Ar. 515* 47. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Dienstag, 9. Dezember �930
Die Zuckerpreise herunter! Zuckerwirtschast-schlechieWirifchast!- Mehr als-125 Millionen Aussuhrverlust.
Die Sozialdemokratie hat im Reichstag ein Zniliativgeseh für eine Znckerpreissenkung um 3 M a r k eingebracht. Die Nooemberumfrage des Vereins der Deutschen Zucker� industrie gibt ein erschütterndes Bild von der Zuckerwirt- schaft des laufenden Jahres 1930/31(1. September bis 31. August): die voraussichtliche Produktion übersteigt den Verbrauch des Jahres 1929/30 um nicht weniger als 40 Proz., oder anders ausgedrückt: für 29 Proz. der ganzen Produktion gibt es auf dem deutschen Markt keinen Absatz. Damit ist das eingetreten, was die Sozialdemokratie bei der Zuckerzoll- erhöhung und der dabei erfolgten Höchstpreissetzung voraus- gesagt hat: der zu hohe preis hak eine Verbrauchssteigerung verhiuderk. so daß die Vorräte(etwa 2,5 bis 3 Mill. Doppelzentner) nicht verschwunden, sondern größer geworden sind: auf der anderen Seite war der hohe Preis ein steter Anreiz zur Ausdehnung des Rübenbous. Die Anbaufläche war am kleinsten im Jahre 1922/23 mit 332 000 Hektar; sie ist dann von Jahr zu Jahr gewachsen: 1927/28......... 406 000 Hektar 1928/29......... 429000, 1929/30......... 433 900, 1930,31......... 467 200. Stärker also noch als in den Vorjahren, nämlich um 33 300 Hektar oder um 7,68 Proz., war die Zunahme im laufenden Jahr. Mit dieser starken Ausdehnung der Anbaufläche trifft zu- sammen eine Rübenernte, die den besten der Vorkriegszeit nicht nachsteht. Der Ertrag pro Hektar stieg gegenüber dem Vorjahre von 276 auf 323 Doppelzentner Rüben, so daß die Gesamtmenge der gecrnteten Rüben um nicht weniger als 27 Proz., von 119,37 auf 151,03 Mill. Doppelzentner gestiegen ist. Nur dem geringeren Zuckergehalt der Rüben dieses Jahres, der eine Ausbeute von nur 15,52 gegen 16,38 Proz im Vorjahre gestattet, ist es zu �danken", daß der Ueberfluß nicht noch katastrophaler wird. Da der Verbrauch im Jahre 1929/30 nur 16,54 Mill. Doppel- zentner betrug, hat die„A us f u h r v e r e i n i g u n g". der sämtliche deutsche Zuckerfabriken angehören, beschlossen, 25 Proz.. also ein volles Viertel der Produktion, auszuführen. Der Ausfuhrverlust belastek jeden im Inland verzehrten Zentner Zucker mit 4,35 Mark. Diese Ausfuhr ist nur unter größten Verlusten möglich, da der Weltmarktpreis für einen Zentner Verbrauchszucker zur Zeit etwa 6,50 M.. der deutsche Inlandspreis aber(ohne Steuer und Sack) 19,50 M. beträgt(der Höchstpreis der angeblich nur gerade die Unkosten deckt, ist 20,50 M.). Ausfuhrnachweise über die erfolgte Zuckerausfuhr werden an den Börsen mit 10,80 M. für einen Zentner Rohzucker gehandelt; auszuführen sind mindestens 5,82 Mill. Doppelzentner Rahzucker, so daß sich der Ausfuhrverlust auf mindestens 125,71 Mill. M. beläust. Dieser Verlust bedeutet für jeden im Inland verbrauchten Zentner Verbrauchszucker eins Belastung von sage und schreibe 4,35 M. Eine verrückte Wirtschaft! Dabei ist der verbrauch vom preis abhängig! Zum Beweis ein paar Zahlen: Sctbroiid) pro Kopf Durchschnittoder BevSlterung preis 1926/27..... 24,11 kg 32,67 RM.") 1927/28..... 25,57, 26,65.*) 1928/29..... 26,50, 25,40.*) 1929/30..... 25,79. 26,59.*) ') Davon Steuer und Sock--» 5,75 931..„. ••) Die Preissenlun!, von lS2«i27 ,u 1927/26 erklärt sich aus der Halbierung der Zuckersteuer; Steuer und Cack-- 1t M.
Selbst die Zuckerindustriellen sollten aus diesen Zahlen ersehen können, daß der Verbrauch stieg, solange der Preis fiel, daß der Verbrauch sofort zurückging(1929/30), als der Preis erhöht wurde. Zucker ist eben ein Nahrungsmittel, das nicht ganz so lebens- notwendig ist, wie etwa Brot und dessen Verbrauch sehr stark vom Preis und vom Einkommen der Konsumenten abhängt.
st.M.beri* Kg.
R.MHezw. Kg.
29
28
27
26
25
24
1926/27 192%8 192� 192%0
30
29
28
27
26
25
24
Wäre der Zuckerverbrauck) in Deutschland nur annähernd so hoch wie in anderen Kulturländern(Dänemark— 56, Vereinigte Staaten — 55. England— 45 Kilogramm), nicht ein Zentner Zucker brauchte ausgeführt zu werden. Was aber tut die Zuckerindustrie? Sie beschloß im Oktober, zur Zeit des offiziellen Preisabbaus, eine Liefersperre für Zucker, um den Preis allmählich erhöhen zu können, da er ja noch eine Mark unter dem Höchstpreis stehe (als wenn die Festsetzung eines Höchstpreises die moralische Ver- pslichtung in sich schlösse, ihn nicht zu unterbieten!). Die Folgen einer Preiserhöhung sind aber klar: Weiterer Verbrauchsrückgang, erhöhte Ausfuhr, erhöhte Ausfuhrverluste! Diese Art Zuckerwirtschast darf nicht weitergehen. Sie ist reine Mißwirtschast. Um den Verbrauch anzuregen und die Ver- lustexporte zu beseitigen, kann und soll der Zuckerpreis um mindestens 3 M. gesenkt werden. Aber die Unternehmer rufen nach dem Staat, damit er ihre Mißwirtschaft noch„planwirtschaftlich" regele.
Verlustwirtschast im Ruhrbergbau? Falsche Bergherrenrechnung- Eine Lohnsenkung ist überflüssig!
Die Bergbauunternehmer des Ruhrbergbaues versuchen immer wieder der Ocffentlichkeit plausibel zu machen, daß im Ruhrbergbau mit Verlust gearbeitet weide, upd deshalb die Löhn« gesenkt werden müßten. Das„8-Uhr-Abei.dblatt" vom 25. November brachte Aeußcrungen des Vorsitzenden des Zechenvcrbandes und leitenden Direktors der Gruppe Dortmund der Vereinigten Stahl- wcrke, Herrn Dr. Brandt. Herr Dr. Brandi erklärt, daß die Herabsetzung der Sohlenpreise ab I.Dezember für die Industrie nur tragbar sei. wenn es gelinge die Selbstkosten zu senken. Die Senkung sei aber nur durch einen Abbau der Löhn« möglich. Der Lohn- antcil betrage, wie bekannt, immer noch 65 Prozent der g e- samten Selbstkosten.- Der einzeln« Bergmann, so behauptet Herr Dr. Brandi, habe wohl Verständnis für die Forderung der Unternehmer, die Löhne um mindestens 10 Prozent zu senken. Nur die bösen G e- werkschaften würden wieder mit ihren alten Argumenten kommen, wonach im Nuhrbergbau neben den Abschreibungen immer noch ein Gewinn— vor der ab 1. Dezember eingetretenen Preis- «rmäßigung— von 4,50 Mark je Tonne erzielt worden fei. Die Bergarbeiter werden angesichts ihres kargen Einkommens über Brandis Behauptung den Kopf schütteln. Nun müßte es den Bergwerksunternehmern ein leichtes sein, das Material der Gewerkschaften dadurch zu ent- k r ä f t e n, daß sie ihm die tatsächlichen Selbstkosten- und Erlöse gegenüberstellten. Selbstverständlich brauchte das nicht öffentlich zu geschehen. Das lehnen sie aber bis jetzt hartnäckig ab. Statt dessen versuchen sie durch aufgemachte Rechnungen das Material der Gegen- feite zu entkräften. Herrn Brandis falsche Behaupkung. Eine solche Rechnung bringt auch Herr Dr. Brandt. Er führt an, daß die Gewerkschaften mit 9 Mark Arbeitstosten je Tonne rechneten, die Unternehmer mit etwa 10,20 Mark Je Tonne. 0t will«wer die 9 Mark als wahr unterstellen, um nicht auf Einzel»
hellen einzugehen. Nun behauptet Herr Dr. Brandi kühn, die Ge- werkschaften rechneten den bisherigen Fettförderkohlenpreis von 16,89 Mark als Erlös, das sei auch falsch. Die Herren vom Kohlensyndikat würden bei Besprechung des Preisproblems das schon auseinandersetzen, Die Herren vom Kohlensyndikat werden sich hüten, das zu tun, weil sie wissen, daß der Förderkohlenpreis von 16,89 Mark von den Gewerkschaften niemals angenommen worden ist, und Herr Dr. Brandi mußte das genau so gut wissen. Herr Dr. Brandi rechnet nun folgendermaßen: 9 Mark Arbeit-kostcn plus 4,50 Mark Gewinn— 13,50 Mark, Erlös 16,89 Mark. Für Abschreibungen, Materialien, Dampf und Strom, Steuern und Frachten, allgenieine Unkosten verbleiben dann nur noch 3,39 Mark. Nach Schwalenbach müßten 1,74 Mark abgc- schrieben werden, die Materialien würden von den Gewerkschaften selbst mit 2,50 Mark errechnet. Wenn die Rechnung der Gcwerk- schaften richtig wäre, dann müßte ein Erlös von 18,20 Mark erzielt werden. Zu den Erlösen ist zu sagen, daß Herr Brandi die Neben- Produkte vollständig außer acht läßt. Bei den Berechnungen der Gewerkschaften sind sie einbezogen. Im Gegensatz zu Herrn Dr. Brandi sind w i£ jetzt gezwungen, auf Einzelheiten einzugehen. Die folgende Selbstkostenrech- nung baut sich auf die Arbeitstosten auf, die, wie Dr. Brandi selbst angibt, 65 Proz. der gesamten Selbstkosten betragen. Ueber die Arbcitskosten kann es einen Streit eigentlich nicht geben, weil dafür genau« Unterlagen vorhanden sind. Der Schichtförderanteil das ist das Leistungsergebnis j« Mann und Schicht, hat im August dieses Jahres, berechnet auf verwertbare Förderung, 1352 Kilogramm betragen. Davon sind für Zechenselbstoerbrauch und Deputatkohlen 9 Proz. abzusetzen, dann verbleibt ein Schichtsörderanteil, berechnet auf absatzfähige Förde- rung von 1250 Kilogramm Der Durchschnittsbarver dl en st der Gesamtbelegschaft ohne Nebenbctrieb« hat im August 9,06 M betragen. Für Gehälter sind 16 Proz. des Lohnantells eingesetzt. An Urlaubsvergütung ist der Durchschnittssatz des letzten
Urlaubsjahres von 0,25 M je Tonne, wie er sich aus der amtlichen Statistik ergibt, eingesetzt. Die Versicherungsbeiträge der Arbeitgeber betragen je Tonne 1 M. Es ergibt sich somit folgende richtige Rechnung je Tonne: Durchschnittslohn 9,06 M.- 1000„,™ (SchichtsordcranteTi) 1250-= LohnanteU 7,25 M. je Tonne Gehälter 16 Proz des Lohnanteils....1,16„,„ Versicherungsbeiträge der Arbeitgeber... 1.—... Urlaubsvergütung.......... 0,25„„ Arbeitskosten... 9,66 M je Tonne Die Arbeitskosten betragen wie gesagt 65 Proz. der gesamten r- rt-ci. n 9,66 M• 100., O« rn..~ Selbstkosten- �-= 14,86 M. je Tonne. Das sind die Selbstkosten für den Durchschnitt des gesamten Reviers. Die Berechnungen der Gewerkschaften und der Unternehmer bei den Lohnverhandlungen im September bezogen sich aber nicht auf das gesamte Revier, sondern auf die drei von Schmalenbach iin Jahre 1928 untersuchten Zechengruppen. Bei diesen beträgt der Schichtförderanteil aber mindestens 1430 Kilogranim auf verwert- bare Förderung, abzüglich 9 Proz. Zechenselbstoerbrauch und Deputate ergibt 1301 Kilogramm auf absatzfähige Förderung. Di« Löhne sind bei diesen Werken niche höher als der Gesamtdurchschnitt. Hier ergibt sich demnach folgendes Bild: Durchschnittslohn je Schicht 9.06 M.- 1000„..'e*0™e (Schichtsörderanteil),.- 1301- Lohnante.l 0.96 M. Gehälter 16 Proz des Lohnanteils......... 1,11„ Versicherungsbeiträge der Arbeitgeber....... 1,—„ Urlaubsvergütung............... 0,20„ Arbeitskosten... 9,27 M. Die gesamten Selbstkosten betragen demnach: 9-�-100- 14,26 M. 65 Gegen diese Feststellung werden Einwendungen nicht erhoben werden können. Hiernach bleibt für die drei von Schmalenbach da- mals untersuchten Zechengruppen ein Gewinn von ungefähr 2 Mark je Tonne Kohle einschließlich Koks. Nicht erfaßt sind aber di« Gewinne aus den Neben- Produkten. Diese kommen zu den ungefähr 2 M. noch hinzu. Hierzu bemerken wir nur, daß die Preise für Benzol seit der Unter- suchung durch die Schmalenbach-Kommission ganz erheblich gestiegen sind, während die Gestehungskosten ganz bestimmt nicht gestiegen sind. Gefallen sind allerdings die Teerpreise. Das wiegt jedoch die Steigerung der Benzolpreise nicht auf. Es ergibt sich also einwandfrei, daß die Senkung der Kohlen- preise ohne Abbau der Löhne getragen werden kann. .Alb. Martinöller. Der neue Zemeniblock. Auf der Generalversammlung der Schle fischen Port- landzementindustrie A.-G., eines der größten deutschen Zementkonzerne, wurde der Jnteressengemeinfchaftsvertrag mit dem führenden süddeutschen Konzern der Portlandzementwerke A.-G., .Heidelberg -M.annheim-Stutt.gart, genehmigt. Der Vertrag, der im Grunde weit über den Rahmen einer üblichen Interessengemeinschaft hinausgeht und neben enger per- soneller Bindung die Absatzpolitik der beiden großen Konzerne auf eine gemeinsame Linie bringt, hat zur Zusammenfassung von rund 3 2 Proz. der gesamten deutschen Zementproduktion geführt. Der Vorsitzende unterstrich auf der Generalversammlung noch einmal den Zweck des Zusammengehens, das im Hinblick auf die drohend- Sprengung der Zementsyndikate ein Gegengewicht gegen die dann bevorstehenden Kämpfe um den Markt bilden solle. Zugleich wurde mitgeteilt, daß die gleichfalls vom schlesischen Konzern kontrollierte Adler-Zementwerke A.-G. umgestellt werden soll und dos zur Zeit stilliegende Jenaer Werk dieser Gesellschaft modernisiert werden wird. Erhöhie Mengenumsähe der Warenhäuser. Starker Rückgang des wertmäßigen Umsatzes im Oktober. Der Rückgang der w e r t m ä ß i g e n U m s ä tz e hei den Waren- Häusern, der von Januar bis September etwa 3,8 Proz. gegenüber dem Vorjahr ausmachte, hat sich im Oktober mit einem Rück- gang von 8,4 Proz. erheblich gesteigert. Allerdings waren auch d i e Preise bei den Warenhäusern erheblich zurückgegangen und stellten sich bei Bekleidung gegenüber dem Oktober 1929 um 7,1 Proz., bei Herren- und Knabenkleidung um 3.4 Proz., bei Frauen- und Mädchenkleidung um 7,7 Proz. und bei der Ernährung um 9,3 Proz. niedriger. Wie die Zeitschrift für Waren- und Kaufhäuser hierzu feststellt, geht der Preisrückgang offenbar über das Sinken des wertmäßigen Umsatzes bei den Waren- Häusern Hinaug, so daß eine Steigerung des Mengenumsatzes on- genommen werden kann. Besonders groß war das Steigen der Umsatz mengen in den Lcbensmittelabteilungen. Hier ging der Umsatz im Oktober trotz des Preisrückganges wertmäßig um 7,6 Proz. über den Stand des Vorjahres hinaus. Dagegen blieben die Umsätze in der Gruppe Bekleidung im Oktober um 12 Proz. und in den zehn Monaten des lausenden Jahres zusammen um 6 Proz. hinter der gleichen Zeit von 1929 zurück. Hochkonjunktur im Ericsson-Konzern. Der große schwedische Telephonkonzern L. M. Ericsson errichtet in Stockholm eine neu« Telephon fabrik , in der etwa 8000 Arbeiter beschäftigt werden sollen. Der Neubau hat sich notwendig gemacht, um jetzt schon vorliegenden und den noch zu erwartenden großen Aufträgen, insbesondere von auswärts, ge- wachsen zu sein. Die Vermutung, daß die Ericsson-Gesellschaft da- durch, daß Ivar Kreuger , der Beherrscher des internationalen Zündholztrusts, sie unter seine Kontrolle gebracht hat, ihre Finan- zierungskräfte gewaltig verstärken und ihre Konkurrenzfähigkeit gegenüber den anderen großen Schwachstromgesellschasten bedeutend heben würde, hat sich also bestätigt. Erst vor kurzem hat Ericsson das Kapital von 60 auf 100 Millionen Kronen erhöht. erst im Juli wurde ein« andauernde Zunahmeder Aufträge mitgeteilt, und di« Verwaltung sagte,„von der Depression sei nichts zu merken, die Aussichten seien weiter gut und Bestellungen für ein Jahr vor- Händen, Preisrückgänge seien nicht zu verspüren". Auch die zahl- reichen ausländischen Tochtergesellschaften der Ericsson-Gesellschaft sind vollbeschäftigt und konnten 1930 ihre Gewinn« vielfach erhöhen.