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BERLIN Mittwoch 3. Dezember

1930

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Der Abend

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Nr. 566

B 282 47. Jahrgang

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Nazibanden ausgehoben

150 schwerbewaffnete Nationalsozialisten auf einem Gutshof festgenommen

Breslau , 3. Dezember.

Wie vom Polizeipräsidium mitgeteilt wird, wurden in der Nacht zum Mittwoch in Jäschkowitz im Kreise Breslau etwa 150 Mitglieder der national. sozialistischen Sturmabteilung, darunter auch Sanitäter, uniformiert, feldmarschmäßig ausgerüstet und bewaffnet, festgestellt. Sie waren im Schlosse des Gutshofes des Rittergutspächters von Selffen unter: gebracht, wo die Unterkunft in Sälen vorbereitet war.

Ein noch in der Nacht hinzugezogenes Schutzpolizei­kommando stellte eine Menge Waffen, darunter scharfgeladene Karabiner, Pistolen, Sand. granaten, Munition und Siebwaffen aller Art fest. Eine zahlenmäßige Feststellung war bisher nicht möglich, da die Ermittlungen fortdauern.

Die vorläufig festgenomenen Nationalsozialisten wur­den auf Lastkraftwagen dem Polizeipräsidium zugeführt, wo die weiteren Vernehmungen stattfinden. Die Feit genommenen werden noch heute dem Gericht zugeführt.

Nazi Krawall in Dresden .

3m Anschluß an die Braun- Berfammlung.

Dresden , 3. Dezember. Im Anschluß an die sozialdemokratische Bersammlung im Zirius gebäude, wo gestern abend der preußische Ministerpräsident Braun gesprochen hatte, fam es in den späten Abendstunden in der Ritter­straße vor dem dort gelegenen Parteiheim der National sozialisten zu 3usammenstößen; na nationalsozia­listischer Angabe sollen etwa 200 Mann Reichsvannerleute das Heim gestürmt und die Fensterscheiben zertrümmert haben. Die Polizei mußte einschreiten und unter Anwendung des Gummifnüppels vor­gehen.

Wie das Presseamt des Polizeipräsidiums hierzu ermittelt, nahmen die Nationalsozialisten fortgesezt eine drohende Haltung gegen die Polizei ein, so daß weitere Verstärkungen herangezogen gegen die Polizei ein, so daß weitere Berstärkungen herangezogen werden mußten. Die weiteren Feststellungen waren durch das Ver­halten der Nationalsozialisten der Polizei gegenüber außerordentlich schwierig.

Der Reichstagsbeginn

Große Ansammlungen vor dem Parlament- Bisher Ruhe im Hause

vormittags beginnen.

In der nächsten Woche, in der der Montag wegen eines fatho­lischen Feiertages fizungsfrei bleibt, wird sich der Reichstag mit außenpolitischen und anderen Anträgen beschäftigen. Hierzu gehören auch die Anträge wegen der Hochwasser- und Berg­wertstatastrophe.

Daß der heutige Reichstag wieder einen großen Tag"| Reichstagsfizungen am Freitag und Sonnabend bereits um 10 Uhr haben solle, merkte man schon in den frühen Morgenstunden. In den Straßen herrschte noch das nächtliche Dunkel, als bereits vor dem Nordportal des Reichstages sich eine Schlange von Menschen bildete, die um Einlaßtarten für die heutige Sigung anstanden. In den Vormittagsstunden sammelten sich in den Anlagen des Tiergartens große Menschenmengen an, die wenigstens von außen her das Bild eines Reichstagsbeginns genießen wollten. Am Süd­portal, dem Eingang für Abgeordnete und Regierungmitglieder, hatte eine Filmgesellschaft einen großen Apparat aufgebaut, mit dem ein Tonfilm aufgenommen werden soll. Selbstverständlich fehlen auch nicht die Vertreter der großen Lichtbildbüros, die den Einzug Der Brominenten" photographisch festhalten sollen.

Im Hause selbst war es bis zum Mittag noch ruhig, nur der Aeltestenrat hat getagt. Die Fraktionen werden erst nach Schluß der heutigen Plenarversammlung zu Sizungen zusammen­treten.

bereits im Drud vor. Sie füllt ein dickes Heft des Reichsgesetz­Die Abgeordneten finden die neue Notverordnung blattes. Im Aeltestenausschuß ist beschlossen worden. mit der heute beginnenden ersten Lesung des Haushaltsplans für 1931 jowohl die Beratung über die erste Notverordnung, die dem Haushalts ausschuß vorgelegen hatte, wie der neuen Notverordnung zu ver­binden. Auch die noch etwa zu erwartenden Mißtrauensanträge sollen in die Beratung einbezogen werden.

Die Aussprache wird mit einer Erklärung der Reichsregierung beginnen, die der Reichfinanzminister Dietrich abgeben soll. Darauf dürfte sich der Reichstag auf morgen mittag 12 1hr vertagen, um den Fraktionen Gelegenheit zur Stellungnahme zu der Erklärung der Regierung und zu der Notverordnung zu geben. Die Aussprache der Parteien wird also morgen beginnen, jede Fraktion soll eine dreistündige Redezeit haben.

Die Feststellungen über die Borgänge werden vom Bolizei präsidium der Staatsanwaltschaft zur weiteren Entschließung Die Regierung legt Wert darauf, daß die Entscheidung über die fiberfandt werden. Ein blutüberströmter Reichsbanner mit den Notverordnungen zusammenhängenden Fragen bis Ende diefer Woche herbeigeführt wird. Um das zu ermöglichen, sollen die

mann wurde von Polizeibeamten aufgehoben.

Die Beschwerde nach Genf .

Zegt der Note an den ferbund.

Die Note des Reichsaußenministers an den Völkerbund hat folgenden Wortlaut: Auswärtiges Amt .

Berlin , den 27. November 1930.

Herr Generalsekretär!

In Polnisch- Oberschlesien sind in lehter Zeit Gewaltfafen gegen die deutsche Minderheit geschehen, die eine flagrante Berlehung der Bestimmungen der Genfer Konvention vom 15. Mai 1922 dar­stellen. In der Anlage sind die Einzelheiten, die Ursachen und Folgen dieser Gewalttaten geschilde t.

Gemäß Artikel 72 Abjah 2 der Konvention lenft die Deutsche Regierung die Aufmerksamkeit des Bölterbundsrats auf diese Bor­gänge.

Ich bitte Sie, veranlaffen zu wollen, daß die Angelegenheit auf die Tagesordnung der nächsten Tagung des Völkerbundsrats gefeht

wird.

Genehmigen Sie, Herr Generalsekretär , die Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung. gez. Curtius.

An den Ehrenwerten

Sir James Eric Drummond , A. C. M. G., C. B., Generalsekretär des Bölferbundes, Genf . Beigefügt ist das Beweismaterial, das zum größten Teil unseren Lesern schon bekannt ist. Bemerkenswert sind auch die Hetzaufrufe, der polnischen Nazis; man braucht nur statt Deutsche Margisten" zu feizen und die Aufrufe wären gebrauchsfertig für jeden Djaf oder Gruf.

System Stalin

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Schau, Aljofcha, da geht unser neuer Ingenieur, der bei uns den Fünfjahreplan in vier Jahren durch führen will"" Wird schwierig fein, Kolja, da wir ihn doch spätestens in einem Jahr als Schädling erschießen werden."

Der Aeltestenrat hatte sich auch mit den Vorschlägen feines Unterausschusses über die neue Diäteniegelung für die Abgeordneten beschäftigt. Die Vorschläge des Unterausschusses, wonach die Diäten um 20 Prozent gesenkt werden, wurden gebilligt. Weitere Aenberungen am Diätengeset follen nicht vorgenommen werden. Es wurde die Einfegung zweier neuer Ausschüsse beschlossen, und zwar eines Ausschusses für Liquidations- und Gewaltschäden und eines Ausschusses zur Förderung der Leibesübungen.

Seipels Geschoß.

Schober darf nicht das Polizeiwefen leiten.

Wien , 3. Dezember. ( Eigenbericht.) Die Christlichsozialen haben nach langer Beratung die Forderung des Schober- Blocks abgelehnt, die Direk tion des Sicherheitswesens aus dem Innenministerium herauszunehmen und dem als Vizekanzler und Außen­minister vorgeschlagenen Bundeskanzler a. D. Schober zu unterstellen. Darauf hat der Schober- Block die Ver­handlungen als gescheitert erklärt. Dr. Ender will auf diese Forderung des Schober- Blocks ,, noch zurück­kommen", zunächst berichtet er dem Bundespräsidenten .

Ein besonderes Innenministerium ist erst durch die Verfassungsänderung ermöglicht worden. Vorher, und zwar seit dem großen Sanierungsabbau von 1922, unter­stand die innere Verwaltung dem Vizekanzler, und bevor der Bundespräsident Miklas die Regierung Baugoin­Starhemberg einsekte, war der Landbundführer Schumy als Vizekanzler auch Chef des Sicherheitswesens. In dieser Eigenschaft hat er z. B. den Putschisten Pabst ausgewiesen. Wenn jetzt die Christlichsozialen das Sicherheitswesen nicht Schober überlassen wollen, so folgen sie damit Heimwehrwünschen, die ihre Erfüllung bedroht sehen, wenn ein gesegestreuer Mann und nicht ein Faschist der oberste Befehlshaber der Gendarmerie und Polizei ist.

Die christlichsoziale Reichspost" erklärt, Ender werde nua seine Mission in die Hände des Bundespräsidenten zurüd legen. Es bestehe die Wahrscheinlichkeit; daß der Bundespräsident den ge­wesenen Präsidenten des Nationalrats Dr. Gürtler beruft.( Die steirischen Christlichsozialen hatten Dr. Gürtler, den früheren Spitzenkandidaten, diesmal gar nicht aufgestellt!) ,, Die bürgerlichen Gruppen aber", so fährt das Blatt fort ,,, werden sich jetzt ent­schließen müssen, ob sie arbeiten wollen oder nicht." Einige Blätter, darunter auch die Arbeiter 3eitung", glauben, daß es zur Bildung einer Beamtenregierung fommen werde, die der befte Ausweg wäre, wenn sie neutral bleibe.

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Wie die Reichspost" erfährt, wird Dr. Seipel in den nächsten Tagen auf dringenden Rat feines Arztes in Erholungs. urlaub nach Meran gehen. Gewöhnlich verreift er, wenn's durch feine Schuld wieder mal fritisch geworden ist.

Verbindlichkeitserklärung.

Verschlechterung für die Metallarbeiter Sachsens .

In dem Manteltarifftreit der fächsischen Metallindustrie haben die Nachverhandlungen im Reichsarbeitsministerium am 21. No­vember 1930 über den Schiedsspruch vom 5. November 1930 zu feiner Einigung geführt.

Der Reichsarbeitsminister hat darauf den Schiedsspruch für verbindlich erklärt.