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Rr. 565 47. Jahrgang

1. Beilage des Vorwärts 3. Desember 1930

Haus der Arbeit in Berlin SO.

Der Südosten Berlins das frühere Luisenstadtviertel- erhält jetzt ein völlig neues Gesicht. Das gleichförmige und etwas eintönige Straßenbild roird von einem neuen Grünstreifen durch­wirksam brochen. Der Luisenstädtische Kanal die Verbindung der Spree mit dem Landwehrkanal-- wurde bekanntlich vor einigen Jahren zu­geschüttet. Der aufgeschüttete Boden hat sich jetzt genügend ge­senkt, so daß mit der Anlage des Grünstreifens in diesem Jahre begonnen werden konnte. Das eigentliche Kanalbett ist ist nur wenige Meter aufgeschüttet, die Einfassungsmauern sind erneuert worden und breite Treppen führen Don der Straße in diese Grün­anlagen. Einzelne Strecken der neuen eigenartigen Schmuckanlage sind schon vollständig fertig," so der Teil vor dem alten Berliner Gewerkschaftshaus am Engelufer. An dem ehemaligen Engelbecken ist in diesem Jahre auch schon recht fleißig gearbeitet worden. Die Mitte des Beckens soll zu einer meiten Rasenfläche gestaltet werden, um die herum Laubengänge gezogen werden, die dem Großstädter auch| Hoffmann, beherrscht das Straßenbild. Breite Bänder zwischen

aus­

an heißen Tagen einen schattigen Ruheplatz bieten sollen. Der gesamte Grünstreifen, der dann das ganze Viertel durchschneiden wird, soll später eine einheitliche Bezeichnung und zwar Carl­Legien- Promenade erhalten.

Auch das städtebauliche Bild dieses Viertels hat sich ge­ändert. Neben dem roten Backsteinbau des allen organisierten Arbeitern gut bekannten Gewerkschaftshauses muchs unmittelbar am Engelbecken ein neues Gewerkschafts­haus in die Höhe. Der Verkehrsbund hat diesen Bau begonnen und jetzt wird er vom Gesamtverband zu Ende geführt. Das fünf Stock hohe Haus, ein Werk der Architekten Taut und

Tragödie im Portierfeller.

Selbstmord und Gesexplosion.

Im Fause Potsdamer Straße 46 ereignete sich gestern früh in der Kellerwohnung des Portiers Sch. eine heftige Gas­erplosion. Die herbeigerufene Feuerwehr fand den Portier tot auf, während seine Frau mit j chweren Brandverlegungen am Kopf und an den Händen ins Elifabeth Krankenhaus gebracht werden mußte.

Sch. lebte mit seiner Frau in Unfrieden, und wiederholt soll der Mann Selbstmordabsichten geäußert haben. Als Frau Sch. gestern die Wohnung verließ, um in der Stadt einige Besorgungen zu machen, benutzte der Mann ihre Abwesenheit, um sich durch Gas zu vergiften. Er drehte in der Küche die Gashähne auf, wo er sich dann auf ein Ruhebett niederlegte, um den Tod zu er= warten. Als Frau Sch. erst nach einigen Stunden heimkehrte und die dunkle Küche ahnungslos mit einem offenen Licht betrat, ent­zündeten sich die Gaje unter heftiger Detonation. Durch Etichflammen gerieten die Kleider der Frau in Brand. Passanten eilten der Unglücklichen, die, laut um Hilfe rufend, auf die Straße lief, zur Hilfe und brachten sie ins Krankenhaus.

IV.Seemann

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O.Wöhrle

Internehmer...

Sein Blut wallte heiß und das ihre bedurfte nur des Anstoßes. Er legte den Kern zu einem neuen Leben in Marias Schoß. Von dieser Stunde ab war sie gefügig und folgte ihm willig.

Nach den Festtagen nahm er mit voller Kraft seine Tätigkeit wieder auf. Eine innere Stimme sagte ihm, daß er jegt sich noch mehr abradern müsse als früher. Er hatte eine Reihe von Blänen im Ropf, und wenn die sich verwirk­lichen sollten, so hieß es für ihn, Geld herbeizuschaffen. Mit jeder Mark, die er verdiente, peitschte er sich auf. Es wuchs feine Gier nach Besitztum und Macht.

Um seine Frau fümmerte er sich außerhalb des Bettes nicht viel.

Abends, um sieben, wenn die Gesellen Schluß gemacht hatten, fam sie zu ihm in die Wertstatt und brachte ihm das Abendbrot. Während er, plauderte er mit ihr über die Tagesereignisse, soweit er ihnen zu folgen vermochte.

Sie fügte sich überraschend schnell in seine geschäftliche Art des Dentens, verlangte nicht mehr viel von ihm, stellte gar keine Ansprüche und war schon zufrieden, wenn er nicht allzu spät von der Arbeit tam, damit sie mit ihm das Bett teilen konnte. Das schien ihr und auch ihm zur Zeit der In begriff alles Schönen in der Ehe; denn weiter fannten sie nichts. Höhere geistige Interessen, die sie hätten verbinden fönnen, besaßen sie nicht. An beider Himmel strahlte nur eine Sonne: Gelb, Geld, Gelb!!

den einzelnen Stockwerken, die über die ganze Front laufen, betonen die Horizontale. Das obere Stockwerk ist etwas zurück­gezogen; dadurch wird eine gute Lösung des Dachproblems erreicht. Das ganze Gebäude ist ein geschlossener Block. In diesem neuen Gewerkschaftshaus werden sämtliche Büros der im Gesamtverband zusammengeschlossenen Gewerkschaften untergebracht, außerdem eine kleine Hausdruckerei und mehrere Sitzungssäle.

Auch dieser neue Bau ist ein sichtbares Zeichen der Macht der Geroerkschaften, der Macht der organisatorisch zusammen­geschlossenen Arbeiterschaft.

Die Leiche des Selbstmörders murde ins Schauhaus gebracht. Hier wurde festgestellt, daß der Tod durch die Einwirkung der Gase lange vor der Explosion eingetreten sein muß.

Banditen im Luxuszug.

Raubüberfall im Eisenbahnabteil.

Bukarest , 2. Dezember,( Eigenbericht.)

2.n Dienstag wurde in dem Simplon- Expreß unmittelbar nach der Ueberfahrt des Zuges auf rumänisches Gebiet auf die Passagiere eines Einzelabteils erster Klasse von zwei mastierten Ban­diten, die mit Revolvern bewaffnet waren, ein Ueberfall verübt. Die Banditen raubten Juwelen und 200 000 M. Bargeld, fonnten jedoch, nachdem der Zug durch Ziehen der Notbremse zum Halten gebracht worden war, verhaftet werden. Es sind inter­nationale, in Ungarn gebürtige, Expreßzugbiebe.

Der Simplon- Expreß ist ein teurer Luruszug und meistens ziem­lich schmach besetzt. Er fährt von Paris über die Schweiz und Jialien nach Südslawien und Rumänien .

In der Stube sah er das Neugeborene neben Maria liegen. Flüchtig füßte er die Wöchnerin auf die Stirn und fragte: Ist alles gut gegangen?" Statt ihrer antwortete die Schwiegermutter: Schwer war es!"

Jst's ein Junge?"

,, Ein Mädchen!" sagte Maria matt.

Da verlor er den Rest aufkeimender Freude und ging wortlos in die Kammer nebenan, um dort schriftliche Ar­beiten zu erledigen.

Während Maria erschöpft den wohltätigen Schlaf einer jungen Mutter schlief, saß Ludwig bis zum frühen Morgen über Rechnungen und Bestellscheinen, rechnete und rechnete, verglich und verglich, addierte seinen Umsaz vom letzten Jahr, dachte an sein ansehnliches Guthaben bei der Bank und fand, daß seine Mühe und seine rastlose Arbeit eigentlich viel mehr hätten abwerfen müssen. Aber jetzt, wo seine Familie Zu­wachs belommen hatte, wollte er noch intensivere Arbeits­fraft einsetzen, um zu versuchen, seine Pläne zu verwirklichen: eine größere Werkstätte in einem geräumigen, modernen Fabrikgebäude. Etma in der Frankfurter Allee .

Dann vor allem mehr Maschinen und auch neuzeitlichere. Denn das hatte er längst erkannt, daß eine Maschine, auch die kleinste, mehr leistete als zwei Gefellen zusammen... Den Saal wollte er voller Leute stellen und dann Arbeit ranholen, Arbeit!

Wenn er dann auf dem Posten war und durchhielt, ja, dann tonnte er wohlhabend, wenn nicht sogar reich werden.

Sein Bankkonto bewies ja, daß so etwas durchaus im Bereich der Möglichkeit lag. Das war vorhanden, in Be legen ausweisbar, nicht etwa nur äffender Traum. Also ran, die Summe verzehnfacht!

geborene.

Er dachte an feine Tochter, die erst vor Stunden Eigentlich war das kleine Menschenfind ein Strich durch feine Rechnung. Ein Junge wäre ihm lieber gewesen, wahr Eines Tages tam Maria am Abend nicht in die haftig. Der Junge hätte dann später sein Nachfolger werden Werkstätte. tönnen. Der hätte es mal leichter gehabt als er. Er hätte den Knaben auf eine der neumodischen Gewerbeschulen ge­schickt, die jetzt überall eingerichtet wurden. Da fonnte er was lernen und brauchte nicht derartige Schinderjahre durch zumachen, wie sie ihm beschieden gewesen waren. Doch vor­läufig war der Junge noch gar nicht da. Wer weiß, ob der überhaupt tommen würde.

Ludwig wußte, warum.

Er machte die Werkstätte eine Stunde früher zu als ge­wöhnlich und eilte im Laufschritt den kurzen Weg zu seiner Wohnung.

Als er die Korridortür aufschloß, drang ihm Kinder­schreien entgegen.

Mittwoch,

Tragischer Schülerselbstmord.

Tagelang umhergeirrt! In einer Billa erschossen.

Das seltsame Verschwinden eines 14jährigen Schülers aus Zehlendorf hat mit dem Selbstmord des Jungen eine tragische Aufklärung gefunden.

Am 29. November hatte sich der 14jährige Sohn des Reichs­bahnrats Rosenberg aus Zehlendorf aus der Wohnung seiner Eltern entfernt und blieb seit dem Tage verschwunden. Am ver­gangenen Montag hatte der Junge noch Berwandte in penid, die von dem Streich nichts wußten, besucht. Von da an ging jede Spur verloren. Wie sich weiter ergab, hatte der etwas phantastisch veranlagte Schüler eine alte Pistole seines Baters und etwas Munition mitgenommen. Da nicht angenommen wurde, und auc fein Grund zu der Befürchtung vorlag, daß sich der Junge ein Leid antun mürde, hielt man mit einer Veröffentlichung der Vermißten­anzeige zunächst noch zurück. Diese Hoffnung hat sich leider afs trügerisch erwiesen, denn noch in den gestrigen späten Abend­stunden mußte den bangenden Eltern die Mitteilung von dem Selbst­mord ihres Kindes gemacht werden. Der Junge hatte sich, ver­mutlich nach tagelangem Umherirren, emen Kopfschuß beigebracht. In einer Villa in der Juttastraße in Zehlendorf bemerkten die Bewohner gegen 23 Uhr einen jungen Mann, der sich offenbar eingeschlichen hatte. Als sich der Eindringling entdeckt sah, flüchtete er. Die Bewohner glaubten, einem Einbrecher auf der Spur zu sein und benachrichtigten das lleberfallfommando. Die Beamten fuchten das Grundstück ab und dabei stellte es sich heraus, daß der Flüchtende in den Keller gelaufen war und sich dort einen Schuß beigebracht hatte. Das Ueberfallkommando sorgte für die Ueberführung des Schwerverletzten in das Oscar- helene- heim, aber bereits auf dem Wege dorthin trat der Tod ein. Es fonnte dann schnell ermittelt werden, daß es sich bei dem Toten um den ver­mißten Sohn des Reichsbahnrats handelt.

Die Seine weiter gestiegen! Ueberschwemmung im Austerlitz- Bahnhof .

Paris , 2. Dezember..

Die Seine ist im Laufe der Nacht um weitere zehn Zentimeter

gelegen. An der Aufferligbrüde wurden 6,08 meter gemeffen. Das Wasser ist in die Keller des Austerligbahnhofs einge­drungen und wird zur Zeit ausgepumpt.

Da der Wasserzufluß von der Marne und der Dise nach zulassen scheint, hofft man, daß der fritische Punkt überwunden und auch die Seine bald wieder auf ihren normalen Wasserstand zurüdgehen wird.

Berliner in Frankreich verunglückt.

Ein deutsches Automobil, das bei Montpellier in der vergangenen Nacht in die Schranken eines schlecht beleuchteten Bahnübergangs hineinfuhr, wurde von dem im gleichen Augenblick durchfahrenden Zug erfaßt und etwa 200 Meter weit gefchleift. Der Führer, der 45 Jahre alte Ewald Priebe aus Berlin - Wilmers dorf wurde auf der Stelle getötet. Sein Begleiter, dessen Per­lönlichkeit noch nicht feststeht, starb im Krankenhaus von Mont­ pellier . Die beiden, Deutschen wollten sich nach Barcelona begeben.

Wieder ein Eisenbahnattentat!

Auf der Strede Horn- Bedburg( Reichsbahndirektion Köln ) fuhr ein Personenzug in der Nähe des Schrankenwärter­postens 2 3Zieverich, zwischen den Bahnhöfen Zi everich und Pfaffendorf, auf einen Hemmschuh auf und wurde zum Halten

gebracht. Der Hemmschuh war von Unbefugten auf das Gleis gelegt worden. Für Ermittlung der Täter hat die Reichsbahndirektion Köln unter Ausschluß des Rechtsweges eine Belohnung be zu 500 M. ausgesetzt.

Eine steile Sorgenfalte stellte sich in seine Stirn. Aber rasch glättete sie sich wieder. Vielleicht war ihm doch das Glück hold und Maria gebar ihm einen Sohn. Was aus der Tochter werden könnte, darüber zerbrach er sich jetzt nicht den Kopf. Da war in zwanzig Jahren noch Zeit dazu.

Der neue Arbeitstag graute schon durch die Fenster, als er sich angekleidet auf sein Bett marf, um menigstens einige Stunden zu ruhen. Ueberm Einschlafen mußte er an Hunds fötter denken, dem er kürzlich von seinen Plänen gesprochen hatte.

Der alte Patriarch hatte sich ehrlich über seine kühnen Absichten gefreut und hatte ihm seine volle Unterstützung zu­gesagt. Doch gleich darauf, noch während er die Brille puzte, waren ihm Bedenten gekommen, und er hatte Ludwig ge warnt, feine Pläne je zt schon zu verwirklichen.

,, Warten Sie ein kleines Jährchen, Meister Eisermann, dann is sicher eene beffre Beit!" hatte er gesagt.

Noch ein Jahr Aufschub? Das paßte absolut nicht in Ludwigs Programm. Aber warum hatte Hundskötter das gesagt? Irgendeinen Grund muß er doch dafür gehabt haben! Aber welchen?

Diese Frage wühlte so in Ludwigs Kopf, daß er über­haupt nicht zum Einschlafen fam.

Schon eine Stunde später erhob er sich und lief in die Werkstätte. Doch auch da, im Kreischen der Sägen, fand er die Antwort auf die Hundstöttersche Warnung nicht.

Das Rätsel sollte sich ihm schon noch lösen, erschrecklich genug. Aber erst später, wochenlang später.

*

Der Schlag fam für Ludwig ganz unerwartet. Als er eines Sonnabends bei Hundstötter mit der Schlußabrechnung vorsprach, ließ sich der Mte nicht blicken. Nur Hundstötter junior faß allein in dem ver­waisten Büro.

Sched

Er zahlte Ludwig nicht bar aus, sondern gab ihm einen ,, Aber beeilen Sie sich, damit Sie noch rechtzeitig auf die Bant tommen!" sagte er dabei.

Das wunderte Ludwig. Ueberhaupt das ganze Gebaren. Wie fam die Firma Hundstötter, Galanteriemaren engros, zu Schecks? Sie fezte doch sonst ihren Stolz darein, alles in bar zu begleichen.

Auf der Straße beſtieg Ludwig die nächste Pferdebahn und fuhr nach seiner Bant. ( Fortfegung folgt.)