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Steeg betraut, aber chancentos. Arbeitsruhe am Weihnachtsabend.

Kommt Briand troh Doumergues Gegnerschaft?

Paris , 11. Dezember.( Eigenbericht.)

Als dritten Kandidaten für die Regierungsbildung hat der Prä­fident der Republit am Donnerstag den raditalen Senator Steeg berufen. Dieser hat mit seiner Ernennung zum General residenten in Marotto den Höhepunkt seiner politischen Karriere überschritten und genießt weder im Senat noch in der Kammer das nötige Ansehen, um die schwere Aufgabe zu lösen, an der seine Vor­gänger gescheitert sind. Er soll auch schon dem Präsidenten der Republik erflärt haben, daß er seine Erfolgsaussichten nur gering einschätze. Trozdem hat er seine üblichen Besprechungen zunächst mit Poincaré , Briand und Barthou aufgenommen. Man erwartet, daß er in wenigen Stunden den Beweis für die Aussichts­lofigkeit seiner Bemühungen erbracht haben dürfte, um dann seinen Auftrag wieder zurückzugeben.

Steeg hat, wie übrigens zahlreiche andere Politiker, dem Prä­fidenten der Republik den Außenminister Briand als den aus sichtsreichsten Ministerpräsidenten in Borschlag gebracht. Es zeigte sich aber wiederum, daß Doumergue aus Opposition gegen die Außenpolitik Briands dessen Berufung nach Möglichkeit vermeiden will. In den Wandel­gängen der Kammer hat diese Mißachtung der parlamentarischen Stimmung bereits sehr scharfe Kritit gefunden und man fragt fich, ob Doumergue es auf einen Konflikt mit dem Par Iament ankommen lassen wolle, obwohl ihm die schlechten Er­fahrungen seines Vorgängers Millerand eine genügende Warnung sein sollten. Die Entscheidung über diese Frage wird am Freitag fallen. Nach einem Mißerfolg Steegs müßte notwendiger­weise Briand mit der Regierungsbildung beauftragt werden.

Stahlbergs Entführer vor Gericht. Hinter verfchloffenen Türen.

Es bleibt beim 5: hr- Ladenschluß.- Neuer Lärm im Reichstag.

Der Reichstag beriet am gestrigen Donnerstag nachmittag zunächst einen Antrag der Deutschnationalen , wonach der Rechts anspruch auf Entschädigung für Aufgabe des Stellenvermittler­betriebes so wie im§ 55 des Gesezes von 1927 festgesetzt werden soll. Abg. Dr. Jaeger( Dnat.) begründete diesen Antrag, worauf Abg. Schröter- Merseburg ( Komm.) das Wort ergriff. Die Nazis blieben zunächst vorschriftswidrig im Saal und verließen ihn erst auf miederholte zurufe der Kommunisten, von denen einer dazu meinte: Auszug der Kinder Israels. "( Allgemeine Heiter­feit.) Schröter verlangt fofortige Aufhebung der gewerbsmäßigen Stellenvermittlung ohne Entschädigung und Kontrolle der Arbeits­ämter durch die kommunistischen Erwerbslosenausschüsse. Nach einer Rede des Abg. Dr. Pfeffer( D. Bp.) wird der An­trag dem Ausschuß überwiesen. Es folgt der Ausschußericht über die Anträge der Wirtschaftspartei, den 5- Uhr- Ladenschluß am Weih­nachtsabend wieder abzuschaffen.

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Abg. Frau Reitze( Soz.):

Bereits im Herbst 1929 hat sich der Reichstag auf unser Ver­langen mit dieser Sache beschäftigt Die Wirtschaftspartei hat auchy damals die Aufhebung des 5- Uhr- Badenschlusses verlangt. Obwohl man sich längst auf den 5- Uhr- Ladenschluß hat einrichten tönnen, verlangt man jest wieder die Aufhebung. Dabei haben sich doch gar feine Schwierigkeiten für die Durchführung ergeben. Es ist auch fein weiterer Rückgang des Konsums dadurch eingetreten, als der tägliche und stündliche Rückgang infolge der Wirtschaftskrise. Sorgen Sie( zur Wirtschaftspartei) für

rechtzeitige Auszahlung der Löhne und Gehälter, dann werden die Geschäfte feinen größeren Ausfall haben, als ihn eben die Krife bedingt.

Durch ihre Verachtung aller jozialen Interessen schaltet sich die Wirtschaftspartei selbst aus. Die Not, die Sie beklagen, ist nur ein Teil der allgemeinen Not. Das wissen auch die Angestellten und die Hausfrauen, die sich mit Helsingfors , 11. Dezember.( Eigenbericht.) Entrüftung gegen Ihre Partei wenden, weil diese ständig gegen die Intereffen der Angestellten, Arbeiter und Beamten sich kehrt. Die Entführer des finnischen Expräsidenten Stahlberg stehen seit Mittwoch vor Gericht. Angeklagt find In Hamburg hat sich längst alles daran gewöhnt, daß nur an einem unter anderen der frühere finnische Generalstabschef al- Sonntag im Dezember die Läden offen sind. Ebenso ist in vielen lenius und mehrere höhere Generalstabsoffiziere. Städten der 5- Ühr- Schluß am Weihnachtsabend längst eingeführt. Erfreulicherweise und auf unser Verlangen führt der Gesetzentwurf auch für die Angestellten des Gastwirtsgewerbes den freien Weih nachtsabend ein. Aber

In der Donnerstagsigung des Gerichts verlas der Rechtsver­treter des seinerzeit entführten Expräsidenten ein Schreiben, in dem auf eine Geheimfonferenz attiver finnischer Offiziere ver­miesen und festgestellt wird, daß die Offiziere sich unter Führung des Angeklagten Ballenius und eines anderen inzwischen ebenfalls

verhafteten Oberstleutnants auf die Errichtung einer Dit. tatur geeinigt hätten. Eine der zur Errichtung dieser Diktatur ver­einbarten Attionen bestand in der Entführung angesehener Ber­jönlichkeiten des Landes wie Stahlberg. Seine Entführung schei terte furz vor der russischen Grenze, wie die Angeklagten zugaben, infolge eines Zufalls. Die eigentlichen Entführer hatten einen telephonischen Befehl aus dem Oberkommando der finnischen Armee mißverstanden.

Die Gerichtsverhandlung gegen die an der Entführung Stahl bergs beteiligten Offiziere murte am Donnerstag nachmittag unter Ausschluß der Deffentlichkeit fortgesetzt.

Ein Schwindelmanöver in Ungarn .

Brieffälschungen gegen Sozialdemokraten. In Budapest merden bemnächst die Gemeindewahlen vorgenommen. Die Monarchisten haben inzwischen einen Wahl schlager nach Art des Sinomjeff- Briefes erfunden.

Das Legitimistenblatt veröffentlichte dieser Tage in Fat simile Briefe der sozialdemokratischen Führer Garami und Szabo sowie einen Brief des Führers der tschechischen Sozial­demokratie Dr. Soukup, die beweisen sollen, daß die ungarische Sozialdemokratie von den tschechischen Sozialisten subventio

niert werde.

Die sozialdemokratische Repizava" beweist demgegenüber durch die Wiedergabe der wirklichen Namenszüge der beiden in Frage kommenden ungarischen und des tschechischen Sozialisten, daß der von dem Monarchistenblatt veröffentlichte Brief eine plumpe Fälschung ist. Zugleich gibt das Blatt eine Erklärung des tschechischen Sozialisten Soutup wieder, baß er den peröffent. lichten Brief nie geschrieben habe. Inzwischen ist wegen der Fälschungen gegen das monarchistische Blatt Strafanzeige erstattet worden. Der Wahlschlager der Monarchisten hat also mit einem tläglichen Fiasto geendet.

Hugenbergs Bresse hat die Fälschungen des ungarischen Blattes selbstverständlich auch verzeichnet, und zwar als Beweis für den Mangel an Nationalgefühl der internationalen Sozialdemokratie. In ihrer Agitation gegen die Sozialdemokratie schreckt die Hugenberg Bresse felbst vor der Wiedergabe des gemeinsten Schwin­dels nicht zurüd. Ob sie sich wenigstens dementiert, nachdem sie jetzt wieder einmal bei ihrem fmuzigen Geschäft ertappt worden ist?

Kein Kino am Sonntag! Bom 150 Jahre alten englischen Gesetz verboten. London , 11. Dezember. Große Aufregung erregt in der Morgenpresse eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, der feststellt, daß auf Grund einer Atte aus dem Jahre 1781, die sich auf die Seilighaltung des Sonntags bezieht, die Beranstaltung von Kinovorstellungen an Sonntagen dem Gesetz widerspreche. Die Londoner Kinobesitzer werden heute eine Versammlung abhalten, um zu dieser Entscheidung Stellung zu nehmen. Der Sekretär der englischen Gesellschaft für die Heilighaltung des Sonntags sprach seine Genugtuung über diese Entscheidung aus, befürchtet jedoch, daß die Folge davon die Einbringung einer parlamentarischen Gesezesvorlage sein werde, die alle Sonntagsvergnügungen gestatten würde.

Katholische Prestonzentration. Wie das Düsseldorfer Tageblatt meldet, schweben in der gesamten fatholischen Tages­preffe Westdeutschlands seit Monaten Berhandlungen zwischen den einzelnen Berlagen darüber, wie im Intereffe einer weitgehenden fatholischen Berstärtung des Einflusses der Tagespreffe Susammenschlüsse und Rationalisierungsmöglich feiten durchgeführt werden können. Im Zusammenhang hiermit ver lautet, daß die Görreshaus A.-G.( Kölnische Volkszeitung") im Begriffe stehe, das Düsseldorfer Tageblatt" au erwerben.

man muß das Personal davor schützen, noch nach Ladenschluß stundenlang weiter beschäftigt zu werden.

Im Ausschuß hat der Sprecher der Nationalsozialisten der Birt schaftspartei vorgeworfen, daß fie mur ans Geldverdienen denke. Darauf antwortete die Wirtschaftspartei, die Nationalsozialisten sollten eingedent sein, daß sie hunderttausende Mittelstandsstimmen bekommen haben.( Heiterkeit.)

Die Einführung des freien Weihnachtsabends für das Gast­gewerbe ist um so nötiger, da die Nachtarbeit in diesem Gewerbe die Regel ist, die das Familienleben zerstört und den Vater oft genug von seinen Kindern fernhält. Dabei ist aid soildnapali die Arbeitszeit im Gastgewerbe noch immer vom Gesetz so gut wie gar nicht begrenzt; nur dort, wo die Gewerkschaft Wandel fchaffen fonnte, ist es schon beffer geworden.

S14 UG&

Ein Teil der Gastwirtschaften schließt am Weihnachtsabend bereits um 7 Uhr. Die anderen werden froh sein, wenn sie sich die Betriebs­ausgaben an einem Abend sparen fönnen, an dem doch teine oder nur sehr menige Gäste fommen. Der Gesezentmurf stellt einen Fortschritt dar. Wir stimmen ihm zu.( Lebhafter Beifall der S33.) Abg. Lic. Schmidt- Westfalen( Christl.- Soz.) tritt für den Gesetz­entwurf ein und verlangt gleichfalls, daß die Angestellten dagegen geschügt werden, nach Ladenschluß noch beschäftigt zu merden. Auch die Gastwirtsangestellen müssen einen freien Weihnachsabend haben. Den wirtschafte parteilichen Antrag auf Aufhebung des Gesetzes vom Vorjahre verstehen wir nicht. Aufklärende Reklame tönnte vom Heiligabend den Verkaufsbetrieb fortziehen. Zwei Adventsonntage genügen für den Weihnachtsverkauf.

Abg. Borrmann( Wp.): Dem Kleingewerbe wird die Weih­nachtsfreude genommen, wenn es in den Abendstunden des Heilig. abends nicht noch ein gutes Geschäft machen tann, was bei den fintenden Preisen und der sinkenden Handelsspanne( Heiterkeit und Widerspruch links) jezt ohnehin sehr erschwert ist.

Die Angestellten haben ja meist ein besseres Einkommen als die Kleingewerbetreibenden.

( 3uruf links: Schwindel!) Bir lehnen deshalb den Ausschuß entwurf ab. Zum mindesten fallten die Bestimmungen über die Schließung der Gastwirtschaften im Interesse der anhanglosen Junggesellen und Witwer gemilbert werden.( Heiter. feit links.)

Frau Abg. Himmler- Chemniz( Komm.) schildert die besondere Not und Ausbeutung der Angestellten im Kleinhandel und fordert den 5- Uhr- Ladenschluß für jedes Wochenende. Der Weihnachts­zauber des vorliegenden Gesetzentwurfs folle nur den Klaffenkampf dämpfen.

Abg. Dr. Pfeffer( D. Bp.) behauptet, daß die Vorlage über die Interessen wichtiger Voltsteile leichtfertig hinweggehe. Die Wirt faftspartei hätte einsehen sollen, daß der Kampf gegen dieses Gesetz gegenwärtig zwedlos ist; sie hat

mit ihrem Aufhebungsantrag erst die Gelegenheit zur weiteren Verschlechterung des jetzigen Zustandes geschaffen.

Wir stimmen gegen die neue Faffung des Gesetzes und beantragen die Beibehaltung des 6- Uhr- Ladenschluffes für Lebensmittelgeschäfte. Abg. Jäger- Celle( Dnat.) spricht im gleichen Sinne, angeblich im Interesse der Verbraucher.

Abg. Stöhr( Natsoz.): Der Weizen der Sozialreaktion wird nicht mehr in die Halme schießen, das ist endgültig vorbei. Wir sind für vollständige Sonntagsruhe und früheren Ladenschluß am Weih. nachtsabend. Die Zentrumspartei unterstellt uns wieder einmal Feindschaft gegen die latholische Kirche und schlachtet die Rede unseres Kollegen Dr. Frant II über politische Schmußgeschäfte des Zen trums aus.

Das Zentrum ist aber nicht die fatholische Kirche, und Frank II hat damit auf die Preußenpolifit des Zentrums gezielt. Eine Ausnahme vom Ladenschluß halten wir für den Blumenhandel angebracht, weil die Blumen sonst zu früh vermelfen.( Buruf links: Auch für die Mäusegeschäfte? Heiterfeit.) Die Gaststätten sollen früher schließen, damit nicht Gelegenheit zum Luderleben ge geben wird.( Heiterfeit links.) Ich war auch Junggeselle, aber am Heiligabend hatte ich immer genug fittlichen Halt, um nicht in die Kneipe zu gehen.( Heiterfeit links, Beifall rechts.)

Abg. Weijer( 3.) spricht für die Vorlige.

Abg. Schwarzer( Bayr. Bp.) spricht von übereilter Gefeß­macherei, erklärt sich aber im allgemeinen für den Entwurf, wünscht jedoch eine Differenzierung zwischen Stadt und Land.

Abg. Adolph( Boltsnat.) tritt für die Neuregelung ein.

Die Abstimmung wird vorläufig ausgefeßt. Eine Aenderung des Reichspostfinanzgefezes wird ohne Debatte beschlossen. Es folgt der Bericht des Haushaltsausschusses über die Hilfsmaßnahmen aus Anlaß der Koch­wafferfatastrophe in Preußen, besonders in Ober: und Niederschlesien .

Abg. Schwobe( Dnat.) spricht gegen die Gewährung von Hoch wasser trediten, die die Landwirtschaft nie zurückzahlen könne, und verlangt verlorene Staatszuschüsse, Steuerniederschlagung und Verteilung der Flußbautatasterbeiträge auf breitere Kreise. Abg. Kajche( Natsoz.) verlangt eine Verbindung von Osthilfe und Hochwasserhilfe, um dem Osten das Rückgrat gegen Polen zu stärken. Wir verlangen Vereinfachung des Antragsverfahrens, das bei der Osthilfe, der Karrikatur einer Hilfsaktion. viel zu fompliziert

war.

Wir fordern ebenfalls verlorene Zuschüsse an Stelle von Krediten, denn die Hochwassernot darf nicht zur Verschärfung der Zinstnechtschaft ausgenügt werden.( Händeklatschen der Natioz.) Der Redner beschuldigt die Regierung, eine Aussprache über den Polen terror zu verhindern.( Bizepräsident Effer ermahnt den Redner zur Sache. Bei der mehrmaligen Wiederholung dieser Ermahnung machen die Nazis durch andauerndes Händeklatschen die Worte des Bizepräsidenten unverständlich.) Schließlich redet Kasche von den Bolizeifostenzuschüssen, worauf ihm der Bizepräsident Effer das Wort entzieht.( Pfui- Rufe der Natsoz. und heftige Beschimpfungen gegen den Vizepräsidenten, der dafür einige Ordnungsrufe erteilt, u. a. dem Abg. Goebbels , ohne dem Geschrei Einhalt tun zu können.) Abg. Ehrhardt( 3.) bleibt minutenlang in dem Störungspalaver der Nazis unverständlich. Als er sagt, man müsse eigentlich staunen, wiederholen die Nazis im Chor: Ja, man muß staunen! Als der Redner fortfährt: Die Bevölkerung im Osten fällt wieder der Brüllchor ein; dessen Leiter Goebbels wird nun vom Vize­präsidenten ersucht, den Saal zu verlassen und tut es, während die Nazis daraus wieder einen Anlaß zum Schreien ziehen. Der Redner schildert nun die häufigen Wasserkatastrophen in Schlesien . Nach weiteren Rednern, die die Hochwasserschäden in ihrer Heimat schildern, verweist Reichsverkehrsminister v. Guérard auf das gute Funktionieren des Hochwassermeldedienstes, ohne den der Schaden ungleich größer sein würde. Dieses Oderhochwasser war das höchste, das bisher beobachtet worden ist. Der Minister bespricht dann die technischen Möglichkeiten, durch Flußregulierungen usw. fünftigen Katastrophen vorzubeugen und schließt mit der Erklärung, daß die Reichsregie­rung alles tun wolle, um Hilfe und Schutz zu schaffen.( Beifall in

der Mitte.)

Nun werden

Abstimmungen

nachgeholt. Der deutschnationale Antrag zur Stellenvermittlung wird abgelehnt, die Ausschußfaffung angenommen. Ein fozial­demokratischer Antrag über das Wohnwesen der Hausangestellten geht an den Sozialpolitischen Ausschuß. Zu dem Gefeßentwurf über den Ladenschluß am Weihnachtsabend wird der Antrag der Wirtschaftspartei auf 6- Uhr- Ladenschluß abgelehnt,

der Antrag Stöhr( naffo3.), Blumengeschäfte vom früheren Schluß auszunehmen, in namentlicher Abstimmung mit 250 gegen 239 Stimmen angenommen. Einstimmig angenommen wird ein Antrag, den Apotheken, die teinen Nachtdienst haben, den früheren Ladenschluß porzuschreiben. In zweiter Beratung wird schließlich das abgeänderte Gesez or genommen. In der dritten Beratung teilt

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Abg Borrmann( Bp.) mit, daß die Gastwirtsorganisation fich bereit erklärt hat, am heiligabend nur arbeitsloje Aushilfstellner zu beschäftigen. In dritter Lesung wird das Gejez gegen Wirtschaftspartei, Deutschnationale und einen Teil der Deutschen Volkspartei angenommen. Darauf wird die Hochwasser­Debatte fortgesetzt. Abg. Stelling( Soz.): ( Bor Beginn der Rede rufen die Kommunisten den Nazis zu: Raus mit euch!" Die Nazis folgen gehorsam.) Ich bin sehr erfreut, daß Sie hinausgehen, denn ich sehe Sie lieber von hinten als von vorn. Sie sehen nämlich von hinten menschlicher aus als von vorn.( Stürm. Heiterfeit links, Wutgeschrei der Nazis, die noch einmal umkehren und erst von Stöhr hinausgescheucht werden.) Der Redner zählt dann die Schadensummen der einzelnen vom Hochwasser betroffenen Kreise auf. Für 3 Millionen Mart Werte wurden im Kreise Rosen­berg vernichtet, der Gebirgstreis Goldberg- Hannau ist fast aller Straßenverbindungen beraubt, in pommerschen Kreisen war es ebenso. Ein solches Ausmaß der Hochwasserschäden ist seit Jahr­hunderten nicht vorgekommen. Wo Hilfe notwendig ist. muß fie beschleunigt gewährt werden. Zuständig sind dafür hauptsächlich die Länder, aber die Finanznot erfordert, daß das Reich dabei ein­greift. Oberschlesische Kreise haben ebenfalls eine Wertvernichtung Don etwa 3 Millionen Mark zu beklagen. Der Redner zählt die Schäden auf, u. a. in der Stadt Ratibor , vieler Dörfer in ihrer Umgebung, im Kreise Liegnig, bei Frankfurt ( Oder), Küftrin und in den schlesischen Gebirgsfreisen. Auch Ostpreußen , Sachsen , die Gebiete der Donau und der Elbe sind schwer betroffen worden. Die Reichsregierung muß die Bemühungen Preukens unter­ftühen, damit im Frühjahr nicht wieder solche Schädigungen eintreten,

wie sie auch Köln erlitten hat. Selbstverständlich müſſen alle ber troffenen Gebiete Hilfe erhalten. Bei der Verteilung der Gelder müssen auch die Vertreter der Arbeiter mitwirken, denn bei anderen Gelegenheiten haben wir die Erfahrung gemacht, daß die Groß­grundbefizer den Rahm abgeschöpft und die kleinen Leute selbst bei schwerster Schädigung nur wenig erhalten haben.

Die Wirtschaftspartei fordert in einem Antrag Hilfe durch Arbeitsdienstpflicht. Jeder kenner der wirtschaftlichen Verhält­niffe weiß, daß eine solche Forderung heute geradezu eine Herausforderung der Erwerbslosen bedeutet,

und daß mit solchen nicht genug durchdachten Borschlägen die Ar beitslosigkeit eher noch gesteigert werden fann.( Sehr wahr! links.)

Die Nationalen" machen die Republik dafür verantwortlich, daß die Katastrophe solchen Umfang angenommen hat.( Seiterkeit links.) Das Unheil wäre viel größer und sogar Menschenleben wären vernichtet worden, wenn nicht Breuken und das Reich die gesamte Wasserwirtschaft r vorbildlicher Weise ausgebaut hätten. Leider ist noch immer das Staubeden von Ditmachau nicht fertig. Andernfalls wären die Schäden durch das Hochwasser sicher viel geringer. Schon 1906 hat der preußische König sein Wort dafür gegeben, daß dieser Bau erfolgt.

1924 hat der Preußische Landtag auf fozialdemokratischen An­trag befchloffen, daß der Bau möglichst bald begonnen werden foll. Die Deutschnationalen im Landtag aber wandten sich mit aller Schärfe dagegen, und bei einer Besprechung im Ober präsidium zu Oppeln vor drei Jahren geschah das gleiche, und es bedurfte großer Ueberredungskünfte, um zu einer Verständi­gung zu fommen.( Sört, hört! links und in der Mitte.)

Abg. Bohnenstengel( Komm.): Hätte man gemäß unseren An­trägen die Dämme und Flußregulierungen usw mit größerem Kostenaufwand stärker ausgebaut, so hätte die Katastrophe diesen Umfang nicht annehmen fönnen.

Unter den folgenden Rednern ist auch

Abg. Freybe( p.), der für die Arbeitsdienstpflicht eintritt und mit den Kommunisten in ein Schimpfduell gerät.