Einzelbild herunterladen
 

Freie Sozialistische Hochschule.

Karl Marg' Bedeutung für die Gegenwart.

Genoffe Profeffor Don After Gießen sprach am Sonnabend im Saal des preußischen Staatsrats vor den Hörern der Freien Sozialistischen Hochschule über das Thema ,, Karl Marg und die Gegenwart". Er erklärte es für eine Notwendigkeit, die beiden großen grundfäßlichen Leistungen von Karl Marg wieder ins Gedächtnis zurückzurufen in einer Zeit, wo man seine Arbeit gern für unvollständig oder einer befonderen sittlichen oder welt­anschaulichen Begründung für bedürftig erklärt. Die zwei Leistungen find: Bewußtmachung der Arbeiterschaft als soli= darische Klasse und der historische materialismus. Kar! Marg ist die beste Waffe gegen olle dilettantische und roman­tische sogenannte ,, Weltanschauungspolitit" der Leute, die einer nüch­ternen Begründung ihres angeblichen Sozialismus immer mit der Flucht in die Weltanschauung" ausweichen. Auch im sozialistischen Lager gibt es solche Richtungen, aber mir sehen ihre Gefährlichkeit am besten daraus, daß die reaktionäre und arbeiterfeindliche Partei, die fich nationalsozialistisch nennt, ihre Anhänger lediglich mit Hilfe eines solchen Weltanschauungsbreies geistig beherrscht.

Karl Marg' Grundfrage: Muß die Geschichte der Menschheit, die bisher immer die Geschichte von Klassentämpfen war, immer die Geschichte von Klassentämpfen bleiben, oder gibt es einen Ausweg"? ist von Marg aus leidenschaftlichem sozialem Ge­rechtigkeitswillen gegenüber der Enttäuschung der rein formale Gleichheit bringenden bürgerlichen Revolution entsprungen.

Er stellte die gesamte revolutionäre Leistung der bürgerlichen Wissenschaft, der klassischen Philosophie sowie der englischen klassischen Dekonomie in den Dienst seines raftlosen und unermüdlichen Forschungswillens. Er wandte insbesondere die Hegelsche Dialektif, d. h. die Erkenntnis, daß alle Entwicklung fein gleichmäßiges Bor­wärtsfließen, sondern ein Ringen widersprechender Kräfte und Er­scheinungen ist, auf die durchaus richtige bürgerliche Anschauung von den Gesetzen der kapitalistischen Wirtschaft an. Er suchte die be­wegenden Widersprüche und einander widerstreitenden Kräfte und fand sie in dem Widerspruch zwischen dem Wesen jeder Wirtschaft, der Bedarfsdeckung, und dem Profitstreben, der Trieb­feder der kapitalistischen Wirtschaft. Geschichtlich gesehen bedeutete das zugleich die Aufdeckung der auf ihrem Höhepunkt im Kapita­ lismus angekommenen Entwicklung der Klaffengegensätze und Klaffenkämpfe.

Die einzige an einem Ausweg intereffierte Kraft in der Gesell­schaft ist die Arbeitertlasse, die zu dem Bewußtsein ihrer damit gegebenen geschichtlichen Rolle gebracht werden muß. Die Krisen der kapitalistischen Gesellschaft, die, anscheinend durch blinde, dem Menschen unbewußt bleibende Kräfte, notwendig aus dem Widerspruch zwischen Bedarfsdeckung und Profitstreben entstehen, legen der Arbeiterklasse die Lasten dieses Systems auf. Die Krisen fonnte der Rapitalismus bisher durch Erweiterung seiner Märkte überwinden. Diese Epoche ist vorüber. Der Kapitalismus muß sich dem natürlichen Bedarf anpassen und damit eine Bedarfswirtschaft vorbereiten, auf deren Grundlage erst die politische Umgestaltung zum Sozialismus stattfinden tann.

Regierung Ender stellt sich vor. Gemäßigte sozialdemokratische Oppofition.

Wien , 6. Dezember. ( Eigenbericht.)

-

In der Freitagsigung des Nationalrats entwidelte Bundes. langlar Dr. Enber bas Programm ber neuen Regierung. Die Regierung habe fich fo führte Ender aus bei ihrer Ronstituierung von den Prinzipien ber bematratischen Re. publit leiten laffen. Bor allem beabsichtige sie zunächst Maß­nahmen zur Berbilligung der Bermattung, Maßnahmen im Juter effe der Landwirtschaft und zur Verbesserung des Exports fomie eine Reform der Arbeitslosenversicherung durchzuführen. In der aus wärtigen Bolitit werde die Pflege der freundschaftlichen Beziehungen zu allen Staaten, insbesondere zu dem großen deutschen Bruder ftaat, ernste Sorge der Regierung sein.

In der Debatte führte der sozialdemokratische Abg. Dr. Renner aus: Die faschistischen Anschläge haben unser Land an den Rand des Bürgerfrieges gebracht. Diese Regierung ist eine be­scheidene erste Abschlagszahlung auf das, was das Bolt am 9. November verlangt hat. Daß die Regierung Leute wie Baugo in aufgenommen hat, gegen den sich das Bolt gewandt hat, ist ein Verstoß gegen die Demokratie. Die Haussuchungen bei Schutz­bündlern find unerhört. Es waren Schuhbündler, die vor Jahren das Burgenland mit ihrem Leibe verteidigt haben, die in Kärnten gegen den äußeren Feind fämpften und bereit sind, auch Tirol gegen faschistische Angriffe zu verteidigen. Dafür hat man uns Rote Bestien" genannt. Es gibt nichts, was so schamlos und niederträchtig wäre, wie diese Handlungsweise des Herrn Vaugoin . Das Verhalten der Christlichsozialen hat fogar aus dem braven Bürokraten Schober einen Politiker und Staatsmann gemacht. Es gibt

feln Kompromiß zwischen Gesetz und Gewalt. Wir wünschen, daß bei den Handelsvertragsverhandlungen und auch sonst immer die Beziehungen zu Deutschland auf das innigfte gefördert merden. Wir sind auch els Oppofition zu jeder positiven Mitarbeit mit der Regierung berelt. Wir müssen aber fordern, daß man immer das Einvernehmen mit uns sucht. Aus der Rede des Bundeskanzlers ift burchgeflungen, daß er mit der Opposition den Weg der Berständigung finden will. Wir werden angesichts der Notlage des Landes es niemandem schmer machen, fich mit uns zu verständigen, aber gegen jebe Gemalt und gegen jeden Versuch, uns zu frechten, werben mir uns wehren."

Sozialdemokratischer Parteitag.

Wien , 6. Dezember( Eigenbericht.) 3m Arbeiterheim Dtatring( Wien XVI) ist der Parteitag der österreichischen Sozialdemokratie in Ammesenheit von mehr als 500 Delegierten zusammengetreten.

In seinem Geschäftsbericht vermies Abg. Danneberg 3- nächst darauf, daß der Wahlkampf die Schlagfertigkeit der Organi sation bewiesen habe. Er fuhr dann fort: Wir waren mitten in der Arbeit für das Boltsbegehren zugunsten der Altersversicherung, als wir plöglich in den Wahlkampf gehen mußten. Die Faschisten haben diesmal 8 Mandate erobert, aber

der Faschismus hat sich nur auf Kosten der bürgerlichen Parteien genährt und nicht auf Koffen der Sozialdemokratie.

Unsere

Der Angriff des Faschismus ist abgeschlagen worden. Feinde, mit denen wir es feit jeher zu tun hatten, find nicht die Faschisten, sondern die Christlichiozialen. Sie erhielten 1923 noch 45 Broz. der Wähler und waren die stärkste Bartei. Heute sind es nur noch 35/10 Proz., fie haben in 7 Jahren 9% Proz. der Stimmen verloren und sind jetzt schwächer als 1919. Seit 1923 hat sich die Zahl der Wähler um 338.000 ver­

Deutsche Treue- Drewitz'sche Drewitz'sche Schläue. W

Drewiß Dier, Herr Kanzler, bringe ich Ihnen Professor Bredt als Stüße für 3hr Kabinett."

BREDT

BRUNING

PREWITZ

SONDER STEUER

AUF

KONSUM­

KEREINE

R

Gonderfteuer auf Konfumbereine ganz aus: gezeichnet! Wir sind mit dem Preis zufrieden."

Natürlich, um onst fönnen wir diesen bedeutenden Kopi nicht hergeben. Was bieten Sie?"

SONDER

STEUER

AOF

KONSUN­

VEREINE

BREDT

Hier

bleiben!

So, nun hätte ich ja alles, was ich wollte. Kommen Sie, Bredt, wir fönnen wieder gehen."

Mosleys neueste Wandlung.

Manifest zugunsten einer Fünf Männer- Diftatur.

London, 6. Dezember.( Eigenbericht.)

Immer seltsamer wird die Baufbahn des jungen GirOswald Moslen, der sich innerhalb weniger Jahre vom fonservativen Abgeordneten zum Unabhängigen Arbeiterparteiler enimidelt hatte Er galt eine Beitlang als eine Hoffnung der jungen Generation in der Arbeiterpartei. Macdonald protegierte thn, nahm ihn als Unterstaatssekretär in seine Regierung auf, wo er ben Kabinetts. mitgliedern 3. S. Thomas und Lansbury mit ber speziellen Aufgabe der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit beigeordnet wurde.

Eines Tages überraschte er die Deffentlichkeit mit einem Memorandum, das eine ganze Reihe non, Borschlägen aum Kampf gegen die Arbeitslosigkeit enthielt, die das Kabinett als dilettantisch und illusorisch abgelehnt morden waren. Mosley gab daraufhin seine Demission. Auf dem jüngsten Parteitag der Labour Party in Clanderdus trat er nochmals für seine Ideen auf und hatte einen starken Achtungserfolg, der freilich vor allem durch die Abneigung erklärlich war, die ein großer Teil der Delegierten gegen die Politit von J. H. Thomas empfand. Nun ist Mosley

mit einem Manifeft" abermals hervorgetreten. in dem er eine Art ,, Diktaturprogramm" entwirft: ein Fünfmänner­kollegium sollte Bollmacht für die Durchführung eines Planes zur Ueberwindung der Wirtschaftskrise erhalten. Er versuchte sogleich. Unterschriften unter den Abgeordneten der Arbeiterpartei und den Gewerkschaftsführern zu sammeln, aber mit Ausnahme des Berg­arbeiterfetretärs Coot und einiger bisher JCP.- Leute hatte er wenig Erfolg. Marton und die Schotten lehnten rundweg ab und bekannten sich zur größeren, nicht zur geringeren Demokratie". Auch am Freitag zirkulierte das Rettungsprogramm" Oswald Mosleys im Unterhause. Die Anhänger dieses rechten Außenseiters der Labour Party gingen Unterschriften suchend umher, doch sie fanden wenig Gegenliebe. Die übergroße Mehrheit der Arbeiter abgeordneten ist entrüstet über Mosleys Disziplinlosigkeit, die

die nur den Konfervativen neuen Agllationsftoff liefern fann. Wirtschaftlich gießt Mosley in seinem Aufruf alten ein in einen neuen Schlauch. Da werden wieder Sölle als Gesundfur für Industrie und Landwirtschaft gefordert, und wenn der Berfaffer auch beteuert, er set meit von den tonservativen Bollplänen entfernt, so wird er dennoch nicht verhindern tönnen, wenn ihn morgen die Konservativen als einen ihrer besten& ron

3619003

Die Arbeiterpartei rückt von ihm ab. zeugen buchen und der Labourregierung entgegenführen können. Roniralle und Beschräntung der ausländischen Ein. fuhr ist ein metter reattionärer Borschlag zur Besaiti. gung der englischen Wirtschaftstrife. Weniger angenehm dürfte dem englischen Bürgertum die von Moslen geforderte Brobuftions. tontrolle fein, die Planwirtschaft und einen Wirtschafts. rat aus Verbrauchern und Produzenten. Damit aber jedem Tail etmas gegeben wird, mill Moslen auf der einen Seite bie Steuern erniebrigen und auf der anderen Seite den Ar beitern die Löhne erhöhen. Aues zusammen:

ein reaffionär- boljchewiftisches Programm, das einen unverstandenen Kapitalismus mit einem ebenso wenig perbauten Sozialismus zu einer ungenieß baren Soße vermengt. Mosley weiß, daß niemand in England sie schlucken könnte, ohne sich den Magen zu verberben. Deshalb fordert er zur Durchführung feiner Pläne eine Fünf Männer Dittatur. Das Parlament soll sich freiwillig zu einem Schatten degradieren und der Diktatur alle Rechte abtreten. Wäre Mosley nicht von einem grenzenlosen Ehrgeiz besessen, so hätte er sein Manifest im Busen bewahrt, denn es wird erfolglos verwehen

und fein Ansehen nicht bei dem Bürgertum und ganz besonders nicht in der Arbeiterpartei vermehren. Daß sich Mosley auch einen sehr schön aussehenden internationalen Hintergrund gibt, darf uns nicht dazu verführen. Rückschlüsse auf seine innen­politischen Gedanken zu ziehen. Mosley fordert auch die

Einstellung der internationalen Reparationszahlungen. Die gegenwärtige Generation' habe genug geleistet. Wie er aber das Ende der Reparationszahlungen herbeiführen will. läßt er eine offene Frage fein. Er weiß sehr genau, daß heute A merita den Schlüssel zu diesem internationalem Problem befizt, so daß es heute England nicht einmal der Arbeiterregierung möglich ist, mit den Bereinigten Staaten hierüber zu diskutieren,

in

Diese Tatsache sollte nicht nur in England, sondern in anderen Ländern Europas gut verstanden werden. Wenn wir Moslen nach feiner Rede auf dem legten Labourtongreß mit dem Deutschen Hitler perglichen haben und wenn am nächsten Tage die englische Bresse zustimmend diesem Bergleich angenommen hat, fo zeigt das Manifest Mosleys, daß er in der Tat mit den Gedankengängen eines Hitler sowohl innenpolitisch als auch außenpolitisch nicht sehr weit entfernt ist.

mehrt. Die Christlichsozialen haben feinen Anteil baran, fie haben gen zum Troz unter Hinweis auf seine geschwächte Gesundheit end­175 000 Stimmen verloren.

Die Sozialdemokraten haben 205 000 Stimmen gewonnen, zwei Drittel des Wählerzuwachjes find den Sozialdemokraten zugefallen.

gültig abgelehnt hatte. Anscheinend wilt er sich für die Präsidenten­wahl in fommendem Frühjahr in Reserve halten.

Barthous Aussichten auf Erfolg fönnen nicht allzu hoch bewertet werden. Er verfügt nur über wenige Freunde im Senat und über fast gar feine in der Kammer. Man nimmt an, daß er nach 24stündigen vergeblichen Bemühungen feinen Auftrag zurüd­

Wenn wir die Erfahrungen des Wahlkampfes verwerten, werden wir noch größere Erfolge erreichen. Wir stehen hier auf Vorgeben und dann der Senator Laval beauftragt wird Laval hat posten im Kampfe für die Demokratie und gegen Unfultur und Faschismus.

Barthou beauftragt. Poincaré hat endgültig abgelehnt.

Paris, 6. Dezemberr.( Eigenbericht.) Der Präsident der Republit hat am Sonnabend den Senator Louis Barthou mit- der Meubildung der Re gierung beauftragt, nathbent Poincaré allem Drän­

sich früher in der Arbeiterbewegung betä igt. Er hat fich mieter. holt als Minister, als gefchickter Tattiker und eifriger Politiker er= wiesen. Aber auch er ist schließlich nicht die Person des großen Formats, die zur friedlichen Ausbalancierung der in der Kon zentration zusammengespannten bisher festgelegten Kräfte'ig märe.

"

Die Schlußworte der Moskauer Angeklagten enffprachen nach dem Sowjetbericht ihren Geständnissen": Lobpreisung des Sowjet­staates, tiefste Rene, Selbstverfluchung und die Bitte, durch ehrliche Mitarbeit ihre Schadlingsarbeit wieder gutzumachen.