Front und Film
Protest der Frontkämpfer Von Christoph Pfänder, Vorsitzender des Reichsbundes der Kriegsbeschädigten, Ich war Lanzemark-Kampser. Acht Brüder waren wir, alle im Felde. Einer ist nach mehr als vierjährigem Frontdienst gefallen. Di« anderen hatten Glück. Sie waren teils verwundet, teils in Gefangenschaft. Mich Hot es nach einjährigem Frontdienst in Nord- irankreich erwischt. Eine schwere Verwundung mit nachfolgenden Operationen hielt mich 9 Monate im Lazarett fest. Ich ging dann wieder an die Front. 1917 wurde ich entlassen, weil die Ver- wundungsfolgen den Militärdienst doch nicht mehr gestatteten. Warum ich das sage? Um darzutun, daß ich wohl berech- t i g t bin, mich Zu einem Kriegsfilm und zu dem hier in Frage stehenden Ausführimgsverbot zu äußern. Man hat das als ehe- maliger Frontkämpser heute leider nötig. Ohne Legitimation reihen viele Leute das Maul auf, die vom Kriege nichts gesehen haben. Sie halten sich aber für berufen und sachverständig, in diesen Dingen Urteile abzugeben. So auch die jungen Demonstranten, die in Berlin unter Führung des nationalsozialistischen Abgeordneten Dr. G o e b- b e l s das Filnwerbot erzwungen haben. Das Filmverbot ist ein Skandal! Das Buch Re- marques habe ich mehrmals gelesen, den Film am Abend vor dem Verbot mit mehreren Bundesvorstandsmitgliedern des Reichsbundcs der Kriegsbeschädigten gesehen. Durch ihn soll bekanntlich nach dem Spruch der Filmoberprüfstclle das deutsche Ansehen im Ausland gefährdet sein. Die fyetzcr und Demonstranten behaupten, daß„das Kämpfen und Sterben der deutschen Soldaten im Weltkrieg verzerrt und entstellt wiedergegeben" sei. Der Film lasse die Kriegsfreiwilligen heulen und schreien wie erbärmliche Feiglinge. Der deutsche Soldat werde mit einer Verbrechervisage gezeigt. Die alte deutsche Armee würde beleidigt und zu einem Konglomerat jämmerlicher, auf Fressen, Feigheit, Dreck, Drill und Schinderei«ingestellter Kerle herunter- gezogen. Nichts von alledem! Der Film zeigt das Gesicht des Krieges und die Soldaten so. wie sie wirtlich waren. Man muh eben an der Front gekämpft und den Film gesehen haben, um hier urteilen zu können. Frontkrieg, Fronterlebnis und der Film „Im Westen nichts Neues" sind eherner Dreitlang! Wer wird denn im Film als Feigling gezeigt? Niemand! Wer schreit und heult? Niemand! Nur ein junger Soldat, der im schrecklichen Kampf sein Augenlicht verliert, schreit jammernd:„Ich bin blind, ich bin blind" Wie oft haben wir diese er- schlitternde Klage gehört! Haben wir uns nicht alle als wir frisch an die Front kamen, instinktiv zur Erde gebückt, wenn die ersten Granaten und Schrapnells über uns fauchten. Offiziere und Unter- offizicre. nicht nur die vom Typ eines Himmelstoh, haben es genau so gemacht. Haben wir nicht erst später, wie es das alte„Frontschwein" Kotczinski gegenüber den neu angekommenen jungen Soldaten tut. gelernt, wie man sich in einer solchen Situation ver- hält? All« haben wir denselben Lehrgang durchgemacht, wie er in Remarques Buch beschrieben und im Film gezeigt wird. An der Front war es eben anders als auf dem Kascrnenhof, dem Exerzier- platz und bei den romantischen Geländeübungen während der kurzen Ausbildungszeit, im besonderen auch für Leute wie den Sergeanten ftimmelstoß. Haben wir nicht alle solche Typen kennengelernt? Haben wir uns nicht als Frontkämpfer, die schon eine Reih« von Gefechten und Schlachten mitgemacht hatten, im Stellungskrieg offen lustig-emacht oder heimlich gefreut, wenn wieder einmal eine solche aus t Ausbildungszeit bekannte Gestalt mit neuem Ersatz in den Grabe gekommen war? Nichts stellt auch hier das Buch oder der Film falsch dar. Von allgemeiner feiger Nachgiebigkeit auf deutscher Seite, von jämmerlichen Gestalten ist weder im Buch noch im Film die Rede. .Bleibt noch die„Derbrechervisage" Katczinskis. Man muh sie eben auch im Film gesehen haben und im Krieg gewesen sein. I ch habe als Frontkämpfer Dutzende solcher Ge st alten erlebt. Sie haben auch bei unseren Kriegsosfizieren im guten Ansehen gestanden, und dos mit Recht! Gerade diese einfachen Leute waren es, die in väterlicher Kameradschaft für die jungen Soldaten eingetreten sind und ihnen tausendmal mehr genützt haben, als alle Exerzierreglements und all« Ausbildung in der Heimat. Die Kriegsfreiwilligen von Lange mark sollen beleidigt sein, die mit dem Deutschlandlied in den Kamps gegangen sein sollen. Ich sage ausdrücklich„sein sollen", da ich selbst im fraglichen Abschnitt und an den fraglichen Togen mit dabei war. Wir haben von dieser Erzählung erst lange nach den Kampfhand- lungen von Ende Oktober und Ansang November 1914 durch Briese aus der Heimat und Ilebersendung von Zeitungen gehört. In unserem Abschnitt fragten wir oft nach Entstehung und Wahrheit dieser Meldung. Niemand von den Kameraden wußte etwas davon. Mag sein, daß in irgendeiner Situation das Lied erklungen ist, aber bestimmt nicht als Hochgesang aus den Swrmangriff und den nahen Heldentod. Man sage uns doch einmal, in welchem Frontabschnitt und in welchem Truppenverband sich das so oft glorifizierte Er- eignis zugetragen hat. Wir werden dann wieder darüber reden. In Wirklichkeit waren schon die Kämpft um Langemark eine grausam« Enttäuschung der Ideologie, die von Schullehrcrn und Gymnasialprosessoren vom Typ Kantorecks genährt rvorden ist und mit der besonders die Freiwilligen an die Front gegangen sind. Es ist keine Beleidigung unserer toten Kameraden von Lai�cmark, wenn dies hier scstgeftcllt wird, sondern eine not- cvendige Warnung für die Jugend, der von vielen Seiten auch wieder eine falsche Kriegsroniantik angezüchtet werden soll. Der Film entspricht poch nicht einmal der ganzen grausamen Wirklichkeit de, Krieges. Von dem furchtbaren Materialkrieg zeigt er überhaupt nichts. Seine Uebermacht und wohlgenährte Soldaten auf der anderen Seite waren es. die letzten Endes den deutschen Widerstand gebrochen lzabci». Das Geschrei gegen den Film„Im Westen nichts Neues" ist genau so verlogen wie die Legende vom Dolchstoß. Ii, Wirklichkeit geht es ja auch nicht um den Film, sondern um andere Dinge. Wäre der Film in Deutschland gedreht worden, dann müßte er bei objektiver Darstellung genau so aussehen. Do ihn Amerikaner gedroht haben, spiest eben dar Einfluß des deutsckzen Filmkapitals um Hugenberg«ine Rplle. Ich habe auch den Film ,Di«r von der Infanterie, Westfront 1918" gesehen, der gegenwärtig noch in Deutschland an manchen Orten läuft. Dieser ist keme -fall» Übertrieben, auch er gibt«ine gute Darstellung vom Krieg. Cr ist an vielen Stellen viel eindringlicher und brutaler als der setzt ver- botenc. Aber auch er kann ebensowenig wie der Remarquesche Film dos wahre Gesicht des Krieges zeigen. Das ist nicht möglich, wie der Gründer des Reichsbundes der Kriegsbeschädigten, der Kamerad Kuitner, im Preußischen Landtag ganz richtig ausgeführt hat.
Die andere Frage, um die es geht, ist der Kampf um den Frieden überhaupt. Die Leute, die den Kriegsgeist schüren und bei der Jugend eine falsche Auffassung vom Krieg verbreiten, haben mit dem Verbot einen Sieg errungen. Gerade deshalb haben wir als ehemalige Kämpfer die Pflicht, uns gegen eine solche Versündi- gung an unserem Volk, wie es das Verbot der Filnioberprüfstelle darstellt, auf das entschiedenste zur Wehr zu setzen. Wir müssen Deutschland und im besonderen die junge Generation davor be- wahren, den Krieg und die Gewalt als Retter der Menschheit und als Retter eines Landes hinzustellen. Energisch i protestieren wir gegen das Verbot von Filmen, die die Brutalität des Krieges zeigen, während zugleich militärische Paraden in fast sämtlichen Kinos, be-
sonders in den Wochenschauen der Hugenbergschen Theater, vor- geführt werden. Wir haben keinerlei Interesse, Paraden der safchisti- schen Garden um Mussolini und andere in ihrer Aufmachung und Wirkung verlogene militärische Aufzüge zu sehen. Wir sind Kriegs- gegner nicht aus Feigheit, sondern auf Grund unserer Erfahrungen. Wir wenden uns gegen eine solche Parteilichkeit und eine Vergewaltigung des Rechts, wie sie in dem Verbot des Remarquc-Films und in der kurz darauf erfolgten Zulassung des Stahlhestnfilms vom Ausmarsch in Koblenz zum Ausdruck kommt. Auch deshalb der Ruf: heraus mit dem Remarque -Film, nieder mit ollen verlogenen milikaristischen Filmen!
Ferdinand Bruckner bekennt fich Ein gelüstetes Geheimnis. Aus Wien wird gemeldet: Das Geheimnis über Ferdinand Bruckner ist gelüftet. Der Träger des Geheimnisses hat sich selbst gemeldet. Ferdinand Bruckner ist, wie die Eingeweihten ichon längst von den Dächern pfiffen: Theodor Tagger , Tagger, der Ver- liner Regisseur und Tlzeaterdirektor, der sich im Rciiaissance-Theatcr zwar nicht halten konnte, der ober sonst ein tüchtiger, hochbegabter Schriftsteller und Dramatiker ist. Seit zwanzig Jahren ungefähr kenne ich diesen Mann. Er Hot mit hübschen lyrischen Gedichten begonnen. Seine Lyrik war weich und wienerisch und nicht sehr originell und inspiriert von der Hoff- mannsthalschen Artistik, aber es schwebte in dem Dichter irgend etwas Eentiincntalcs. Man sagte sich, daß er mehr als ein glatter Epigone ist. Und dann übersetzte er als der Tausendste oder Zehn- tausendste noch einmal die schönsten hebräische,, Psalmen. Es war eine Freude, diesen Rhythmus und diese Sprachinnigkeit nach- empfunden und nachgeformt zu sehen. Vor ungefähr zehn Iahren spielle man am Berliner Theater am Zoo ein Sittcnstück, das noch den Verfassernamen Taggers nannte. Es war kein bedeutendes Wert. Es hing in allem mit Wedekind und auch mit leichterer Kvmödicnschrciberei zusammen. Man meinte, daß Tagger, der inzwischen in Berlin eine Regisseur- und Dramaturgenstelle angenommen hatte, nun ganz dem gewöhn- lichen Theaterbetrieb verfallen sei und daß er nicht viel weiter kommen werde. Dann wurde am Renaissance-Theater die„Krankheit der Jugend " von Ferdinand Bruckner aufgeführt. Man war überrascht. Auch im„Vorwärts" wurde dos merkwürdige Talent des bisher unbekannten Draniotikers, der sich vor etwa ö Iahren zum ersten Male meldete, charakterisiert. Geistcsinhall, strenge Glaubenstreue vor der Freudschen Psychoanalyse, eine überall spürbare dramaturgische Raffiniertheit. Der Eindruck vertiefte sich nach der Aufführung der „Verbrecher", schließlich„Elisabeth von England". Man wußte schon, daß Tagger Ferdinand Bruckner war. Man freute sich, daß er dein Izcutigcn Theater soviel gab. was fesselnde Idee und starke Wirkung brachte. Tagger vermummte sich noch einige Zeit lang und gab seiner. Namen nicht preis. Aber der literarische Kriminalfall war schon ziemlich durchsichtig geworden. Jetzt ist Klarheit da, und der klare Name bezeichnet einen Theatermann, dem bisher nur Gutes nachgerühmt werden darf. dt. H. Muß die Kuh Milch geben? Familiensatire im Isenaiffance-Theater. Wäre der dritte Akt der neuesten Komödie von W. Somerset Maugham „Muß die Kuh Milch geben?" so ledendig, so lustig, so lebensklug wie die beiden ersten, so hätte das Renaissance-Theater für das nächste lzalbe Jahr keine Repertoiresorgen. Voin Engländer Maugham kennen wir schon eine ganze Reihe von Stücken, die mit sicherer Bühnentechnik geschrieben und stets durch die hübsche und originelle Idee über das Niveau der bloßen Belustigung hinausragen. Cr ist ein Meister des Konseroationsstücks, das immer einen nachdenklichen Kern enchält, Maugham ist ein Shaw im Westentaschenformat. Genau wie der groß? Ire hat er die Fähigkeit, an alchergebrachte Anschauungen die lritische Sonde zu legen und an Dingen, die wir nach alter Ge- wohnheit ganz in der Ordnung findeil. Unstimmigkeiten zu entdecken. Natürlich bringt er dabei nicht Shaws blutige Satire auf, er vergreist sich auch nicht an unseren heiligsten Gefühlen, sondern er begnügt sich mit der kritischen Betrachtung von Alltäglichkeiten. Muß die Kuh Milch geben?, fragt er hier, wobei der Ton auf das Wort„muß" gelegt wird. Muß der Mann jahrzehntelang schuften und sich abrackern, bloß um seiner Frau und seinen Kindern ein faules Leben zu vcrschasftn? In zwanzigjähriger Ehe hat sich Bankdirektor Charles nicht etwa die Liebe und die Achtung seiner Angehörigen für seine unermüdliche Arbeit erworben. Frau und Kinder betrachten ihn als Kuli, dessen Geld man wohl annehmen darf, der aber sonst als unerwünschtes und störendes Familien- Mitglied cmpsunden wird. Das Unglück will, daß Charles durch eine mißglückte Spekulation pleite geht. Freunde strecken ihm Geld vor, so daß er sein Geschäft wieder aufbauen könnte. Aber bei dieser Gelegenheit sind ihm die Augen aufgegangen, er hat kein? Lust mehr, die Rolle des geduldeten Ernährers weiter zu spielen. Klipp und klar beweist er, daß sie sich in der Familie grenzenlos mit ein- ander langweilen, daß von gegenseitiger Liebe keim Spur zu ent- decken ist.'Alles ist nur Konvention. Schluß damit. Den größten Teil des ihm verbliebenen Privawermögens überläßt er seiner Frau. Mit dem Rest wird er, frei von Familienbaichen und erlöst von der sinnlosen Schufterei für eine hohle Häuslichkeit, ein eigenes beschauliches Leben führen. Alle Welt hält ihn für verrückt, aber bei näherem Zusehen merkt man, daß er eigentlich einen sehr ver- nünftigen Gedanken gesaßt hat. Ihren besonderen Reiz bekommt die Komödie durch die entzückende Zeichnimg der frechen Jugend von heute. In den besseren Kreisen gilt es als schick, aus Alter und Erfahning mit blasiertem Lächetn herabzusehen. Der Jugend gehört die Welt.'Man weiß alles besser, man dankt den Eller» nicht für die noble Erziehung. Man hat sie ja nicht gebeten, sie in die Well zu setzen. Die Eltern haben das Vergnügen gehabt, jetzt haben sie lediglich die Pflicht, zu bezahlen. Bei diesen Szenen schallt ununterbrochen herzliches Gelächter durch den Zuschauerraum. Hier erhebt sich Maugham zu einem Satiriker besten Stils Dann geht chm leider der Atem aus. Er kaut im dritten Akk die Ansichten noch einmal durch, die wir aus dem ersten Teil kennen, bringt ein paar bemerkenswert dumme Auftritt« zustande und steigt damit entschlossen auf plattes Kasseniveau. Unter Forster-Larrinagas Regie wird munter, lebendig und sehr lustig gespiell. Am lustigsten von den, prachwollen Hans Bransewetter, der feine jungenhaft« Unverschämtheit so frisch
und natürlich zur Schau trägt, daß man der Figur gar nicht böse sein kann. Spaßig Charles verwöhnte Ehefrau der Johanna Ter- w i n und der joviale Vater des Julius F a l k e n st e i n, ulkig die Dümmlichkeit des Victor de K o w n. Trude B r i o n n e gibt ein geziertes dummes Gänschen. Sie unterscheidet sich vorteilhast von ihrer Partnerin Karin Evans , deren Geziertheit leider im- bewußt ist. Den Bankdirektor spielt elegant und virtuos wie immer Albert B a s s e r m a n n. Diesmal aber beängstigend dar Pose nahe. Aufgekratzt und müde geklatscht verlaßt das Publikum befriedigt den netten Abend. Emst Degner. Aeues Theater am Zoo. „Das öffentliche Aergernis." Im Programmheft des Theaters kann man unter dem Photo Franz Arnolds, des Autors von„Das öffentliche Aergernis" folgen- der Vierzeiler lesen, den er verfaßt hat: „Wer Stücke schreibt, darf an Empfindsomkett nicht kranken, Muß lächelnd dulden jegliche Kritik, ist's ein Erfolg, Hat«ris dem Mimen nur zu danken, Ist es ein Durchfall, dann liegt's nur— am Stück." Er wird also jegliche Kritik lächelnd dulden, denn er weiß, daß er nie schuld ist, mit der einzigen Ausnahme: wenn er Erfolg hat. War es ein Durchfall, wie diesmal,— steht hinter diesen vier Zeilen— dann sind die Schauspieler daran schuld gewesen. Dieser Schwank ist langweilig und schleppend. Nichts geschieht, was unterhaltsam wäre, die Witze sind alt wie Methusalem und die Voraussetzungen an das Publikum gehen nicht über das Niveau des Spießbürgers im Parkett hinaus. Kein befreiendes Gelächter geht durch den Raum, ein Anerkennungslächeln für T h i e l s ch e r ist alles. Hier will eine klein« Baroneß aus Potsdam einen— man höre—«inen bürgerlichen Dr. Weber heiraten. Tante Ursula, Freifrau von Pritzelwitz, und Onkel, Professor Baldur von Dieringen, Rasftnforscher, sind eisern dagegen. Dr. Weber hat jedoch auch einen Onkel, Herrn Gustav Pietsch, der will dem jungen Paar unbedingt helfen. Er kauft für sich den Titel eines Konsuls von Nigeria und für den Neffen den Grafentitel, indem er ihn von einem verkrachten Grafen adoptieren läßt. So glaubt Pietfch, all« Standesunter- schiede beseitigt zu haben, aber die große Assäre kommt noch. Denn der Neffe hatte in Paris eine Geliebte, den braunhäutigen Revue- star vom Folics Bergere Dorine Blaker. Er verwechselt zwei Brief« (wie originell), und so bekommt die auserwählte Baroneß seinen Abschiedsbrief an Dorine und die Tänzerin hat einen richtigen, schriftlichen Heiratsantrag von ihm in Händen. Der Revuestor kommt unverzüglich nach Berlin , tritt in einem Nackttanz auf und wird infolge der Intervention des Rassensorschers Professor Baldur ausgewiesen. Sie sucht Schutz bei ihrem Konsul, und das ist Herr Pietsch, der Onkel. Alles geht jetzt drunter und drüber, die vor. nehm« Verwandtschaft ist empört, das Negerweib im Hause des jungen Grafen vorzufinden, Dorine läßt nicht locker, die Braut nimmt übel. Schließlich entpuppt sich Dorine als uneheliche Tochter des Rassenforschers und damit kommt olles in Ordnung. Arnold ist es nicht gelungen, einen wirkungssicheren Schwank daraus zu machen. Seine Regie unterstrich noch die Fehler des Manuskriptes. Guido Thielfcher ist ein harmlos-lomifcher Berliner Onkel. Hugo Werner Kohle als Professor Baldur von Dierin- gen ist eine herrliche Type, Hans Zech-Ballot war als Dr. Weber etwas uneingespiell. Eugen Burg als verkommener Graf Castelli trug zu dick auf Sehr angenehm fiel auf I e s s i« V i h r o g als Darin« Blaker, die Eleganz und Temperament zu ver- geben hatte. Mally Georgi, die kleine Baroneß, war so gut, als ihre Rolle es ermöglichte. Der Applaus war matt. ■Alexander von Sacher-Masoch.
Opernstudio. Donizetti.Sie Reqimentstochter." Es handelt sich nicht um Donizetti : sondern darauni, am Beispiel der„Regimentstochter " das-Darstellungs- und Jnszenierungsproblem der alten Spieloper neu zu lösen: neue Möglichkeiten, neue Wege zu finden, oder zunächst: zu suchen. Den Zweck, der in der heutigen Opernluft liegt, hat diese erste Studio- Nacht am Schiffbauer- dämm nur halb erfüllt. Mit Witz, Laune und theatertechnischer Akkuratesse haben R a b e n a l t und R e i n k i n g am Entscheidenden ihrer Aufgabe vorbeigearbeitet. Ihre lebendigsten Beziehungen zum Werk und zu seinem immanenten Stil bleiben negativer Art. Höhe- Punkt: ein parodisiisches Ballett von erschütternd komischer Wirkung. Die wahrhaft amüsante Figur, die, als Sängerin über- raschcnd, Trude Hesterberg auf die Bühne stellt, hat mit Donlzettis Oper wenig Berührungspunkte. So unernst genommen, wird diese nicht als taugliches, sondern als untauglichstes Objekt der Erneuerung behandelt. Die Veranstaltung wäre ohne den Vorwand ihres Programms ebenso lustig geworden. Das Musikalische durfte Andeutung bleiben: in den gegebenen Grenzen hat Theo M a ck e b e n das Möglich« getan. Maria E l s n e r als Marie ist eine Erfüllung: aber gegen einen Tenor von penetranter llmnöglichkeit kommt alles Drum und Dran der Szene nicht aus. Die Hörerschaft, fest ent- schlössen, ein revolutionierendes Opernereignis zu erleben, rast Beifall: am lautesten freilich nach der berühmten, bravouriös ge- sungenen Arie der Marie. Doch geradeheraus gesagt, die Entdeckung, daß dl« Desangskünste der Oper vor einem musi'alisch anspruchs- losen Publikum eine sichere Sache sind, taben schon Rotters gemacht. K. P. * Die Aufführung, soweit szenische Gestaltung in Betracht kommt, gipfelte in den Tänzen des zweiten Akts. Cläre Eckstein, Meisterin des grotesken Gesellschaftstanzes, parodierte den Stll der l879er, l880er Jahre. Quadrillen, bei deren Ausübung die Damen