9 oh. diepler, der Wtyltlker SEu feinem 300. Todestage: 15, llorember
xjrgerümjcnn macht jeder denkende Mensch den Sprung von der Mystik zur Physik. Und irgendwann macht ihn jede Nation(denn jede ist«in Volk von Denkern) und schält daraus Epochen. Aber wie im Mann stets ein Rest Kind bleibt, so in jeder Naturforschung als Wissenschaft ein Rest Mystik als Erbe. Unsere heutige Mystik werden uns einmal unsere Enkel oder Urenkel vorwerfen— wir freuen uns gegenwärtig über Keplers Erdenseele, die wir ein wenig von oben herab belächeln und über seine kosmische Mcteoro- logie, die meiner Meinung nach sehr wichtig ist und vermutlich wohl von einer künftigen Forschung an die Stelle der gegenwärtigen rein tellurischen und daher u>, wissenschaftlichen Meteorologie gesetzt wird. Aber Kepler war kein Mystiker von der Art des Zeitgenossen Jakob Böhme . Dieser Böhme, nächst Hans Sachs der zweite große deutsche Schuster, der den Aufstieg aus dem Handwerk in die Welt der Geistigkeit mit größtem Erfolg unternahm, war ein rein religiöser Mystiker, der sich freilich der naturwissenschaftlich- mystische» Redeweisen des damaligen Modernismus bediente. Keplers Mystizismus war viel umfassender, umschloß den ganzen Kosmos und versenkte sich nicht ins rein Religiöse. Kepler sah die Dinge der Welt in ganz moderner Weise, wie wir Leute des 20. Jahrhunderts, als durch mathematische Beziehungen miteinander verbunden an. Er suchte die Zusammenhänge zu entdecken und hatte darin auch ungeheuren Erfolg— nicht so sehr vielleicht, weil er ein genialer Mathematiker war, als vielmehr deswegen, weil er als e r st e r den erstaunlichen Gedanken an die Existenz der Naturgesetze faßte. Der erste, der einen neuen Erdteil betritt, kann dort natürlich die ausfallendsten Sachen eher als alle anderen entdecken. So betrat der Mystiker Kepler , der ja studierter Theologe war, als Außenseiter das Gebiet der Sternenkunde und sah mit dem ersten Blick, was Äopernikus und Galilei nicht einmal als Fragestellung erkannt hatten: die Planeten vollführen Umschwünge und sie stehen in ge- wissen Entfernungen von der Weltmitt«. Wie hängen diese Zeiten und Distanzen miteinander zusammen? Die Fragestellung war also das erste, was der junge Mystiker entdeckte. Und er hatte auch bald«ine Antwort gefunden. Mit 23 Jahren sah er jenen Zusammenhang zwischen den regulären (platonischen) Körpern und den Planeten, den er löW im „Frodomus dissertationurn cosniographicuin' veröffentlichte und der ihm die Aufmerksamkeit der zeitgenössischen gelehrten Welt eroberte. So war die Mystik Keplers gerichtet: er dachte in geometrischen Figuren und erblickte einen möglichen Sinn der Welt darin, daß die wundervolle Harmonie der platonischen Körper nichts anderes denn eine Widerspiegelung kosmischer Verhältnisse fei. Dies war der Titel seines Erstlingswerkes:„Schöpfungsgeheim- nifs« in Weltentiefen." Ein Stipendium des Städtchens Leonderg half dem jungen Kepler einst, im Stift zu Maulbronn die Gottesgelehrtheit zu studieren. Dort im Stift galt er bald als ein Verdächtiger, denn, er nahm die theologischen Lehren zwar in schuldiger Ehrfurcht, doch nicht ohne Grübeln auf. Was seit Jahrzehnten die Welt bewegt hatte, vor allem die Frage, wie Gott in der H o st i e enthalten sei, war eifrig diskutiertes Lehr- und Gespächsthema. Den Schülern und den Lehrern fiel der stille Grübler auf, und die Zeloten, in Württemberg nicht minder zahlreich denn in Italien , nahmen ihm, dem hervorragendsten Talent der Schule, jede Frage übel, die er in Wißbegier und Lerneifer stellte. Und welche Fragen könnte nicht«in genialer Mystiker an einen württembergischen Theologie- lehrer stellen! Zudem mag irgendein Geruch von Unzuoerlässigkeit in Glaubenssachen als Tratsch nach Maulbronn gekommen sein— um 1550 soll eine Tante unseres Kepler als Hexe verbrannt worden sein!—, so wurde dem bescheidenen Knaben auf Schritt und Tritt alles„übel genommen". Ein reiner Mystiker unter bornierten Fanatikern, die es freilich alle gut meinten, da sie eben des Glaubens waren, sie hätten die Wahrheit... Der Geruch blieb unserem Kepler zeitlebens hasten und ver- hinderte, daß er in Württemberg ein« Stellung finden konnte. Obgleick) tief religiös, war Kepler doch durch und durch Mystiker, der Gott selber, und zwar alle drei göttlichen Personen, in die Welt hineinverlegte. Als er nach dem Tode Rudolfs II. nach Linz zog, als landschaftlicher Mathematiker, da machle er freudigen Herzens «inen Antrittsbesuch beim dortigen evangelischen Pfarrer— war der doch ein Schulkamerad aus Maulbronn ! Aber Kepler wurde übel empfangen. Der Mann fragte ihn über seine Rechtgläubigkeit aus, und da Kepler sich nicht dogmatisch festlegen wollre, verweigerte der Pfarrer die Zulassung zum Abendmahl. Kepler beschwerte sich in Stutiaart. Aber da kam er schön an— er wurde erst recht ab- gewiesen!„Ein Schwiirdclhirnlin" und„ein Letzköpflin" nannte das Konsistorium zu Stuttgart den größten deutschen Naturforscher. Damit ist die Parallele zu Galilei und seinem Verhältnis zur katholischen Kirche ziemlich vollständig. Fügen wir noch hinzu, daß Kepler sich (in einem Gutachten für den Regensburger Reichstag ) unbedingt für die gregorianisch« Kalenderreform aussprach, während die Tübinger Gelehrten mit Keplers Lehrer Mästlin an der Spitze natürlich dagegen waren, so kann crmessen werden, wie wenig beliebt dieser große Prophet in seinem Vaterlande war. Ein jedes Zeitalter hat seine ihm gemäße Form der natur- wissenschaftlichen Phantasie und Spekulation. Und zu Keplers Zeiten war die Mystik die angemessene Form des Denkens— sie ist es zu einem(wenig erkannten) Teil auch noch heute Für Kepler ist die regulär« Sechseckigkeit der Schneeflocken ein gewolltes Spiel der Erdenseele, die kristallischen Formen vieler Gesteine freundliche Spiele der Allmutter. Die allgemeine gleichsinnige Drehung der Planeten um die Sonn« ist ihm ein himmlischer Wirbel, in dessen Einheitlichkeit Kepler ohne weiteres die Sonne selber„mit ihrem glänzenden Leib" einbezieht. Und so kommt der Mystiker Kepler vor Galllei, dem nüchternen Klassiker, zur Kenntnis einer Eigendrehung der Sonne. Kepler rechnet kühn und falsch drei Tage für die Drehung, man findet dann etwa 20 Tage. Max B r o d hat in seinem Roman„Tycho Brahes Weg zu Gott" manches aus Keplers Assistentenzeit in Prag berührt, und da hat der Seher im Didster richtig gesehen. Aber da Brods Held Brahe war, dessen Mystik als Bahn zu Gatt gesehen wird, so kommt dort Kepler zu kurz, dessen Mystik das Göttliche auf allen Bahnen, ja in den Bahnen selber drinnen sah. Seit Siegimmd Günther 1896 eine kurze Biographie Keplers schrieb, ist keine aus- führliche Würdigung des großen Astronomen erschienen. Ein« kurz« Skizze mit Biogramm seines Lebens brachte ich 1926 in„Natur- forscher und Naturgesetze". Dort ist noch besonders die Beziehung Keplers zu Galilei beleuchtet/ die lehrreich und typisch für das Ver- hältnis des romantischen zum klassischen Typ ist. Es ist ungefähr das Schiller-Goethe-Verhältnis. natürlich zeitgemäß verlagert und durch die Gla-ubensspaltung kompliziert. Hier sei zum Schluß nur an- gedeutet, daß Galilei unseren Kepler überhaupt nicht ernst nahm und hinter den schwärmerischen Ergüssen des Deutschen nichts, rein nichts sah. Galilei erntete zu seinen Lebzeiten die Nachwirkung von 300 Jahren Kultur ein, Kepler aber lebt in den ersten Jahrzehnten
derselben Kultur, obschon zur gleichen Zeit wie Galilei . Wer dies nicht bedenkt, kann Kepler nicht gerecht werden. Wer es aber weiß und beachtet, wird Keplers Weg von der Mystik zu den Natur- gesetzen verstehen. * Was sind das nun für Gesetze, bei denen Kepler landete? Nun, in unseren höheren Schulen werden sie als die„Drei G e f e tz e von Kepler" gelehrt. 1. Di« Planeten bewegen sich in Ellipsen um die Sonne, die in einem Brennpunkt steht und die Quelle der Bewegung ist.(Das gesperrt gedruckte lassen unsere Schulmeister immer weg, es ist ihnen zu mystisch, aber Kepler hat es so ausgedrückt und es ist durchaus vernünftig.) 2. Die vom Leitstrahl Sonne-Planet beschriebenen Flächen sind in gleichen Zeiten gleich groß(anders gesagt: je weiter ein bestimmter Planet auf «einer Bahn von der Sonn« entfernt ist, desto langsamer läuft er, und je näher desto schneller). 3. Die Quadrate der Umlauf-zeiten zweier Planeten verhalten sich wie die dritten Potenzen der mittleren Entfernungen dieser Planeten von der Sonne. Diese drei Gesetze sind wundervolle Regelmäßigkeiten am Himmel. Wir wissen ja seit Newton, dem Begründer der rechnenden Astronomie, daß eins aus dem anderen folgt, daß alle drei aus dem
s«inen Gesetz sich ableiten lassen: die Anziehung Sonne-Planet steht im verkehrt quadratischen Verhältnis zur Distanz. Aber zu Keplers Lebzeiten hat zum Beispiel Galilei die Gesetze nie anerkannt, auch nie erwähnt, für ihn blieben die Bahnen der Planeten stets Kreise, obgleich sich die Unmöglichkeit der Kreisbahnen schon längst erwiesen hatte. Galilei stand unter dem harten Druck der römischen In- quisistion, er durfte nichts anerkennen, tvas der Ketzer jenseits der Alpen ausgeklügelt hatte. Zeit seines Lebens hatte Kepler den Kampf ums Dasein wie aud, den Kampf mit der Unduldsamkeit zu bestehen. Der verrückte Kaiser Rudolf II. hatte ihn an semen Hof gezogen, blieb khm aber das GeHaft schuldig. Wallenstein wollt« Keplers astrologisch« Dienste in Anspruch nehmen, Kepler kam nach Sagau an den Hof dieses dunklen Helden. Im Herbst 1630 ritt Kepler nach Regensburg , um auf den, Reichstag das rückständige Geholt zu fordern— Rudolf II. war seit 1612 tot, die Erben wollten nichis davon wissen. Zu Pferd zog Kepler über Leipzig und Hof nach Regensburg , wo er krank ankam. Noch im April des Sterbejahres war ihm von seiner zweiten Frau in Sagan ein Töchterlein geboren worden. In Regensburg erlosch dieses typische deutsche Gelehrtenleben: wenig Erfolg und viel Miß- gunst und Neid, wenig Einnahmen und viel« Kinder, ein armer Teufel von der Wiege bis zum Grabe. Und wo das Grab ist, weiß heute niemand, obgleich doch damals, als am 15. November 1630 Kepler in Regensburg beerdigt wurde, fast der ganze Reichstag mitgegangen fein soll. Im Vergleich mit Galilei und Newton, Hobbes und Gassendi war Kepler das, was wir heute als einen Proletarier unter den Gelehrten bezeichnen würden. Rudolf Lämmel .
3)ie Xiebesgefchichte der Wildgans
B e nq t Vera bat wieder eine neue Tiergeschichte geschrieben. Auf seiner an der Liidkllste Schwedens gelegenen Bcggun« bat er durch Jahre hindurch Wildgänse gejogen, hat sich mit ihnen eingelebt, sie verstehend betrachtet und nun ihr abenteuerliches Leben geschildert und mit wunderschönen Phato» uns veranschaulicht<,D i c Liebes- geschichte einer Wildgans", Verlag Dietrich Reimer. Berlin , Preis in Leinen gebunden 8 M.). Wir bringen daraus mit Erlaubnis des Verlages ein« nur wenig g stürmte entzückende Episode aus der Geschichte der Wildgans Nr. 5. Es wid immer erzählt, daß die Wildgänse in strenger Mono- gamie leben, genau wie unter den Menschen gewisse Nationen, die bekanntlich„besser" sind als alle anderen. Wenigstens unter den Wildgänsen muß es dann Ausnahmen geben. Und Nummer 1 war eine. Er zeigte sich immer nur„paorweis", und cr hätte insofern sehr wohl seinen guten Ruf behalten können. Mer er dachte ja nicht daran, daß mein Feldglas stets auf der Suche nach den Ziffern war. Dabei stellte es sich nämlich zu meinem Schrecken heraus, daß«r immer wieder mit einer neuen Nummer ankam. Kinder— dachte ich wieder, die Leute werden sagen, es ist nur, weil sie von mir erzogen sind. Mit einer vevfucht« er aber vergebens anzubandeln. Das war die feine Wildgans Nummer 5. Er gab sich die größte Mühe. Und leichtverständlich. Denn sie war und sie ist„heute noch", mit ihren fünf Jahren und neunzehn Kindern bitte, eine schöne Gans. Menschen denken wenig daran, daß«s unter Vögeln mich Schönheiten geben kann. O ja. Es gibt häßliche unter ihnen, und es gibt anmutige, wenn auch weniger, genau wie bei den zweibeinigen, die keine Flügel haben Sie konnte fliegen, wohin sie wollte, und doch war sie allein zurückgekommen und den ganzen Winter auf dem Eise in der Bucht
stiefel an und watete zu der kleinen Schär« hinüber. Es stimmte. Zwischen den Tannen lag noch vom Winter her ein Haufen Stroh und darin leuchtete ein weißes Gänfeei. Beinah« wäre ich mit Wasser in den Stiefeln zurückgekehrt. Denn der große Kanadier hatte mid) vom anderen Ende der Bucht bewacht und kam wütend angeschwoimnen. Er schrie und schlug mit den Flügeln, und in dem Augenblick, als meine Stiefel in dem zähen Schlick bei der tiefsten Stelle stecken zu bleiben drohten, fuhr er ohne weiteres auf meine Beine los und biß, wo er beißen konnte, als wollt« er einen Ein- brecher festhalten, bis Hilfe kam. Und sie kam— die Gans nämlich, ob zufällig oder auf sein Rufen war nicht zu erraten. Erschrocken bei dem Gedanken, sie vielleicht durch meine Neugier zu vergrämen. entfloh ich durchs nächste Gebüsch. Der tüchtige Gänserich«chwimm ihr aber mit aufgeregten Gebärden und Lauten entgegen, als wollte er ihr auseinandersetzen, was vorgefallen war. Kann nun so ein Vogel wirklich einem anderen etwas berichten'' Von dem T-�ge an gackerte di« Gans mich den ganzen Frühling durch mißrrauifch an. sobald mich mein Weg in die Nähe führte. Das Mißtrauen beruhte aber auf Gegenseitigkeit. Denn mir schien es von Tag zu Tag verdächtiger, wie sie morgens und abends mit ihrem jungen Bewunderer herumflog, während der große Gänserich treu das Geheimnis auf der kleinen Schäre hütete. Es waren bald vierzehn Tage her, seitdem das erste Ei gelegt worden war, und immer noch schwärmte die Umworbene draußen bei den Inseln herum, als hätte sie zu Haufe keine Verpflichtungen. Dann, Mitte Mai, lag sie eines Morgens geduckt unter dem Tannenreisig. Sie blieb den ganzen Tag. Di lag sie jetzt vier
geblieben. Jetzt ging sie den ganzen Tag da herum und ließ sich Wochen lang. Nur morgens und nachmittags flog sie eine kurze eifersüchtig von dem großen kanadischen Gänserich bewachen. Wer Mette zum Grasen heraus. Sofort mar der junge Ganfef' auch herankam, er wies jede Annäherung mit Bissen ab. Er schrie
mit vorgestrecktem Hals der ganzen Gesellschaft seine Gefühle zu und stolzierte wie ein wahrer Othello um die Angebetete herum. Nun meinte ich, diese Verbindung wäre doch ein Unsinn. Er war fast doppelt so groß wie sie, und nebenbei wären mir reine Graugänse lieber als alle noch so interessanten Mischlingskinder. Uebrigens waren sie ja so ganz verschiedene Tiere. Hoffentlich war es nur blinder Lärm. Es ging mir wie einem bürgerlichen Vater, der die Wahl seiner geliebten Tochter nicht ohne Kummer ansieht. Da war mir doch ein einfacher ehrlicher Graugänserich lieber als so irgendein fremder Pascha. Deshalb begrüßte ich es mit einer gewissen Genugtuung, als meine liebe kleine Gans eines Tages mit einem neuen jungen Graugänferich herumflog. Wer er war, möchte ich heute noch gern wissen. Cr gehörte zu den dreizehn. Meine Kamera hat Bilder von ihm erhascht, wie er mit der Angebeteten herumflog: später sogar mit ihren Kindern. Aber niemals gelang es meinem Feldgkas, feine Ringnummer herauszufinden. Er war nämlich scheuer als all die anderen und wollte nicht gern nach dem Futterplatz in der Bucht kommen. Er hatte allen Grund dazu. Denn am Ufer ging der fast zweimal fo schwere Kanadngänserid) wütend hin und her und gab mit Gebärden und Geräuschen zu verstehen. daß er jeden Nebenbuhler kurz und klein machen würde. Sobald die umworbene Schöne aus der Bucht herausflog, kam ihr Bewunderer herangeschossen und flog mit ihr zu den Inseln* um zu grasen. Dann stand der stolze Kaimdier verlassen mit sehn- süchtig gestrecktem Hals am Ufer und schaute den beiden nach Immer wieder machte er einen verzweifelten Versuch, sich mit seinen ändert- halb Flügeln vom Wasser zu erheben. Im war, wie fast allen solchen fremden Wasservögeln, vom Fang her die eine Flügelspitze abgeschnitten. Und als er es wieder und wieder vergebens versuchte und schließlich machtlos auf den Wellen lag und nach den Inseln draußen schaute, drang aus seiner Kehle ein Ruf von Wut und Schmerz zugleich, ein Ruf aus einem Herzen, das sich mit den anderen dorthin wünschte und nicht zu fassen vermochte, weshalb feine von Geburt so starken Flügel ihn nicht dahintrugen. Es ist keine Sentimentalität und keine„Vermenichlichung" nötig, am mit der armen Seele zu fühlen, deren Ruf da erscholl. Fast wäre in mir manchmal die Versuchung übermächtig ge- worden, diesen feinen Kerl aus der Bucht für immer herauszulassen. hätten mich nicht die breiten dunklen Flügel des herumstreichenden Seeadlers über den Schären draußen daran erinnert, daß die Freiheit für meinen stolzen Gänserich nur den baldigen Tod in den Adlcrfängen bedeutet«. Und vielleicht wäre er doch frei geworden. hätte nicht meine„dumme kleine Gans" innerhilb der Budst ihr erstes Nest gebaut. Sie erzählte es selbst, als ich früh morgens an der Budft entlang wanderte. Einen halben Steinwurf vom Strande liegt da eine kleine Schäre, nur zehn Schritte lang. Vor dieser Schäre lag der kanadische Gänserich mit hochgerecktem Hals und hielt Umschau. Wo war sie denn? Da sie nirgendwo zu sehen war, rief ich den alten gewohnten Zuruf über di« Bucht hinaus: „Goose, kleine Eoofe, komm." Dann erhob sich ein Gänsehals aus dem niedrigen Tannenreisig. Sie war es. Aber keine Antwort folgte. Sie schaute mich nur stetig an, und jetzt, ihr Schnabel bewegte sich doch. Was tat sie? Sie gackerte mich mißtrauisch an, als hätte sie jemanden vor meiner Anwesenheit warnen wollen. Das war genug. Ohne ein weiteres Wort ging id) davon. Als sie aber eine Weile später laut schreiend mit ihren, jungen Ganser nach den Inseln hinausflog, zog ich schnell meine langen Wasser-
Er gackerte sie entzückt an und begleitete sie sorgsällig zurück. Nur nicht bis zum Nest. Denn da hielt der kanadische Riese Wache. Allmählid) wurden meine Gedanken damft vertraut, daß es so sein müßte. Es wäre ja auch ganz gegen di« Natur, mit diesem großen Fremden Mischlinge zu erzeugen,. wenn sie doch einen Dater des eigenen Stammes wählen konnte. In der Bucht war sie aber auf- gewachsen. Dort getraute sie sich am ehesten, ihre Brut zu verberge,', und der große Gänserich durfte sich ruhig als Hüter stolz und glück- lich fühlen. Das tat er auch, als eines sonnigen Morgens im Juni die kleine Gänsemutter nad) allen Seiten gackernd ihre neun Sprößlinge in die Bucht und ins Wasser zugleich hinausführte. Neun waren es. Deshalb hatte es also vom ersten Ei bis zum Brüten so lange gedauert. Neun neue Kinder in der Familie. Der kanadische 'Riefe gebürdete sich für die Umgebung, wie ein kinderreicher Pasch.: es tun soll, und erzählte laut rufend allen in der Bucht di« Neuig- keit, während er als letzter in der Reihe zum Futterplatz schwamm und genau darauf achtete, daß keiner sich zu nahe heranwagte. We waren wir beide stolz auf das Ereignis, er und ich. Nur ein wenig verschieden. Denn er hatte ja niemals edste Grougansjungen gesehen. Ich hatte es. Und— beim helligen Franziskus— ich konnte keinen Untersd)ied sehen. Mit einem Auge sdsteltc ich zu der nächsten Landspitze hinüber, wo der junge Graugairser immer aus seine Angebetete wartete. Da saß er aus einem Stein mit einer anderen Dame. Du Luder!— sagte ich laut— und ich wußte nicht mehr genau, wen ich damit meinte. Sleinobfi ohne Sieine Pflaumen, Aprikosen, Kirfchen usw. haben in der saftigen Frucht einen mandelartigen Samenkern, der von einer steinharten Schale umgeben und geschützt ist. Daher der Name Steinobst. Diese steinharte Schale, der Stein, stört beim Genuß der Früchte und bei ihrer Verarbeitung im Haushalt und in Fabriken. Seit Jahrhunderten schon strebt daher die Menschheit danach, Steinobst ohne Steii«:, nur mit dem weichen Samenkern, zu züchten. Erst in aller- neuester Zeit ist dieser Versuch geglückt. Oer geistvolle Pflanzen- muberer in Kalifornien , Luther Burbank . hat dos Ziel nach jähre- langer Mühe erreicht. Er erhieft aus Frankreich einen Ableger einer steinlosen Pflaume von einem sehr alten Baume. Warum der alte Baum keine Steine mehr bildete, konnte weder der Ab- sender noch Burbank erklären. Der Amerikaner züchtete also diese Varietät weiter, bis sie sich mit Sicherheit durch Samen fortpslanztc und veredelte die Eigenschaften der Frucht. Es wäre ihm aber wohl nicht möglid) gewesen, auch eine andere Pflaume stcinlos zu machen, da er den Schlüssel für das Rätsel nicht gefunden hatte. Nun weist Dr. Ernst Sehrwald im„Kosmos" nach, daß schon vor hundert Jahren in Deutschland den Gärtnern das Verfahren bekannt war, kernlose Kirschen und Pflaumen zu erzeugen, indem junge Bäumchen gespalten und ihres Markes beraubt wurden, dann wieder zu- 'ammengefügt, mit Baumwachs verklebt und umwunden wurden. Dr. Sehrwald hat auch selbst an alten hohlen Pflaumenbäumen festgestellt, daß die Steine in den F Nichten immer mehr ver- kümmerten. Ob die hier versuchte Erklärung etwas für sich hat, wird sich nur durch zahlreiche Beobachtungen an Hahlen Steinobst- bäumen entscheiden lassen. Vielleicht regt diese Mitteilung ober auch praktische Obstzüdfter und Nattirfreund« an, durch Versuche die Frage zu lösen.