1930
Der Abend
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Nr. 540
B 269 47. Jahrgang
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Warschau , 17. November.( Eigenbericht.)
Die Sejmwahl in Polen stand vollkommen unter dem Zeichen stärksten Terrors der Polizei und der Behörden. Agitation und sogar Stimmzettelverteilung der Oppo. sttion, vor allem des Linksblocks, waren fast vollkommen unterbunden, da die Polizei oder bewaffnete Beamte in jedem Falle mit Gewalt gegen die Oppositionsanhänger vorgingen. Dagegen entwickelte der Regierungsblock ungeniert eine Riesenpropaganda.
In Warschau sind bis jetzt zwei Tote und über 60 Ver. beste gemeldet worden. In Posen zerstreute berittene Bolizei eine Kundgebung der Nationaldemokraten, wobei es Verletzte gab. Jn Biala in Schlesien nahm die Polizei in den Lokalen der Sozialisten Haussuchungen vor, be schlagnahmte Flugzettel und verhaftete einige Personen.
In Lodz demolierten mehrere hundert Mann starke Banden sozialistische Parteilokale. 30 Personen wurden zum Teil schwer verlett. In einigen Wahlbezirken tour Sen die oppositionellen Wahlausschußmitglieder verhaftet. Anschließend wurde das Wahlresultat bekanntgegeben, das bei angeblich 100prozentiger Wahlbeteiligung lauter Regierungsstimmen aufwies.
Ergebnisse aus Westpolen.
Bon den insgesamt 64 Wahlkreisen sind die Ergebnisse aus zwölf Wahlkreisen bekannt, die Warschau , Bosen und Oberschlesien umfassen. In diesen Gebieten erhielt der Regierungsblod 25( bei der lezten Wahl 15) Mandate. In der Hauptstadt Warschau hat von den 14 Mandaten der Regierungsblod 8(+2), die Nationaliemotraten 3(-1), die Juden 2( wie bisher), die Kommunisten 1 (-1) erhalten. Die Sozialisten haben ihr einziges Mandat verloren.
Wahlfreis Königshütte: Sanacja 2 Mandate( wie bis
Die Gemeindewahlen
Hakenkreuzwelle noch nicht abgeebbt
Mannheim , 17. November.( Eigenbericht.) Die Wahlen zu den badischen Gemeindeparlamenten sind überall ruhig verlaufen. Die Wahlbeteiligung betrug zwischen 50 und 60 Prozent, das sind 20 Prozent weniger als bei den Reichstagswahlen am 14. September.
Im Vergleich zu den letzten Gemeindewahlen im Jahre 1926 hat die Sozialdemokratie vielfach be trächtliche Zunahme an Stimmen zu verzeichnen, während fie im Vergleich zu den Reichstagswahlen ebenso wie fast alle anderen Parteien teils größere, teils ge. ringere Verluste buchen muß. Auch die National sozialisten nehmen an dem allgemeinen Stimmen rückgang teil, jedoch in schwächerem Maße. Jus. gesamt lassen die Ergebnisse der Gemeindewahlen eine rückläufige Bewegung bei den Nationalsozialisten nicht erkennen. Das Zentrum hat sich verhältnismäßig gut gehalten. Bei der Deutschen Volkspartei und der Staatspartei nimmt der Zersehungsprozeß, wie das Ergebnis
der Wahlen zeigt, munter feinen Fortgang. Die Kom munisten haben ebenfalls Verluste erlitten.
Schwerin , 17. November.( Eigenbericht.) Am Sonntag wurden in beiden Mecklenburg die Kommunalparlamente nen gewählt. Die Wahlen sind ohne Störungen verlaufen. Ihr Ergebnis wird im Vergleich zu den letzten Reichstagswahlen gekennzeichnet durch einen weiteren Aufstieg der National. ipsialisten, die durchschnittlich 20 bis 25 Prozent zugenommen haben, und einer katastrophalen Niederlage der Deutschnationalen und der Deutschen Volkspartei. Soweit die Deutschnationalen und Volksparteiler nicht auf einer sogenannten Einheitsliste zusammenmarschierten, fehren sie fast überall nur noch als Splitter in die neuen Stadtparlamente zurück.
Verluste hat auch die Sozialdemokratie erlitten, und zwar sowohl im Vergleich zu den Reichstagswahlen als auch zu den letzten Gemeindewahlen im Jahre 1927. ( Einzelergebnisse siehe zweite Seite.)
Die Affordarbeiter vergessen
her): Deutscher Wahlblod 1 Mandat; Korfanty Bartei 2 Mandate Ist der Metallschiedsspruch rechtskräftig?- Der DMV. behält sich Rechtsweg vor
(-1): Kommunisten und Sozialisten fein Mandat.
Wahlkreis Katto wig: Sanacja 2 Mandate( wie bisher); Deutscher Wahlblod 1 Mandat(-1); Korfanty - Partei 2 Mandate (+1); Sozialisten und Kommunisten fein Mandat.
Bahltrais Bieliz- Pleß: Sanacja 2 Mandate(-1); Deutscher Wahlblod 1 Mandat(-1); Korfanty - Parte: 3 Mandate (+2): Sozialisten 1 Mandat( wie bisher).
Brutalfter Terror hat den Deutschen in Ostoberschlesien wie in Bomerellen Stimmen und Mandate geraubt; er fonnte aber nicht verhindern, daß die polnischen Wähler dem Pilsudski- Block Sanacja" eine schwere Niederlage und dem schwerkrant in BrestLitomst eingeferkerten Korfanty einen Triumph bereiteten.
wo die verhafteten Abgeordneten im Gefängnis sigen und wo der Terror besonders groß war, hat die Regierungspartei 71 329 Stimmen erhalten, die nächststärkste Partei, nämlich die Jüdische Minderheitspartei, nur 1831.
Die Mehrheit ergaunert.
Die Regierungsliste hat 240 von 444 Mandaten erobert", also die einfache Mehrheit, die aber zu einer Berfassungsänderung nicht genügt. Die Nationaldemokraten haben bis jetzt 50 Mandate, drei mehr als bisher.
80 Mandate zugefallen
-
Den im Zentrolem vereinigten fünf Parteien sind nur 84 Mandate weniger! Der Rest von Mandaten entfällt auf die Minderheiten und auf die Kommunisten. Bis jetzt sind die Weißruffen und Utrainer noch ohne Mandat; man dürfte ihnen aber schandenhalber einige Mandate zubilligen".
Die Deutschen haben bisher in den Wahlkreisen Bromberg . Samter, Königshütte, Kattowiz und Teschen 5 gegenüber 9 ManDaten erzielt. Im Wahlkreis Dirschau ging das deutsche Mandat verloren, ebenso in Gnesen . In Graudenz war die deutsche Liste für ungültig erklärt morben!
In dem Schiedsspruch für die Berliner Metallindustrie, der von den drei Schiedsrichtern Dr. Brauns, Dr. Jarres und Profeffor Sinzheimer gefällt wurde, heißt es bezüglich der Löhne:
„ Die bisherigen Tarifmindefilöhne werden vom 17. November Die bisherigen Tarifmindefsilöhne werden vom 17. November 1930 bis einschließlich 18. Januar 1931 in allen Gruppen um 3 Proz. gekürzt.
Mit Wirkung vom 19. Januar 1931 vermindern sich die bis zum 16. November 1930 geltenden Tarifmindefflöhne um weitere 3 Proz. für männliche und weibliche Jugendliche unter 18 Jahren und um weitere 5 Proz. für alle übrigen Gruppen.
Es fiel im Deutschen Metallarbeiterverband sofort auf, daß in diesem Schiedsspruch die Affordfäße nicht erwähnt sind. Nach den übereinstimmenden Gutachten aller Rechtskundigen in dieser Frage würde der Schiedsspruch nur anwendbar sein auf die im 3eitlohn beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen des BBMJ.
Der Borstand des Deutschen Metallarbeiterverbandes hat deshalb beschlossen, den Obleuten der BBM3.- Betriebe die Frage zu stellen, ob fie der Ansicht sind, daß auf Grund dieses Schiedsspruches der Metallarbeiterverband den Rechtsweg beschreifen soll. Die Bersammlung der Obleute am Sonnabend hat diesem Vorschlag des Vorstandes des Berliner Metallarbeiterverbandes zugestimmt. Es wurde daher beschlossen,
neue Vereinbarungen über die Festsetzung der Affordpreise nicht anzuerkennen, um dem Deutschen Metallarbeiterverband den Rechtsweg offenzuhalten.
Autoritäten auf dem Gebiete des Schlichtungswesens wie des Es muß auf den ersten Blid überraschen, daß anerkannte Arbeitsrechts überhaupt, mie Dr. Brauns und Profeffor Sinzheimer, einfach übersehen haben, daß
75 Proz. der Berliner Metallarbeiter und-arbeiterinnen im Afford beschäftigt
Schlichter von der Tatsache ausgingen, daß die Akkordlöhne schon ohnedies ganz erheblich abgebaut worden sind, dieser neue Lohnabbau die Attordarbeiter also nicht treffen darf. steht mit den sonstigen Aeußerungen der Schlichter. Man muß also Das ist jedoch eine Annahme, die nicht in Uebereinstimmung zu der Schlußfolgerung fommen, daß die Schlichter einfach vergessen haben, die Akkordarbeiter in ihrem Schiedsspruch zu erwähnen.
Vertrauen zur Organisation.
Die Kritit aus den Betrieben.
Am Sonntagvormittag waren etwa 2000 Funktionäre aus den Betrieben des VBMI. im Saalbau Friedrichshain verjammelt, um zu dem Abschluß der Lohnbewegung in der Berliner Metallindustrie Stellung zu nehmen. Es war vorauszusehen, daß in dieser Konferenz manches scharfe Wort der Kritik nicht nur über den Schiedsspruch fallen wird, sondern auch über die Beendigung dieser Bewegung. Denn allen organisierten Berliner Metallarbeitern ist klar, daß
die Opfer dieses großen Abwehrkampfes leider fast umsonst gebracht
wurden. Was die KPD . und ihre RGO. jedoch von der Konferenz erhofften, nämlich, daß sie die Organisation in Grund und Boden verdammen würde, ist natürlich nicht eingetreten, weil die zum Teil jahrzehntelang organisierten Funktionäre aus eigener Erfahrung nur zu gut wissen, daß auch in der Vergangenheit nicht jeder Kampf zum Erfolg führte und die Gewertschaftsbewegung trog mancher Niederlagen unaufhaltsam an Boden gewann.
Genosse Toft vom Hauptporstand des Deutschen Metallarbeiterverbandes schilderte noch einmal die einzelnen Phasen dieses Rampfes und legte besonders eingehend dar, warum die Unterhändler der Streitenden die Vereinbarung getroffen haben, fich einem bindenden Schiedsspruch zu unterwerfen.
Den Gewerkschaftsvertretern blieb nur die Wahl zwischen find. Man fönnte allerdings zu der Ansicht neigen, daß die der Berbindlichkeitserklärung des Lohnabbauschieds