1930
Der Abend
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Nr. 607
B 302 47. Jahrgang
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Um die elfte Bormittagsstunde dès gestrigen Sonntags versammelten sich vor der Halle des Lichterfelder Parkfriedshofs alle, die Eduard David die legte Ehre erweisen wollten. Vom Partei: und Reichstagsfraktionsvorstand sah man die Genossen Wels, Crispien, Hermann Müller , Dittmann, Breitscheid , Stelling und Stampfer. Für die Reichsregierung war Reichswehrminister Groener erschienen, ferner Staatssekretär 3weigert und Ministerialdirektor Dr. 3 e chlin; von der preußifchen Regierung Severing ; von der Reichstagsfraktion Reichstagsprſident 2öbe, Graßmann, Hugo Heimann, Dr. Moses, Dr. Landsberg, Heinig und Hildenbrand. Die Ehrenwache stellte ein tombinierter starter Zug Reichs
banner, der sich aus den Kameradschaften Charlottenburg , Lichterfelde und Zehlendorf ( Fahnen), Weißensee( Kapelle) und Treptow ( Spielleute) zusammensetzte. Während die Leidtragenden und Trauergäste die Halle betraten, intonierte die draußen stehende Reichsbannerkapelle die schwermütige und getragene Melodie aus Griegs Peer Gynt Suite: Ases Tod. Dann, nach einem vofn EbertManz- Quartett vorgetragenen Trauerfied, trat an den Sarg
und sprach für den Borstand der Sozialdemokratischen Partei und
für die Reichstagsfraktion. Wenn mir heute, so sagte er, von einem
treuen Kämpfer Abschied nehmen, so werden die letzten vier Jahrzehnte deutscher Parteigeschichte wieder vor unseren Augen lebendig. Eduard Davids Name wird mit dem Aufstieg unserer Partei zur Millionenpartei für alle Zeiten verbunden bleiben. Schon als Student fam er oft aus Gießen zu uns nach Frankfurt am Main hinüber, wo in Zirkeln, die von Männern wie Gustav Hoch und Quark einerseits und Friedrich Naumann und Rade andererseits beherrscht wurden, große Disfuffionen über die letzten Ziele des Sozialismus ausgefochten wurden. Er wollte die Massen der ar= beitenden Bevölkerung für seine humanistischen Bildungsideale geminnen, er wollte Führer des Boltes sein. Er wies uns Jungen ganz neue Wege, indem er uns belehrte, daß es nicht allein darauf anfomme, die Industriearbeiter zu gewinnen, sondern auch die Intelleftuellen und vor allen Dingen die Landbevölfe= rung, das Landproletariat. Seine Beiträge über Agrarpolitit erregten Aufsehen, Beifall und Widerspruch, wie immer der Beifall und Widerspruch findet, der auf die Reise geht, um die Wahrheit zu finden. Wo immer ihn dann die Partei hinftellte, legte er Ehre für sie ein. Er, der in jeder Beziehung ehrliche und saubere Kämpfer, fonnte nicht begreifen, mie es möglich mar, daß der politische Kompf derart rohe Formen annahm mie in dem letzten
Im Eingeborenenviertel wurden gestern abend zwei Häuser an einem Abhang, in denen eine Hochzeits: feier stattfand, durch einen Erdrutsch verschüttet. Unter den Trümmern der eingestürzten Häuser sollen sich die Leichen von etwa 40 Frauen und Kin. dern befinden. Die Villa des deutschen Generalkonsuls Windels befindet sich in der Nähe der Unglücksstätte. Nach Ansicht des deutschen Generalkonsuls ist das Gelände, auf dem der Hauseinsturz erfolgte, dadurch unterhöhlt worden, daß die Eingeborenen dort Kalksteine zum Bau ihrer Behausungen aus der Erde brachen.
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Das schwere Einsturzunglück in Algier , bei dem eine Hochzeits gesellschaft verschüttet wurde, entwickelt sich zu einer Katastrophe von größten Ausmaßen. Wenn man auch bis zur Stunde noch nicht genau weiß, wieviel Opfer unter den Trümmern begraben liegen, so scheint doch schon festzustehen, daß ihre Zahl mehr als 30 beträgt. Die Aufräumungsarbeiten, die in der Nacht zum Sonntag unterbrochen werden mußten, sind am Sonntag morgen unter Mit hilfe von Truppen wieder aufgenommen worden. Bis zum späten Abend des Sonntag wurden sieben, Leichen geborgen.
Jahrzehnt, und er hat darunter sehr gelitten. In unser aller Er innerung ist noch seine groß angelegte Rede auf dem Würzburger Parteitag des Jahres 1917, wo er die Haltung der Partei feit Kriegsbeginn verteidigte, eine Rede, die eigentlich eine Fortsetzung der in Stockholm gehaltenen großen Rede mar, wo er bereits Monate vorher für eine Herbeiführung des Friedens gewirkt hatte. Von seiner Jugend an war er ein Gegner des Krieges gewesen, aber er mußte auch, was eine Niederlage für ein großes Volk be= deutet. Als dann in Deutschland der Krieg in die Revolution um= schlug, war er gerüstet für die großen Aufgaben, die seiner harrten. Seine ganze Kraft setzte er für die junge Republik ein. Wiederholt gehörte er dem Reichskabinett an und fam auf den wichtigen Bosten des Reichsvertreters in Darmstadt zur Beobachtung des Separatiftenunmefens. Wie Kriegsjahre doppelt zählen sollen, so zählten auch für ihn diese schweren Jahre doppelt. Damals wurden seine Kräfte frühzeitig zermürbt. Hermann Müller schloß seine äußer lich zwar schlichten und gefaßt vorgetragenen, aber von einer tiefen inneren Anteilnahme durchpulsten Worte, indem er sich an die Witwe des Verstorbenen wandte und in herzlichen Worten die liebenswürdigen Eigenschaften Davids als Mensch, Haus- und Familienpater pries. Während ihm im politischen Leben nichts ernst genug sein konnte, entwickelte er daheim den behaglichen lebensfrohen Humor seiner westdeutschen Heimat. Wir werden seiner gebenken als des ausgezeichneten Kenners der Vergangenheit, des
zielbewußten Geſtalters der Gegenwart und des prophetischen solange noch ein Hauch Leben in uns ist
Künders der Zukunft. Sein Werk soll und wird in uns fortleben,
Im Namen der Reichsregierung legte jodann Reichswehrminifter Groener
Baterlandes
einen Kranz an der Bahre des Verblichenen nieder. Seine Abschiedsworte gaiten dem guten deutschen Mann, der in Krieg und Frieden das Beste zum Wohl des erstrebt und gewollt habe. Ueberall auch bei seinen politischen Gegnern hat er durch sein Streben nach Wahrheit, durch sein edles schichtes Menschentum, durch sein hohes geistiges Wesen Anerkennung und Sympathie erworben. Die Reichsregierung wird das Andenken des Verstorbnen in hohen Ehren halten".
bezeichnete den Dahingegangenen als Zierde des deutschen Reichs parlaments. 11 Jahre vor dem Krieg, 11 Jahre nach dem Strieg und die ganze Kriegszeit hindurch hat er dem Reichstag angehört und ist jederzeit ein hinreißender Redner, ein geiftvoller Fechter,| ein feiner Denter gewesen. Niemals war er glücklicher, als wenn er sich mit einem ebenbürtigen politischen Gegner messen fonnte. Fern blieb er jederzeit den Raufhändeln der Gemeinen. Wenn er
Während der Bergungsarbeiten ereignete sich ein zweiter Erdrutsch, ber beinahe die Retter verschüttet hätte. Glücklicherweise tündigie fich aber der Erdrutsch durch ein donnerartiges Gedröhne an, so daß die Hilfsmannschaft sich noch rechtzeitig in Sicherheit bringen konnte. Als einer der ersten wurde der Bräutigam aus den Trümmern befreit, der nur wenige Hautabschürfungen davongetragen hat. Schon wenige Stunden später wurde eine faum 17jährige Maurin als Leiche geborgen, die als die Braut erkannt wurde. Ihr Körper, vor allem das Gesicht, waren bis zur Unkenntlichkeit verfümmelt. In der Nacht zum Montag wurden die Räumungsarbeiten wiederum eingestellt, da man neue Erdrutsche befürchtete und die Mannschaft nicht unnötig einer Gefahr aussehen wollte.
Die Katastrophe wird teils durch die andauernden Regen fälle, teils aber auch durch die Invorsichtigteit der Eina geborenen verursacht worden, die tiefe Höhlen in den Berg ge= graben hatten, um das Baumaterial für ihre Häuser, zu beschaffen, Die Zahl der ums Leben gekommenen ist vorläufig noch nicht genau ermittelt, da bisher nur Angaben der Eingeborenen vorliegen, die erst nachgeprüft werden müssen. Bisher wurden sieben Tote und zwei Schwerverletzte aufgefunden. Der Garten der Villa Sesini ist bereits zum Teil in einem gähnenden Abgrund verschwunden. Es besteht nur wenig Hoffnung, unter den Verschütteten noch Lebende zu finden, da ungeheure Erdmassen, darunter Felsblöcke von 15 bis 30 Tonnen Gewicht, beseitigt werden müssen.
aber seine eindringliche Stimme erhob, dann galt sein Ruf dem Leid und der Not des Unterdrückten. Nie haben sich seine Worte denen, die sie hörten, tiefer eingeprägt, als damals, da er in Weimar als Präsident der Nationalversammlung das erste frei gewählte Reichsoberhaupt in sein Amt einführen konnte. Er hatte eine hohe Vorstellung von dem Amt und der Verantwortung des Volks= vertreters, von der wir, die wir zurückbleiben, hoffen, daß sie wieder und in nicht allzu ferner Zeit Allgemeingut des deutschen Volkes werden möge. Eduard Davids Vorbild wird uns in die Kämpfe des neuen Jahres hinein begleiten, seine Worte und Werke aber sind eingetragen in die Geschichte unseres Volkes.
Im Auftrage des hessischen Staatspräsidenten Dr. Adelung sprach gleichzeitig aber auch im Namen des Reichsrates der hessische Geschäftsträger Nuß Worte ehrender Anerkennung und herzlichen Dankes dafür, daß dieser an der Mosel geborene Mann seiner Wahlheimat Hessen , so treu gedient hat und erinnert auch daran, welche Berdienste sich Eduard David um de Presse seiner Heimat erworben hat. Start und fest in der Sache, aber verbindlich und versöhnlich in der Form, das sei ein Wort, das auf ihn zutreffe. Als letzter Redner am Sarg sprach
nicht, wie er betonte, als Beauftragter seiner Regierung, sondern als Freund und Mensch die letzten Worte dem, der ihm im Leben
ein treuer Freund gewesen. Wenn es einen Menschen gab, dem
Die Räuber mit 15 000 M. im Auto entflohen, Köln , 29. Dezember.
Auf die Depojitenkasse der Deutschen Bank in der Dürener Straße wurde heute vormittag ein Raubüberfall verübt. Geraubt wurden etwa 15 000 Marf.
Nach einer weiteren Meldung aus Köln ist der Raubüberfall auf die Depositentasse in Köln- Lindenthal von drei jungen Burschen im Alter von etwa 20 Jahren verübt worden. Die Räuber fuhren in einem Auto vor und schoffen, als sie in die Depofitentaffe eingetreten waren, sofort drauflos. Ein jüngerer Beamter, der sich mit dem Kassierer an der Kaffe befand, eilte nach hinten, um Hilfe herbeizurufen. Ein Geschoß, das die Räuber ihm nachsandten, streifte feinen Rocärmel. Nach der Tat entflohen die Burschen in dem bereitstehenden Auto. Der geraubte Geldbetrag m. dürfte nach den bisherigen Feststellungen 15 000 20. nicht über steigen.