Morgenausgabe
Nr. 597
A 300
47.Jahrgang
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Sonntag 21. Dezember 1930
Groß- Berlin 15 Pf. Auswärts 20 Pf.
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Heute in den Humboldthain!
Mittags 12 Uhr auf der großen Wiese: Kundgebung gegen Kulturreaktion und Kriegsgefahr/ Redner: Clara Bohm- Schuch , Arthur Crispien , Hermann Harnisch, Kurt Heinig , Carl Litke, Dr. Kurt Löwenstein und Otto Meier Erscheint in Massen! An- und Abmarsch darf laut polizeilicher Anordnung nicht in geschlossenen Zügen erfolgen!
Der spanische Aufstand.
Artillerie und Flieger haben gestreift.
Paris , 20. Dezember.( Eigenbericht.) In einem recht kritischen Artikel über Spanien nach dem Mißerfolg der revolutionären Bewegung bestätigt der Madrider Korres spondent des Temps", daß die Hauptschuld für den Mißerfolg des Aufstandes der Führer in Jaca trage, der
drei Tage zu früh losgeschlagen
hat. Aber auch in Madrid haben die Borbereitungen nicht geflappt. Bahlreiche Anhänger der Revolution und vor allem ftarfe Ar beitertrupps feien in den Bortagen mit Waffen versehen morden, doch haben am 15, Dezember nur die Flieger losgeschlagen. Augenscheinlich seien
die letzten Befehle nicht rechtzeitig oder überhaupt nicht an die Arbeitertrupps in Madrid gekommen.
Wenn nun aber die Regierung Berenguer behaupte, daß die Armee treu hinter ihr gestanden habe, so sei das mit größter Stepfis aufzunehmen. Gewiß habe
die Artillerie fich diesmal nicht zu den Regierungsgegnern geschlagen, aber den Revolutionären doch große Sympathien gezeigt.
Sowohl bei dem Zusammenstoß im Tal von Ayerbe als auch bei der Beschießung des Madrider Flugplatzes habe die Artillerie ihr Biel mit bloßem Auge erkennen können und doch habe sie mit hunderten Granaten den Revolutionären nicht den geringsten Scha den zugefügt. Weiter sei es ein beängstigendes Symptom für die Regierung, daß die Flieger trotz wiederholtem Befehl nicht einen Finger gerührt haben, um gegen Franco oder die übrigen Revolutionäre zu kämpfen. Nicht minder verdächtig sei schließlich, daß die Revolutionäre in allen größeren Städten Spaniens Komplotie schmieden konnten, ohne daß angeblich die Polizei sie habe entdecken schmieden konnten, ohne daß angeblich die Polizei sie habe entdecken
fönnen.
Der Madrider „ El Sozialista" fündigt an, daß er sofort nach der Aufhebung der Militärzenfur eine eingehende Erklärung dafür geben werde, warum die revolutionäre Bewegung in Madrid gescheitert und warum vor allem der Generalstreit nicht auch in der Hauptstadt verkündet worden ist.
Kriegsgericht an der Arbeit.
Paris , 20. Dezember.( Eigenbericht.) Bor dem Kriegsgericht in Madrid haben am Freitag die Verhandlungen gegen die verhafteten Führer der revolutionären Bewegung in Spanien begonnen. Der ehemalige Ministerpräsident Zamora und der Sohn des früheren Kammerpräsidenten Maura erklärten, daß sie die volle Verantwortung für die Er eignisse der letzten Tage übernehmen. Beide gaben weiter an, daß die Revolution nach ihrem Plan am vergangenen Montag früh um fünf Uhr gleichzeitig in allen großen Städten habe beginnen sollen. Ueberall seien revolutionäre Komitees gebildet gewesen, die die Republik hätten ausrufen sollen. Die Bewegung sei durch das verfrühte Losschlagen in Jaca verwirrt worden.
Wie das„ Journal" aus Madrid berichtet, beabsich.igt die spanische Regierung die Fliegerwaffe aufzulösen und sie unter Benutzung der zuverlässigsten Elemente im regierungstreuen Sinne zu reorganisieren.
" Det„ Matin" veröffentlicht ein Interview mit dem spanischen
Ministerpräsidenten General Berenguer, der es als seine Hauptaufgabe ansieht, möglichst schnell Neuwahlen herbeizuführen. Die Republikaner fönnten dann, ohne die Möglichkeit eines Bluffs zu haben, ihre wahren Kräfte zeigen. Im neuen Parlament tönn ten sie auch in voller Freiheit gegen die Monarchie polemisieren und alle möglichen Verfassungsänderungen vorschlagen. Es würde fich dann aber zeigen, daß fie bei weitem nicht die Mehrheit des Spanischen Boltes hinter fich hätten.
Die nach Selbststellung und Berhör freigelassenen Sozialisten führer Largo Caballero und Fernando de los Rios find verhaftet worden.
Die portugiesische Regierung hat dem spanischen Fliegermajor Franco und den spanischen Fliegern, die ihn auf seiner Flucht begleiteten, auf ihren Antrag die Erlaubnis erteilt, Portugal zu verlassen.
In der Stadt Aspe, Provinz Alicante , fam es zu einem Rampf zwischen der Zivilgarde und einer Menschenmenge, wobei brei Aufständische getötet und fünf verwundet wurden, Ein Offizier und ein Golbat der Zivilgarde wurden verwundet
Der Sozialistenführer Indalecia Prieto, der zum Aufstand aufgerufen hatte, ist nach Frankreich geflüchtet.
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Distanz von Folterknechten!
Es gibt noch ehrenhafte polnische Offiziere.
Warschau , 20. Dezember.( Ost- Expreß.) Die nationaldemokratische Gazeta Warszawsta" bringt die natürlich-anonyme Buschrift einer Gruppe attiver Offiiere, die sagt, daß die Namen der Folterknechte von BrestLitowit zum Teil bereits bekannt sind, zum Teil es in nächster Zeit würden. Es sei zweifellos, daß sie früher oder später durch Beschlüsse von Militärgerichten bzw. Offiziers e hren gerichten aus dem Heer entfernt werden würden. Solange das nicht geschehe, müßten die Schuldigen und alle, die sich mit ihnen solidarisch erklären, dem Boykott der Kameraden in der Armee verfallen.- Das weitverzweigte Geschlecht der Bjernazki erklärt in der Presse, daß der Kommandant von Brest , Oberst KostekBjernazki, zu dieser in Polens Geschichte berühmten Familie feines wegs in Verwandtschaft steht;
die Unterzeichner der Erklärung bedauern, daß der Oberst diefen ,, bisher niemals geschändeten Namen" trägt.
In Przemysl , der ehemaligen Garnison des Obersten Kostet Bjernazti, mar dessen Gattin im Berein der Offiziersfrauen zur Vorsitzenden gewählt worden; nunmehr haben alle anderen Borstandsdamen ihre Aemter niebergelegt, um mit ihr nicht zu fammenzuarbeiten; dabei tragen diese Vereine der Offiziersfrauen den Charakter von ausgesprochen pilsudskifreundlichen Organisationen!
Man entläßt man sperrt ein.
Am Freitagvormittag wurde der Vorsitzende der Polnischen Bauernpartei Brona aus dem Warschauer Gefängnis entlassen. Wrona war über die Wahlzeit verhaftet.
Der während der Wahlen verhaftete frühere Abgeordnete der ukrainischen Undo- Partei, Dr. Blaszkiewicz, wurde vom Kreisgericht in Sambor wegen staatsfeindlicher Wahlreden zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.
Wo sind die Männer?
Deutsche Außenpolitik seit dem 14. September.
Haben Sie schon einmal einen jungen Hund beobachtet, wie er hinter einem fahrenden Wagen herläuft?
Mit einer Wichtigkeit, als ob es überhaupt gar nichts anderes mehr auf der Welt gäbe, rennt er hinterdrein und bellt aus Leibeskräften. Kommt aber dann ein Wagen, der nach der entgegengesezten Seite rollt, was geschieht da? Mein Hund dreht sich um seine eigene Achse und rennt, rennt dem anderen Wagen nach mit genau berselben Wichtigfeit und mit genau demfelben Gebell.
Ein Reichsminister wird gesucht, der in diefem Stil a u s- wärtige Politit macht!
Bis vor ganz furzer Zeit gab es für die auswärtige Politif fein wichtigeres Ziel als die Revision des Young- Planes. Und niemand wird bezweifeln, daß das in der Tat eine ungemein wichtige Angelegenheit ist. Also hätte es sich wohl zunächst darum gehandelt, eine Politik zu treiben, die die Aussichten für eine Revision ständig bessert, und das hätte doch nur eine Verständigungs politik irgendeiner Art sein tönnen. Daß die plötzliche eigenmächtige Einstellung der Zahlungen aus dem Young- Pian für die deutsche Wirtschaft keine Erleichterung, vielmehr wegen der automatisch folgenden Zurückziehung aller Auslandskredite- den völligen Zusammenbruch bedeuten würde, begreift wahrscheinlich selbst das nationalökonomische Spazenhirn Gottfried Feders. Also, wenn Deutschland den Young- Plan nicht einseitig aufheben oder abändern fann, was bleibt anderes übrig, als ein Versuch, sich mit der Gegenseite über die Abänderung zu verständigen?
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Es ist uns gesagt worden richtiger, ins Ohr gebrüllt, geheult und gekreischt worden, daß Deutschland an der YoungSklaverei elend zugrunde gehen müsse. Kann es also eine höhere nationale Pflicht geben, als die, den sonst unvermeidlichen Untergang dadurch zu vermeiden, daß man alle Kräfte auf das eine Ziel der Revision konzentriert und alle anderen Fragen ihm unterordnet? Wenn es wahr ist, daß der Young- Plan noch schlimmer ist als der Dawes- Plan, wenn es wahr ist, daß diejenigen, die ihn abschlossen, zuchthauswürdige Landesverräter sind, wenn es wahr ist, daß es für Deutschland kein Aufatmen gibt, solange dieser Schand-, Schmach- und Stlavenvertrag existiert müssen da nicht alle Kräfte angespannt werden, uns so bald als möglich an die Stelle dieses Bertrages einen besseren zu setzen?
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Das ist der eine Wagen. Jetzt aber kommt der andere.
Eine vorbereitende Abrüstungstonferenz ist in Genf zu Ende gegangen. Sie hat zu bitteren Kritiken reichlich Anlaß geboten. Deutschland ist entwaffnet, die anderen wollen gerüstet bleiben. 3mar gibt es überall Parteien und Strömungen, die auf eine Erleichterung der Militärlasten hinwirken aber die internationale Rüstungsindustrie und die verschiedenen Generalitäten haben das Glück, jeden Tag neue schwerterflirrende Reden aus Deutschland zitieren und
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Kleine Protokollfälschungen sollen in Genf entlasten den ängstlichen Spießbürgern draußen einreden zu können,
Angesichts der Vorbereitungen, die für die Behandlung der polnischen Terrorafte in Ostoberschlesien vor dem Völkerbund getroffen werden, versuchen einzelne untergeordnete polni sche Behörden, protokollarisch festgehaltene Vorfälle nach Möglichkeit abzuschwächen. So erschien beispielsweise bei dem Bertrauensmann der Deutschen Wahlgemeinschaft in Georgenberg, der vor den Wahlen von der Polizei schifaniert worden war, der Bolizeifommandant und verlangte Abänderung eines Prototolis, um, wie er fich ausdrückte, in Genf teinen schlechten
Ginbrud zu machen.
von Deutschland drohe eine gewaltige Kriegsgefahr. Sicher hätten die Rüstungsindustriellen und die Generäle auch andere Ausreden gefunden, wenn man ihnen nicht diese so geschäftig auf dem Präsentierbrett entgegengebracht hätte; trotzdem haben sie allen Grund, denen in Deutschland zu danken, die es ihnen so bequem gemacht haben.
Die Erbitterung über die Sabotage der Abrüstung ist verständlich. Sie ergab nach der Wirtschaftskrise, die man zur Anti- Young- Propaganda ausbeutete, eine neue Konjunt tur für die nationalistische Demagogie. Man verkündet also,