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Hermann Wendel :

Die Brüder Goncourt

Zum hundertsten Geburtstag des jüngeren

Vor einem Jahrhundert, am 17. Dezember 1830, tam Jules | be Goncourt in Paris zur Welt, aber seiner gesondert zu ge= benken, ist ein Ding der baren Unmöglichkeit. Sein Schatten fließt mit dem seines um acht Jahre älteren Bruders Edmond in einen zusammen. Verschieden von Anlage und Temperament, gingen die Bründer Goncourt in ihrem Fühlen, Denken und Schaffen fo ineinander auf, daß sie als die siamesischen Zwillinge der fran­ zösischen Literatur wirken.

Da sie von Haus aus begütert waren, brauchten sie nie das bittere Brot des Kunstzigeunertums zu brechen, als sie sich für ihren eigentlichen und angeborenen Beruf Schriftsteller entschieden. Aber fie machten es sich wahrlich nicht leicht. In einem Maße wie sonst nur ihr Freund Flaubert von dem Drang besessen, mit ihrer Feder das Letzte und Endgültige aus den Dingen herauszuholen, gingen fie zur Literatur, wie andere ins Kloster gehen. Welt und Wohlsein. Geld und Gesundheit, Frauen und Familienglück nichts zählte für sie neben der gebieterischen Pflicht, zu beobachten und das Beobachtete festzuhalten. Ihr Leben, das für Jules mur vierzig, für Edmond vierundjiebzig Jahre währte, verrann über der raft Tosen Arbeit an sich selber, über dem Zuschleifen der Linsen, durch die' fie die Welt sahen, und der Verfeinerung des Werkzeugs, mit dem sie die Welt gestalteten, der Sprache.

Aber auch die Zeit, in die der beste Abschnitt ihres Schaffens fiel, machte es ihnen nicht leicht. Daß ihr erstes Buch am 2. De­zember 1851 erschien, am Tage des Staatsstreichs, durch den ein trüber Abenteurer wie Louis Bonaparte nach der Macht griff, war ein Sinnbild. Von dem Gefühl der Enttäuschung und des Ekels, mit dem der schamlose Karneval des zweiten Kaiserreichs der ganzen idealistisch gesinnten jungen Generation das Blut ver­giftete, wurden auch die Goncourts erfaßt. Sie empfanden Brechreiz vor einer faden, platten Gegenwart, in der das Geld der Gott war, Brechreiz vor dem Bourgeois, dem Krämer, dem Eigen­tümer, der sich mit dem gedunsenen Stolz, Eigentümer zu sein, in den Bordergrund schob, Brechreiz vor der geschminkten Lüge einer ebenso langweiligen wie verderbten Gesellschaft. Aber wie sich auf lehnen? Die geduldete, landläufige Politik hieß ein Geschäft wie jedes andere; eine, fleine und wahre Opposition erschien unmöglió) bei der Verfälschung der öffentlichen Meinung durch Diktatur und Korruption. Wohl dachten sie gelegentlich daran, im Ausland ein Blatt zu gründen und von hier ihre publizistischen Laufgräben gegen die Festung des Bonapartismus vorzutreiben, aber Paris , das rechte Klima für die Tätigkeit des menschlichen Hirns", hielt sie zu fest umflammert. Immer fühlten sie den Boden unter ihren Füßen schwanken, aber wenn sie feft an eine soziale Revo Iution glaubten, so begrüßten sie sie doch nur als eine Art Bar­bareneinbruch in eine überalterte Zivilisation, als große Blut­auffrischung einer vergreisten Welt. 2 das, was ihnen so durch den Kopf ging und was sie erlebten und erfuhren, trugen sie, Ge­danten, Einfälle, Phantasien, Erinnerungen, Träume, Wizze, Beob­achtungen, Begegnungen, Gespräche, mit stenographischer Sorgfalt in ihr Tagebuch ein; das Journal" der Brüder Goncourt, von dem bisher nur Bruchteile in neun Bänden veröffentlicht wurden, ist eine der aufrichtigsten und aufschlußreichsten Urfunden zur Geschichte des Menschenherzens und der Sitten jener Jahrzehnte.

Die deutlichste Kriegserflärung aber an die Zeit, in deren Kreis fie gebannt blieben, war ihre liebevolle Versenkung in das acht zehnte Jahrhundert, das durch einen unüberschreitbaren Graben, die Revolution, von der Gegenwart getrennt war. Zu dieser Revolution standen sie ähnlich wie der sozialistische Utopift Saint- Simon , fie fahen, daß sie eine alte Organisation zerstört hatte, um sie durch eine Anarchie statt durch eine neue Organisation zu ersetzen. Deshalb floß ohne Zweifel zu viel Zärtlichkeit für das Alte Regime in ihre Darstellung der Frau im achtzehnten Jahrhundert", der Dubarry,

der Pompadour und der Marie Antoinette , wie hinwiederum die Männer der Konftituante, der Legislative und des Konvents in ihrem Bert Die französische Gesellschaft während der Revolution und des Direttoriums" zu schlecht wegkamen. Aber die großen Liebhaber, Kenner und Sammler der von ihnen auch literarisch behandelten Kunst des achtzehnten Jahrhunderts waren, trugen in diese geschichtlichen Schilderungen hinein, was der trockene Aften bericht ebenso vernachlässigt wie die professorale Historie: die Anef­dote, das Nebenbei, den amüsanten Schnörkel; sie tauten damit etwas, was zu Geschichte eingefroren war, wieder zum Leben auf. Bald jedoch drängte es fie, mit der gleichen Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit aus tausend Einzelzügen das Bild ihrer Zeit zu­sammenzufügen; Geschichtsschreiber und Romanschreiber waren für sie ein und dasselbe, nur daß jene die Vergangenheit, diese die Gegen­wart erzählten. Indem sie auf Grund sorgfältig zusammengetragener Dokumente den Alltag in Romanen einfingen, die ohne Abenteuer, ohne Falltüren, ohne Zufälle, ohne von außen angekurbelte Hand lung waren, indem sie ein Schicksal aus dem Charakter einer Ber­fon entwickelten und diesen Charakter aus dem Milieu, stießen sie fast zur gleichen Zeit, wenn auch auf anderen Wegen wie Flaubert , zum Realismus, zur hüllenlosen Wirklichkeitskunst vor. Sind vier, fünf Romane, die als Titel Namen tragen wir ,, Renée Maupe­rin" oder Manette Salomon", Marksteine an dieser Straße, so machte doch vor allem einer, Germinie Lacerteur". Epoche. Es war die unendlich traurige, aber ganz banale Geschichte eines Pariser Dienstmädchens, das durch die Sehnsüchte seines Bluts, durch die Gemeinheit der Nebenmenschen, und durch die Ungunst der Berhältnisse elend unter die Räder kommt, ein Buch, eingehüllt in eine schwere Luft, die die Brust beengte, und überdacht von einem lastend grauen Himmel ohne den winzigsten Lichtfled, ein Buch, schonungslos grausam wie das Leben selbst. Manchmal fofet­tierten die Goncourts mit dem Grundsatz: Kunst um der Kunst willen; manchmal schien sie nur künstlerische Neugier auf die Welt des Proletariats gelenft zu haben, aber im Geleitwort zu Ger­minie Lacerteug" erhoben sie im Namen des demokratischen Jahr. hunderts des allgemeinen Wahlrechts für die sogenannten ,, niederen Klassen" den Anspruch, im Roman so ernst behandelt zu werden wie die Gutgekleideten; sie wollten einmal sehen, Jules und Edmond , ob Not und Elend der Kleinen und Armen ebenso laut zum Gemüt sprachen wie Not und Elend der Großen und Reichen und ob die Tränen, geweint in der Tiefe, ebenso Tränen herauszulocken ver­mochten, wie Tränen, geweint auf der Höhe. Daß es ein weibliches Wesen, das in der Welt der Zylinder, Bratenröcke, Ballfrisuren und Krinolinen überhaupt nicht mitzählte, ein einfaches Dienstmädchen, mie es die Literatur bisher höchstens im Schwank als komische Figur benutzt hatte, zur tragischen Heldin machte, daß es das Pro­letariat in die Literatur einführte, an deren Treppenaufgang ein Schild abgewehrt hatte: Nur für Herrschaften!, darin steckt die revolutionäre Bedeutung dieses Buches: Germinie Lacerteur, der in deutscher Uebersetzung die sozialdemokratische Presse Bahn brach, wurde zum ersten wirklich sozialen Roman; Emile 30 la tauchte seine Feder in dasselbe Tintenfaß wie die Brüder Goncourt.

Steine Gladiatoren mit Büffelnaden und gewölbter Brust waren Jules und Edmond de Goncourt , sondern zarthäutige Stuben menschen, Nervenmenschen, Kunstmenschen mit leisem Atem und zer brechlicher Gesundheit, aber während mancher Simson seine groben Fäuste in die Hosentaschen stedte und zufrieden in diese ,, beste aller Welten" blinzelle, rijttelten sie unverzagt mit ihren seinen und schmalen Händen an den Grundpfeilern einer vermorschten Gesell schaft. Benn wir darum auf dem Bariser Friedhof Montmartre an ihr Grab treten, das sie im Tode vereint, wie sie zu Lebzeiten ver­eint waren, nehmen wir ganz von selber den Hut ab.

Elke: Das kranke Kind

Keiner von uns Erwachsenen hat sie vergessen, die traurigen, trüben, langweiligen Tage, in denen man als Kind ans Bett ge­feffelt war, weil man die Masern oder eine tüchtige Erfältung, eine bösartige Halsentzündung oder den Keuchhusten aus der Schule mitgebracht hatte. Das waren die endlosen Tage, an denen das Grau der Gassen und des Himmels überhaupt nicht mehr zu weichen schien, an denen das kleine Zimmer, das einem sonst ein so fröh­licher Tummelplatz gewesen war, sich in ein trostloses Gefängnis verwandelte. Jetzt spielen sie draußen Dritten abschlagen oder Fuchs, fomm her", dachte man traurig und mit seinem Schicksal hadernd, und man war glücklich, wenn die vielbeschäftigte Mutter von Zeit zu Zeit einmal hereintam, um ein Glas heißer Zitronen­limonade zu bringen oder eine neue Packung zu machen, denn das war doch wenigstens eine kleine Abwechslung in diesem öden Einerlei. Und dann kamen endlich die paar letzten Tage, an denen man sich eigentlich schon ganz wohl fühlte und am liebsten aus dem Bett gesprungen wäre, wenn nicht irgendein unerbittliches Gesetz, das der Onkel Doktor ausgesprochen hatte, einen festgehalten hätte. Diese letzten Tage maren eigentlich die allerschlimmsten. Denn jetzt spürte man neuen Tatendrang in sich; man war unternehmungs­luftig und unruhig, und die arme Mutter fonnte noch soviel trösten und schelten, fonnte Märchen erzählen und Schwarzer Peter" mit einem spielen man war unzufrieden und hätte am liebsten alle halbe Stunde ein neues Bilderbuch, ein anderes Spielzeug gehabt.

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Aber nicht nur das Kind, auch die Mutter leidet unter diesen Tagen, an denen sie immer wieder vor die Frage gestellt wird; Bie beschäftige ich mein frantes Kind?" Was gibt es denn überhaupt an Spielzeug, an Unterhaltung, an Abwechslung, das ihm die langen Tage erträglich, ja, vielleicht sogar nußbringend machen kann? Im Sommer oder an hellen, warmen Frühlings­tagen gibt es immerhin etwas mehr Möglichkeiten, als gerade gegenwärtig in der Zeit des naßfalten Wetters, der Nebelluft und der Dunkelheit. An warmen Sommertagen fonnte man das Kind mit ein paar Blumen erfreuen; man fonnte es vielleicht sogar auf einige Stunden am Tage in den Lehnstuhl am Fenster oder auf ben Balkon oder in den Garten betten. Aber jetzt ist keine Ber­änderung möglich, sondern es bleibt nur der Ausweg, dem Kinde Abwechslung zu schaffen, indem man ihm Spielzeug ans Bett bringt oder Geschichten erzählt. Da sucht man denn alte Bilder= und Märchenbücher zusammen oder man verfällt auf den Ausweg, das Kind selbst kleine Geschichten mit Bleistift aufschreiben zu lassen. Dann bietet man etwas Abwechslung, indem man den Bastelkasten herbeiholt und das Kind zu kleinen Arbeiten anregt, indem man es etwa eine fleine Matte ols Telleruntersag flechten läßt oder ihm die Aufgabe stellt, fleine Scherenschnitte anzufertigen. Schwieriger aber wird die Frage noch, wenn die Mutter gar

nicht zu Hause sein kann, menn die Not sie zwingt, ihren Lebens­unterhalt außerhalb ihres Heims zu verdienen. Da ist das Kind oft den ganzen Tag sich selbst überlassen. Viel Spielzeug gibt es micht in einem Proletarierhaushalt. Aber selbst unter diesen un­günstigen Umständen fann eine Mutter Mittel und Wege finden, um ihrem Kinde die Zeit zu verkürzen. Vielleicht hat sie in ihrer Schublade noch Wollrejte oder Flicken, aus denen das Kind etwas Nützliches anfertigen fann, oder aus fleinen Hölzern mag es sich selbst ein Spielzeug zusammenbasteln. Da liegen irgendwo noch alte Zeitungen oder ein paar Zeitschriften, vielleicht auch Mode-. bildern, aus denen das Kind Figuren ausschneiden kann, und wenn es damit fertig ist, so kann es die Figuren mit Bleistift nachzeichnen oder Bilderrätsel abpausen. Leere Streichholzschachteln und Faden­rollen geben dem Kinde ebenfalls Gelegenheit genug, fleine Spiele zu erfinden und sich selbst Spielzeuge zusammenzubasteln. Aus steifer Pappe tann eine Puppenstube angefertigt werden oder ein Kaufladen die Fenster werden oval oder viereckig heraus geschnitten und aus Seidenpapier lassen sich die schönsten Vorhänge dazu herstellen; die ausgeschnittenen Figuren werden auf steifes Papier geklebt, vielleicht auch mit einem Holzflöschen versehen- und bald bedient der Kaufmann eine ganze Anzahl elegant gefleide: ter Kunden und Kundinnen, oder in der Puppenstube wird ein Fest gefeiert, bei dem ein Duzend oder noch mehr Gratulanten auf­marschieren. Und dann fängt jeder einzelne an zu erählen, wie es ihm jetzt geht, woher er gerade fommt und wohin er gehen will und bald erwächstst aus solchen tieinen Spielen das schönste Theater stück oder das drolligste Kasperletheater. Der Phantasie und der Schöpferkraft des Kindes ist der weiteste Spielraum gegeben.

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Alexander von Sacher- majoch:

Tole Augen der Stadt

Wenn wir jetzt im Herbst durch die große Stadt gehen, be­gegnen uns manchmal die Häuser, die sich selbst überlebt haben und jetzt zertrümmert werden, um neuen Gebäuden Platz zu machen. Eins davon steht in der Nähe des Oranienburger Tores und mag in den Gründerjahren gebaut worden sein. Oder vielleicht noch früher. Ein großes, altes Haus mit vielen Stockwerken, finsterer Front, es beherbergte viele Mieter, ein Hotel, eine Kneipe und einen Gemüseladen.

Jahrelang sah ich dieses Haus täglich. Ich arbeitete gegenüber auf der anderen Straßenseite in einer Großhandlung. Während der Arbeit oder an stilleren Tageszeiten, wenn gerade keine Kunden tamen, streifte mein Blick oft dieses Haus, vor dem jetzt das große Baugerüst aufgerichtet ist und das abgetragen sein wird, ehe noch

der Winter ins Land tommt.

Es schien mir nicht bemerkenswerter zu sein als andere Häuser, es war eben eins unter den vielen, ein Veteran, der lange genug auf

seinem Posten ausgeharrt hatte. Aber jetzt, wo es mit ihm zu Ende ging, gewinnt es irgendwie Bedeutung, die es hinaushebt aus dem steinernen Urwald des Berliner Nordens. Und jetzt also erlebe ich, ein einfacher, unsentimentaler Berkäufer, der ich mit den Werten des Lebens rechnen gelernt habe und mit vielen abschließen mußte, das zu Beginn meiner Fahrt mir vorgeschwebt hat als ferne, aber vielleicht erreichbare Sehnsucht, jezt erlebe ich den Tod dieses Hauses mit.

Gerüst und Sparren werden freigelegt, die Fensterkreuze sind herausgebrochen, die Türfüllungen fehlen bereits. Große Löcher tlaffen zwischen dem Dachgebält. Die Herbstsonne flutet durch fie herein und beleuchtet die Fezen verblichener Tapeten. Und im Lärm des im Fallen dröhnenden Gebälts und Abrollen der Steine fliegen die Rufe der Arbeiter auf, die diesem Haus den letzten Dienst erweisen. Ihre Rufe zerfließen mit dem draußen hämmernden Lärm der Straße, die verkehrsreich ist und von vielen Automobilen, Straßenbahnen, Autobussen und Wagen und den klappernden Schritten zahlloser Fußgänger erfüllt wird. Das ist die Melodie des Lebens, des Vorwärtsschreitens, des Aufbaus.

Und viel=

Neugierig bin ich, wie das neue Haus aussehen wird, das an der Stelle des alten aufwachsen soll im kommenden Sommer. Eine neuzeitliche, flare Front, breite Fenster, durch die Licht und Sonne unbehindert fluten können, helle Zimmer. leicht auch frohe, glückliche Menschen darin? Es ist wie bei uns Menschen; die alten, abgefämpften verlassen den Weg bei einer Kreuzung an einer unebenen Stelle, die ihr Fuß nicht mehr be­wältigen fann. Und für sie springen neue ein, junge, deren Brust breit ist, deren Sehnen elastisch sind, deren Atem ruhig geht.

Aber das alte Haus, es hat etwas Rührendes an sich. Da sieht man durch den aufgerissenen Leib hinein in die Geheimnisse ver gangener Tage. An den Wänden sind viereckige, abgeblaßte Stellen, wo das Muster der Tapeten noch klar zu erkennen ist, dort hingen Bilder von Menschen vielleicht, die schon lange vergessen sind. Ver­schnörkelte Möbel standen in den Räumen, sehr ungmedmäßige, schwere Schränke, tomische Vertifoms und jene piel belächelten Plüschsofas, in deren Ecken die Großmütter an den Abenden faßen und ihren Enkelkindern Märchen erzählten. Die Räume waren dunkel und die Kinder wuchsen in der Dämmerung luft und sicht loser Höfe auf und wir dürfen wohl ihre Möbel, ihre schrulligen Sitten und den engen Kreis ihrer Wünsche und Hoffnungen be­lächeln, nicht aber sie selbst, die Menschen. Denn auch sie hatten Sehnsucht und waren nicht weniger meri als mir, und auch über fie ging die Zeit hinweg, fie formend und Inetend nach ihrem Eben­bild. Nur die Zeit ist anders geworden.

Gestern fam eine dice, fleine Fraut vor das demofierte Hous Sie mar mit der Straßenbahn gekommen, drehte sich permirri mif fleinen, erschrodenen, tomischen Bewegungen nach allen Seiten um und mußte von einem Schupo über die Straße geleitet werden, solche Angst hatte sie. Sie trug ein Bündel in der Hand und einen großen, blauen Regenschirm preßte sie besorgt an den mächtigen Bufen. Sie lief aufgeregt vor dem Hause auf und ab und wagbe nicht, die Passanten anzusprechen, um zu fragen. Ich ging über die Straße und redete sie an:

,, Ben suchen Sie bitte?"

Sie puzte sich umständlich die Nase, Tränen standen in thyren Augen. ,, Ich war schon jahrelang nicht in Berlin , wissen Sie und wollte meinen Vetter besuchen, der hier gewohnt hat und jetzt... Sie sehen, hier wohnt niemand mehr", ratlos starrte sie mich an.

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Ich riet ihr, zur Polizeiwache zu gehen, dort würde sie den Verbleib der Mieter feststellen können. Sie trippelte mit kleinen, ängstlichen Schritten in der bezeichneten Richtung davon. Komisch. Tante Amalie tommt nach zehn Jahren zu Besuch und findet ihre Berwandten nicht mehr, nur ein demoliertes Haus. Was so alles vorkommen kann! Fahre wohl, Tante Amalie, ich wünsche dir alles Gute!

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Das Hotel war ein Stundenhotel und hatte im Laufe der vielen Jahre zahllose Liebespärchen beherbergt. Ich selbst aber davon ein andermal. Abends, wenn die Dämmerung über die große Stedt fällt, sieht man das Gerüst nicht so genau und da kommt noch mit­unter ein junger Mann mit einem Mädchen am Arm und will in das Haus, das er von früher fennt. Und dann stehen die beiden verwirrt und betreten vor den toten, düsteren Augen heraus: gebrochener Fenster. Der Atem der Vergänglichkeit streift sie gerade im Augenblick lebendigsten Lebens. Und sie stehen in der Dunkelheit vor dem toten Haus, das wie ein Sarg ist und in dem Millionen Erinnerungen begraben sind, die nicht mehr eingehen fönnen in das fünftige, neue Haus.

Sterblichkeit der Neugeborenen. Von 100 000 Neugeborenen ſterben 10 499 im ersten Lebensjahre, und zwar über die Hälfte in den beiden ersten Monater, nämlich 4471 im ersten und 1057 im zweiten Monat. Im dritten Monat sterben noch 937, in den kom­menden Monaten nimmt die Sterblichkeit langsam ab. Im zwölften Monat sterben noch 261.

Baumstämme aus der Urzeit. Die Stadt Chemnih befißt eine Sehenswürdigkeit; es sind dort nämlich etwa 30 bis 40 versteinerte Arautarienstämme aufgestellt, die meist bei Straßenbauten in dem Vorort Hilbersdorf gefunden wurden. Die Gelehrten nehmen an, daß diese Bäume vor der Triaszeit gewachsen sind, daß sie also ein Alter von 50 Millioner Jahren haben. Daß die Stämme in allen Einzelheiten erhalten sind, ist auf den Umstand zurückzuführen, daß steinen abgelagert hat. Sie im Wasser aufgelöste Rieselsäure sich in Form von festen Kiesel­

Denn das Kind will ja im allgemeinen gar feine fertigen Spiel­fachen haben, sondern es will selbst etwas tun, etwas gestalten. Wie oft erlebt es die Mutter, daß irgendein gekauftes Spielzeug in die Ecke geworfen wird, und daß statt seiner ein paar Bauflözden das Kind stundenlang beschäftigen! Das Kind will eben nicht eine Arbeit von anderen als fertig und abgeschossen hinnehmen, sondern es will vor allem Rohstoffe haben, die es nach Belieben verwenden fann, ohne fürchten zu müssen, für die Zerstörung" Schelte zu bekommen. Diese Eigenschaft des Kindes bietet gerade den Frauen, die sich in engsten und ärmlichsten Verhältnissen abquälen, die tags- Allerlei Zahlen. Ein von einer deutschen Bant veröffentlichter über in Fabrik und Kontor beschäftigt sind, während die Kinder Bericht bringt einige interessante Feststellungen: Auf der ganzen sich selbst überlassen bleiben, einen großen Trost. Denn diese ein- Welt wird heutzutage mehr Milch, mehr Tee und mehr Kaffee ver­fachen Rohmaterialien sind überall vorhanden und mit ihrer Hilfe zehrt els früher, aber weniger Kakao. Wir essen weniger Brot, kann die Mutter ihrem Kinde die vielseitigsten und wertvollsten Tabak, obwohl das Rauchen der Frauen ständig zunimmt. In Eng­hafür aber mehr Früchte und Gemüse. Wir verbrauchen meniger Anregungen geben. Das Kind selbst, vor allem das franke, an das land fommen 25 Menschen auf ein Auto, in Amerita nur fünf. Für Bett gefesselte Kind wird auf diese Weise die Zeit des Alleinseins die seidenen Damenstrümpfe werden jährlich 173 000 Tonnen fünft­ganz anders ausnügen fönnen, und mancher Licht- und Sonnenliche Seide verbraucht. Wenn der Reichtum Großbritanniens gleich­strahl, manche kleine Entdederfreute wird auch diese gefürchteten Tage erträglich machen,

mäßig unter die ganze Bevölkerung des Landes verteilt würde, so würde jeder einzelne 10 000 Mark bekommen.