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Morgenausgabe

Nr. 604

A 304

47.Jahrgang

Böchentlich 851, monatlich 3,60 im voraus zahlbar, Bostbezug 4,32 MR. einschließlich 60 Bfg. Bostzeitungs- und 72 Bfg. Boftbestellgebühren. Auslands. abonnement 6,- M. pro Monat. *

Der Borwärts" erscheint mochentag lich   zweimal, Sonntags und Montags einmal, die Abendausgaben für Berlin  und im Handel mit dem Titel De  : Abend". Illustrierte Beilagen Bolt und Zeit und Kinderfreund". Ferner Frauenstimme". Technit"," Blid in die Bücherwelt"," Jugend- Borwärts" und Stadtbeilage".

Vorwärts

Berliner   Volksblati

Sonnabend 27. Dezember 1930

Groß- Berlin 10 Pf. Auswärts 15 Pf.

Die einipaltige Nonpareillezeile 80 Bfennig. Reflame eile 5.- Reichs mort. Kleine Anzeigen das ettge druckte Bort 25 Pfennig( zulässig zmei fettgedruckte Worte), jedes weitere Wort 12 Pfennig. Stellengesuche das erste Wort 15 Pfennig, jedes weitere Wort 10 Pfennig. Worte über 15 Buchstaben zählen für zwei Borte. Arbeitsmarkt Seile 60 Pfennig. Familienanzeigen Zeile 40 Pfennig. Anzeigenannahme imhaupt geschäft Lindenstraße 3, wochentäglich Don 8 bis 17 Uhr.

Kentralorgan der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands  

Redaktion und Berlag: Berlin   SW 68, Lindenstr. 3 Fernsprecher: Dönhoff 292-297 Telegramm- Adr.: Sozialdemokrat Berlin  .

Vorwärts- Verlag G. m. b. H.

Stalin wird Staatsbeamter.

Der erste Posten im Staatsapparat.

Kowno  , 26. Dezember. Der Rat der Volkskommissare der Sowjetunion   hat die Mit glieder des Arbeits- und Verteidigungsrats ernannt. Zum Vorsitzenden des Rates wurde der Vorsitzende des Rates ber Bolkskommissare, Molotom, ernannt, zu stellvertretenden Bor. sthenden Rudsusaf, Andrejew und Kuibyschem. Zu Mitgliedern des Rates wurden ernannt: der Generalsekretär der Kommunisti­schen Partei der Sowjetunion  , Stalin  , der Vorsitzende des ober­ften Bolkswirtschaftsrats der Sowjetunion  , Ordschonitidse, der Kommissar für Landwirtschaft Jatowlem, Kriegstommissar Woroschi low, Finanzfommissar Grinto, Versorgungskommissar Mikojan   und der Direktor der Russischen   Staatsbank Kalmanowitsch.

Die Ernennung Stalins zum Mitglied des Arbeits- und Ver­teidigungsrates hat in Moskau   großes Aufsehen erregt. Stalin  hat sich nach seiner Wahl zum Generalsekretär der kommunistischen  Partei in diesem Falle zum ersten Male bereit erklärt, einen amtlichen Bosten" zu übernehmen, um selbst den Wiederaufbau der Sowjetwirtschaft fontrollieren zu können.

Buchthausdisziplin in den Fabrifen.

Moskau  , 26. Dezember.

Das Arbeitskommissariat erließ zwed's Erhöhung der Arbeits­leiftung neue Verordnungen, durch die strengste Dis31 plin in der Arbeitstätigkeit erreicht werden soll Arbeiter, die die Disziplin fyftematisch verlegen, werden fünffig fristlos und ohne Ent­

Eduard Davids Beisetzung.

Trauerfeier in Berlin- Lichterfelde  - Einäfcherung in Mainz  Die Trauerfeier für den verstorbenen Genossen Dr. Eduard David findet am Sonntag, dem 28. Dezember, vormittags 11 Uhr im Park- Friedhof von Berlin   Lichterfelde  , Luzerner Straße 1, statt.

Da die Beisetzung gemäß dem Wunsch des Verstorbenen m

der Hauptstadt seiner engeren Heimat, Mainz  , erfolgt, wird nach der hiesigen Trauerfeier der Sarg zum Bahnhof Lichterfelde  - Weft ge leitet werden, von wo aus die Ueberführung nach Mainz   stattfindet. Die Einäscheruno in Mainz   ist für Dienstag, den 30. Dezember, nachmittags vorgesehen.

Auf der Trauerfeier in Lichterfelde   werden sprechen: für die Sozialdemocratische Partei Genosse Hermann- Müller Franken, für die Reichsregierung ein Mitglied des Reichs­fabinetts, im Namen des Reichstags dessen Präsident Genosse Bau: be, für die Preußische Staatsregierung Genosse Carl Seve ring, und für die Hessische Staatsregierung ihr Berliner   Gesandter

Dr. Nuß.

In Mainz   dürften unter anderen sprechen der hessische Staats­präsident, Genosse Dr. Adelung   und im Namen des Repu­blikanischen Reichsbundes, dessen Vorstand Eduard David   angehörte, Reichstagsabgeordneter Genosse Karl Hildenbrand  , der auch zu den nächsten Freunden des Verstorbenen gehörte.

Troß der Weihnachtsfeiertage find bei der Witwe Eduard Davids bereits zahlreiche telegraphische und briefliche Beileids­äußerungen eingelaufen. von denen wir einige hier wiedergeben:

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands  telegraphierte:

,, Herzliches Beileid Ihrem großen Schmerze. Mit Ihnen

trauert, auch die Sozialdemokratische Bartei um Eduard David   als einen ihrer treuesten unb tapfersten Freunde und Kämpfer.

Der Parteivorstand, Otto Wels  .

Bon der hessischen Staatsregierung: Tief erschüttert vom plöglichen Hinscheiden Ihres verehrten Herrn Gemahls spreche ich Ihnen und den Ihren auch im Namen der heffischen Regierung mein herzlichstes Beileid aus. Dr. David war mir jeit Jahrzehnten ein lieber Freund und dem hessischen Bolf ein treuer Anwalt und Führer. Sein Wirken wird im Hessen­

lande stets in dankbarer Erinnerung bleiben.

Dr. Adelung, Staatspräsident.

Aus einem Brief des Präsidenten des Reichstages Löbe: Wir trauern mit Ihnen um den Mann, der einer unserer Besten war, der seinem Volte Unvergängliches geleistet, der in unserem Gedenken nicht verlischt, solange wir leben."

Aus einem Briefe von Theodor Leipart   im Namen des

ADGB.  :

Ein furchtbarer, ein unerfeglicher Verlust nicht nur für Sie und Ihre Familie, sondern ebenso für die große Masse der Arbeiter Deutschlands   und für das ganze deutsche Volf. Boll inniger Dankbarkeit gedente ich in dieser Stunde der nimmermüden, erfolgreichen Tätigkeit des im Leben von mir und meinen Kollegen so hochgeachieten Toten. Er hat sich auch um die deutsche Gewerkschaftsbewegung große Verdienste erworben, weil er in hohem Maße dazu beigetragen hat, die Arbeiterschaft im Ganzen zum realpolitischen Denten zu erziehen."

schädigung entlassen und dürfen sechs Monate in feinem an­deren Betrieb beschäftigt werden. Wenn die Verlegung der Disziplin in böser Abficht geschicht, werden die Arbeiter strafrechtlich zur Ver­antwortung gezogen werden. Falls ein Arbeiter die Betriebsleitung nicht rechtzeitig davon unterrichtet, daß ein durch ihn hergestelltes Er zeugnis untauglich ist, verliert er den Anspruch auf Lohnauszahlung. Diese drakonische Verordnung ergänzt die frühere, die einen freiwilligen Wechsel der Arbeitsstelle verbietet, und wurde erlassen, um die möglichste Beschleunigung des Tempos der Erfüllung des Fünfjahrplanes durchzuführen, die durch das Plenum des Vollzugs: ausschusses der Partei gefordert wird.

Kirchen in Moskau   überfüllt.

Kowno  , den 26. Dezember.

Das Weihnachtsfest ist in Moskau   sowie in der ganzen Sowjet­ union   im Zeichen des Kampfes gegen die Religion verlaufen. Alle Betriebe haben am 25. und 26. Dezember, wie üblich, gearbeitet. Trotz der Hetze gegen das Weihnachtsfest waren am Abend sämtliche Kirchen in Moskau   überfüllt. Die Behörden hatten jedoch den Sängern der Staatsoper verboten, in den Kirchen zu singen. In Moskau   haben am Heiligen Abend etwa hundert anti religiöse Versammlungen stattgefunden, in denen die Vertreter der Kommunistischen Partei zum Kampf gegen die Religion aufforderten und die weitere Schließung von Kirchen verlangten.

Telegramme find eingelaufen von der Sozialdemokratischen Partei Hessen   und vom Bezirk Mainz  , vom Republikanischen Reichs­bund, vom Reichsbanner, Gau Heffen, von Hermann Müller  , von Frau Luise Ebert, vom hessischen Gesandten in Berlin   und anderen.

Eine dritte Partei in Amerifa? Menschenrechte über Eigentumsrecht als liberales Ziel.

New York  , 26. Dezember.( Eigenbericht.) Der bekannte Vorfämpfer des amerikanischen   Liberalismus, Professor John Dewey  , forderte den republikanisch- unabhängigen Bundessenator Norris auf, an die Spitze der neu zu bildenden liberalen Partei zu treten und damit die Reorganisation des politischen Gewissens Amerikas   zu beginnen. Dewey bezeichnete Norris als zu sozial denkend, um weiterhin der republikanischen Partei anzugehören, die gleich der Demokratischen Partei keinerlei soziale Befferung erhoffen laffe und die Eigentumsrechte über die Menschenrechte stelle. Dewens Aufforderung drückt Gefühle starter Kräfte innerhalb beider Parteien aus, die einen parteipolitischen Zusammenschluß aller liberalen Elemente Amerifas als unbedingte Notwendigkeit betrachten und begrüßen. Wieweit Norris und die übrigen Fortschrittler einen völligen Parteibruch wünschen und einer dritten Parteigründung sympathisch gegenüberstehen, ist ungewiß. Die Bemühungen der republikani­schen Parteiinstanzen, die Gegensätze auszugleichen und die Einheit der Partei zu erhalten, erscheinen infolge des hartnäckigen Kampf­willens beider Parteiflügel ziemlich aussichtslos. Die Demokraten erhoffen von dem republikanischen Parteitonflift eine weitere Stär­fung ihrer in den Novemberwahlen ziemlich beträchtlich gewachsenen Machtposition.

Auf der Schuldfuche für die Wirtschaftskrise.

New York  , 26. Dezember.( Eigenbericht.) Die New- Yorker Bankaufsichtsbehörden behaupten, daß die Die New- Yorker Bankaufsichtsbehörden behaupten, daß die zunehmende Beunruhigung des Bankpublikums und die durch die unaufhaltsamen Geldabhebungen herbeigeführte Schließung ver schiedener Banten auf tommunistische manipulationen zurückzuführen feien. Die Kommunisten hätten instematisch unter allerlei Alarmgerüchte verbreitet, die zu Stürmen des Publikums den kleineren Geschäftsleuten und Banffunden fremder Abstammung auf die Banken führten. Die Justizbehörden sind mit der Unter­fuchung der Unterhöhlungspolitif betraut, an der angeblich auch finanzkräftige Beiffe- Spetulanten beteiligt sind. Obgleich die be­hördlichen Feststellungen ziemlich unbestimmt sind, stehen die tommunistischen Bemühungen zur Untergrabung des Vertrauens von seiten des Publikums außer jedem Zweifel. Gewisse Vor­fommnisse in den letzten Wochen beweisen, daß die Linksradikalen unbekümmert um die wirtschaftliche Existenz und das Wohlergehen hunderttausender Kleiner Geschäftsleute ausschließlich um die Förde rung ihrer Parteizwede bemüht sind. Die antikommunistischen Neigungen der amerikanischen   Oeffentlichkeit gewinnen dadurch starte Förderung und werden von den reaktionären Gruppen be­mußt ausgenußt.

Gehälterkürzung in Bulgarien  . Um das durch den Steuerausfall infolge der Wirtschaftsfrise entstandene große Budget- Defizit aus­zugleichen, beschloß die bulgarische Regierung, die öffentlichen Be­amtengehälter, Pensionen und Diäten um 10 Proz. herabzusehen.

Pilsudski   ist in Madeira   eingetroffen, wo er bis zum April

bleibt.

Postscheckkonto: Berlin   37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u. Disc.- Gef., Depofitent., Jerusalemer Str.   65/66.

Faschistische Jahresbilanz.

Krifen- und Verfallszeichen.

Locarno  , Ende Dezember 1930. Seit dem Jahre 1922, das dem italienischen Volke den Faschismus beschert hat, war noch jeder Rückblick am Jahres­schluß eine ziemlich trostlose Sache. Wohl wußte man, daß Dittaturen nicht ewig währen, daß sich kein Volk dauernd von der großen Kulturgemeinschaft ausschließen läßt, aber auf diese theoretische Gewißheit schien die Tagesgeschichte nur sehr fpärliche Anzahlungen zu geben. Im Jahre 1930 ist das anders geworden. In ihm sind deutliche und gegenwärtige Berfallszeichen des Regimes zu Tage getreten, gleichzeitig mit ihnen das Bewußtsein dieses Verfalls bei den Faschisten selbst, und eine auf breiter Grundlage gestützte Be wegung gegen die Diktatur. Das jetzt zur Neige gegangene Jahr hat Italien   die Krise der Wirtschaft und der Staatsfinanzen gebracht, eine Auslandspolitik, die Stüßen für den Faschismus außerhalb Italiens   sucht und die Bewegung Gerechtigkeit und Freiheit", die im ganzen Lande eine illegale antifaschistische Aktion entfaltet.

Wirtschaftsfrise haben heute alle Länder, das eine mehr, das andere weniger. Warum sollte die Geschichte gerade dem Faschismus daraus einen Strid drehen? Beil ein innerlich zerklüftetes Land, wie das heutige Italien  , in dem die Ungerechtigkeit sich breit macht und das Bewußtsein der Volksgemeinschaft zerstört ist, sich schlechter mit der Not abfindet als Länder, in denen etwas wie nationale Soli­darität lebt. Weil beim Versagen einer allseitig gegängelten und geschuhriegelten Wirtschaft die öffentliche Meinung die Regierung verantwortlich machen muß, die es sich angemaßt hat, die Wirtschaft nach ihrem Kopfe zu lenten. Weil angesichts dieses Versagens des Faschismus, der seinen kurz­fichtigen und zappeligen Staatssozialismus   unter dem Namen des forporativen Staates als eine Neufchöpfung von un­geheurer Tragweite ausgegeben hat, auf ökonomische Heil­mittel verfällt, mie den allgemeinen Lohnabbau die das Land völlig verderben. Und schließlich, weil die wirtschaftlichen Hilfsmittel Italiens  , als eines dichtbevölkerten Agrarlandes, wesentlich geringer sind, die Strecke, die bis zum unerträglichen führt, wesentlich fürzer ist als in anderen Großstaaten.

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schismus immer als seine Ruhmestat ausgegeben, das Staats­Was die Finanzfrise betrifft, so hat es der Fa­budget vom Defizit befreit zu haben, hat das wiedergekehrte schismus immer als seine Ruhmestat ausgegeben, das Staats­Defizit lange durch Rechnungskunststücke versteckt und gesteht es erst heute ein, wo schlechterdings feine neu zu erfassende Steuerquelle mehr übrigbleibt. Außerdem ist das faschistische Regime außerstande, sparsam zu wirtschaften. Ein großer Teil seiner Berwaltung spielt sich außerhalb jeder Kontrolle ab, er hat seine Beamtenstellen mit seinen Geschöpfen besetzt - waderen Faschisten, aber unfähigen oder unehrlichen Be­amten, so daß eine Unterschleife der anderen folgt. Außer­dem betragen die Polizei ausgaben in Italien   heute nach den Berechnungen des Senators Ettere Ciccotti über eine Milliarde im Jahre, von denen der größte Teil politischen Zwecken dient. Dazu kommen die stets wachsenden Ausgaben für die Parteimiliz und die Unzahl von Kom­missionen, Komitees, Ausschüssen, die man ins Leben ruft, um faschistischen Funktionären Sinekuren zu schaffen.

Während es sich der Faschismus soviel Geld kosten lassen muß, seine Leute durchzufüttern, schafft er durch die gewalt­fame Preispolitit Unzufriedenheit in riesigem Aus­muß und verschärft die Krise durch das allgemeine Gefühl der Unsicherheit. Heute fann in Italien   jeder Geschäftsmann damit rechnen, beim Frühstück ein Drefet in der Zeitung zu finden, das feine wirtschaftliche Existenz vernichtet. Die psychische Wirkung der Krise auf die herrschende Clique er­1930 immer mehr aus einer Politik Italiens   zu einer Außen­schüttert das Land mindestens ebenso sehr wie die Krise selbst. Die Auslandspolitik ist im Laufe des Jahres politik des Faschismus geworden. Die Regierung Italiens  ist heute verbündet mit den faschistischen Parteien aller Län­der und sucht den ihr im Lande schwindenden Halt bei der ausländischen Reaktion, die ihrerseits Förderung erfährt durch den über die Hilfsmittel des Staates ver­fügenden italienischen   Faschismus. Wie Rußland   sich als Führer der Weltrevolution fühlt, so das faschistische Italien  als Führer der Weltreaktion, wobei zwischen den beiden ideellen Gegenpolen eine Verbrüderung in Freundschaft, die in dem von der russischen   Botschaft der Diktatur" besteht, jene italienisch russische in Rom   gleich nach Matteottis Ermordung Mussolini gegebenen Banfett ihren ersten Ausdruck fand, und die heute als tragisches Fragezeichen vor den Augen der vielen Hunderte junger Kommunisten steht, die wegen ihres Kampfes gegen die faschistische Diktatur in die italienischen Kerfer wandern. Das Kennzeichen dieser Auslandspolitik ist ihre Unberechenbarkeit. Hente will sie den Balkan gegen Europa   führen, morgen mit Deutschland   gegen Frank­