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Morgenausgabe

Nr. 561

A 282

47.Jahrgang

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abortomadini

Vorwärts

Berliner Boltsblatt

Sonntag

30. November 1930

Groß- Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pf.

Die einfpaltige Ronpareiûezeile 80 Pfennig. Reflame eile 5,-- Reichs mart. Aleine Anzeigen das ettge druckte Wort 25 Pfennig( zulässig zmei fettgedruckte Borte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Bfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Worte. Arbeitsmarkt Seile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imHaupt­geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich von 8 bis 17 Uhr.

Bentralorgan der Sozialdemokratischen Bartei Deutschlands

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Deutsche Beschwerde überreicht. Von Brüning bis Bolle

Völkerbund gegen Polenterror angerufen.

Genf , 29. November.

Die Note der deutschen Reichsregierung über die in Tetter Zeit gegen die deutsche Minderheit in Polnisch­Oberschlesien verübten Gewalttaten ist heute von dem deutschen Generalkonsul Dr. Völkers dem Generalsekretär des Völkerbundes, Sir Eric Drummond , überreicht worden. Die offizielle Veröffentlichung der Note durch das Völkerbundssekretariat wird in einigen Tagen er­folgen.

Das Schriftstid besteht aus der eigentlichen Note, dem Material und Schlußfolgerungen. Die Note ist in deutschem Tert übergeben morden, das Bölferbundssekretariat wird fie in Französisch und Englisch übersetzen lassen. Die Veröffentlichung wird nicht vor Mitt­woch erfolgen, und zwar gleichzeitig in Berlin und Genf .

Das Beweismaterial.

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die Borfälle in Nikolai, Sorau , Oberwiltschen und Hohenbirten. Alen diesen Terroraften ist eigen gewesen, daß

die Polizisten immer in allernächster Nähe gestanden, zum Teil an den heimgesuchten Gebäuden und Häusern selbst, ohne ein­zugreifen.

Notverordnung- Lohnabbau

Milchpreis.

Der Reichstag tritt am 3. Dezember, 3 Uhr nachmittags, wieder zusammen. Auf der Tages. ordnung steht als erster Punkt die Beratung des Reichshaushaltplans für 1931. Das Reichskabinett wird heute über den Erlaß einer neuen Rotverordnung beraten. Sie soll zwei ver­schiedene Dinge in einem Rahmen umfassen: Verbesse= rungen der Notverordnung vom Juli und In­fraftsegung des vom Reichsrat verbesserten Finanz­

In der, deutschen Note nicht erwähnt ist die unendlich große Zahl von Fällen, in denen Drohbriefe an Deutsche perfandt wurden, zum Teil portofrei mit dem Stempel des. Aufständischenver- programms der Regierung. bandes. Die Note protestiert nicht nur im Namen des Rechtes, sondern auch der Menschlichkeit und bittet, der Völkerbund möge dafür Gorge tragen, daß die Minderheitenschutzbestimmungen auch durchgeführt werden.

Curtius fordert Minderheitenrecht.

Amsterdam , 29. November. Reichsaußenminister Dr. Curtius äußert sich in einem Artikel über die Außenpolitit des Deutschen Reiches, und zwar in der Zeit schrift Indische Post", auch über die Minderheitenfrage.

Die Anlage zur Beschwerdenote hat im wesentlichen folgenden. Darüber schreibt der Minister: Führt man eine Politik der Ber

Inhalt:

Große Teile der deutschen Minderheit sind durch willkürliche Maßnahmen von der Ausübung des Wahlrechts ausgeschlossen morden. In etwa 30 000 Fällen ist Angehörigen der deutschen Minderheit wegen angeblicher Unflarheit ihrer Staatsange hörigkeit die Ausübung des Wahlrechts untersagt worden. Zur Klärung darüber ist eine Frist von drei Tagen gelegt worden, um alle Unterlagen, die in den meisten Fällen als unzureichend erklärt wurden, beizubringen. Die polnische Propaganda für offene Abgabe der Stimmzettel hat die deutsche Minderheit start be­

hindert. Der

Erlaß des polnischen Innenminifters, demzufolge die offene

oder geheime Stimmenabgabe anheimgestellt murde, den Aufständischenverbänden die Einschüchterung der deut­ schen Minderheit erleichtert. Die deutsche Regierung hat bei ihrer Beschwerde in Rechnung gestellt, daß Wahlzeit eine anormale Zeit ist, und es den Behörden manchmal nicht möglich ist, zwed entsprechend gegen Ungejeklichkeiten vorzugehen. In Ostoberschlesien aber ist ein seit Jahren bestehender Plan durchgeführt worden, den die polnischen Behörden zum mindesten geduldet haben. Im Mittelpunkt hat der Aufständischenverband gestanden. Bezeichnend für das enge Zusammengehen des Aufständischenverbandes mit den amtlichen Stellen

ist die Tatsache, daß in Ostoberschlesien der Wojewode Bor sitzender dieses Verbandes ift! Bei den Terrorakten der Auf ständischen ist entweder überhaupt nicht eingegriffen worden oder zu spät. Es wird ferner auf die Aufständischenwoche vom 9. bis 26. Oftober hingewiesen, gegen die die deutsche Minderheit Beschwerde eingelegt hat, morauf aber zunächst eine Antwort nicht erteilt worden ist.

Die Note greift zehn besonders traffe Beispiele heraus, darunter

Nazi als Mordbuben.

3wei Kommunisten auf offener Straße niedergeschossen.

planen, 29. November.( Eigenbericht.)

In der vergangenen Nacht gegen 2 Uhr kam es auf der Hofer­Straße zwischen einer nationalsozialistischen Abteilung in Uniform und einer Abteilung Kommunisten zu einem Zusammenstoß. 3m Laufe der sich entwickelnden Auseinandersetzung 30g ein Sa.. mann einen Revolver und schoß einen kommu­niffen nieder, der mit einem schweren Bauchschuß liegen blieb. Darauf flohen die Nationalsozialisten, wurden aber von den Kommunisten verfolgt. Am Kontur- Hof zog der SA.- Mann abermals den Revolver und schoß einem kommunisten in die Brust. Die Kommunisten begaben sich darauf nach der Hauptwache und riefen polizeilichen Schuh herbei. Die Polizei ver­anlaßte den Abtrausport der beiden Schwerverletzten nach dem Krankenhaus und nahm die Ermittlungen nach den Mordbuben auf, ohne daß sie zunächst Erfolg gehabt hätte. Der 22 Jahre alte Ar­beiter Martin Hermann Groh ist inzwischen seinen Ver legungen erlegen. Der Zustand des 40 Jahre alten Schuh­machers Richard Karl Hummel ist bedenklich.

Kabinett Vaugoin erledigt.

Dr. Ender berufen.

Wien , 29. November.

Die Bundesregierung Baugoin' hat am heutigen Tage, an dem das Wahlverfahren endgültig abgeschlossen wurde und an dem die Berhandlungen zwischen der Regierung und den Parteien des Natio:

söhnung, dann muß man danach trachten, seinen fremd= Deutschland hat seinen Minderheiten anderer Nationalität große stämmigen Staatsbürgern Recht widerfahren zu lassen. Freiheiten auf kulturellem Gebiet gewährt. So ist es den Polen und Dänen auf Grund der preußischen Schußgefeße von 1928 möglich gemacht, ihre Stinder innerhalb der deutschen Reichsgrenzen nach den Traditionen ihres Boltes erziehen zu lassen. Die Mil­lionen Deutsche , die durch das Diktat von Versailles außerhalb der Reichsgrenzen wohnen ,. befinden sich zum großen, Teil nicht in diefer günstigen Lage. Es muß endlich den Deutschen in anderen Staaten in Uebereinstimmung mit den Berträgen das Recht zur Wahrung der eigenen Bolfsart garantiert werden.

Der Polizistenmord.

Katfowih, 29. November. daß die Ermordung des Balizeikommandanten Sznapta teineswegs Die weiteren Untersuchungen der Vorfälle in Golaffowitz ergeben, die polnischen Angriffe auf die Gesamtheit der deutschen Minderheit in Golajfowig rechtfertigt. Die der Tat dringend verdächtigen Ber­hafteten Stubla und Batut gehören zwar der deutschen Minder­heit an, sind aber sehr übel beleumdet. Ein Sohn des Kubla siẞt bereits seit mehreren Jahren wegen eines Mordes im Gefängnis; es hat den Anschein, als ob der verhaftete Kubla seinen Sohn durch die Erschlagung des Polizeikommandanten räch en mollte, auch soll zwischen den beiden Feindschaft bestanden haben. Wie die offiziöse polnische Morgenpresse hierzu berichtet, haben Kubla und Wutat eingestanden, daß sie sich während der Vorfälle in Golaffowitz im Gemeindehaus und somit auch von den anderen Männern ab­gesondert haben. Butat foll mit einem Knippel zugeschlagen haben, Rubla mit einem Küchenmesser, das er vorher im Gast hause mitgenommen hatte, auf Sznapfa eingestochen haben. Erst auf das Schreien, Stöhnen und Hilferufen seien die Männer vom Gemeindehaus an den Tatort gekommen und hätten Sznapfa in seinem Blute liegen gesehen.

nalrates über die Bildung einer Mehrheit zu feinem Ziele geführt haben, ihre De mission gegeben. Der Bundespräsident hat sie angenommen und die Minister mit der Fortführung der Geschäfte betraut. Bundespräsident Mikla hat den Landeshauptmann von Borarlberg Dr. Otto Ender ( chriftlich- sozial) eingeladen, Ver­handlungen wegen Bildung der neuen Bundesregierung ohne Verzug einzuleiten. Dr. Ender hat diese Aufgabe übernommen. Er trifft morgen vormittag in Wien ein und wird dem Bundespräsi denten nach Abschluß seiner Besprechung Bericht erstatten.

Die Steuern aus der Notverordnung werden inzwischen non Staatsfommissaren in den Gemeinden per­

ordnet. An die Stelle von Beschlüssen der Gemeindeparla­mente tritt die Unterschrift eines Regierungsbeauftragten. Die Zahl der Gemeinden, die Staatsfommissare porgesezt er­halten haben, wächst täglich. Die Reichshauptstadt hat zwei Staatskommissare erhalten mit dem Auftrag, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen.

Der Reichshauptstadt folgt das Reich nach: Herr Brüning wird als Staatskommissar für das Reich eine Verordnung über die Reichsfinanzen erlassen.

War diese Entwicklung unabwendbar? Es genügt, zwei Zahlen zu nennen, um diese Frage zu beantworten. Im Reichstag ſizen 107 Nationalsozialisten und 77 Kommunisten, zusammen 184 Abgeordnete, die für eine sachliche Mehrheitsbildung für notwendige Erfordernisse nicht in Betracht fommen. Sie perförpern das reine Pro­testlertum, das in einer scheintonftitutionellen Monarchie eine erzwungene Form der Opposition, in der Demokratie aber nur ein Hemmnis des Staatslebens ist. Soweit diese 184 Ab­geordnete ein politisches Ziel haben, ist es die 3 erstörung der Demokratie. Sie steuern auf den Faschismus los.

Bon den übrigen bürgerlichen Barteien. sind mehrere von sich darin, daß sie eine fachliche Mehrheitsbildung mit der der faschistischen Ansteckung ergriffen. Die Krankheit äußert Sozialdemokratie auf der Grundlage eines parlamentarischen Kompromisses ablehnen tarismus in diesem Reichstag bis zum Sturze des parlamen­-meil sie die Krise des Parlamen­tarischen Systems und zum Siege einer faschistischen Gegen­revolution vorwärtstreiben wollen. Die Ansteckung hat aber nicht alle bürgerlichen Parteien ergriffen, und so gibt es auch teine ausgesprochene faschistische Mehrheit in diesem Reichstag .

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So ist das Bild des parlamentarischen Schlachtfeldes. Auf diesem Kampfboden muß die Sozialdemokratische Partei manövrieren. Ihr nächstes Ziel ist immer dasselbe, mag es sich um die Beeinflussung eines parlamentarischen Mehrheits­beschlusses oder um die Beeinflussung von Gesetzen handeln, die die gegenwärtige Regierung durch eine Notverordnung zu erlassen gedenkt. Sie hat sachliche Arbeit im Interesse der Arbeiterschaft zu leisten, die bestehenden Gesetze zu verbessern, die kommenden in ihrem Sinne zu beeinflussen. Sie hat zu diesem Zwecke mit der Reichsregierung verhandelt. Es ist begreiflich, daß sie nicht alles erreicht hat, was sie für not­mendig hielt. Trotzdem ist anzunehmen, daß es der hart­nädigen Arbeit der Sozialdemokratie gelungen ist, die Re­gierung davon zu überzeugen, daß ohne eine weit gehende Abänderung der alten Notverord nung auf eine Berständigung mit der Sozial­demokratie nicht gerechnet werden kann.

Wenn auch noch nicht endgültig feststeht, wie die Reichs­regierung die alte Notverordnung abändern wird, so sind doc) Dr. Ender gehört zwar zu den Begründern der Heimwehr in wesentliche Milderungen bei dem Arznei­seinem Ländchen, dem westlichsten Teil dieser deutschen Republik, er schein und anderen Bestimmungen der Kran­hat aber die Vorarlberger Heimwehr stets innerhalb der Chriftlichenversicherung, aber auch bei der Arbeits­sozialen Bartei zu halten verstanden, während sie im Nachbarland Ropisteuer zu erwarten. Bei der Kopfsteuer dürften lofenversicherung und insbesondere bei der Tirol offen faschistisch wurde. Ender gilt als Gemäßigter und es ist nicht wahrscheinlich, daß er dem Heimatblod" Ministerfiße an­durch völlige Freistellung der Fürsorgeempfänger, bieten wird. Der Schober- Block, den Ender zur Mehrheit nicht ent- Sozial- und Kleinrentner, sowie aller Personen, die nicht selb­der Arbeitslosen, der Krisenunterstützungsempfänger, der behren kann, würde wahrscheinlich zerfallen, wenn man ihm zu mutete, mit einem Heimwehr - Innenminister zu regieren; diesen ständig auf eigene Rechnung leben, die größten Ungerechtig­wichtigen Posten aber fordert die Heimwehr als Preis für ihre feiten und Härten beseitigt werden. Auch kann man an­acht Stimmen. Da wird Ender wohl den ihm sowieso sympathi- die die höheren Einkommen schärfer anfaßt, ein Mittelding nehmen, daß durch eine verbefferte Staffelung, zwischen Kopfsteuer und Zuschlagsteuer zur Einkommensteuer geschaffen wird.

scheren Schober- Blod vorziehen, der ihm die Mehrheit sichert.

Obernazi Goebbels mollte cm gestrigen Sonnabend vor Kopen­hagener Studenten sprechen. Die Bersammlung wurde auf Bor schlag der Polizei abgesagt, da Rache für Hinauswürfe von Oppo: nenten aus einer Naziversammlung angedroht war Goebbels wurde rechtzeitig verständigt, daß er zu Haus bleiben könne.

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Das Finanzprogramm der Regierung ist im Reichsrat erheblich verbessert worden nicht zuletzt durch die Arbeit Preußens. Von einer Infraftsegung verfassungsändernder Gesetze auf dem Wege der Notverordnung scheint die Regie­