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Die russische Znflaiion. Marktkrawalle in den Städten. Moskau über Kowao. 29. Dezember. In der letzten Zeit hat sich in Sowjetruhland infolge der weiteren Kollektivierung der Baueruwirtschaften die Lebensmittelkrise weiter verschärft. Die Zufuhr von Nahrungsmitteln auf die städtischen Freimärkte ist bedeutend zurückgegangen. Die Bauern verlangen Bc' Zahlung entweder mit Industriewaren oder mit Gold- und Silbergeld, und weigern sich, die entwerteten Note« in Zahlung zu nehme». Auf einzelnen städtischen Märt- ten hat es ZusammenstShe zwischen den Bauern und der städtischen Bevölkerung gegeben. Verschärfung des Konflikts mit Japan . Das Sowjetgericht in Wladiwostok verurteilt« sechs Angestellte der japanischen Tschosen-Bank zu Gefängnisstrafen von zwei bis vier Jahren wegen Spekulation mit Silbergeld und Tscherwonzennoten. Zwei Japaner wurden zu niedrigeren Strafen verurteilt und werden nach Verbüßung ihrer Strafen ausgewiesen werden. Ein Proteststeinwurf. Amsterdam , 29. Dezember. In der vergangenen Nacht wurde durch«in Fenster des süd- slawischen Konsulats ein in ein rotes Tuch gewickelter Stein ge- warfen. Nach einem beiliegenden Brief handelt es sich um eine k o m m u n i st i s ch eAktion* wegen der Erschießung eines Kommuni st en inSüdslawien und der Verhaftung eines griechischen Kommunisten in SHS.

Vanbsrvelde gegen neue Rüstungen. K-inen Krieg zur Verteidigung des Versoiller Vertrages. pari», 29. Dezember.(Eigenbericht.) Die Montagausgabe des sozialistischen Populaire* enthäll eine Interview mit dem belgischen Sozialistenführer Bänder- o« l d e, das als Ergänzung zu dem kürzlich von Vandervelde ver­öffentlichten Zeitungsartikel gegen die geplanten neuen F e st u n g s- bauten an der Maas zu betrachten ist. Vandervelde versichert zunächst, daß sein Vorstoß durchaus im Sinne der Politik der sozialiist-schen Partei erfolgt sei, obwohl er von zahlreichen Kreisen im Ausland als eine Sensation empfunden worden sei. Die belgischen Sozialisten würden sich unbedingt gegen jede Erhöhung der Militärausgaben wen- den. Angesichts der gesteigerten faschistischen Gefahr in Deutschland und in Mitteleuropa und der Gewaltwahlen in Polen hätten es die Nationalisten in Belgien für angezeigt gehal- ten, ihre Propaganda zu verstärken. Sie hätten den Durchschnitts- bllrger glauben machen wollen, daß Europa nur noch um Fingers- breite von einem neuen Krieg entfernt sei. Ein Krieg aber sei nur in einem einzigen Falle möglich, wenn nämlich der Faschismus in Deutschland wirklich ans Ruder käme und sich mit den faschistischen Mächten in anderen Ländern ver- binden konnte. Anderer�its könne man nicht übersehen, daß in Belgien die Strömung für die unbodmAe Kr l e g« b ien st ver" Weigerung, etwa im Sinne des indischen Unabhängigkeits- sührers Gandhi , immer mehr, namentlich in flämischen Pro- vinzen, an Boden gewinne. Die sozialistische Partei selbst habe auch in Belgien eine Berteidigungsorganisation zogen die inneren Faschisten gegründet. Man könne ihr das Vertrauen schenken, daß sie Belgien auch gegen ausländische Faschisten vertei- digcn werde. Allerdings seien die belgischen Sozialisten nicht bereit, unter der Vorgabe der Landesverteidigung gewisse militä- rische Hegemonien zu schützen, die sich im Schatten des Ver- sailler Vertrages hätten aufrichten können. Wie der französische Ab- geordnete Paul Boncour es mehrfach betont habe, würde der Versailler Vertrag zu einem Fetzen Papier herabsinken, wenn die Siegermächte nicht ebenfalls ihre moralische und juristische verpslichkuag zur Abrüstung anerkennten. Infolgedessen seien die belgischen Sozialisten der An- sicht, daß auch Belgien neue Bemühungen zur Abrüstung machen müsse. Sie seien nicht bereit, zur Verteidigung des Versailler Vertrages die Waffen zu ergreifen, der selbst in seinen Bestimmungen sein« eigene Revision vorsehe.

Auszug des Ritters von der traurigen Gestalt

Don Quichugenberg befiehlt seinem Schildknappen Gancho Quaatz, das uralte Strettroß zu satteln, auf dem er zur Befreiung seiner Dulzinea Agraria in den Kampf zu ziehen gedenkt. Islamischer Glaubenseifer. Ein Oerwisch will putschen-1000 werden verhastet.

Konstantinopel , 29. Dezember.(Eigenbericht.) Ans Veranlassung der türkischen Regierung find in der Provinz Smyrna wegen angeblicher Verschwörung gegen den Staat bisher annähernd 1009 Personen ver- haftet worden. Die äußere Veranlassung gab jener Putschversuch in der kleinasiotischen Stadt Menemcm, der mehrere religiöse Fanatiker das Leben kostete. Am Dienstag vor Weihnachten erschienen früh morgens kurz nach Sonnenaufgang in der Hauptmoschee beim Morgengebet plötzlich 6 Bewaffnete. Der«ine von ihnen, ein wegen seines religiösen Fanatismus bekannter Derwisch, bestieg die Kanzel, ergriff eine der helligen grünen Fahnen und forderte die Gläubigen ans, den allen Gottesstaal in der Türkei wieder auszurichten und die ungläubigen kemalisken mit den Waffen zu bekämpfen. Dieser Vorfall wurde rasch allgemein bekannt. Bald oersanunelte sich eine große Volksmenge vor der Moschee, wo der Derwisch wiederum eine Hetzrede hielt. Während ein Teil der Menge für den Fanatiker Partei nahm, wagte ein allgedienter Offizier, f ü r die Resormpolitik der Dittaturreglerung zu sprechen. Auf einen Wink des Derwisches stürzten sich dessen Anhänger auf den Offizier, schlugen ihn zu Boden und schnitlen ihm bei lebendigem Leibe den Kops ob, den sie auf die Spitze der grünen Fahne steckten. Als später Gendarmerie heranrückte und den Derwisch aufforderte, sich zu ergeben, stieg er

mit seinen Anhängern auf das Dach der Moschee und eröffnete heftiges Gewehrsener auf die Polizei; ihr Kommandant und mehrere Beamte wurden getötet. Erst als die Gendarmerie Maschinengewehre in Stellung brachte und der Derwisch von einer Kugel getroffen worden war, fand der Zwischen- fall sein Ende. Di« Untersuchung hat ergeben, daß dieVerschwörer von Menemem* aus der benachbarten Stadt Manissa(dem antiken Magnesia) gekommen waren. Ihr Anstihrer, der Derwisch Achmed, hatte dort eine geheime Sekte gegründet, wie sie in den letzten Zähren zu Hunderten überall in der Türkei entstanden sind. Ihre Anhänger gaben sich den verbotenen religrösen Uebungen des 1925 aufgelösten Derwischordens der Naksch-Bendis hin. Die Celle plante«inen großen Aufstand Der Putsch von Menemem sollte gewissermaßen die Generalprobe dazu seip. Alle Verhafteten weigern sich vor dem Untersuchungsrichter Aus- sagen über ihre Mitverschwörer zu machen, wollen alle Torturen gerne undzu Ehren Gottes* auf sich nehmen, hallen den gefallenen Derwisch Achmed für den Mahdi(Messias ) und erklären, daß er be- stimmt zum Leben wiederauferstehen werde. Weit entfernt, wegen des Mißerfolges in Menemem niedergeschlagen zu sein, sind olle Ge- fangenen stolz auf ihrMärtyrertum* und verfluchen die Richter und Beamten der Republik als Ungläubige*. Die Regierung wird den Putschversuch weiterhin zur völligen Vernichtung der Oppositionspartei benutzen.

Aufstand in Hinterindien . Die Rebellen umzingelt. Rangun über London , 29. Dezember. Zwischen den Regierungetruppen und den Ausständischen im ltharawady-Bezirk in Burma ist eine Schlacht im Gange. Bisher haben sich die Aufständischen in ihren Stellungen hallen können, obwohl sie mit Artillerie heftig beschossen werden. Ein Test des Dschungels ist in Flammen aufgegangen. Der starke Rauch ver- hindert das weitere Vordringen der englisch -indischen Truppen. Der Kanonendonner ist auf viele Kilometer zu hören. Die englischen Truppen haben die Eingeborenen in weitem Umkreis ninzingell, so daß ihnen nichts anderes übrigbleiben wird, als einen Durchbruch zu versuchen, oder sich bis auf das Letzt« zu verteidigen. Auto in den Humboldthafen gestürzt. Oer Ehauffeur gerettet/ Bergungsarbeiten der Feuerwehr. kurz vor Rlillernacht stürzte am Alexanderufer ein Privatwagen in den Humboldthafen. Dem(Ehaussenr gelang es im letzten Aogenblick, sich aus dem Führersitz zu befreien und schwimmend die Userböschung zu erreichen, wo der Ver­unglückte von hilfsbereiten Passanten herausgezogen wurde. Das Auto kam in sehr schneller Fahrt von der Invalidenstraße und bog in das Alexanderufer ein. An einer ziemlich unüber- sichllichen Stelle verlor der Führer des Wayens die Orientierung und geriet auf den Ladekai des Hafens. Als er seinen furcht- baren Irrtum bemerkte und die Bremsen anzog, war es bereits zu spät. Da» Fahrzeug rutschte auf dem vereisten Pflaster etwa 15 Meter weit und stürzte, sich mehrmals überschlagend, ins Wasier. Als die alarmierte Feuerwehr mit mehreren Löschzügen erschien, war der Chauffeur bereits in Sicherheit gebracht; die Bcr- gungsarbeiien, die im Lichte greller Scheinwerfer vorgenommen wurden und trotz der späten Stund « eine große Schar Neugieriger angelockt hatten waren bereits gegen 1 Uhr beendet.

Tschechisch -ungarischer Handelskrieg Agrarische Treibereien und ihr Erfolg.

Bor etwa zwei Monaten wurde in der Tschechoslowakei eine Be- stimmung Gesetz, daß aus ländisches Mehl vor dem gewerblichen Verbacken mit drei gleichen Teilen i n ländischen Mehles gemischt werden muß. Diese Bestimmung richtet sich so gut wie ausschließlich gegen die ungarische Mehleinfuhr. Ungarn ist als Produktions- land besonders guten Weizenmehles bekannt. Sachkundige behaup- ten, daß auch bei gleicher Ausmahlung das ungarische Weizenmehl an Geschmack und auch an Backsähigkeit den Weizenmehlen nördlicher gelegener Länder weit überlegen sei. Aus jahrhundertelangem Zu- sammenleben der Böller des ehemaligen Oefterreich-Ungarn ist ihnen die Geschmacksrichtung und die Vorliebe für feines Gebäck gemeinsam geblieben. Selbstverständlich waren es auch in der stark industriellen Tschechoslowakei die Agrarier, die mit ihren Klagen über ihre schlechte Wirtschaftslage, die viel zu niedrigen Getreidepreise, die hohen Steuern und Schulden usw. die erwähnte Bestimmung durchgesetzt haben. Für Ungarn ist diese Neuregelung ein überaus schwerer Schlag, denn Mehl ist ein Hauptausfuhrartllel des ungarischen Lan- des, das durch die Friedensbestimmungen von Trianon auf«inen Teil der ungarischen Tiefebene reduziert worden ist und dem nicht nur die Randgebirge, sondern auch welle Vorländer wegen ihrer überwiegend, nicht selten aber auch nur Minderhellscharakter tra- genden nichtmadjarifchen Bevölkerung weggenommen wor- den sind damit aber auch wichtige Rohstoffgebiet« aller Art. Man weiß, daß das Um und Auf der ungarischen Außenpolitik die Wieder­gewinnung des verlorenen, die Zrredenla sozusagen oberste ungarische' Staatseinrlchlung und ganz besonder» gegen die demokratische Tschechenrepublik der ganze haß der man- archistisch�hauvinlslischeu Beherrscher Ungarn » gerichtet ist. Auf die tschechische Mehlverordnung, die wie ein Pellschenschlag i wirkte, hat Ungarn mll dem Erlaß einer Bestimmung geantwortet, die die Einfuhr tschechoslowakischer Textilwaren aus das äußerste verteuert und erschwert. Damit wird wiederum die Tschecho- slowakei auf das schwerste getrofsen. Bon der altösterreichischen Textilindustrie liegt der allergrößte Teil auf dem Gebiet der tschecho- slowakischen Republik. Die Ausfuhr ihrer Produkte nach anderen Ländern mit starker Textilindustrie ist unter dem heute wieder all- mächtig«« Schutzzollsystem kaum möglich. Em « der

größten Abnehmer der gesamten europäischen Textilindustrie, näm­lich Rußland , ist als Käufer vollständig ausgefallen. So war das verkleinerte Ungarn eines der wichtigsten Ausfuhrländer für die Textilindustrie von Böhmen , Mähren und Südschlesien. Die starke Absatz- und darum auch Arbeitslosigkeit dieser großen Industrie ist nun noch erheblich gesteigert. Ungarn züchtet eine eigene Textil- industrie, deren Zukunft nach Aushören des Handelskriegs dunkel ist, die aber an ihm das größte Interesse hat. Die Prager Mehloerordnung aber, die eine so folgenschwere Wirkung gehabt hat, ist nach der Meinung Sachverständig« über- Haupt undurchführbar. Die kleineren Bäcker, also ihr« größte Zahl, haben gar nicht die technischen Einrichtungen zu einer der- artigen Mehlmischung: sie sind von altersher gewohnt, das Mehl aus den Säcken, in denen sie es kaufen, direkt zu verwenden. Der Händler denkt gar nicht daran, und hat noch viel weniger Einrichtungen dazu, die Wehlmischung vorzunehmen, zu der das Gesetz ihn gar nicht nötigt. Ein bezeichnender Fall ist folgender: ein Großbäcker meldete der zu- ständigen Behörde, daß er am nächsten Tage die vorgeschrieben« Mehlmischung vornehmen werde. Das Amt entsandte«inen Be- amten, der voll« acht Stunden treu und brav dem Arbeitsprozeß bei- wohnt«, allerdings tonnte ihn seine staatlich« Würde nicht davor be- wahren, selbst gründlich eingemehlt zu werden. Als der Groß- bäcker den Beamten bei Arbeitsschluß für den nächsten Tag zur Fort- setzung einlud, erklärte dieser, er danke schon, er werde aber am nächsten Tage nicht wiederkommen, man möge nur ohne ihn weitermischeu. Ob man das getan hat und ob auch in den unzähligen anderen Bäckereien, die sich übrigens rechtzeitig vor dem Inkrafttreten des Gesetzes sehr reichlich mit dem beliebten und viel begehrten ungari- sehen Mehl eingedeckt haben, das landesübliche C h r i st brat, das in der Weihnachtszell um so mehr oerzehrt wird, als es fünf Tage lang kein« frischen Semmeln(Brötchen) gibt, kann nach allgemein« Ueberzeugung nur aus ungarischem Mehl hergestellt werden. Inzwischen sind nun auch, wohl unter dem Eindruck dieses M«hl° und Textillrieges, die Verhandlungen über das, was anstelle des abgelaufenen Handelsvertrages treten soll, gescheitert und der Zollkrieg ist auf allen Linien entbrannt. E ist nicht zu ver- kennen, daß dadurch auch die sowieso gespannten politischen Be- Ziehungen der beiden Staaten aufs neue porte» stad.