Morgenausgabe
Nr. 604
A 304
47.Jahrgang
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Sonnabend 27. Dezember 1930
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Vorwärts- Verlag G. m. b. H.
Stalin wird Staatsbeamter.
Der erste Posten im Staatsapparat.
Kowno , 26. Dezember. Der Rat der Volkskommissare der Sowjetunion hat die Mit glieder des Arbeits- und Verteidigungsrats ernannt. Zum Vorsitzenden des Rates wurde der Vorsitzende des Rates ber Bolkskommissare, Molotom, ernannt, zu stellvertretenden Bor. sthenden Rudsusaf, Andrejew und Kuibyschem. Zu Mitgliedern des Rates wurden ernannt: der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion , Stalin , der Vorsitzende des oberften Bolkswirtschaftsrats der Sowjetunion , Ordschonitidse, der Kommissar für Landwirtschaft Jatowlem, Kriegstommissar Woroschi low, Finanzfommissar Grinto, Versorgungskommissar Mikojan und der Direktor der Russischen Staatsbank Kalmanowitsch.
Die Ernennung Stalins zum Mitglied des Arbeits- und Verteidigungsrates hat in Moskau großes Aufsehen erregt. Stalin hat sich nach seiner Wahl zum Generalsekretär der kommunistischen Partei in diesem Falle zum ersten Male bereit erklärt, einen amtlichen Bosten" zu übernehmen, um selbst den Wiederaufbau der Sowjetwirtschaft fontrollieren zu können.
Buchthausdisziplin in den Fabrifen.
Das Arbeitskommissariat erließ zwed's Erhöhung der Arbeitsleiftung neue Verordnungen, durch die strengste Dis31 plin in der Arbeitstätigkeit erreicht werden soll Arbeiter, die die Disziplin fyftematisch verlegen, werden fünffig fristlos und ohne Ent
Eduard Davids Beisetzung.
Trauerfeier in Berlin- Lichterfelde - Einäfcherung in Mainz Die Trauerfeier für den verstorbenen Genossen Dr. Eduard David findet am Sonntag, dem 28. Dezember, vormittags 11 Uhr im Park- Friedhof von Berlin Lichterfelde , Luzerner Straße 1, statt.
Da die Beisetzung gemäß dem Wunsch des Verstorbenen m
der Hauptstadt seiner engeren Heimat, Mainz , erfolgt, wird nach der hiesigen Trauerfeier der Sarg zum Bahnhof Lichterfelde - Weft ge leitet werden, von wo aus die Ueberführung nach Mainz stattfindet. Die Einäscheruno in Mainz ist für Dienstag, den 30. Dezember, nachmittags vorgesehen.
Auf der Trauerfeier in Lichterfelde werden sprechen: für die Sozialdemocratische Partei Genosse Hermann- Müller Franken, für die Reichsregierung ein Mitglied des Reichsfabinetts, im Namen des Reichstags dessen Präsident Genosse Bau: be, für die Preußische Staatsregierung Genosse Carl Seve ring, und für die Hessische Staatsregierung ihr Berliner Gesandter
Dr. Nuß.
In Mainz dürften unter anderen sprechen der hessische Staatspräsident, Genosse Dr. Adelung und im Namen des Republikanischen Reichsbundes, dessen Vorstand Eduard David angehörte, Reichstagsabgeordneter Genosse Karl Hildenbrand , der auch zu den nächsten Freunden des Verstorbenen gehörte.
Troß der Weihnachtsfeiertage find bei der Witwe Eduard Davids bereits zahlreiche telegraphische und briefliche Beileidsäußerungen eingelaufen. von denen wir einige hier wiedergeben:
Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands telegraphierte:
,, Herzliches Beileid Ihrem großen Schmerze. Mit Ihnen
trauert, auch die Sozialdemokratische Bartei um Eduard David als einen ihrer treuesten unb tapfersten Freunde und Kämpfer.
Der Parteivorstand, Otto Wels .
Bon der hessischen Staatsregierung: Tief erschüttert vom plöglichen Hinscheiden Ihres verehrten Herrn Gemahls spreche ich Ihnen und den Ihren auch im Namen der heffischen Regierung mein herzlichstes Beileid aus. Dr. David war mir jeit Jahrzehnten ein lieber Freund und dem hessischen Bolf ein treuer Anwalt und Führer. Sein Wirken wird im Hessen
lande stets in dankbarer Erinnerung bleiben.
Dr. Adelung, Staatspräsident.
Aus einem Brief des Präsidenten des Reichstages Löbe: Wir trauern mit Ihnen um den Mann, der einer unserer Besten war, der seinem Volte Unvergängliches geleistet, der in unserem Gedenken nicht verlischt, solange wir leben."
Ein furchtbarer, ein unerfeglicher Verlust nicht nur für Sie und Ihre Familie, sondern ebenso für die große Masse der Arbeiter Deutschlands und für das ganze deutsche Volf. Boll inniger Dankbarkeit gedente ich in dieser Stunde der nimmermüden, erfolgreichen Tätigkeit des im Leben von mir und meinen Kollegen so hochgeachieten Toten. Er hat sich auch um die deutsche Gewerkschaftsbewegung große Verdienste erworben, weil er in hohem Maße dazu beigetragen hat, die Arbeiterschaft im Ganzen zum realpolitischen Denten zu erziehen."
schädigung entlassen und dürfen sechs Monate in feinem anderen Betrieb beschäftigt werden. Wenn die Verlegung der Disziplin in böser Abficht geschicht, werden die Arbeiter strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Falls ein Arbeiter die Betriebsleitung nicht rechtzeitig davon unterrichtet, daß ein durch ihn hergestelltes Er zeugnis untauglich ist, verliert er den Anspruch auf Lohnauszahlung. Diese drakonische Verordnung ergänzt die frühere, die einen freiwilligen Wechsel der Arbeitsstelle verbietet, und wurde erlassen, um die möglichste Beschleunigung des Tempos der Erfüllung des Fünfjahrplanes durchzuführen, die durch das Plenum des Vollzugs: ausschusses der Partei gefordert wird.
Das Weihnachtsfest ist in Moskau sowie in der ganzen Sowjet union im Zeichen des Kampfes gegen die Religion verlaufen. Alle Betriebe haben am 25. und 26. Dezember, wie üblich, gearbeitet. Trotz der Hetze gegen das Weihnachtsfest waren am Abend sämtliche Kirchen in Moskau überfüllt. Die Behörden hatten jedoch den Sängern der Staatsoper verboten, in den Kirchen zu singen. In Moskau haben am Heiligen Abend etwa hundert anti religiöse Versammlungen stattgefunden, in denen die Vertreter der Kommunistischen Partei zum Kampf gegen die Religion aufforderten und die weitere Schließung von Kirchen verlangten.
Telegramme find eingelaufen von der Sozialdemokratischen Partei Hessen und vom Bezirk Mainz , vom Republikanischen Reichsbund, vom Reichsbanner, Gau Heffen, von Hermann Müller , von Frau Luise Ebert, vom hessischen Gesandten in Berlin und anderen.
Eine dritte Partei in Amerifa? Menschenrechte über Eigentumsrecht als liberales Ziel.
New York , 26. Dezember.( Eigenbericht.) Der bekannte Vorfämpfer des amerikanischen Liberalismus, Professor John Dewey , forderte den republikanisch- unabhängigen Bundessenator Norris auf, an die Spitze der neu zu bildenden liberalen Partei zu treten und damit die Reorganisation des politischen Gewissens Amerikas zu beginnen. Dewey bezeichnete Norris als zu sozial denkend, um weiterhin der republikanischen Partei anzugehören, die gleich der Demokratischen Partei keinerlei soziale Befferung erhoffen laffe und die Eigentumsrechte über die Menschenrechte stelle. Dewens Aufforderung drückt Gefühle starter Kräfte innerhalb beider Parteien aus, die einen parteipolitischen Zusammenschluß aller liberalen Elemente Amerifas als unbedingte Notwendigkeit betrachten und begrüßen. Wieweit Norris und die übrigen Fortschrittler einen völligen Parteibruch wünschen und einer dritten Parteigründung sympathisch gegenüberstehen, ist ungewiß. Die Bemühungen der republikanischen Parteiinstanzen, die Gegensätze auszugleichen und die Einheit der Partei zu erhalten, erscheinen infolge des hartnäckigen Kampfwillens beider Parteiflügel ziemlich aussichtslos. Die Demokraten erhoffen von dem republikanischen Parteitonflift eine weitere Stärfung ihrer in den Novemberwahlen ziemlich beträchtlich gewachsenen Machtposition.
Auf der Schuldfuche für die Wirtschaftskrise.
New York , 26. Dezember.( Eigenbericht.) Die New- Yorker Bankaufsichtsbehörden behaupten, daß die Die New- Yorker Bankaufsichtsbehörden behaupten, daß die zunehmende Beunruhigung des Bankpublikums und die durch die unaufhaltsamen Geldabhebungen herbeigeführte Schließung ver schiedener Banten auf tommunistische manipulationen zurückzuführen feien. Die Kommunisten hätten instematisch unter allerlei Alarmgerüchte verbreitet, die zu Stürmen des Publikums den kleineren Geschäftsleuten und Banffunden fremder Abstammung auf die Banken führten. Die Justizbehörden sind mit der Unterfuchung der Unterhöhlungspolitif betraut, an der angeblich auch finanzkräftige Beiffe- Spetulanten beteiligt sind. Obgleich die behördlichen Feststellungen ziemlich unbestimmt sind, stehen die tommunistischen Bemühungen zur Untergrabung des Vertrauens von seiten des Publikums außer jedem Zweifel. Gewisse Vorfommnisse in den letzten Wochen beweisen, daß die Linksradikalen unbekümmert um die wirtschaftliche Existenz und das Wohlergehen hunderttausender Kleiner Geschäftsleute ausschließlich um die Förde rung ihrer Parteizwede bemüht sind. Die antikommunistischen Neigungen der amerikanischen Oeffentlichkeit gewinnen dadurch starte Förderung und werden von den reaktionären Gruppen bemußt ausgenußt.
Gehälterkürzung in Bulgarien . Um das durch den Steuerausfall infolge der Wirtschaftsfrise entstandene große Budget- Defizit auszugleichen, beschloß die bulgarische Regierung, die öffentlichen Beamtengehälter, Pensionen und Diäten um 10 Proz. herabzusehen.
bleibt.
Postscheckkonto: Berlin 37 536.- Bankkonto: Bank der Arbeiter, Angestellten und Beamten, Lindenstr. 3, Dt. B. u. Disc.- Gef., Depofitent., Jerusalemer Str. 65/66.
Faschistische Jahresbilanz.
Krifen- und Verfallszeichen.
Locarno , Ende Dezember 1930. Seit dem Jahre 1922, das dem italienischen Volke den Faschismus beschert hat, war noch jeder Rückblick am Jahresschluß eine ziemlich trostlose Sache. Wohl wußte man, daß Dittaturen nicht ewig währen, daß sich kein Volk dauernd von der großen Kulturgemeinschaft ausschließen läßt, aber auf diese theoretische Gewißheit schien die Tagesgeschichte nur sehr fpärliche Anzahlungen zu geben. Im Jahre 1930 ist das anders geworden. In ihm sind deutliche und gegenwärtige Berfallszeichen des Regimes zu Tage getreten, gleichzeitig mit ihnen das Bewußtsein dieses Verfalls bei den Faschisten selbst, und eine auf breiter Grundlage gestützte Be wegung gegen die Diktatur. Das jetzt zur Neige gegangene Jahr hat Italien die Krise der Wirtschaft und der Staatsfinanzen gebracht, eine Auslandspolitik, die Stüßen für den Faschismus außerhalb Italiens sucht und die Bewegung Gerechtigkeit und Freiheit", die im ganzen Lande eine illegale antifaschistische Aktion entfaltet.
Wirtschaftsfrise haben heute alle Länder, das eine mehr, das andere weniger. Warum sollte die Geschichte gerade dem Faschismus daraus einen Strid drehen? Beil ein innerlich zerklüftetes Land, wie das heutige Italien , in dem die Ungerechtigkeit sich breit macht und das Bewußtsein der Volksgemeinschaft zerstört ist, sich schlechter mit der Not abfindet als Länder, in denen etwas wie nationale Solidarität lebt. Weil beim Versagen einer allseitig gegängelten und geschuhriegelten Wirtschaft die öffentliche Meinung die Regierung verantwortlich machen muß, die es sich angemaßt hat, die Wirtschaft nach ihrem Kopfe zu lenten. Weil angesichts dieses Versagens des Faschismus, der seinen kurzfichtigen und zappeligen Staatssozialismus unter dem Namen des forporativen Staates als eine Neufchöpfung von ungeheurer Tragweite ausgegeben hat, auf ökonomische Heilmittel verfällt, mie den allgemeinen Lohnabbau die das Land völlig verderben. Und schließlich, weil die wirtschaftlichen Hilfsmittel Italiens , als eines dichtbevölkerten Agrarlandes, wesentlich geringer sind, die Strecke, die bis zum unerträglichen führt, wesentlich fürzer ist als in anderen Großstaaten.
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schismus immer als seine Ruhmestat ausgegeben, das StaatsWas die Finanzfrise betrifft, so hat es der Fabudget vom Defizit befreit zu haben, hat das wiedergekehrte schismus immer als seine Ruhmestat ausgegeben, das StaatsDefizit lange durch Rechnungskunststücke versteckt und gesteht es erst heute ein, wo schlechterdings feine neu zu erfassende Steuerquelle mehr übrigbleibt. Außerdem ist das faschistische Regime außerstande, sparsam zu wirtschaften. Ein großer Teil seiner Berwaltung spielt sich außerhalb jeder Kontrolle ab, er hat seine Beamtenstellen mit seinen Geschöpfen besetzt - waderen Faschisten, aber unfähigen oder unehrlichen Beamten, so daß eine Unterschleife der anderen folgt. Außerdem betragen die Polizei ausgaben in Italien heute nach den Berechnungen des Senators Ettere Ciccotti über eine Milliarde im Jahre, von denen der größte Teil politischen Zwecken dient. Dazu kommen die stets wachsenden Ausgaben für die Parteimiliz und die Unzahl von Kommissionen, Komitees, Ausschüssen, die man ins Leben ruft, um faschistischen Funktionären Sinekuren zu schaffen.
Während es sich der Faschismus soviel Geld kosten lassen muß, seine Leute durchzufüttern, schafft er durch die gewaltfame Preispolitit Unzufriedenheit in riesigem Ausmuß und verschärft die Krise durch das allgemeine Gefühl der Unsicherheit. Heute fann in Italien jeder Geschäftsmann damit rechnen, beim Frühstück ein Drefet in der Zeitung zu finden, das feine wirtschaftliche Existenz vernichtet. Die psychische Wirkung der Krise auf die herrschende Clique er1930 immer mehr aus einer Politik Italiens zu einer Außenschüttert das Land mindestens ebenso sehr wie die Krise selbst. Die Auslandspolitik ist im Laufe des Jahres politik des Faschismus geworden. Die Regierung Italiens ist heute verbündet mit den faschistischen Parteien aller Länder und sucht den ihr im Lande schwindenden Halt bei der ausländischen Reaktion, die ihrerseits Förderung erfährt durch den über die Hilfsmittel des Staates verfügenden italienischen Faschismus. Wie Rußland sich als Führer der Weltrevolution fühlt, so das faschistische Italien als Führer der Weltreaktion, wobei zwischen den beiden ideellen Gegenpolen eine Verbrüderung in Freundschaft, die in dem von der russischen Botschaft der Diktatur" besteht, jene italienisch russische in Rom gleich nach Matteottis Ermordung Mussolini gegebenen Banfett ihren ersten Ausdruck fand, und die heute als tragisches Fragezeichen vor den Augen der vielen Hunderte junger Kommunisten steht, die wegen ihres Kampfes gegen die faschistische Diktatur in die italienischen Kerfer wandern. Das Kennzeichen dieser Auslandspolitik ist ihre Unberechenbarkeit. Hente will sie den Balkan gegen Europa führen, morgen mit Deutschland gegen Frank