Der Abend
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Nr. 596
B 297 47. Jahrgang
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Franzen verurteilt
Oberlandesgericht: Erwiesen, daß der Minister die unwahrheit sagte
Braunschweig , 20. Dezember.( Eigenbericht.) Heute mittag verkündete der Oberlandesgerichtspräsident Röpke das Urteil im Prozeß. ,, Volksfreund" gegen Franzen. Der Beschluß wird zum größten Teil aufgehoben, insoweit es bisher dem ,, Volksfreund" auf Grund der einstweiligen Verfügung untersagt war zu be haupten, Dr. Franzen habe einen wegen Bannkreisver letzung festgenommenen Landwirt Paul Guth , der sich als den Abgeordneten Lohse ausgegeben habe, als diesen Lohse reklamiert und dabei die Polizeiirregeführt. Ebenso wird der Passus der einstweiligen Verfügung nufgehoben, der es dem ,, Volksfreund" untersagt, zu beleuchtung gefunden. haupten, daß gegen Dr. Franzen ein Verfahren einge Icitet sei.
In der Urteilsbegründung wird ausgeführt, es sei von dem Kläger („ Volksfreund") als glaubhaft anzu sehen, daß Dr. Franzen den Guth tatsächlich als Sohje reklamiert und bessen Freilassung auf Grund ber Immunität Rohjes verlangt habe. Damit sei aljo bie Bolizei tatsächlich irregeführt. Ms nicht glaubhaft gemacht wurde angesehn so heißt es in ber Urteilsbegründung weiter, daß Guth wegen Wider stand gegen die Staatsgewalt, wegen Betruges unb and friedensburches festgenommen sei. Auch sei nicht er. wiesen, daß sich Dr. Franzen der Begünstigung schuldig gemacht habe.
Außerdem wird die Dr. Franzen zugesprochene Be fugnis, die einstweilige Verfügung in einer Anzahl von Zeitungen zu veröffentlichen, zurüdgezogen. Die Verfahrenskosten beider Rechtszüge werden gegen einander aufgewogen; das Urteil ist vorläufig voll. streckbar.
Das Urteil des Oberlandesgerichts ist für Franzen politisch und moralisch vernichtend, denn es überführt ihn doppelter unwahrhaftigkeit: Zunächst hat Franzen die Polizei über die Person seines Parteifreundes Guth bös willig getäuscht. Durch diese Feststellung ist aber weiterhin ermiesen, daß Franzen vor Gericht über diesen Borgang be harr. lich die unwahrheit ausgesagt hat: er hat hartnädig die jetzt festgestellte Tatsache, auf die es anfam, in Abrede gestellt, nämlich, daß er den Guth als den Abg. Lohse ausgegeben hat. Doppelter Unmahrheit ist dieser Naziminister überführt Demgegenüber spielt es teine Rolle, wenn das Braunschweiger Oberlandesgericht außerhalb Braunschweigs märe wohl auch das nicht möglich gewesen-aus belanglosen Nebenpunkten dem gedemütigten Minister ein paar Trostpillen fabriziert hat. Obendrein ist zu bemerken, daß die Frage, ob das an sich erwiesene Täuschungsmanöver Franzens den Tatbestand der strafrecht lichen Begünstigung erfüllt( mas das Oberlandesgericht verneint), fich heute im Berliner Prozeß gegen den Landwirt Guth entscheidet. Jedenfalls fomunt es zur Beurteilung dieser Frage lediglich auf die Handlungen Guths, nicht Franzens an.
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Franzen ist entlarvt! Entlarvt als das Gegenteil der gradlinigen, wahrheitsstrengen Berson, als die ihn die Leumunds. zeugnisse seiner Verteidigung hinstellen wollen. Er hat die Polizei zu täuschen versucht, er hat in zwei Instanzen vor Gericht die Unmahrheit gefagt!
Kann dieser Bekämpfer der Wahrheit noch Miniffer fein, eignet er fich moralisch für den höchsten Posten, den ein Land zu ver geben hat? Der kleinste Beamte, der solcher Unmahrhaftigkeit über führt ist, mürde ohne weiteres disziplinarisch aus dem Amt entfernt werden.
Und der Herr Naziminister? Er bleibt mit Unterstützung all der nationalen Parteien, die bekanntlich Deutschland von der ,, marristischen Unmoral" reinigen!
Der falsche Lohse
Guth wegen Landfriedensbruchs vor dem Berliner Gericht
Bor dem Erweiterten Schöffengericht Berlin- Mitte steht heute der Landwirt Guth aus Schleswig- Holstein . Seine blamable Angelegenheit hat soeben erst in der teilweisen Aufhebung der einstweiligen Berfügung gegen den Volksfreund" in Braunfchweig, über die wir an anderer Stelle berichten, eine grelle Be
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Bei dem Hakenkreuztramall am 13. Oktober, dem Eröffnungstage des Reichstags, wurde, mie erinnerlid, ein Mann festgenommen, der sich mit dem Abgeordnetenausweis für den national fozialistischen Landtagsabgeordneten Lohse aus Schleswig- Holstein zu legitimieren suchte. Dem Beamten, dem er diese Legitimation
Erfolgreicher Abschluß der Berliner Kreditation. Rreditverhandlungen ber Berlin find jest endgültig abgeschlossen.
Die
Stadt
Die Hälfte des nötigen Krebits von rund fünfzig millionen Reichsmark ist durch ein unter Führung fortium zur Verfügung gestellt worden. ber Seehandlung und der Dedi stehenden Kon Die andere Sälfte wird mit silfe eines ausländischen Konsortiums beschafft.
Postbeamter niedergeschossen.
Auf der Landstraße überfallen und beraubt.
Wetlar, 20. Dezember.
In der Nähe der Lungenheilstätte Waldhof. Elgershausen wurde heute morgen ein schwerer Raub überfall verübt. Der 37jährige Post beamte Weber aus Rakenfurt wurde, als er sich mit dem Motorrad auf einer Dienstfahrt für das Postamt Ehrings. hausen befand, unterwegs von zwei Männern zum Halten aufgefordert. Weber gab jedoch Vollgas und fuhr weiter. In diesem Augenblick zog einer der Männer einen Revolver und gab auf Weber einen Schuit ab. Die Rugel brang diesem in den Kopf. Weber stürzte in voller Fahrt vom Rade und blieb besinnungslos liegen. Die Täter raubten ihm die Geldtasche mit 101 Mark Inhalt und verschwanden.
Jusassen der Heilanstalt, die den Schuß gehört hatten, fanden ihn schwerverlett in seinem Blute liegen. Webers Zustand ist lebensgefährlich. Zwei Personen, die der Tat verdächtig erscheinen, wurden verhaftet.
vorzeigte, fiel sofort auf, daß die Photographie in der Ausweiskarte nicht mit dem Aussehen des Festgenommenen übereinstimmte. In die Enge getrieben, bat der Festgenommene nuh, den ihm bekannten braunschweigischen Staatsminister Dr. Franzen herbeizurufen, da= mit er über ihn Auskunft gebe. Dr. Franzen legitimierte ihn tatfächlich als Lohse.
Wegen Führung eines falschen Namens gegenüber den zuständigen Beamten und wegen Vorzeigung einer falschen Legitimation hat sich Guth heute zu verantworten. Die Anklage gegen ihn lautete aber auch ferner auf Banntreisverlegung und Landfriedensbruch. Zur Berhandlung sind 29 Zeugen geladen. Den Vorsitz führt Amtsgerichtsrat Arndt. Die Anklage vertritt der erste Staatsanwalt Röhler. Dem Angeklagten steht Rechtsanwalt Dr. Sad zur Seite.
Die Bernehmung zur Person des Angeklagten gestaltet sich sehr furz. Guth ist im Jahre 1904 in St. Ang- Defterfeld, Kreis NiederDittmarschen, geboren; er hat eine volkswirtschaftliche Schule besucht und ist auf dem Gute seines Vaters als Landwirt tätig. Zur Sache selbst sucht er dem Gericht folgendes weiszumachen:
Am 12. Oftober fuhr ich nach Berlin , um Vieh zu verlaufen. In Altona traf ich den Abgeordneten Lohse und einen zweiten nationalsozialistischen Abgeordneten. Wir fuhren zusammen weiter.
Da ich angesichts des Wahlausfalls vermutete, daß die Reichstags
fizung interessant sein würde, die Karten aber bereits vergeben
maren, bat ich den Abgeordneten Lohse um seine Legitimation als Landtagsabgeordneten. Ich habe aber Don Der Karte feinen Gebrauch gemacht. Gegen 7% Uhr traf ich mieder mit Lohse und einigen anderen nationalsozialistischen Abgeordneten zufammen. Bir begaben uns in das Restaurant Bayernhof unb speiften dort zu bend. Da es mir im Lokal zu heiß war, ging ich auf die Straße und murde auf dem Potsdamer Platz festgenommen. Borf: Haben Sie schon früher erfahren von den Unruhen auf der Straße?
AngefL: Ja, ich hatte schon im Reichstag gehört, daß einige rabauluftige Elemente bemerkt worden seien. Ich hatte auch Rufen und Johlen gehört.
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Bors: Als Sie aus dem Bayernhof auf die Straße famen, haben Sie da feine Ansammlungen von Leuten gesehen, die Heil Hitler ", Deutschland erwache" und Juda verrede" riefen? An= getlagter: Nein. Bors.: Sie sollen sich aber in solch einer Anfammlung befunden haben, als Sie vom Polizeibeamten aufgefordert wurden, Ihre Legitimation zu zeigen. Angefl: Es war feine Ansammlung.
Vors.: Sie sollen auf die Aufforderung hin die Karte von Lohse gezeigt haben. Wie famen Sie dazu? Anger L.: Der Beamte war sehr aufgeregt, ich habe nicht weiter überlegt und habe dum mermeise die Karte von Lohse tatsächlich gezeigt. Vors: An und für sich fann man aber die Bermutung haben, daß Sie das Gefühl gehabt haben müssen, etwas Unrechtes getan zu haben. Machte Sie der Beamte sofort darauf aufmerksam, daß das Bild mit Ihrem Auslehen nicht übereinstimme? Was sagten Sie dazu? Angefl: 3ch blieb dabei. Borf.: Sie hatten aber in der Legitimation von ohle noch ein zweites Bild liegen. Angeki.: Ja, es war mein Bild, das ich vom Führerschein abgetrennt hatte. Ich hatte es für den Fall hineingesteckt, daß ich im Reichstag doch angehalten werden würde.
Bors: Der Beamte wies Sie auf den
eigenartigen Umstand hin, daß Sie zwei Photographien bei fich führen. Trotzdem blieben Sie, als Sie auf die Polizeimache gebracht worden waren, dabei, Lohse zu sein. Sie erklärten die Berschiedenheit der Bilder damit, daß das eine von früher her stamme. Die Beamten standen aber Ihren Erklärungen steptisch gegenüber.
Angefl: Ich hatte den Eindruck, daß sie die Sache auf sich beruhen lassen wollten. Da fam aber der Polizeimajor Heinrich dazu. Bor f.: Run beriefen Sie sich auf den Minister Dr. Franzen und baten, ihn aus dem Bayernhof herbeizutelephonieren. Was fagte Dr. Franzen, als er fam?
Angetl.:
Der Polizeibeamte fragte Dr. Franzen, ob er mich tenne. Dr. Franzen bejahte es. Dann fragte er ihn, ob er Lohse fenne. Auch das wurde bejaht. Man legte ihm beide Photographien
Schließlich richtet er an den Zeugen die Frage: Sind Sie der Polizeimajor Heinrich. der erst vor furzem in Spandau in einer Bersammlung eine Brandrede gegen Nationalsozia listen gehalten hat?
Der Erste Staatsanwalt beanstandete diese Frage. Rechtcanwalt Sad ersucht um Gerichtsbeschluß. Das Gericht beschließt.
Morgen Kundgebung im Humboldthain
HOGS