Quflav Junghans: Sin Sahir ifl i Wir waren alle hinausgefahren zu August. August hatte sich das klein« Haus an der Hasel gekauft, weil er hoffte, fein« Freunde würden eine lebhaft« Scheu vor dem weiten Weg dahinaus empfinden. Seine Freunde empfanden diese lebhafte Scheu auch. Aber nur, wenn sie einmal da waren, vor dem Rückweg. Wir waren also alle hinausgefahren zu August. Das muß erwähnt werden, well wir einige Schritte vor Augusts Behausung dieses schrecklich« und rätselhafte Erlebnis hotten, das den Anlaß zu diesem Tatsachenbericht gab. Unser Blick fiel zufällig in den Garten einer Villa. Und in diesem Garten sahen wir einen elegant angezogenen Jungen von etwa 14 bis 15 Jahren ausgelassen mit einem Schäferhund herum- tollen. Er sprang mit dem Schäferhund durch einen Reifen, schlug Purzelbäume und vollführte alle möglichen anderen kindlichen Spiele. Plötzlich aber— und nun kommt das Rätselhafte— wandte der Junge uns fein Gesicht zu und wir entdeckten zu unserem grenzen- losen Erstaunen und mit einem leisen Schauer, daß er ein altes ehr- würdiges, runzeliges Antlitz hatte, einen graumelierten Schnurr- und Vollbart trug und in seinen Augen und um seinen Mund den Aus- druck kummervoller Lebenserfahrung und abgeklärten Alters hatte. Wir hätten noch stundenlang in tiefer Versunkenheit dieses schreckliche Wesen angestarrt, wenn es uns nicht eine Grimasse geschnitten, die Zunge herausgestreckt und sich mit dem Finger an die Stirn getippt hätte. Hierauf strich es sich wohlgefällig und sichtlich zufrieden den Dollbart und schlug wieder Purzelbäume mit dem Schäferhund. Grübelnd und debattierend strebten wir Augusts Behausung zu. August empfing uns mit einem ernsten Gesicht. Er macht immer ein ernstes Gesicht, wenn wir ihn besuchen. Er gehört zu jenen gut- wütigen, aber etwas schwerfälligen Naturen, die sich nur sehr langsam auf«ine plötzlich veränderte Situation umstellen können. „Guten Tag, August," sagte Max,„sag mal, was wohnen denn hier draußen für verrückte Leute?" „Ganz verschieden, mein Junge," erläuterte August,„die ver- rücktest«», beispielshalber, glauben, sie wären hier draußen in die Einsamkeit gezogen." „In der Tat, oollkonimen verrückt!", stimmte Max zu,„aber ich meinte jetzt etwas anderes." Und er erzählte ihm die Sache mit dem rätselhaften, scheinbar etwas blödsinnigen alten Mann in Jungens- Leidern. August schwieg lange, als er die Geschichte vernommen hatte: Kann nickte er einige Mal« und sagt« mit einem tiefen Ernst in der Stimme: „Ja— seht ihr, dieser alte Mann ist das letzte Opfer der schreck- lichen Tragödie, die ich damals aus nächster Nähe miterlebt«. Ich habe sie euch noch nicht erzählt, weil... ach, die Erinnerung, die Erinnerung!", unterbrach er sich und blickte erschüttert aus dem Fenster. Er seufzte tief und sprach dann in gedämpftem Tone und mit leiser Trauer weiter: „Als ich vor einigen Jahren in Kopenhagen den unzerreißbaren Hosenträger„Freundschaftsbande" einführte, wohnt« ich in einer Pension, in der sich auch gleichzeitig ein indischer Fakir aushielt, der in Sondbergs Variete auftrat. Brahatvatspat Malur hieß er und er schenkt« mir hin und wieder Freikarten. Es war wirklich ein echter Inder— ich Hab« seinen Paß gesehen—, und er war schon vor Jahren aus Kalkutta nach Deutschland gekommen, um bei Gustav Meyrink und Schrenk-Notzing die Fakirerci zu erlernen. Nun gab er eins seiner ersten Auslandsgastspiele in Kopenhagen in Sondbergs Variete. Und hier war es, wo die Liebe in fein Herz einzog. Eigent- lich waren es zwei Lieben, die in sein Herz einzogen. Eine sehr unglückliche Liebe zu Anne Sondberg, der Barietäbesitzerstochter, und eine sehr glückliche Liebe zu altem dänischen Korn. Ich denke mir, daß diese beiden großen und schönen Leidenschaften den liebens- werten Menschen völlig aufgerieben hatten, denn eines Tages wurde er lütlltü. Jawohl. Es ist mir schrecklich, darüber zu reden, aber er bekam einen Klaps. Wurde vollkommen verrückt."— August seufzte. Dann fuhr er fort: „Tiefbedauerlicherweise brach es mitten in der Abendvorstellung aus. Er machte da eine Art Zauberlunststück, nicht wahr, oder sowas ähnliches, von dem chr sicherlich alle schon gehört habt. Die Sache mit der Bohne, wißt ihr. Er steckte eine Bohne in einen Bliunen- topf, schüttete Erde darüber und starrte dann in einer Art von Ver- zückung solange daraus, bis die Bohne zu keimen begann, eine Ranks «mportrieb, die dann wuchs, immer höher wuchs, Blüten und Frücht « «msstzte und so weiter, nicht wahr. Schließlich ging dann die Ge- schichte umgekehrt vor sich, die Ranke wurde kleiner, immer kleiner, verschwand wieder im Blumentopf und zum Schluß nahm er die Bohne so, wie sie gewesen war, wieder aus dem Blumentopf heraus. Das Kunststück fand viel Anklang." August lächelte wehmütig in der Erinnerung,„einige Laubengartenbesitzer hatten sogar ein Abonnement genommen. Aber in dieser Abendvorstellung, in der sich sein Geist plötzlich mnnachtet«, lieh er einfach die hochgewachsene Ranke stehen, zog eine Flasche Korn aus der Tasche, trank sie aus und kümmert« sich um die ganze Angelegenheit nicht mehr. Und als der Direktor Sondberg auf Beendigung seiner Nummer drängte, sagte BraHaoatspat Malur ein hartes Wort zu ihm, das«r aus der indischen Uebersetzung des„Götz von Berlichingen " genommen hatte und verschwand in seiner Garde- robe. Die nächste Nummer dieses Programms brachte Liliputaner- Vorführungen. Oh, wie soll ich euch die furchtbare Panik schildern, die ausbrach, als der Fakir mitten in dem Liliputanerakt.aus die Bühne trat, die Liliputaner in einem Anfall von Verzückung der Reih« nach anstarrte und nicht eher davon abließ, als bis die ganze Truppe zur Normalgröße emporgewachsen war! Die nunmehr kräftig entwickelten Gestalten der bedauernswerten Liliputaner stürzten sich auf den unglücklichen Fakir und verprügelten ihn in brutalster Weise, da sie sich innerhalb zweier Minuten brotlos ge- macht sahen. Darauf warf der empörte Direktor BraHaoatspat Malur mit einem Fußtritt hinaus und erst spät abends kam der Inder in einem zu Herzen gehenden, liederlichen Zustand in die Pension. Am anderen Morgen machte ihm unser« Pensionswirtin heftige Vorwürfe. Sie hielt dabei, was sie nicht hätte tun sollen, ihr kleines Schoßhündchen Fifi auf dem Arm. Ein, ach!, so unglücklicher Zufall wollte es, daß währenddessen der traumverlorene Bück BraHaoatspat Malurs auf dieses Hündchen fiel. Frau Mariusen bemerkt« zunächst noch nichts. Das Schicksal verbarg dieser vortrefflichen Frau noch, was ihr bevorstand. Ihre Augen waren während ihrer eindring- lichen Reden in mütterlichem Zorn auf den Inder gerichtet. Sie kam jedoch allmählich in Schweiß und begann etwas asthmatisch zu sprechen, wie ein Mensch, der beim Reden eine körperliche Anstren- gung zu leisten hat. Das arme Geschöpf sah in ihrer liebenden Sorge nicht, daß ihr treues Hündchen Fisi, während sie sprach, aus ihrem Arm unaufhörlich an Gewicht und Alter zunahm, bis es die Größe
einer Riesendogge erreicht hatte. Aber dann-- 1 Ach, noch gellen mir die schrecklichen Schreie und Wehklagen der vorbildlichen Frau und Pensionsmutter in den Ohren, die sie ausstieß, als ihr Liebling, als hochbetagter und unförmlicher Riefenhund, nach einigen Minuten fein Leben zu ihren Füßen aushauchte. Eine sanfte Ohnmacht nahin sie in ihrem Arm«. BraHaoatspat Malur jedoch sank nach hinten über und begann mit offenem Mundo laut zu schnarchen. Oh, meine Freunde, nennt es nicht herzlos von mir, wenn ich ausrufe: Wäre er doch nie wieder erwacht! Denn was nun folgt, war ja noch weit, weit schlimmerl"— August blickte mit einem Gesichtsausdruck, der einen aufheulen lassen konnte, vor sich hin und fuhr dann fort: „Am nächsten Tag hatte Frau Markusen m einer anmutig ge- formten Schüssel Bohnen eingeweicht und in ihre stets saubere Küche gestellt. BraHaoatspat Malur fand diese Schüssel in der Küche und starrte melancholisch hinein. Als kurz darauf Frau Markusen ihr: Küche betrat, rauscht« ihr wie ein Urwald die hemmungslose Vege- tation der Bohnenranken entgegen. Dumpfe Gebetoersc murmelnd ging der Inder an ihr vorbei auf sein Zimmer. Wer konnte es Herrn Markusen, dem vortrefflichen Manne und Gatten unserer Pensionswirtin, der dem gefahrvollen Beruf eines Rentiers mit Fleiß und Selbstaufopserung nachging— ich sage, wer konnte es ihm verübeln, daß«r in des Fakirs Zimmer drang, um dem Inder das Unerhörte seines Benehmens vor Augen zu rücken? —„Herr Bratsvats oder wie Sie heißen," sagt« er,„entweder die Schweinerei hört auf oder Sie verlassen unser Lzaus!"— BraHaoatspat Malur sah ihm verständnislos in die Augen. Ja, ja— sah ihm in die Augen...! Und fünf Minuten später wankte Herr Markusen als gebrochener und in seinen Lebenshosfnungen getäuschter Greis aus dem Zimmer, das er als blühender Mann in den besten Jahren betreten hatte. Nun gab es kein Halten mehr. In der Pension setzte eine allge- meine Flucht vor dem Inder ein. Man sah in ihm einen bösen Geist, einen Jfriten, ein Ungeheuer, das unheilbringend und unüberwindlich einherwandelte. Die Pensionsgäste schlössen sich in ihr« Zimmer ein. Sahen lieber dem qualvollen Tod des Berhungerns und Ver- durstons ins Auge, als dem Fakir! Still und düster ward es in dem sonst so anheimelnden Hause. Die Passanten und Anwohner unserer Straße ahnten vorläufig noch nichts van der Gefahr. Aber bald häuften sich auch dort die unglücklichen Opfer des übergeschnappten Fakirs. Die Polizeipotrouille, die ihn verhaften sollte, eine Reih« prachtvoller kräftiger Burschen in ihrer schmucken Umsorm, wurde von dem Inder angeschaut und glich, als sie hochbetagt und pcnsions-
l'z, JierbH in 9£eidelberg Sehr zart und lieblich ist Heidelberg im Frühling— zur Zeit der Baumblüte. Schneeweiß und rosa schimmern die Berghänge. Besonders hell leuchten die Farben auf dem dunklen Boden, denn das Gras beginnt erst hervorzusprießen, die Bäume stehen noch schwarz und ohne Ldub. Aber— es ist vielleicht etwas zu lieblich. Das Bild ist zu eintönig, es wirkt käst übertrieben— die zart geschwungenen Hllgelliwen, die zarten Frühlingsfarben, der still dahin- fließende Fluß, die KyntA�stch M die Hügel anschtniegenhe,, Häuser. Vielleicht ist es auch„ein.gewisses. Vorurteil: zu viel.ist die Lieblich- feit, die Romaittik Heidelbergs besungen und verkitscht worden. Aber jetzt im Herbst— da finde ich Heidelberg am schönsten. Am liebsten möchte ich die ganzen Tage durch den Wald, Hügel aus, Hügel ab, streifen und den unermeßlichen Farbenreichtum in mich einsaugen und immer wieder vor einer neuen Nuance, einer neuen Farbenzusammenstellung staunend stehMi bleiben. Ich steig« langsam einen Waldweg hinan, unter den Füßen rascheln die toten, braunen Blätter. Gelb und rot leuchten dazwischen die erst vor kurzem abgefallenen. Immer neue sinken lang- sam, schwankend, kreisend zu Boden. Aber viel«, sehr viele haben ihre Heimat, ihren Baum noch nicht verlassen. Es ist ein Weit- kämpf der Farben, jeder Baum sucht den anderen zu übertreffen. Eine jung« Birke schimmert hellgelb, der Ahorn, die Buche funkeln rot, orange, bräunlich, gelb,.—.und all diese Farben in den ver- schicdensten Abstufungen, Abtönungen! Und dazwischen stehen im dunklen Grün die Tannen, die Kiesern und heben die Buntheit noch mehr hervor. Um wieviel reicher, vielfältiger aber werden die Farben noch in den schrägen Strahlen der Herhstsonn«! Das Gelb wird zu Gold! Das gedämpft« Rot flammt auf! Es ist ein Funkeln, Strahlen, Glitzern, Leuchten, daß man ganz trunken wird. Man weiß nicht, wohin man schauen soll, am liebsten möchte man gleich- zeitig überall hinsehen können. Und oben auf den 5)ügeln, da ist man dieser Herrlichkeit nach näher als in der Ebene, man steckt mitten drin. Unter dir siehst du die Farben gedämpft im Schatten, über dir vergoldet von der Sonne, sich abhebend vom klaren blauen Herbst- Himmel. Und an den Bäumen um dich herum bewunderst du die Form, die wechselnden Farbtöne der einzelnen Blätter. Und während man so den Waldweg, oben auf den Hügeln entlang geht, sieht man plötzlich zwischen den Bäumen auf die Staft herunter. Nie finde ich sie schöner als jetzt! Di« übermäßig« Zart- heit, die Romantik ihrer Lage, der Hügelketten sst gedämpft durch die herben Herbstfarben. Glatt und metallisch-dunkel ist der Fluh, und dunkelrot die Abhänge gegenüber. Aus der Ferne kann man die Vielfältigkeit der Farben nicht erkennen. Duntelrot, bräunlich- rot erscheinen sie im Schatten, in der Dämmerung, heller, leuchtender in der Sonne. Ich gehe tiefer in den Wald hinein. Da raschelt es neben mir im dürren Laub und in raschen, abgehackten Sprüngen jagt ein Eichhörnchen den Stamm hinauf. Wie gut hat das rote Eichhörnchen es jetzt! Seine Feinde können es im bunten Laub kaum erkennen. Und zu hungern braucht es jetzt wirtlich nicht! Der Waldboden ist besät mit runden, aufgeplatzten, stachligen Kugeln— der äußeren Schale der Bucheckern. Wie kleine Igel sehen sie aus Allmählich geht es abwärts. Ich sehe schon die e?sten Häuser in der Fern«, sie sehen so blitzblank sauber, so gewaschen aus im klaren Licht der Morgensonne. Noch einmal atme ich den feuchten, herben Erdgeruck), den Geruch der modernden Blätter ein. Dann lause ich die steile Straße ber- unter zur Stadt. Zwischendurch schau« ich immer wieder nach oben. Das ist das Schöne an Heidelberg — wo man auch ist, von überall sieht man zwischen den Häusern ein Stückchen Wald, ein Stückchen roten Herbstwald. Und noch etwas ist es, glaub« ich, was den Herbst so besonders schön erscheinen läßt. Man denkt schon an den Winter, an graue, sonnenlos« Tage und jeder Tag, an dem die Sonne scheint, an dem man durch den Wald.streifen kann, erscheint als Geschenk, als unerwartetes Geschenk. Und man genießt jetzt doppelt, was einem im Sommer so selbstverständlich erscheint!
berechtigt wieder aus dem Haufe schlich, der Abordnung eine-» Veteranenvereins— kaum fähig, die eigen« Uniform zu tragen. Ach. meine Freunde, und nie werde ich den Anblick vergessen, den einige spielende Knaben boten, die der Fakir auf seinen Spaziergängen durch seinen Blick zur Frühreife gebracht hatte. Kann es ergreifen- der« Szenen geben, als dies«: Geschöpfe mit dem Gesicht und der Gestall bärtiger und im Dienst am Volk« ergrauter Rechmmgsräte oder mit dem ehrfurchtgebietenden abgeklärten Ausdruck hoher Akademiemitglieder, die in Matrosenblusen, kurzen Hosen und Wadenstrümpfen steckten und Indianer und Trapper spielten oder mit Kreide„emihl is dos" an die Hauswänd« malten? Und ich schäme mich der Tränen nicht, die mir über die Wangen Uesen, als ich sah, wie ein würdiger und sympathischer Herr, mit dem klugen und feinsinnigen Gesickt eines Musikprofessors, noch in Kniehosen und Schillerkragen steckend, unter kindischem Gelächter einen Roßapfel in ein offenes Parterrefenster warf!— Seht ihr— und den einen dieser Knaben, einst das Glück und die erhoffte später« Stütze seiner Eltern, habt ihr vorhin in jener Nachbarvilla gesehen. Sein« Eltern brachten ihn in der Meinung her, der Klimawechsel möge vielleicht günstig auf ihn einwirken..." „Sage mir. August," unterbrach hier Emil, sich den Schwelst von der Stirn wischend,„und wie endete die Geschichte mit dem Fakir?" „Das Ende," fuhr August mit vibrierender Stimme fort,„hatte bei oller Wehmut etwas tief Versöhnendes und Erlöstndes und bracht« dem Unglücklichen die langersehnte Ruh«. Als die Taten des Inders ihren Höhepunkt erreicht hatten und fremd« Gäste Kopsn- Hägens äußerten, dieses Stadtviertel müsse ein ungeheuer gesundes Klima haben, da dort fast nur alte Leute h-rumliefen, faßt« ich einen Plan, der die Rettung brachte. Ich trug einen mannshohen Spiegel, mit der Front nach außen, vor mir her und betrat das Zimmer Brahavatspat Malurs. Er saß im Sessel und ich stellte mich vor ihn hin, so daß er sich selbst im Spiegel sehen mußte. Eine Weile blieb ich so stehen— es war sehr anstrengend! Dann ging ich hin und drückte dem Inder, der binnen einer Viertelstunde in voller Rüstigkeit das hohe und seltene Aller von 125 Jahren erreicht hatte, die Augen zu.. Als August die Geschichte beendet hatte, schwiegen wir lange und ergriffen. Dann sagte Max: „Wir haben keinen Rum mehr. Er ist all« geworden." „Ick werde ins Dorf gehen und welchen holen." erbot sich Emil. Emil ging. Als er wiederkam, stellte er zwei Rumflaschen auf den Tisch. Dann sagte er: „Ich bin noch einmal an der bewußten Villa vorbeigegangen. Das Hausmädchen stand gerade vor der Tür und so konnte ich es fragen.— Di« Villa, sagt« es. gehört dem Filmschauspieler Hwrry Piesunga und der rätselhafte Junge ist sein Sohn, der sich mit seines Dalers Schminkrequisiten geschminkt und Bärte angeklebt hat..." Sagte Emil. Dann erschlug er August mit einer Rumslasche.
Äu,. Die Srau im neuen Kanm Ton der S)unc&n bis aur Shoronel Im Sotimen eines SeenaJimitteas im Saifctbfif, den„Sie«r stalte nd« ffrau* Derart ftoUeie, sprach Frau D-rtde Trump» iilKr die Eni. wirNun« des Tan, es und die Stellung, welche die Frau di» deute zu und in dieser Kunst einnimmt. Bis zum Anfang des lg. Jahrhunderts spielte die Frau beim Tanz lediglich eine untergeordnet« Rolle, soweit sie überhaupt auf der Bühne zugelassen wurde. Auch als sie durch die Tagllonr un<? Fanny Etiler schon'den RachwW. ihrem tnnzerischcn Schövieickraft erbracht hallen, wehrte man sich bis' in unsere Tage hinein' noch gegen irgendeine leitende Stellung der Frau, wie etwa als Ballett- Meisterin. Für die. Entfaltung der Frau vvn größter Tragweite ist das Austreten der jungen Zlinerikanerin Jsadora Duncan zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Unbekümmert um traditionsgeheiligt! Schritte, wie um das übliche Biedermeierkostüm und Korsett und das schweinchenrofa Trikot, tanzt sie in losen griechischen Gewän- dem, erfüllt von heiliger Begeisterung für die seelische und geistige Freiheit der Frau. Sie tanzt barfuß: man kann sich heute gar nicht mehr vorstellen, welchen Entrüstungssturm ein nackter Fuß hervorrufen konnte. Wohl gab es einige Männer, wie Ioques Dalcroz«, der die Wechselbeziehung des musikalischen Rhythmus und der Bewegung entdeckte, wie Rudolf Bode ,- der den Wert der Schwerpunkts- beherrfchung und des Schwungs lehrte. Bedeutend vor allem Rudolf von Laban , der große Lehrmeister, Theoretiker und Choreograph. Doch was nützten uns die schönsten Theorien, wenn Mary Wigman nicht ihre herrlichen Tänze gescheusen uick gezeigt hätte. Tiefste seelische Geheimnisse wußte sie in Bewegung zu formen, durch sie wurde Gesicht und Haltung einer ganzen Generation bestimmt und umgeformt. Die Einheit des lebendigen Menfchenkärpers mit dem geistigen Ausdruck war durch Mary Wigman in einer Form da, wie es dies sicher vorher noch nie und nirgends auf der Welt gegeben hat. Und nicht nur in der Wigman selber geschah immer und immer wieder dieses Wunder des abso- Wien Schöpfertums, alle, die in Berührung mit ihr kamen, spürten einen Hauch dieser neuen Welt. Wenn Gret Palucca ihre bezaubernd leichten springenden Tänze schafft, Pvonne Georgi ihre phantasievollen Theaterinszenierungen crs'ndct, Vera S k o r o n e l ihre au-drucksgeladenen formalen Rhythmen tanzt. so bedeutet das, daß jeder Schritt neu erfunden, jede Technik, jede Zlusdrucksform neu erdacht werden muß. Dies« Sckrittformen sind so verschieden voneinander, wie Vachsch« Fugen von einem Strauß- Walzer. Lille diese Tänzerfrauen haben ihre Tänze geschaffen aus sich heraus, oßne äußere Anregung,«s muß immer und immer wieder betont werden: der neue Tanz ist das eigenste, lebendigste und ursprünglichste Gebier der Frau. Es wird von einigen Seiten sehr gegen die neue Tonzbeivegung gewellert. Am deutüchsien hat einmal und wohl' sicher unfreiwillig cm Kritiker die Hint-rgründe dieser Feindseligkeit enthüllt:„Tanz muß entweder Erotik sein oder Ballett: wenn ich bei einem Tanze erotisch nichts empfinde, taugt er nichts." Wer fragt bei Musik noch Erotik? Die Kunst und ihr« Sprache ist allein wichtig.„Das bedeutet aber ja nicht, daß die Tänzeriraueir männerseindlich sind, im Gegenteil, wi� sind für lebendigsten Austausch und gegenseitige Anregung, wir wollen Kameraden haben, Mittänzer, aber keine Pascha? Lieb« Frauen denkt nichr, der Tanz sei ein« Beschäftigung für solche, die nichts zu tun haben, oder zum Dünnerwerden: er ist der-Schlüssel zu eurer Seele und ihrer schöpferischen Kraft; deshalb helft dem nenen Tanz, glaubt ihm, dag er da? werden kann, was er sein soll: ein« Hochburg der Frauenkultur und der schöpferischen Frauenseele."
Verantwortlich für Politik. - Tietor Schiff; Wirtschast: G. Alingelhöfer; G�werkschaftsbewenunq: I. Steiner; lseuilleton: Dr. Aobn Schitowski; Lokales und Sonstiges: ivrifc Karstadt ; Anzeigen: Tb. Glocke; sämtlich in Berlin . Verlag: Torwärts-Vcrlag G. m. b. H.. Berlin . Druck: Vorwärts-Buckdruckerei und Verlggsanstalt Paul Singer u. Co.. Berlin GW. G8, Linden straße 3. Hier,« Z Beilage».