Andreas Nagy:
Die Marienkäferchen
( Schlußz)
Mit hervorquellenden Augen starrte ich hinein und sah, Höllenqualen erduldend, wie weißgefleidete Kellner zwischen elfenbeinfarbenen Bänden fleine vernickelte Wägelchen vor sich her schoben, auf denen Schüsseln mit gebratenen Rapaunen und Lachsmayonnaisen aufgetischt waren. Es wäre weiter fein Wunder gewesen, wenn ich bei dem Anblick in diesem Zustande den Verstand verloren hätte. Im nächsten Augenblic glaubte ich mirklich, verrückt gemorden zu sein. Stellt euch vor, während meine gierigen Blicke die Fahrt des Kapauns verfolgten, sah ich den Redakteur vor einem der Tische sitzen. In blühender Gesundheit saß er dort mit einer weißen Serviette im Kragen und legte gerade ein großes Stück Rapaun auf seinen Teller. Wahrhaftig, er sah weder wie ein Toter noch wie ein Geist aus. Natürlich hätte ich meinen flimmernden Augen allein nicht getraut, aber auch er bemerkte mich und winkte mir freundlich zu, hereinzukommen. Ist stürzte mit solcher Freude hinein, daß ich in einem großen Kristallspiegel fajt mit mir selbst zusammenstieß. Der Redakteur empfing mich freundlich, aber ungezwungen, ohne die geringste Verlegenheit. Mit feinem Worte versuchte er mir seine wunderbare Auferstehung zu erklären. Er bat mich, Platz zu nehmen und sagte höflich:
" Ich hoffe, du haft noch nicht diniert?"
,, Weder heute noch gestern. Seit du gestorben bist, trauere ich noch in einemfort!"
,, Nun, dann bist du hier am rechten Platz! Ich muß bezeugen, daß die Küche hier ganz erträglich ist, es ist übrigens am besten, wenn du dich davon selbst überzeugt."
Er war wirklich ein nobler Gastgeber. Mit freundlichem Großmut sprach er mir zu, mich so recht hineinzuknien. Freilich hatte ich keine übertriebenen Hemmungen. Ich aß ein fürstliches Menu herunter, agefangen von den Artischockenböden bis zum Calvilleapfel, und nach dem Mokka bot er mir eine Havanna an. Glücklich lehnte ich mich zurück und sagte freundlich zwinkernd:
,, Na, du mußt ja ordentlich mit Gold bepackt sein!"
"
Der Redakteur erwiderte unvermindert freundlich: ,, Nicht einen roten Heller habe ich in der Tasche!" Der blumige Duft der Havanna blieb mir fast in der Kehle stecken, aber ich ermunterte mich noch matt, er scherze vermutlich nur. " Nana, Freundchen, ohne einen Sous fann man nicht so dinieren."
,, Wie blöde du bist! Ich lebe ja nur darum so gut, weil ich kein Geld habe. Wenn man nichts hat, ist es gleich, ob es sich um einen oder um hundert Franken handelt. Und wenn es schon mit der Rechnung Konflikte gibt, dann sind hier die Kellner immer noch angenehmer als in einer schmutzigen, kleinen Vorstadttaverne."
Gegen diese Logik war ja nichts einzuwenden, aber das großartige Menu drückte mich jetzt so im Magen, als hätte ich Kieselsteine diniert. Ich bin selbst ein abenteuerliebender Mensch und schäze sensationelle Begebenheiten, aber die Sensation, von einem Haustnecht auf die Straße befördert zu werden, mochte ich nie besonders. Den Redakteur rührte meine mitleiderregende Miene, und er sagte zum Trost:
,, Kümmere du dich um nichts, du gehst jetzt schön fort, das übrige werde ich erledigen."
Das war ein Wort nach meinem Herzen. Ich konnte meine Freude faum verbergen und fragte ihn teilnahmvoll:
,, Und was soll mit dir geschehen, alter Kumpan?" Mit überlegener Freundlichkeit erwiderte er: ,, Um mich brauchst du keine Angst zu haben. Wenn es zum 3ahlen tommt, sterbe ich somiefo."
Ich schnitt eine so idiotische Frage, daß er fröhlich auffachte. ,, Nun ja... Du erlebteft es doch gestern im Bois! Ich sterbe und dann fann mir nichts mehr passieren. Begreifft du denn nicht?"
Natürlich begriff ich nicht. Der Redakteur füllte zwei Gläschen mit schönem Chartreuse und stieß mit mir an.
„ Ich will es dir gleich erklären, aber zuerst trinken wir einen. Nach einem guten Diner gibt es fein angenehmeres Getränk als Chartreuse.... Also.. Ich erwähnte bereits, daß einer meiner Ahnen ein maurischer Fürst war. Er hatte einen hochgelehrten arabischen Leibarzt, und von diesem erbten wir eine wunderbare Pille, die er erfunden hat. Diese Bille wirkt so, daß man unverzüglich scheintot wird, wenn man eine davon schluckt. Einen Tag lang ist man ein so vollkommener Toter, daß es auf der ganzen Welt keinen Leichenbeschauer gibt, der einen für lebendig hielte.
Gerhart Herrmann Mostar:
Du sahst es ja gestern im Bois. Meiner Meinung nach ist dieses Wundermittel die allergrößte Wohltat. Denn, überlege es dir richtig: man tann sich zu den größten Tollkühnheiten entschließen, menn man daran denkt, daß man gleich danach sowieso stirbt, also alles egal ift. Auch du hattest sicherlich schon jene angenehme Art von Träumen, in denen dich allerlei schreckliche Gefahren umgaben. Du aber wußtest, daß alles nur ein Traum sei und fichertest still in deinen Bart. Wenn es dir zu bunt wurde, erwachtest du einfach. Dies könnten alle lebenden Menschen empfinden, wenn sie nicht durch ihre blöde Erziehung vom Gedanken des Todes entfremdet worden wären. Nun, diese Pille verschafft mir alle Vorteile des Todes, ohne daß ich wirklich sterben müßte. Und jetzt zum Beispiel habe ich gut gegessen, und wenn man mir dann die Rechnung vorlegt, werde ich statt zu zahlen einfach sterben. Sie selbst werden mich noch mit der Rettungsgesellschaft abtransportieren lassen, ich schlafe mich gut aus und dann sehe ich mein Leben wieder fort, wo ich damit aufhörte. Das ist doch großartig! Ich muß bemerken, daß der arabische Arzt diese Idee aller Annahme nach aus der Tierwelt plagiierte. Du selbst hast das ganze sicherlich schon oft erlebt, wenn du ein Marienkäferchen in die Hand nahmst. Plöhlich legte er sich auf den Rücken, streckte die Beine aus und du warsst ihn von selbst voll Abscheu fort, wie einen Leichnam. Dann aber spannte er seine Flügelchen aus und schwirrte davon wie der Bliz.. Das ist eine herrliche Erfindung, Freundchen."
Mein Kinn fiel herab vor Staunen. Aber dann fiel mir
etwas ein.
"
wird nicht geschickt; und Ontel Studio, meine Konkurrenz, nicht sich nie in Eheangelegenheiten seines Bruders und mischt sich auch hier nicht ein, sondern fäuft. Lena Hansen, die ebenfalls bettlägerig ist, möchte zwar den Arzt haben, aber der Bauer will sparen und turiert mit Hausmitteln. Nach zehn Tagen tommt, was zu erwarten war: das Kind hat Atemnot . Der Bauer heuchelt Ruhe und schickt nach mir. Ich bin nicht da; bin in einem Nachbardorf; es gibt genug solche Fälle. Wo es eins von vielen Kindern trifft, geht es ohne großes 3etern ab: das Land ist dem Tode gegenüber nicht sentimental; aber wo es um einen, nach zwanzig Jahren zitternder Erwartung wie durch ein Wunder bescherten Stammhalter eines uralten Geschlechts geht: da ist das anders. Als der Knecht zurückkehrt, ist der Atem des Kindes schon fast röchelnd, die Mutter schreit in hilfloser Verzweiflung; der Bauer befiehlt dem Knecht, anzuspannen, er soll ins Nachbardorf fahren und mich holen; im letzten Moment springt der Vater selbst mit auf den Bagen, um mich bestimmt zum sofortigen Mitkommen zu veranlassen; die Frau bleibt mit dem Kinde und einer Magd allein.
Was nun kommt, kann ich mir nur aus Erzählungen der Magd, der Bäuerin, des Hannes Hansen zusammenreimen. Er, Onkel Studio, kommt nach Hause, während sein Bruder mich holt. Er ist betrunken und unbeteiligt wie immer; heute vielleicht noch ein bißchen mehr als sonst. Am Tisch in der Diele schläft er wie gewöhnlich ein. Schreie aus dem Schlafzimmer wecken ihn nicht. Die Magd rüttelt ihn hoch. In ihrer Ratlosigkeit ist sie in die Diele gestürzt, hat ihn gefunden, zerrt. ihn an das Bett: das Kind ist schon blau auf den Backen, seine Augen quellen bläßlich aus dem gedunsenen Gesicht, die Geschwulft hat ihm bereits den Luftweg verschlossen. Die Mutter sieht den Schwager, eine letzte, sinnlose Hoffnung brennt in ihr hoch, strahlt in ihrem gestammelten Gay: „ Hannes, du bist doch auch sowas wie'n Doktor hilf doch!"
Und nun geschieht etwas Tolles, beinahe Unwirkliches, Un
,, Und was geschieht, wenn sie dich sezieren?" fragte ich ihn. Das Antlitz des Redakteurs erbleichte, seine schwarzen Augen beimliches. Da steht also ein versoffener Mensch, der schon fast das
sahen mich voll furchtbarem Entsetzen an und seine Stimme verwandelte sich plötzlich in leises Röcheln.
" Der Schlag soll dich treffen!" stotterte er. „ Aber weshalb? Was tat ich denn?".
" Der Teufel hat dich mir nur darum in den Weg geführt, damit du mich daran erinnerst?! Ich habe an diese Möglichkeit bisher noch nie gedacht.... Jetzt ist es also aus. aus für immer!"
...
Er sah mit bitterem Etel auf die Reste des großartigen Mahls nieder und wiederholte vor sich hinftarrend todernst: ,, Aus... jetzt ist es zu Ende!"
Ich erschrat bei dem Gedanken, daß jezt vermutlich die ganze Geschichte mit der Rechnung mir auf den Hals rückte. Wozu leugnen, es war häßliche Selbstsucht von mir, aber ich sagte bereits, daß ich gerade diese Art von Sensation nicht mehr schätze. Ich sprach ihm also zu, er möge noch dieses eine Mal ruhig sterben, ich würde draußen auf der Straße auf und ab schlendern und mich dann als sein Angehöriger melden. Und wer Angehörige hat, wird ja nicht jeziert.
Darin einigten wir uns, ich ging hinaus auf die Straße und wartete erregt auf das kommende. Zwischendurch frischte ich in meiner Erinnerung die fürstliche Mahlzeit auf und dachte gerührt an schwor mir zu, ewig treu neben ihm auszuharren. den edelmütigen Freund, dem ich das alles zu verdanken hatte. Ich
Aber der Mensch ist ein Spielball des Zufalls. Als ich dort mit geröteten Wangen und erfrischtem Blutkreislauf, mit allen neu er qualmenden Havanna machten Sehnsüchten des Lebens, einen stummel zwischen den Zähnen, stand, tam gerade Pauline vorbei, die füße, niedliche, fleine Bauline. Sie war eine Bolin, angebliche Gebrauchsgraphiterin und pflegte in den Nächten die Bergnügungsstätten von Clychy zu durchschwärmen. Gie empfand gleich die suggestive Kraft des Wohllebens in mir und war noch nie so freundfich zu mir gemesen mie gerade jeßt. Sie sagte, fie ginge eben heim und fragte mich, ob ich denn keine Lust hätte, sie zu begleiten.
Ich will ja nichts sagen.... Es war eine Gemeinheit von mir. Aber mer sich schon in einer ähnlichen Lage befand, nach Mädchens mit lächelnden Augen, der wird vielleicht nach ein paar einem reichhaltigen Mahl, in Gesellschaft eines schlanken fleinen mildernden Momenten fuchen, ehe er den ersten Stein auf mich wirft.
Ich habe den Redakteur nie wiedergesehen.
( Hier endete milosch Lokitsch seine Erzählung. Einer der Anwesenden bemerkte:
,, Das mit den Billen glaube ich dir ohne weiteres, aber daß fich in ganz Paris ein hübsches junges Mädchen fand, die dich eingeladen hätte, sie heimzubringen, kannst du deiner Großmutter erzählen.") ( Ueberfest von Alexander von Sacher- Masoch.)
Hannes Hansen, der Kurpfuscher
-
" Sitzt sich doch gut hier auf unserem Balkon, wie? Es ist ja| trieb Onkel Studio allerdings noch etwas, was mich damals zu auch beinahe der einzige im ganzen Dorf bloß das Rittergut hat noch einen. Stört Sie etwa der Lärm aus dem Krug nebenan? Nicht? Na schön. Das ist natürlich nicht alle Tage so. Aber heute verfaufen unsere Bauern die Haut vom Onkel Studio. Seit die fortschreitende Zivilisation den ollen, ehrlichen Leichenschmaus als pietätlos beseitigt hat, ist man zum Leichentrunt übergegangen; der ist auch nicht pietätvoller, aber ausgiebiger. Uebrigens hat Ontel Studio die zehn Halbe auf sein jenseitiges Wohl verdient. Erstens hat er selbst so viel tonsumiert, und das täglich und zweitens ist er recht beliebt gewesen. Sogar bei mir war er so beliebt, ais es der Konkurrent bei seinem Gegner, der Kurpfuscher, beim Arzt nur sein tann. Allerdings hat er im letzten halben Jahr das Herum dottern eingestellt. Sie brauchen mich gar nicht zu bitten; ich erzähle gern, wie das tam.
-
Er hieß eigentlich Hannes Hansen und war der Bruder von Heinrich Hansen, und der ist der angesehenste Bauer im Dorf, wenn auch nicht der reichste. Onkel Studio nannte man ihn, weil er ma! studiert hatte, Medizin studiert, in Halle ; acht Semester sogar, glaube ich. Weshalb er plötzlich aufhörte mit dem Studium und in verblüffendem Tempo versumpfte, weiß ich nicht; im Dorfe sagt man, er hätte Lena Kleevoigt geliebt, und es hätte ihn umgeschmissen, daß sie ihm sein Bruder wegheiratete und zur Schwägerin gab, während er in Halle war. Ich selbst glaube das nicht mehr, seit ich die Ereignisse kenne, die sich vor einem halben Jahr abspielten; die Zusammenhänge, die sich ergeben würden, wären mir zu romanhaft. Auch wäre er wohl nicht ausgerechnet nach Hause getommen, an den Kochtopf derselben Frau, die er verloren hatte; aber er tam und blieb. Seine ärztlichen Instrumente wanderten in den Schrank und wurden mit mitteldeutscher Bauernzähigkeit sorg. fam aufbewahrt und nie benutzt; die studentischen Trinksitten hingegen pflegte er fleißig. Tag für Tag war er im Krug, jeine Partner wechselten, weil sie fich tot foffen oder sich befannen, aber Hannes blieb. Bei der Feldarbeit half er seinem Bruder fast nie; warum er ihn nicht hinauswarf, bleibt unklar. Außer Trunt und Kartenspiel
seinem Gegner machte: er dokterte herum. Heute sehe ich die Sache leichter und flarer an als damals; er hat wohl nur bei harmlosen Erkrankungen oder in sehr armen Häusern Arzneien und Salben angegeben, und auch das bestimmt nicht eines Berdienste wegen und noch weniger au Lust und Liebe zur Sache. Denn geistig war er vollkommen herunter. Jedem Gespräch über Medizin oder der gleichen ging er beinahe ängstlich aus dem Wege. Er fielte sich in Boten und Alltäglichkeiten. Mit den Jahren fam es so weit, daß er kaum noch die Karten halten fonnte. Abend für Abend fam er betrunken nach Hause; dann lärmte er übrigens nicht, war auch weder lustig noch rabiat, sondern einfach stur; oft tam er nicht bis in sein Bett, sondern blieb am großen Tisch in der Diele des Hansenschen Hauses sizen und schlief da.
Er behielt diese Angewohnheit auch bei, als Lena Hansen endlich, nach fast zwanzigjähriger Ehe, das heiß ersehnte Rind bekam. Es wurde, wie nicht anders zu erwarten, eine schmere Geburt, 3ange; das Kind, ein Junge, blieb schwächlich und tränkelte zwei Jahre so hin, die bisher kräftige Mutter tränkelte mit. Auf Onkel Studio schienen diese Ereignisse nicht den geringsten Eindruck zu machen; er trank ruhig weiter. Er hatte jetzt schon den Tatterich am ganzen Körper, und die von ihm Beratenen verlangten in der Apotheke oft die unfinnigsten Medizinen, weil er die lateinischen Namen nicht mehr richtig aussprechen und nur mit zittrigster Schrift schreiben konnte.
-
Wie das im Dorfleben und wohl im Leben überhaupt so ist: jahrzehntelang passiert nichts, gar nichts und plöglich drängt sich alles in wenige Tage zusammen. Jahrzehntelang habe ich eine viel zu ruhige Praris, die faum ihren Mann nährt und vor sechs Monaten kommt plötzlich die Diphtherieepidemie. Ich habe mit einemmal wie irrfinnig zu tun, rase mit meinem an so viel Arbeit und Tempo nicht gewöhnten Gaul umher, tomme oft zurecht und manchmal zu spät; denn die Bauern hier holen den Arzt ausschließlich zu Wettläufen mit dem Tode.
Delirium, der bestimmt schon den Tatterich hat, der vor zwanzig Jahren zum letzten Male einen Derationssaal gesehen hat. Dieser Mann sieht das erstidende Kind, hört die Frau und ist plötzlich nüchtern, vollständig nüchtern; hat plötzlich feste Hände, festen Grfff; ist plöglich zwanzig Jahre jünger. Eine Erinnerung verläßt die Tiefe seines Bewußtseins und wird Wissen, gegenwärtiges Wissen: die Erinnerung an die Tracheotomie, den Kehlkopfschnitt. Das ist eine früher bei Diphtherie in der höchsten Not viel angewandte Operation: in die Kehle wird an einer bestimmten Stelle, die nicht verfehlt werden darf, ein Einschnitt gemacht, der die Luftröhre öffnet; dahinein wird dann eine Kanüle geführt, durch die der Krante aimen kann.
Dieser eben noch betrunkene Mensch also geht aus der Kammer und an seinen Schrank, holt seine seit zwanzig Jahren vergessenen Instrumente heraus, wählt zielficher ein geeignetes Messer, findet auch eine Kanüle. Als er nach einer Minute wieder vor dem Bett steht mit dem Messer in der Hand, wirft sich die Magd ihm in den Arm: fie glaubt an Mord oder Unfug eines Trunkenen. Er schleudert das Mädchen mit einem Fauftschlag beiseite, der es ohn mächtig macht. Die Mutter betet zu ihm mit gefalteten Händen. Das Kind hat schon zu atmen aufgehört. Er stößt ihm das Messer in die Kehte, genau an der richtigen Stelle, er führt ohne eine Sefunde Zeitverlust die Kanüle ein, fein Tropfen Blut tann eindringen und das Werk gefährden die Luft stürmt in die Lungèn durch den neuen, silbernen Weg, das Kind beginnt wieder zu atmen, atmet tief und bald ruhiger und lebt.
-
Das alles hat drei Minuten gedauert.
Eine halbe Stunde später raft der Wagen des Bauern heran, in dem auch ich fizze. Ich finde das Kind operiert, einwandfrei operiert und mit Gewißheit gerettet, finde die Mutter meinend vor Glück und unfähig, flare Auskunft zu geben, und den Onkel Studio
schlafend! Jawohl, schlafend, vor ihm, liegt das Operations messer und schimmert silbern und friedlich. Ms ich ihn wede, ist er schon wieder nichts als ein Altoholifer, der zittert und seinen Rausch ausschlafen muß und glaubwürdig erklärt, sich an nichts zu erinnern, an gar nichts.
Woher dann ich die Borgänge in seinem Innern weiß, wollen Sie fragen? Das tommt jetzt und das ist eigentlich das Mertwürdigste. Denn drei Tage später erscheint in meiner Sprechstunde Onkel Studio. Nein, sagt er, er will mich nicht tonsultieren. Er will mir nur sagen, daß er mir nicht mehr ins Handwert pfuschen wird. Er bittet mich, rücksichtslos gegen ihn vorzugehen, wenn er sich verleiten lassen sollte. Jawohl, gerade weil das vor drei Tagen passiert ist, gerade darum hat er eingesehen, daß ein Säufer nicht Arzt spielen darf. Es ist gut gegangen, gewiß, aber er selbst weiß am besten, daß es ebensogut hätte schief gehen können denn er weiß, wie betrunken er war. Er fann sich das ganze nur durch die besondere Deutlichkeit der Erinnerung gerade an die Tracheotomie erklären. In jedem Fall war es teine Leistung, sondern eine Gnade ja, hm, eine Gnade. Und er empfiehlt sich, ohne meine Stellungnahme abzuwarten.
-
--
Und er hält sein Wort. Er läßt das Kurpfuschen, und er läßt sogar etwas anderes: das Trinken: Er geht in den Feldern spazieren, er macht sich sogar im Hofe nüßlich, aber er meidet den Krug. Und das bekommt ihm nicht; er erkrankt an Entziehungserscheinungen. Zusehends wird er dünner, kränker, todnäher. Es tommt so weit, daß ich ihn anspreche und ihm rate, doch täglich wenigstens etwas zu trinken. Er lächelt nur.
Als ich vorgestern seinen Tod feststellte, Herzschlag, lächelte er Die Geschichte mit dem Kehlkopfschnitt hat annoch immer so. scheinend seinem verpfuschten Leben einen allzu späten und allzu großen Sinn gegeben, und an der Wucht dieser Sinngebung ist er gestorben. Ich wenigstens erfläre es mir so....
Lange Augenwimpern als Zeichen von Krankheit? Durch Be obachtungen, die mehrere Jahre in englischen Kliniken angestellt morden sind, wurde festgestellt, daß die meisten Kinder, die lange Wimpern haben, schwächlich sind. Bei tuberkulösen Kindern werden die Wimpern zweimal jo lang als bei gefunden. Bei diesen wachsen die Wimpern im ersten Lebensjahre etwa um 3 Millimeter, während sie bei strofulösen Kindern die doppelte Länge erreichen. Bisher. ist es der Forschung noch nicht gelungen, eine hinreichende Erflärung dafür zu finden.
Das Wort Gulasch, das unserem Ohr so pitant wohlschmeckend flingt, stammt, als Nationalgericht der Ungarn , natürlich aus dem Ungarischen, schreibt sich eigentlich Culyas und war der Name eines ungarischen Kuhhirten, der auf diese Weise in der Küche aller Länder unsterblich geworden ist.
Die Flurverteilung in Rußland ist mitunter fo ungünstig, daß es Güter gibt, bei denen die Felder bis zu 70 Kilometer vom Bauernhause entfernt sind.
Arbeit" heißt althochdeutsch ,, arebeit", wörtlich überfekt: Mühjal, Not. Das lateinische labor heißt ebenfalls not, Mühe, Anstrengung.
In der Negerrepublik Liberia ( Afrika ) haben die Weißen keine politischen Rechte. Nur die Nachkommen der amerikanischen Rückwanderer find wahlberechtigt.
Das Gebiet des jetzigen New York wurde von einem deutschen Auswanderer von den indianischen Eingeborenen für 60 Gulden abgekauft.