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Morgenausgabe

Pir. 547

A 275

47.Jahrgang

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Vorwärts

Berliner Bolksblatt

Sonnabend 22. November 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

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Bentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands

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Pariser Skandal wird untersucht. Das Wahlergebnis in Baden .

Untersuchungsausschuß einmütig beschloffen.- Boller Rückzug Tardieus.

Paris , 21. November.( Eigenbericht.)

mit 585 gegen 10 Stimmen hat die Kammer heute die Ein­fehung einer parlamentarischen Untersuchungsfommission von 33 Mitgliedern beschloffen, die nicht nur den Duftric­Standal, sondern auch alle ähnlichen Standale seit Kriegsende auftlären soll. Die Regierung Tardicu hat sich also zu einem völligen Rückzug entschlichen müssen, indem sie die Untersuchung zugab. Allerdings hat sie als Gegenleistung für die Demütigung durchgesetzt, daß die Untersuchung ins Uferlofe ausgedehnt wird und nach Möglichkeit mit einer Bertuschung enden soll.

der Regierung in der Kammer fäßen, in Rußland längst er fchoffen worden wären.

Der Ministerpräsident Tardieu, der durch die wiederholten persönlichen Angriffe aufs äußerste gereizt war, versuchte in Pro. votationen sein Heil Er erflärte, er wolle genau wie die Antrag steller der Linksparteien die volle. Aufklärung des Duftric- Standals, doch ist es nicht nur dieser Standal allein. Er fordere volle Klarheit über alle dunklen Affären, angefangen von den Kriegsgeschäften über die Wahlbestechungen von 1924 bis zum heutigen Tage. Man werde dann sehen, wer dabei am besten fahren werde und wer am

meisten von der Untersuchung zu befürchten habe, die Mehrheit oder

die Opposition.

Die Debatte, die diesem Einstimmigkeitsentschluß der Kammer voranging, war eigentlich nichts anderes als ein stundenlanges Waschen schmutziger Wäsche. Wiederholt kam es zu Skandal. zenen. Der erste davon brach in dem Augenblick aus, als auf einen anonymen Zwischenruf von rechts der sozialistische Abgeord nete Renaudel an die nahen Beziehungen Tardieus zu der be- pellationsdebatte rüchtigten Kolonialgesellschaft Ngogo Sangha erinnerte. Den Höhe punft jedoch erreichte der Tumult, als der radikale Bartelführer Daladier in äußerst wirksamer Rede erklärte, kein Bertuschungs­versuch könne die volle Aufklärung des Duftric- Standals verhindern. An der Börse erzähle man sich offen, daß nicht weniger als

32 Parlamentarier dabei aufs schwerste tompromiffiert seien, und daß von diesen kompromittierten Persönlichkeiten jogar mehrere als Minister in der Regierung fäßen. Nicht minder scharfen Widerspruch rief der fommunistische Abgeord rete Doriot hervor. Er beschränkte sich darauf, die Korruption der kapitalistischen Regierung Tardieu zu brandmarken und zu er flären, daß alle diese dunklen Spetulanten, die auf den Bänken

Die Untersuchungskommission wird am nächsten Dienstag von der Kammer gebildet werden und soll sofort beginnen. pellationsdebatte über die Mißwirtschaft im französischen Flieger­Der Debatte über den Oustric- Krach war der Beginn der Inter mesen vorangegangen. Auch hier tamen die tollsten Storruptions gefchäfte zutage. So wußte der Abg. Boueffe zu berichten, daß ein Offizier der Fliegerwaffe von einem Industriellen 400 000 Franken Bestechungsgelder erhalten habe.

Sozialisten gegen Munitions- Milliarden.

Paris , 21. November.( Eigenbericht.)

Die sozialistische Kammerfraktion hat am Freitag beschlossen, bei der Abstimmung über die Genehmigung eines Ausnahmetredits von einer Milliarde für die Auffüllung der Munitions- und Heeres bestände gegen die Regierung zu stimmen. Die Ab. geordneten Renaudel und Baul Faure wurden beauftragt, den Standpunkt der Fraktion in der Debatte zur Geltung zu bringen.

Faschistengeld für Heimwehr .

Major Pabst als Vermittler.

Innsbruck , 21. November.

Die sozialdemokratische Volks- Zeitung" veröffent licht seit einigen Tagen Enthüllungen gegen den Major Pabst. Das Blatt bezieht sich dabei auf angebliche In­formationen aus der Landesleitung der Tiroler Heimwehr. Es behauptet, Pabst habe namhafte Be­träge aus Italien mitgebracht, die die Faschisten ihm zur Verfügung gestellt hätten, und zwar durch Vermitt

für die Gemeindepolitik.

Von Gg. Reinbold- Mannheim ..

leberblidt man das Ergebnis der Gemeindewahlen, die am 16. November in Baden stattgefunden haben, so treten zunächst folgende Gesichtspunkte hervor: die Wahlbeteili= gung schmanft in den einzelnen Orten zwischen 40 und 85 Proz. Aus dieser großen Spanne ist auch zu ersehen, daß die Gemeindemahlen außerordentlich stark von rein örtlichen Verhältnissen beeinflußt find. Bemerkenswert ist ferner, daß von den größeren Parteien keine einzige Partei die Stimm­ziffern der Reichstagswahlen erreicht hat auch die National­sozialisten nicht. Zusammengefaßt ergibt sich folgendes Bild:

Das Zentrum, das in Baden die weitaus stärkste Partei ist, hat im allgemeinen seinen Besitzstand gehalten, ob wohl es nicht überall non Berlusten verschont geblieben ist.

Die Sozialdemokratie fonnte sich nur schwer be= haupten. Ihren Geminnen in fleineren Orten stehen durchweg, und größten Städten gegenüber. Sie find aber nicht derartig, allerdings geringere, Berluste an Mandaten in den großen daß von einer bedeutenden Schwächung der Partei in den Gemeinde- oder Stadträten gesprochen werden könnte.

Die Deutsch nationalen wurden bis zur Vernich­tung geschlagen, teilweise haben sie mehr als zwei Drittel ihres Besitzſtandes eingebüßt. Besonders starke Verluste haben auch die Deutsche Boltspartei und die Demo= fraten erlitten, die fast durchweg die Hälfte bis zu zwei Dritteln ihres Befizstandes an Stimmen und an Mandaten verloren haben. Auch die Wirtschaftspartei fonnte sich nur schlecht behaupten und verbucht fast allerortss Berlufte. Es ergibt sich das Bild, daß der Liberalismus und der Konser­vatismus beinahe bis zur Bedeutungslosigkeit herabgedrückt worden find. Den Nugen aus diesem Zusammenbruch der bürgerlichen Weltanschauungsparteien haben die National­sozialisten, gezogen. Sie waren bisher auf den Rat häusern fast nicht vertreten nun haben sie teilweise außer­ordentliche Erfolge erzielt. Diese Erfolge gingen aber fast nirgends auf Kosten der sogenannten marristischen Parteien, sondern immer auf Kosten des Bürgertums. Dies wird auch unumwunden von der bürgerlichen Presse selbst anerkannt.

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Die Kommunisten haben an einzelnen Orten Erfolge zu verzeichnen. Ueber das ganze Land gesehen ist jedoch für fie das Wahlergebnis schlecht. Dies geben die Kommunisten

eines antimarristischen Kurses widerspreche also der Entscheidung ebenfalls unumwunden zu, sie schreiben in ihrem Landes­des Volkes.

Stalin auf Bajonetten.

Worofchilow steht hinter ihm.

Wie aus Moskau gemeldet

Kowno , 21. November.

organ, daß das Wahlergebnis für sie unbefriedigend" sei. Einen Achtungserfolg tonnte sich noch der Evangelische Volksdienst erringen.

Busammengefaßt ergibt sich, daß auch die Kommunal­vertretungen in Baden sowohl nach links als auch nach rechts radikalisiert worden sind, und noch die weitere Tat­fache, daß in fast in allen Städten sozialistische Mehrheiten porhanden wären, menn ja menn man die Nationalsozia­

lung des neuen Generalsekretärs Giuriati. Diese Beschilow am Freitag dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei. liften als Sozialisten ansprechen fönnte!

träge seien zum Teil in Schweizer Geldinstituten hinterlegt. Das Blatt erklärt weiter, Starhemberg habe gefordert, daß diese Geldbeträge der Bundes. führung übergeben würden, doch hätten Pabst und Steidle das abgelehnt. Diese Mitteilung hat leb­haftes Aufsehen erregt. Nicht zuletzt soll die Absage bes Tiroler Bauernbundes an Pabst und der Ausschluß Steibles aus dem Bauernbund auf die Mel­bungen von finanzieller Hilfe des Faschismus zurück. zuführen sein.

=

Schober: Block gegen Baugoin. Chriftlich- Soziale sprechen ihm Bertrauen aus. Wien , 21. November.( Eigenbericht.) Am Freitagvormittag fanden zwischen Bertretern der christ lich sozialen Frattion und des Schober Blods Be­sprechungen statt, in denen die Vertreter des Schober- Blocks erklärten, daß die Regierung Baugoin nicht als verfassungsmäßige Regierung angesehen werden könnte, da sie sich nicht dem Nationalrat vorgestellt habe. Mittags tagte dann die christlich­soziale Frattion, über deren Berlauf eine offizielle Berlautbarung ausgegeben wird, daß volle Einmütigkeit zutage trat und volles Bertranen zur Regierung, insbesondere zu ihrem Chef. Noch im Laufe des Abends begaben sich die Vertreter der Christlich­Sozialen zum Bundespräsidenten , um ihm über das Ergebnis der Besprechungen Mitteilung zu machen.

Ueber die Stellung der Sozialdemokraten schreibt die Arbeiterzeitung in ihrem Leitartikel u. a., daß jede Einbeziehung des Heimatblocks in die Regierungskoalition der flaren Entscheidung des Volkes widerspreche. Die Entscheidung des Bolles habe die Sozialdemokraten zur stärksten Partei gemacht. Die Sozial­demokraten strebten nicht nach Ministerstellen, aber sie haben nach der Entscheidung des Voltes Anspruch auf volle Gleich berechtigung und Mitbestimmung. Die Fortführung

Stalin , Bericht über die politische Lage in der russischen Armee und Marine erstattet. Woroschilow betonte, daß die rote Wehrmacht hinter der Parteileitung stehe.

Wo ist das?

Zufpigung des Klaffenfampfes.

Wir lesen folgendes: Bei Einschätzung der allgemeinen Lage des gegenwärtigen Momentes als Ganzes ist es notwendig, die wachsende 3u spigung des Klaffentampfes sowohl innerhalb der Sowjetunion als auch im Weltmaßstabe festzustellen. Die aufgedeckten fonterrevolutionären Schädlingsbanden, denen gegenüber die unbarmherzige Abrechnung mit dem Schwert der proletarischen Diftatur notwendig ist, beweisen anschaulich den Grad der Zuspigung des Klaffentampfes im Lande. So lautet der 9. Bunft der Bucharinschen Untermerfungs­erklärung, durch die er sich die vorläufige Duldung Stalins erfauft hat. Zuspigung der Klassenfämpfe hat. Zuspigung der Klassenfämpfe in einem Lande, das angeb lich feit zwölf Jahren die Diftatur der Arbeiterklasse verwirklicht? Wie reimt sich das?

Genfung der Kohlenpreise.

Mehr als 6 Proz. von der ausländischen Kohlenkonkurrenz

erzwungen.

Das Rheinisch- Westfälische Kohlensyndikat hat gestern die Senkung der Kohlenpreise zum 1. Dezember be­schlossen. Der Beschluß ist insofern eine Ueberraschung, als für die wichtigsten Kohlensorten die Preisermäßi­gung über die vom Reichskanzler Brüning angekündigten 6 Proz. hinausgeht. Bei der Fettförderkohle tritt eine Ermäßigung um 1,50 M. je Tonne ein, berechnet auf die im Inland geltenden Preise. Das entspricht einer Ver­billigung um etwa 9 Proz.

Gesichtswinkel des Reichstagswahlergebnisses be­Das Wahlergebnis in Baden wird nun stark unter dem urteilt. Der richtige Maßstab mird dabei allerdings nicht an­gewandt. Man hat mit Recht in den einzelnen Ländern die Zusammenlegung von Land- und Reichstagswahl mit der Begründung abgelehnt, daß man ein flares Urteil darüber haben wolle, wie sich die Wählerschaft zur Landespolitif stelle. Diese Einstellung sollte auch für die Kommunal­mahlen gelten.

Würde man aber an das Ergebnis der diesjährigen Ge meindewahlen den Maßstab vom Jahre 1926 anlegen, dann ergäbe sich zunächst ein Sieg für die Nationalsozialisten, eine Stimmenſteigerung bei dem Zentrum, den Sozialdemokraten und Kommunisten und ebenfalls starke Verluste bei den Deutschnationalen und den liberalen Parteien. Gemessen an den Gemeindewahlen im Jahre 1926 hat die Sozialdemo= fratie überall bedeutend an Stimmen gewonnen. Dafür fol= gende Darstellung. Es bekam die Sozialdemokratie an Stimmen:

Mannheim . Karlsruhe

Heidelberg .

Gemeindewahlen 1926 21 422

Gemeindewahlen 1930

Zunahme

28-838

9416

0

10 772

12 719

1947

5728

7.216

1488

Pforzheim .

5941

7101

1160

Freiburg .

5 092

7.959

2867

Konstanz

1763

1972

209

Durlach .

2 029

2428

399

Baden- Baden

1464

2259

795

Aehnlich liegen die Ergebnisse in allen anderen Drten. Bemerkensmert ist ganz besonders der Wahlerfolg in Mann­ heim . Er ist um so auffallender, weil die Partei in Mann­ heim die volle Verantwortung für die Gesamtpolitik zu tragen hatte, da sie den Oberbürgermeister und Stärke im Stadtrat die verantwortungsvolle Entscheidung je­weiten Bürgermeister stellt und infolge dieser weils zu treffen hatte. Den prozentualen Stimmen­anteil fonnte die Partei in Mannheim selbst gegenüber Dem Reichstagswahlergebnis steigern. Er beträgt auf die