Caucopbou
sak
Das Pfäfflein von Lepoglava
Ach du mein liebes, gutes, steinaltes und herzjunges Pfäfflein von Lepoglava - kannst du dir denken, daß ich seit zwei Wochen immer mit demselben leichten, beharrlichen Lächeln einschlafe, das du alltäglich durch die Gassen deines Diözesleins trägst, durch diese drei ganzen Gassen, die sich so herrlich faul in der Sonne räkeln? Lepoglava liegt in Zagorien, und das Hügelland Zagorien liegt in Kroatien , und Kroatien ist weit; aber über dem Bett des Mietzimmers, das ich seit zwei Wochen bewohne, hängt genau dieselbe Barodkonsole aus Stud wie über dem Bett deines Pfarrhauses, in das du mich einſt als totmüden, geldlosen Landstreicher stecktest... als wir aus der Gostiona tamen, wo ich auf Verdacht gegessen hatte, und wo ou mich aufgabelteſt. Deine hatte, und wo du mich aufgabeltest. Deine Augen, gelbschimmernd wie der kroatische Wein, den du so gerne tranfst, wollten so tun, als ob sie mich prüften, und mußten sich immerfort durch ein wimperloses 3minfern unterbrechen, weil sie nämlich vor Alter tränten; und deine schon stotterseligen Greisenlippen mußten sich ab und zu vorsichtig schließen, weil an einem anderen Tische der Geistliche des Zuchthauses von Lepoglava saß, das man dir freisrund und weltgrau mitten in dein bergzadiges, blütentolles 3agorien gesetzt hatte. Ach, du hättest mir, als du mich draußen unter den bibbrigen, furzen Arm nahmst, gar nicht dein Leid zu flagen brauchen; ich wußte schon so, daß es dieses steinerne 3irfuse zelt für die Dressurkünfte menschlicher Gerechtigkeit nicht wert mar, von dem guten Mond deines Antliges, wenn auch nur widerwillig, beschienen zu werden, und daß der dürre, schwarzbärtige, griechisch fatholische Anstaltsmönch mit den tiefliegenden und doch flachen, harten Fanatikeraugen dein Feind sein mußte, wie die immer schlagbereite Zuchtrute der Feind eines behaglich seßhaften Hinter teils sein muß in dieser so oft zitierten und so systemstrengen Schule des Lebens. Ich hätte sogar diese Geschichte, die von dir zu er zählen ist, damals, auf dem Wege zum Pfarrhause erfinden können, wenn sie nicht schon passiert gewesen wäre zwei Jahre vorher, als ein anderer in dem riesigen Gastbett lag, das du mir einräumtest, und dessen Kissen in ihrer speckigen Schmuddeligkeit an den Kragenrand deiner Soutane erinnerten...
Draußen stand der Anstaltsmönch mit zwei Gendarmen und einem Mann in Zuchthaustleidung. Wo ist hochwürden?" fragte der Geistliche kurz. Die Haushälterin bekam vor Schreck über dies frühe Erscheinen des Griechen" den zahllosen Mund weder auf noch zu. Der Mönch schritt wortlos mit einem der Gendarmen an ihr vorbei in Hochwürdens Schlafzimmer. Als die Tür aufschlug, haspelte sich drinnen der zittrige Greifenkörper rasch wieder in die Kissen, aus denen er sich eben herausgeschält hatte. ,, Guten Morgen, Herr Amtsbruder!" grüßte der Mönch, und es flang höhnisch. Wo ist Ihr Gast?"
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Schläft wohl noch", meinte Hochwürden aus den Kissen heraus, verdattert und verständnislos.
,, Das bezweifle ich, Herr Amtsbruder! Ihr Schlafgast ist ein Zuchthäusler!"
Der Grieche ging rasch hinaus, so daß der Pfarrer feine Zeit zu einer Antwort fand; er hätte auch keine gewußt. Er lag.nit offenem Munde, der vor Schreck zu zittern vergaß; hörte den Gendarmen und den Geistlichen die Treppe zum Gastzimmer hinauf stampfen; stand dann schnell auf und suchte etwas, was er durchaus nicht fand, nicht fah, obgleich seine Augen nicht einmal tränten vor Staunen, obgleich er es doch gestern abend, wie stets, über den Stuhl neben seinem Bett gehängt hatte..
Hochwürden setzte sich auf und dachte nach, lange. Er trat zum Fenster; da sah er den Mann, der die Anstaltskleidung getragen hatte, aus dem Hauſe treten in der Studentenkluft des Fremden, während er den Drillichanzug dem Gendarmen überreichte. Die deutsche Hose und der westliche Rod faßen ihm wie angegoffen; er durchsuchte den Rucksack und sagte schließlich:„ Es fehlt nichts, außer meinem Rafierapparat."
,, Und verwundet hat er Sie nicht?" fragte der Gendarm. ,, Nein. Er zwang mich nur, ihm meine Kleidung zu geben und
H.-A. von
die feine anzuziehen, und dann muß er mich betäubt haben... Weshalb faß er denn eigentlich?"
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Ach, nichts Bedeutendes. Einbruchsdiebstahl, glaube ich." Aber daß der Kerl meine Sachen hier gelassen hat! Ist er denn nadt durchgebrannt?" Der Gendarm zuckte die Achseln. Hochwürden hatte alles gehört. Sein starrer Mund löfte sich in fein gewohntes, leises Bibbern, das eigentlich ein ewiges. Schmunzeln war. Seine Neuglein tränten wieder, und es ward deutlich, daß diese betrübliche Welt durch solche Tränenfensterchen hindurch wesentlich luftiger aussehen mußte als aus trodenen, ungeschüßten Fanatikeraugen. Denn Hochwürden blickte hinaus und meit die Landstraße hinauf, die über den Berg lief und zwischen den Felsbroden mit der Morgensonne Bersted spielte, und dabei lächelte Hochwürden, und ein letztes Lichtlein schien ihm aufzugehen und als der Mönch mit dröhnendem Schritt wieder ins Zimmer trat, war dieses Lächeln beinahe pfiffig zu nennen.
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Der Mönch trat zu ihm ans Fenster. Durchgebrannt ist der Kerl, Herr Amtsbruder. Das fommt von Ihrer vermeintlich christlichen
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Er unterbrach sich. Seine flachen Augen glitten an Hochwürdens Gestalt herunter. Da stand der Pfarrer von Lepoglava nicht, wie es ihm zufam, in feiner Soutane, sondern wahrhaftig im weißwallenden Nachthemd am offenen Fenster, in der hellen Morgensonne, und sah aus wie ein behäbiges, strahlendes Engelein aus der guten, alten Himmelszeit... und sah wirklich mit weitreichenden, tränenseligen Engelsaugen in die zagorische Welt; sah irgendwo im nächsten Dorfe einen Mann in schwarzer, weinbefleckter, wohlbekannter Soutane den Dorffindern großmütig die Hand zum Russe reichen und dann in den Bergen Kroatiens untertauchen. sah sich selbst hier foutanenlos im Nachthemd stehen neben einer Mönchskutte, die schwarz im Morgenwinde flatterte...
und
" Mizica!" rief Hochwürden nicht allzu laut nach seiner Haushälterin, die schwerhörig war und nicht fam.„ Mizica!" Und er fing des Herrn Amtsbruders starren Blid ab und sagte mit einem unchriftlich überheblichen, nur ihm selbst vernehmbaren Spott:
Oh, diese Mizica, Herr Amtsbruder! Jegt hat sie meine Soutane noch immer nicht fertig geflict...!"
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er 3u anderen du er
eines Abends, mit Rucksack und ohne Hut und in Gamaschen, in derselben Gostiona aufgetaucht wie ich. Aber der Anstaltsmönch war an diesem Abend nicht anwesend, und die Tore deines Herzens taten sich deshalb dem Fremden ohne jedes hemmende Knarren bereitwillig auf, und das heisere, scheppernde Klingeln deiner Worte läutete lange und einladend. Er sei Student, sagte der Gast, Student aus Belgrad , und auf der Durchreise; und wenn in slawischen Landen jemand sagt: Jessam Student", so heißt das zu deutsch : Ich habe fein Geld". Ich weiß nicht, ob es dem guten Pfäfflein von Lepoglava auffiel, daß der Mann für einen Studenten reichlich alt aussah, obgleich er sich anscheinend erst eben und recht ungeschickt rasiert hatte; einige Schnitte in seinem Gesicht bluteten noch ein wenig. Auch der schlechte Sitz des westlichen Rodes und der deutschen Beinkleider störte Hochwürden nicht; er nahm den Fremden schließlich unter den Arm und ließ sich von ihm ins Pfarr. haus geleiten. Der Mond, der droben die verzwidten Straßen des Himmels zu durchwandern hatte, ohne die Sternlaternen anzurempeln, und das gute Vollmondgesicht hier unten, das es in den laternenlosen drei Gaffen von Lepoglava etwas leichter hatte, lächelten sich an; ein wenig nüchtern der da oben, ein wenig mein felig ber hier unten. Nir als der Kessel des Zuchthauses auftauchte, aus dem eben der widerwillige Abendmeßgejang der Sträflinge breit in die Nacht troch, seufzte das gute Pfäfflein traurig und viel fagend auf, und der Fremde schien zu verstehen, und seufzte mit. Aber dann öffnete sich der weitläufige Frieden des Pfarrhauses, in dem viele Wohnungen waren, als in einem rechten, päterlichen Hause des Herrn; und auch für den Studenten fanden sich ein Zimmer und ein Bett und ein Krug selbstgefelterter Wein, den der Spender leeren half- bis die Beschaulichkeit ihres Trinkens durch
einen ganz ungewohnten Lärm gestört wurde.
Da hallten Schritte von schweren Stiefeln und Rufe aus groben Kehlen durch die friedsame zagorische Nacht; man hörte, wie das Volk aus den Häusern und die Gäste aus der Gostiona zu fammenliefen. Hochwürden wurde blaß, und der Wein tropfte von feinen mummelnden Lippen noch ausgiebiger als sonst auf die Soutane; und auch der Gast schien zu erschrecken, stieß sogar ein Glas um und sprang auf.
,, Nun, mein lieber Sohn", brummte Hochwürden und ging zur Tür ,,, es wird nichts Gefährliches sein!" Und er stapfte die Treppen hinunter, um zu erfahren, was geschehen war.
Als er wieder herauf kam, stand der schreckhafte Student in der Nähe des Fensters, das er aufgerissen hatte, und sah den Pfarrer aus weitgeöffneten Augen an. Sie brauchen teine Angst zu haben, mein Sohn. Wir sind hier nicht in der Bildnis!" sagte der Alte mit gutem Spott. ,, Man jagt nur nach einem Zuchthäusler, der entsprungen ist."
Die alte Hand zitterte etmas stärker als sonst, als sie wieder Wein in die Gläser goß. Das ist leider schon öfters geschehen. Solche Nächte pflegen etwas unruhig zu sein, bis man ihn gefunden hat. Das geschieht immer sehr schnell. Die helle Anstaltskleidung verrät den Flüchtigen."
Der Fremde beruhigte sich; zudte nur nervös zusammen, wenn draußen wieder Schreie und Schritte dröhnten. Sie haben keine Nerven, mein junger Sohn!" lächelte der Pfarrer endlich, nach halbstündigem Schweigen. Sehen Sie mich alten Mann an! Lepoglava schont die Nerven besser als Belgrad . Seien Sie froh, daß Sie nicht mehr auf der Landstraße sind. Der Ausbrecher hätte Sie anfallen fönnen."
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Der Student lächelte mit, etwas gezwungen. Wieder ging eine schweigsame Zeit. Hochwürden suchte noch immer nicht sein Bett auf; seine Aeuglein tränten heftiger; er schien nachzudenken. Endlich stand er auf. Man sollte da drinnen mehr Freiheit lassen. Dann würden sie die Freiheit nicht draußen suchen.." Er besann sich rasch. Die Freiheit ist nur in Gott, mein Sohn. Nun, Gott mit dir!" Und er machte das Kreuzzeichen und ging zur Tür. Dort hielt er inne, weil sich wieder Schritte dem Hause näherten. Rufe schrillten: Sie haben ihn! Auf der Landstraße lag er, ganz erschöpft!" Die beiden traten ans Fenster und sahen, wie man draußen, im erwachenden Morgengrauen, einen gefesselten Mann in heller Anstaltskleidung vorüberstieß.
Der Student nenigte sich rasch über die welte, falte, früpplige Greisenhand und füßte sie. Die Rasiermesserschnitte in seinem grauen Gesicht bluteten merkwürdigerweise wieder.„ Nun, Gott auch mit ihm!" sagte Hochwürden zum Fenster hinaus und tapste ächzend zu Bett.
Sein Schlummer war ob des vielen guten Weines nicht so leicht wie sonst der Schlaf des Alters; und als nicht lange danach heftig und unwirsch an die Tür gepocht und in die Fenster gerufen murde, war die Haushälterin eher im Flur als der geistliche Herr.
Ein Londoner Kritiker hat vor einigen Monaten die Bilanz der heutigen Weltbelletristik aus den Uebersetzungen ins Englische zu ziehen gesucht. Er kam dabei zu dem Urteil, daß sich in Frank reich Roman, Essay und Biographie in einem faum mehr überbiet baren Niedergang befänden. Für Deutschland sind seine Aeußerungen dagegen um so schmeichelhafter:" Der Zauberberg " von Thomas Mann , Fouché" von Stefan Zweig und Im Westen nichts Neues" marschieren für ihn an der Spitze alles epischen Schaffens der letzten Jahre; Renserling, Emil Ludwig und Spengler werden von ihm mit begeisterten Worten über häuft.
wenn
So sehr man sich in Deutschland noch immer über eine sinn- und mahllose lleberschwemmung des Bühnenmarkts mit französischer Duhendware beschweren tann, so undankbar wäre es, man die fyftematische Erschließung der französischen Prosabuch dichtung für das deutsche Publikum nicht rühmend anerkennen wollte. Es fragt sich fast schon, ob deutsche Verlage in ihrem Dienst an Bide und Rolland nicht über die Grenzen der allgemeinen Aufnahmefähigkeit und ihrer eigenen Leistungsmöglichkeiten hinausgehen.
Zwar ist der
Tod des Romans"
edelsten und seinen fragwürdigsten Regungen fennenlernen will, muß dieses Buch lesen, denn ein Roman wie Jean Barois" gibt weit unmittelbarere und wesentlichere Unterlagen für die Beurteilung des französischen Geistes, als selbst so vorzügliche deutsche Sachverständige und Schriftsteller wie Ernst Robert Curtius und Friedrich Sieburg fie in ihren fürzlich erschienenen fritischen Büchern über Frankreich liefern fonnten. Damit soll gegen den Wert der beiden nützlichen Werke nichts gesagt sein, doch kann die unmittelbare Fühlung zu einem Volte durch persönlichen Umgang und Lektüre nie oder fast nie durch noch so berufene seiner Geistesäußerungen frembe Deuter erjeht und übertroffen werden. Obwohl ,, Jean Barois" im Jahre 1913 vollendet wurde- lange also nach dem Revisionsprozeß gegen Dreyfus zu Rennes und andererseits zu einer Zeit, von der mir heute durch vier Jahre Weltkrieg und ihre Folgen getrennt find, tann man das Buch ohne Vorbehalt als Dokument des heutigen Frankreichs betrachten und bewerten. Im geistigen Frankreich ist
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die Weltkriegswunde faft vernarbt.
Die Probleme, die es heute beschäftigen, unterscheiden sich nicht allzu wesentlich von denen der Borkriegszeit; ihre Stellung und Behand lung in Rollands Jean- Christophe", Gides Falschmünzern" und den Werken du Gards fie alle spielen vor dem Kriege feffelt und wirkt daher heute mie je. Wenn in Deutschland heute etwa Gerhart Hauptmann als Repräsentant einer in Ehren ergrauten Generation gefeiert wird, so stehen die nur wenig jüngeren Gide, Rolland und Claudel im Brennpunkte der literarischen Ereignisse und Diskussionen. Der Respekt vor dem Geistigen und seine ernsthafte Erörterung ist in Frankreich an feine Altersunterschiede gebunden, denn der Sinn für Gestaltung und Form ist zu entwickelt, als daß Differenzen der Weltanschauung zu grundsäglicher gegenseitiger Ablehnung führen könnten. Allerjüngste selbst von der genialen Eigenart Gui de la Pierres fühlen sich stets den Aelteren verbunden, an deren Beispiel sie ihre eigene Begabung geschult haben. Frankreich ist das
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Land der künstlerischen Tradition, einer geistigen Verbundenheit der Generation auf der Basis von Achtung und Dankbarkeit. Der Unterschied zwischen der Stellung des Deutschen und des Franzosen in der Frage geistiger Tradition, hat Ernst Robert Curtius in seinem Buch in treffende Worte gekleidet: Der Deutsche," sagt er ,,, würde sich entweder für Pascal oder für Montaigne entscheiden. Der Franzose wird keinen von beiden dem anderen opfern dürfen. In der Gesamtheit der großen Autoren spiegeit sich für ihn die Totalität der geistigen Welt."
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in Frankreich ein ebenso beliebtes Schlagwort wie die Krisis des Theaters". Aber selbst wenn der Roman schon zehnmal gestorben wäre, jo würde und dürfte sich Roger Martin du Gard durch nichts darin beirren lassen, uns von seinen„ Thibaults" zu den vollendeten acht noch die fehlenden sechzehn Bände zu schenken. Bei diesem begnadeten Menschen und Künstler liegt auch bestimmt nicht in solcher theoretischen Erwägung das Schaffenshemmnis; Schaffenshemmnis; im Jean Barois" jedoch läßt uns der Dichter aus dem Munde einer Gestalt, die seinem Herzen nahe steht, die folgende Mahnung an den Helden" des Buches vernehmen:„ Sie dürfen sich über den Nutzen der geistigen Aeußerung auch teinen Illufionen hingeben. Ist nicht ein schönes Leben ebensoviel wert wie ein schönes Werk? Ich habe geglaubt, daß man schaffen müsse. Aber ganz allmählich habe ich meine Meinung geändert." Nichts berechtigte an sich, die Aeußerung der Romanfigur als Aeußerung des Dichters selbst anzusprechen, doch liegt gerade bei diesem Dichter, in seiner fast weltfernen Vornehmheit, eine Berneinung des Schaffens und des Erfolges, eine einseitige Bejahung des Seins nicht völlig im Bereich der Unmöglichkeit. Du Gard gehört, wie sein Barois, zu den Persönlichkeiten, die eines würdigen Anlasses bedürfen, um das volle Maß ihrer Leistungsfähigkeit zu geben. Darin liegt vielleicht letzten Endes eine Schwäche, es liegt darin aber auch ein gut Teil Ueberlegenheit und Selbstkritik, wie sie bestimmt nicht auf jedwedem Boden gedeihen. Daß der wohlhabende Schloßherr Roger Martin du Gard es verhältnismäßig leichter hat, sich seinen Künstlernamen rein zu halten und„ Amateur" im guten Sinne zu bleiben, als ein gleichbegabter Professioneller", der sich das tägliche Leben mit der Feder verdienen muß, ist selbstverständlich. Charakteristisch ist es ohnehin, daß die dominierenden Erscheinungen des heutigen franzö- erblicken. fischen Schrifttums- wie etwa Proust, Gide, Rolland, Raynal , Claudel, Giraudour und Montherlant, um nur bei einigen der wichtigsten zu bleiben durch materielle Sorgen in ihrem Schaffen nie oder fast nie gehemmt worden sind. Das spürt man in der Ausgereiftheit ihrer jeweiligen Veröffentlichungen, man spürt es hin und wieder vielleicht auch als Wesenszug. So vermag das individuelle und zumindest das geistig- moralische Erlebnis Anlaß und Gegenstand ihres gesamten Schaffens zu bleiben, selbst wenn Raynal den Krieg verflucht, Rolland die Revolution im Drama resingt oder Claudel den Kaiholizismus verherrlicht und alle drei dabei zündenden, zum Kollektiverlebnis werdenden Ausdruck finden. Damit stehen sie in gewissem Widerspruch zu dem, was heute
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in Deutschland und Rußland vielfach von der Kunst gefordert wird, doch ob sie gleichzeitig zu den überzeitlichen Geschen der Kunst selbst in Widerspruch geraten sind, ist eine andere Frage.
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Es ist ein eigenartiges Zusammentreffen, daß im Augenblick, da die Dreyfus Affäre - dank Rehjisch und Herzog, Schwerdt feger und Bruno Weil in Deutschland nie geahnte Aktualität gewann, der kostbarste französische Niederschlag der bewegenden Justiztragödie du Gards ,, Jean Barois", Roman in Dialogform, Wert aus dem Jahre 1913 durch Zsolnay auf den deutschen Bühnenmartt geworfen werden konnte. Obwohl dieses Werk aus einer völlig privaten Weltbetrachtung heraus geschrieben worden ist, fühlt man in jeder Zeile, die den Prozeß Dreyfus betrifft, den Pulsschlag eines ganzen Volles. Wer Frankreich in seinen
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Unter solchen Umständen dürfte kaum je damit zu rechnen sein, daß gerade von Frankreich aus die Weltliteratur eine planmäßige Fundamentserschütterung erlebt; es wäre dem geistigen Franzosen wesensfremd, aus selbstgeschaffenen Trümmerhaufen neues Leben zu erweden: im Gegenteil, er wird sich stets des sprachlichen und geistigen Erbes des eigenen und fremder Bölfer freuen und in seiner sorgfältigen Wahrung und Mehrung die höchste Aufgabe
Amerifas Kriegsschiffe erhalfen Kinos. Auf Befehl der Regie rung werden die Schlachtschiffe und Kreuzer der amerikanischen Flotte mit den modernsten Kinoapparaten ausgerüstet, um Offizieren und Mannschaften in den dienstfreien Stunden Unterhaltung zu bieten. Die Anlage soll bis Ende März nächsten Jahres fertiggestellt sein. Für die Installation ist im Etat des Marineamts ein Betrag von über 500 000 Dollars ausgeworfen worden. Gleichzeitig wurden Verträge mit den führenden Kinokonzernen wegen der Lieferung der Filme abgeschlossen.
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Trichinen werden häufig deshalb ungenügend befämpft, weil das Fleisch besonders Schweinefleisch in dem sie schmarozen, nicht genügend gekocht wird, denn die Trichinen halten eine Temperatur von nahezu 100 Grad aus, ohne zugrunde zu gehen.
Warum das Meer blau ist. Ueber die blaue Färbung des Meeres hat jetzt der berühmte Chemiter Prof. Willstäiter eine neue Hypothese aufgestellt, die er in den Naturwissenschaften" mitteilt. Er erklärt die blaue Farbe durch das Vorkommen fleiner Mengen von Kupferfalzen im Meerwasser; diese sind imstande, mit dem bei der Berjegung von Eiweisförpern entstehenden Ammoniak die befamten blauen Salze zu bilden, deren Entstehung seit langem in der Chemie zum Nachweis von Kupferspuren verwendet wird.
Berantwortlich für Politik: Bictor Schiff: Wirtschaft: 6. Klingelhöfer: Gewertschaftsbewegung: 3. Steiner; Feuilleton : Dr. John Smitowski: Lokales und Sonstiges: Fris Karftäbt; Anzeigen: Th. Glode; sämtlich in Berlin . Berlag: Borwärts- Verlag G. m. b. S., Berlin . Drud: Vorwärts- Buchdruderei und Verlagsanstalt Paul Ginger u. Co., Beriin E. 68, 2inbenftraße 3. Sierzu 2 Beilagen,