breiten Massen feinerlei Nachteil zu ent­

Stehen.

Denn die rückläufige Bewegung der Preise, die der lette Verbraucher zu zahlen hat, muß dadurch auch weiter möglich sein, daß sich der Unterschied der Preis­spannen in gerechter Weise auf die Zwischenglieder berteilt. *

Die folgende tnappe Zusammenstellung soll eine gewiffe Ueber­sicht darüber geben, welche Fortschritte die Abwärtsbewegung der Breise in letzter Beit auf einzelnen Wirtschaftsgebieten, meist infolge Der staatlichen Maßnahmen, gemacht hat.

Gewiß find an sich die Lebenshaltungskosten für den Verbraucher unmittelbar von finnfälligster Bedeutung. Trotzdem ist aber auch für ihn gleich wichtig, wenn

die Urstoffe der Wirtschaft verbilligt werden. Daher steht die inzwischen erreichte era b febung der Kohlenpreise um 6 Pro3. im Vordergrunde. Sie wird sich für den Verbraucher in allen Richtungen auswirken. Ferner sind die Holzpreise um 17 bis 20 Pro z., die Preise

für Walzmertsprobufte um 3 Bros. ermäßigt worden

Bon den Baustoffen sind im Durchschnitt 3ement um 10 Prog.. Ziegel um 10 bis 15 Broz., Fensterglas um 22 Broz. und Blatten um 35 bis 40 Broz. im Preise gefunten. Der Inder der gesamten Bautosten ist seit Januar dieses Jahres um 11 Pro3. zurückgegangen.

die für den realen Wert des Lohnes von entscheidender Bedeutung find. Von den Nahrungsmitteln ist der Brotpreis von 50 Pf auf 46 Pf. für das Normafbrot herabgesetzt worden unter gleich zeitiger Erhöhung des Gewichtes von 1225 auf 1250 Gramm. Das bedeutet eine Ermäßigung um 10 Broz. Ferner foll in Zukunft das Brot einheitlich nach Gewicht verkauft werden Damit wird einem lange gehegten Wunsche der Bevölkerung Rechnung getragen. Das fund Schweinefleisch ist um 5. Bf. billiger geworden. Der Preis für Kartoffeln hat sich auf 23 bis 30 pf für je 10 Pfund gesenkt gegenüber einem Breise von 40 bis 45 Pf. im Oktober d. 3. Der Literpreis der Milch ist für Berlin um 1 Pf. auf 29 Pf. gesenkt worden: im Oktober 1929 betrug er noch 32 Pf. Dabei ist zu berücksichtigen, daß durch Einführung der Qualitätsbezahlung für Milch dem Handel Mehraufwendungen entstanden sind, auf deren Einrechnung in den Milchpreis er bei den Verhandlungen verzichtet hat. Bei Gemüse und Obst haben die Verkäufer eine Preis­senkung grundsäglich zugesagt. Die Einzelheiten werden noch im Benehmen mit der Marktforschungsstelle geregelt..

Zunächst gelten diese Vereinbarungen nur für Berlin . Das Preußische Handelsministerium hat bei ihrem Zustandekommen mitgewirkt. Es wird dafür sorgen, daß auch die zuständigen Be­hörden im Lande in gleicher Weise eingreifen. Mit den Regierungen der anderen Länder wird die Reichsregierung selbstverständlich eben falle in diesem Sinne zusammenarbeiten.

Bedeutsam ist in diesem Rahmen, daß der Deutsche Städte tag in Unterſtägung der amtlichen Aktion inzwischen fämtliche Stadtverwaltungen zu tatkräftiger Mitarbeit an dieser wichtigen volkswirtschaftlichen Aufgabe aufgerufen hat. Es ist nicht zu zweifeln, daß im Zusammenwirken aller Behörden die Bewegung eine starte Stüße findet, die auf die allgemeine Preissenfung ge­richtet ist. Als weitere Beispiele für die Abwärtsbewegung der Preise seien et wähnt die

Preisrüdgänge der einzelnen Martenartikel

auf dem Nahrungsmittelgebiete, wie Mal3faffee, Honig, Mattaroni um 5 bis 12,7 Pro3. Auch einige andere Marken­ortikel find dieser Bewegung bereits gefolgt, dies im Ausmaße von 5 bis 20 Proz

Auf dem Gebiete der Eisen verarbeitung beträgt die Breisermäßigung bei einer Anzahl von Waren 3 bis 10 roz, bei Meffing- und Kupferfabritaten 25 bis 40 Broz, bei Aluminium 10 Broz. und bei den Erzeugnissen daraus 8 Proz. Gummireifer weisen eine Preisermäßigung von 10 Broz., Linoleum im Durchschnitt von 5,3 Prog., einzelne Sorten von 3 ündhölzern von 8 bis 20 Broz., Papier von 8 bis 10 Proz. auf. Orthopädische Hilfsmittel haben einen Breis­abschlag von 8 Broz, orthopädisches Schuhwert einen solchen von

10 Broz. erfahren.

In manchen dieser und anderer Fälle merden sich die Abschläge vom Preise im Einzelhaushalt nur in Pfennigbeträgen auswirten. Wer sich der Inflationsfitte noch nicht entwöhnen fann. auf 5- oder 10- Pfennig- Beträge abzurunden, der wird genug Gelegenheit haben, den Erfolg der Preissenfungen zu verkleinern. Tatsächlich ist aber den Erfolg der Preissenfungen zu verkleinern. Tatsächlich ist aber die Zeit dazu zu ernst. Auch der Bruchteil eines Auch der Bruchteil eines Bfennigs gewinnt in der Boltswirtschaft mehr Bedeutung denn je. Daher muß der Pfennig als Rechnungs­einheit anerkannt und gewertet werden. Die erforderlichen Maß nahmen sind in Vorbereitung, die es ermöglichen sollen, dem auch im Zahlungsverkehr Rechnung zu tragen.

So wird der Kabinetteausschuß für Arbeits- und Preisfragen mit allem Nachdrud on die weitere Entlastung der Wirtschaft durch Breisermäßigungen herangehen.

*

Die Zusammenstellung über die Abwärtsbewegung der Breise fordert zu kritischen Feststellungen heraus.

1. Die bisherige Senkung der Nahrungsmittelpreise ist für den Haushalt der Arbeiterfamilie fast ohne Bedeutung. Nur ein fächerlich geringer Bruchteil der allent­halben tatsächlich eingetretenen Lohnsenkung ist dadurch aus geglichen.

2. Die Sentung der Preise von Urstoffen der Wirtschaft und von Fertigwaren bedeutet eine Senkung der sogenannten Selbstfosten der Wirtschaft.

3. Obwohl diese Selbstfoften gesunken find, wird unter

dem Geſchrei Senkt die Selbstkosten" der Lohn abbau

meiter getrieben!

4. Die tatsächliche Senkung der Selbstfoften steht in feinerlei Verhältnis zur Senkung des Realeinkommens der Arbeiterschaft.

5. Wenn das Verhältnis sich nicht radikal verkehrt, wird Wenn so die Preise in den Grundlagen der Wirtschaft weichen, dann muß davon der ganze Preisaufbau beeinflußt werden, der die Arbeiterschaft in ihrer Lebenshaltung die Zeche der barauf ruht. Aehnliches gilt von den Kosten der Nahrungsmittel, Preissenfungsaftion bezahlen.

Polnische Marschall- Wahlen.

Ein Vorspruch zum 16. November..

Von einem polnischen Sozialisten. Einer der Bertrauten des Marschalls Pilsudski , der ges mesene Ministerpräsident Switalsti, hat in seinen Ber rumänische Wahlen" geben wird. Die Wirklichkeit fammlungsreden angefündigt, daß es diesmal in Polen hat diese Ankündigung weit in den Schatten gestellt. Pilsudski hat Bratianu überflügelt. Eine solche Wahl­fälschung aus Prinzip, wie sie diesmal in Polen geübt wor­den ist, ist wohl überhaupt noch nicht in der Weltgeschichte dagewesen. Die berüchtigten Badeni - Wahlen waren dagegen, so sagt man in Galizien , ein Kinderspiel. Und in dem vor­mals russischen Polen staunt man nachträglich, wieviel Liberalismus im Reiche des Zaren eigentlich doch immer noch vorhanden gewesen ist.

des Innern Sladkowski erklären, er habe seine Beamten In einer öffentlichen Versammlung konnte der Minister aufgefordert, dafür zu sorgen, daß überall unbedingt die Kan­didaten Pilsudskis gewählt werden. Diese merkwürdige Wählerversammlung nahm die Ausführungen des Ministers, die in jedem Wort einen Hohn auf Recht und Gesetz bedeute­ten, ohne Protest, ja sogar mit Beifall auf.

Man hat die Stimmungsmache für Pilsudski und seine unbestimmten Ziele damit begonnen, daß man 80 bisherige Abgeordnete in den Kerker warf und sie dort unter Bedingungen schmachten läßt, die an die Methoden der mittelalterlichen Inquisition erinnern. Man hat Stimmung gemacht, indem man diesen Abgeordneten 4000 Vertrauens­männer der oppositionellen Parteien, darunter 1000 Sozia liften, Versammlungsredner und Organisationsleiter, in den Sterker nachschickte.

Man hat Stimmung gemacht, indem man die oppo­fitionellen 3eitungen täglich mehrmals tonfis zierte und schließlich, da damit der erwünschte Erfolg nicht erzielt wurde, ihre Druckereien unter nichtigen Vor­wänden schloß.

Säle der oppositionellen Organisationen wurden unter baupolizeilichen Vorwänden geschlossen, den Wirten, die geneigt schienen, ihre Lokale für höheren Orts nicht beliebte Wählerversammlungen herzugeben, wurde mit Entziehung der Konzession gedroht..

In einem Biertel aller Wahlbezirke wurden die oppo­fitionellen Kandidatenlisten einfach für ungültig erklärt. Natürlich suchte man sich für diese Aktion gerade die­jenigen Wahlbezirke aus, in denen die Opposition bei den letzten Wahlen die größte Stimmenzahl erhalten hatte.

sagen der Justiz. Die Schöpfer der polnischen Ver­Das Verhängnisvollste aber von allem ist das Ber fassung haben in den Richterstand ein Vertrauen gesetzt, dessen er sich nicht würdig erwiesen hat. Die Richter versagen jetzt vollständig, wo sie über die Gewaltatte der Verwaltung zu entscheiden haben. Sie versagen als Vorsitzende der Wahlfommissionen, indem sie ungefeßlichkeiten nicht nur dulden, sondern sogar selber Instruktionen herausgeben, die dem Gesez ins Gesicht schlagen. So hat der Vorsitzende der Reichswahllommission Gizyzki, einer der obersten Richter in Polen , erklärt, daß es mit der verfassungsmäßig garan­tierten geheimen Wahl vereinbar sei, wenn die Wähler freiwillig ihren Stimmzettel offen ab. geben oder gar mündlich erklären, für wen sie stimmen. Da die Wahlkommissionen mit Verwaltungsbeamten besetzt sind und die Pilsudsti- Partei ihre Wähler zur offenen Stimm abgabe aufgefordert hat, kann man sich ungefähr vorstellen, was denjenigen droht, die es noch wagen, von ihrem ver­fassungsmäßigen Recht auf geheime Stimmabgabe Gebrauch zu machen.

Die Verteidiger der Gefangenen von Brest - Litowst haben gegen die Richter, die ihre durchschlagend nach dem Ge­jeg begründeten Berufungen zurückgewiesen hatten, Straf­anzeige megen Mißbrauch der Amtsgewalt er­stattet. Ueber diese Anzeige hat nun ein Senat zu ent­scheiden, dessen Zusammenseßung streng geheimgehalten wird!

der Marschall Pilsudski den Gerichten für ihr promptes In einem seiner vielen übelriechenden Interviews hat Funktionieren feinen öffentlichen Dank ausgesprochen.

Im Sommer dieses Jahres trat ein Mitglied des Obersten Gerichtshofes, das im Begriff war, in Pension zu gehen, an einen sozialistischen Abgeordneten heran und bat ihn, eine Erklärung abgeben zu dürfen, die die Quinteffenz seiner Erfahrungen als Mitglied des Obersten Gerichtshofes