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Pabst in Tirol faltgestellt.

Er flopft jetzt beim Stablhelm an.

Jnnsbrud, 27. Dezember.( Eigenbericht.) Major Pabst ist aus der Ziroler Heimwehr aus. gefchieden. Dr. Steidle hat ihm im Namen der Tiroler Heim­ wehr den Dank für seine bisherige Tätigkeit ausgesprochen.

Die von Pabst in München mit den Nationalsozia. lift en geführten Besprechungen haben fein Ergebnis gebracht, da die von ihm beanspruchte Stelle inzwischen bereits besetzt worden fein foll. Neuerdings soll Pabst mit dem Stahlhelm in Berhandlungen stehen, die jedoch ebenfalls nicht aussichtsreich sein sollen.

D.e Heimwehr wundert sich über Scharfmacherfum. Wien , 27. Dezember.( Eigenbericht.)

In der Sonnabendfizung des Nationalrats wurde der Handelsvertrag mit Deutschland sowie der deutsch - österreichische Vertrag über Sozialversicherung angenommen.

Im weiteren Verlauf der Sigung wurde eine dringliche Anfrage der Heimwehrabgeordneten über die

Kündigung von 10 000 Arbeitern der Alpinen Montangesellschaft behandelt. In der Begründung dieser Anfrage erklärte der Heim­wehrabgeordnete Lengauer, die Heimwehrgewertschaft fei eine Gewertschaft zum Schuße der kapita­ listischen Ausbeuter. Als die Sozialdemokraten diese Aeuße­rung mit Beifall aufnahmen, sagte Lengauer( der übrigens ein ehemaliger Kommunist ift), er habe sich Det= sprochen und habe sagen wollen, sie sei eine Gewerkschaft zum Schutze gegen die kapitalistischen Ausbeuter. Der sozialdemo tfratische Redner und Obmann des Metallarbeiterverbandes Ja= necet stellte fest, daß der Redner der Heimwehr bei einem Streit den Arbeitern in den Rücken gefallen sei.

Die Debatte endete mit der Annahme eines sozialdemokratischen Antrages, der von der Regierung die unverzügliche Berlegung eines Gesezentwurfs fordert. nach dem die Stillegung von Großbetrieben in Zukunft nur mit behördlicher Genehmigung gestattet sein soll.

Kemals Fauft.

Bernichtungsfeldzug gegen die Opposition.

Konstantinopel , 27. Dezember.( Eigenbericht.) Der Berjuch zahlreicher Ortsgruppen der oppofitionellen türki­fchen liberalen Partei, troh der von dem Vorstand dieser Partei befchloffenen Auflösung der Organisation den Kampf gegen die Regierung 3imet Pascha fortzusehen, hat eine energische Gegenattion der Behörden ausgelöst. In der ganzen Türkei wird neuerdings mif neuerdings mit Berhaftungen, Haus. fuchungen und Konfistationen gegen die Oppositionellen vorgegangen. Die Führer der in Adana neugegründeten Opposi fionspartei Ahali" find restlos verhaftet worden. In Stam­ bul wurde der Chefredakteur des oppofifionellen Batin, der vor fechs Monaten die Kampagne gegen die Regierung eröffnete, ins Gefängnis gesetzt. Gegen zahlreiche andere oppofitionelle Blätter wurden unter den nichtigsten Borwänden Prozeffe angeftrengt. In Smyrna ist es der Regierung gelungen, mehrere oppofifionelle Führer und ihre Blätter durch Bargeldzuwendungen zu faufen" und ins Regierungslager zurüdzuführen. Im türkischen Parlament wagen nur noch drei Abgeordnete non 316 die Opposi. fion gegen die Regierung fortzusehen.

Puffchverfuch der Derwische.

Sonftantinopel, 27. Dezember.( Eigenbericht) In der Türkei ist. mie amilich verlautbar wird, im Zusammen­hang mit der Untersuchung eines originellen Butschper suchs, ben der Dermisch aus Manissa in der Eleinen Stadt Mane men( Broving Smyrna) zur Wiederaufrichtung eines religiösen Staatsmesens unternahm, eine meitbergmeigte Ber schwörung" aufgededt worden. Urheber des Planes sollen mag­gebende Bertreter des Derwischordens Matschbendir" sein. In zahlreichen Städten wurden die Würdenträger dieses Ordens am Sonnabend verhaftet. Zahlreiche Verhaftete waren Anhänger der liberalen Opposition gegen die Regierung.

Der Butschversuch des Derwischs aus Maniffa in Menemen endete mit einem Feuerkampf zwischen Gendarmerie und den Umstürzlern". Der Derwisch selbst und drei seiner Anhänger wurden getötet. Der Rest flüchtete.

Bethlen- Schwindel nachgewiesen.

Der geführte Briefwechsel Prag - Budapest .

Prag , 27. Dezember.( Eigenbericht.)

In der tschechischen und ungarischen Breffe wurde fürzlich ein Briefwechsel der Führung der tschechischen und un­garischen Sozialdemokratie veröffentlicht. Mit der Ver­öffentlichung sollte bewiesen werden, daß die ungarische Sozial­demokratie finanziell von der tschechischen Sozialdemokratie ab­hängig ist. Die ungarischen Faschisten benötigten diesen Schwindel für ihren Kampf gegen die ungarischen Sozialdemokraten während der letzten Gemeindewahlen in Budapest .

Jetzt ist der Nachweis erbracht, daß die Briefe von der Redaktion der nationalistischen ungarischen Bragi Magyar Hirlap in Prag gefälscht worden sind. Maschinenschriftfach verständige haben die Fälschung einwandfrei festgestellt.

Lord Melchett gestorben. Der Leiter des englischen Chemie- Trusts. Lord Melcheft of Langford, früher Alfred Mond , ist am Sonnabend, 52jährig, in London gestorben.

Er spielte im wirtschaftlichen und politischen Leben Englands eine bedeutende Rolle, zulegt als Präsident des Chemietrusts, den er geschaffen hatte. Sein Vater, ein Chemiter, war aus Darmstadt nach England eingewandert. Ursprünglich Liberaler und während des Krieges Minister für öffentliche Arbeiten im Kabinett Lloyd George , trat er 1926 zu den Konservativen über, weil er in scharfen Gegensatz zu Lloyd George geriet. Melchett- Mond war Jude und der Führer der englischen 3ionisten. Seine Versuche, Anfang 1929 eine direkte Verständigung zwischen Arbeitgebern und Gewert­schaften zwecks Unterbreitung gemeinsamer Vorschläge zur Be­tämpfung der Wirtschaftskrise und der Arbeitslosigkeit herbeizuführen, scheiterten.

Die niederländische Sozialdemokratie veranstaltete am ersten Weihnachtstag in allen größeren Städten des Landes gut besuchte Rundgebungen für Völkerfrieden und Abrüstung. Im Amsterdamer Konzerthaus sprach Albarda u. a. auch zur indonesischen Frage. Al­barda erklärte, es sei betrübend, wenn die Niederlande dem von England durch die runde Tafel- Renferenz gegebenen Beispiel nicht

folac

Unsere gesinnungstüchtige Filmzenfur.

1914

,, Ein Film über 1914? Der Anblick der deutschen Diplomatie von damals ist dem deutschen Ansehen abträglich! Wird verboten."

1920

Ein Film von 1920? Die Niederlage der Kappiften? Was untersteht man sich! Wird ver­

boten."

1918

nach Holland

-

,, Ein Film von 1918? Das Ausland darf nicht erfahren, daß der deutsche Kaiser ausgeriffen ist. Wird verboten."

DE

Ah

- endlich ein Film, der den deutschen Helden­geift zeigt. Wird genehmigt."

Hantau und Kanton.

Die Leberbevölkerung- Chinas Schicksalsfrage./ Von Emil Vandervelde.

durch entstandenen Geftant nur dann einen Begriff machen, menn man meiß, daß selbst in normalen Zeiten der Geruch der Elends quartiere sogar in die Hauptstraßen dringt, wo die modernsten Hotels und Warenhäuser aufgebaut find. Der Leiter des Gesund­beitsamtes, der aus den deutschen Universitäten hervorgegangen ist und der einen harten Kampf gegen den Schmuz führt, erklärte mir furz die Ursache dieses Streifs, der weniger zwischen der Stadt­verwaltung und den Arbeitern als zwischen ihr und der Kaufmann. fchaft ausgetragen wird: lettere hatte seit jeher die Müllabfuhr in ihrer Hand und versucht, diese Einnahmequelle um jeben Preis zu behaupten.

Hantau, die Hauptstadt der sehr reichen Provinz des Tsche| arbeiter seit zwei Wochen im Streif. Man tann sich von dem da fiang, zählt 500 000 Einwohner, aber noch mehr Gräber. Denn wer in ganz China etwas auf Tradition hält, hat feinen sehnlicheren Wunsch, als sich in Hantau begraben zu laffen. So kann man auf dem Kanal, der Schanghai mit Fantau perbindet, tagaus, tagein unzählige Rähne erblicken, die sonterbare Labungen von bunten Särgen nach der heiligen Stadt Hantau bringen. Natürlich tönnen sich nur die Reichen diesen Lurus leisten. Die Armen werden an gbeliebiger Stelle begraben. In Shanghai beginnt man gemein fame Friedhöfe anzulegen, aber die alte Gitte der Beerdigung der Familienangehörigen am Rand des eigenen Aders und neben dem eigenen Hause wird noch immer von den meisten harinädig befolgt. Der französische Generalfonful in Shanghai erzählte mir von einem Verein, der sich zur Aufgabe gemacht hat, kinderleichen in den Straßen aufzulesen und zu begraben und der in dem ersten halben Jahr seines Bestehens

nicht weniger als 19 000 fleine Leichen geborgen

hat. Die Leichen waren von den Eltern der Kinder auf der Straße ausgesetzt worden, weil sie für den Antauf eines Sarges fein Geld hatten!

Die Aula der Universität von Hantau, in der ich einen Vortrag hielt, war ein ehemaliger buddhistischer Tempel. Der Kuomintang liebt die Buddhas nicht und wenn es nach der Mehrzahl seiner Führer ginge, würde man lieber heute als morgen das Eigentum der Religionsgesellschaften in den staat lichen Besitz überführen, so wie es vor 25 Jahren in Frankreich und neuerdings unter Kemal Pascha in der Türkei geschehen ist. Wie überhaupt Jung- China dazu neigt, den Ghazi" als Muster beispiel zu nehmen. Aber an dem Tage, an dem sie zur Tat über gehen wollten, würden sie bestimmt auf den Widerstand der Maffen stoßen, die zwar nur menig fromm sind und sich viel mehr für die irdischen als für die himmlischen Güter interessieren, die jedoch

an den Sitten ihrer Ahnen treu hängen.

Das hat sich schon gezeigt, als die Führer des Kuomintang ver­suchten, das uralte Fest des Herbstes durch den Nationalfeiertag bes suchten, das uralte Fest des Herbstes durch den Nationalfeiertag des 10. Oktober zu ersetzen.

Nirgends tommt einem dieser chinesische Traditionalismus starter zum Bewußtsein als in Santau. der Stadt der Grabmäler. Der Bürgermeister von Hantau, ein Mann in den Dreißigern, ist erft jüngst aus einer amerikanischen Universität hervorgegangen. Er ist sehr um den modernen fommunalpolitischen Fortschritt be­müht, sei es auf städtebaulichem, auf hygienischem oder auf so­zialem Gebiet. Die Provinz Tschekiang ist gegenwärtig, neben den drei mandschurischen Provinzen, vielleicht die rubigste und wohlhabendste ganz Chinas . Ueber alten Pagoden erblickt man die hohen Essen der Seiden- und Wollwarenfabriken. Und doch befördern die Dschunken, die auf den Kanälen dieses fernöst­lichen Hollands verkehren, viel

weniger Seiden- oder Teeladungen als Särge, übereinander gehäuft, die Särge jener Chinesen, die zwar gut leben und sich bereichern wollen, aber unbedingt darauf bestehen, am Ufer des Heiligen Gees von Hantau bearaben zu werden, auf den Hänoen jener grünen Hügel, wo jeder fad zu einer Gruft führt, mo Tausende von Budt has aus Kupfer, Terrafotta, Stein oder Holz für das Fortbestehen der ältesten Traditionen forgen. Bon allen Städten, die ich in China besucht habe, hat mich feine at mich kein so start gefesselt mie Kanton, unfere letzte Etappe nor ber heim reise. Beting ift ein wundervolles Geschichtsmuseum; Nanting ift eine werdende Hauptstadt, Shanghai ist ein abgeschlofferies Gebiet, wo die Intereffen zweier Weltteile hart miteinander ringen; Ranton, die große Metropole des Südens, ist aber die typische chinesische Stadt, wie sie die Revolution modernisiert und verwandelt hat. Freilich zählt Kanton nicht mur hoch moderne Gebäude, Universitäten, Zeitungen, Gewerkschaften, auch viele Ueberbleibsel vergangener Zeiten bestehen dort fort. Und ge­rade diese Gegensäge machen den Besuch dieser Stadt so intereffant. Gerade während unseres Aufenthaltes waren 3000 Müllabfuhr

Bon allen Großstädten, durch die wir seit Brüssel gereift find, ist Moskau die einzige, wo Kraftwagen außerordentlich selten sind wo es an Straßenfreuzungen feine Schußleute gibt, um den Ber fehr zu regeln. Ueberall jonst, sei es in Berlin , Peting, Tokio , in den Fremdenvierteln von Schanghai , in den volfsreichen Be­zirfen von Hontong oder Kanton machen die Schupos die gleichen Armbewegungen, um den Verkehr anzuhalten oder freizugeben. In Kanton gibt es fast ebensowenig Autos wie in Mostau, so daß man fich fragen muß, ob diese Berkehrsregelung wirklich so notwendig ist. Aber anscheinend würde man sich in den Augen der Fremden selbst herabsehen, wenn man nicht verfehrsregelnde Polizisten unterhielte: das gehört eben zum modernen Großstadtbild, wie die elektrische Be­leuchtung und der Rundfunt. Die Verkehrspolizisten von Kanton tragen übrioens eine Kopfbedeckung, halb Renenschirm, halb Sonnenschirm, die in dieser Gegend glühender Sonne und strömender Regenfälle durchaus angebracht ist. Darüber hinaus unterscheiden sie sich von ihren europäischen Kollegen dadurch, daß sie

ftets in Begleitung eines mit Karabiner bewaffneten Kollegen sind. Diese Vorsichtsmaßnahme soll bei dem gegenwärtigen Zu­stand der Unsicherheit in China feineswegs überflüssig sein.

Im Gegensatz zu allen übrigen Städten Chinas , wo sich die Bettelei in ihren furchtbarsten Formen breitmacht, von den Be­hörden geduldet, zunftartig und bezirksweise organisiert, haben wir in Kanton überhaupt keinen Bettler angetroffen. Alles arbeitet und selbst die Wermsten verdienen ihre bescheidene Reis­nahrung durch Notftandsarbeiten. Kanton ist eine

Die

Stadt ohne Zugfiere. Die Arbeit, die in anderen Ländern von Pferden besorgt wird, liegt in China den Menschen, ob Männern oder Frauen, ob. schwersten Karren werden von Menschen gezogen, die ungeheuersten Lasten von Menschen getragen, und dies für einen Tagelohn Don 35 bis 60 Pfennigen! Aber das Entfeßlichste ist, daß diese Kulis der Einführung von Maschinen einen noch verzweifel­teren Widerstand entgegensezen würden als die Weber von Schlesien und Flandern in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts und aus dem gleichen Grunde.

Bon allen Problemen, die China zu lösen hat, ist das schwerste, das ernste und überhaupt das entscheidende,

das Problem der Ueberbevölkerung.

Das gilt zwar nicht für die Mandschurei , wo Millionen von Chi­resen noch angesiedelt werden könnten. Aber an den Ufern des ... Vangtse- Fluffes und in den Hafenstädten ist die Ueberbevölkerung einfach grauenhaft. Das überreichliche Angebot an Arbeits­fräften hat eine Herabfegung des Lebensniveaus zur Folge, die jeder Beschreibung spotte Es ist daher kein Wunder, daß man in manchen jung- chinesischen Kreisen, zum Beispiel unter den aus Amerita zurückgekehrten Studenten, von Geburtenrege Iung zu sprechen beginnt. Aber bis zur allgemeinen Durchführung dieser Idee wird wohl noch viel Zeit vergehen. Ein junger, sehr moderner Chinese, früherer Pariser Student, mit einer Französin verheiratet, den ich fragte, ob nicht die Lehre des Malthus Fori­ schritte im Fernen Osten mache, gab mir zur Antwort: Con= fucius hat gesagt, daß es ein Verbrechen sei, teine Kinder zu erzeugen."

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