Bauberufe und die mit dem Baugewerbe verbundenen 1 Industriezweige heimgesucht. Ende August 1930 lag die Zahl der Arbeitsuchenden um 1,6 Rillionen über dem Stand des Borjahres, davon entfielen 0,6 Millionen auf die Saisongrupp allein, d. h. im wesentlichen auf die Bauberufe. Wenn man nach die Industriezweige mit berücksichtigt, die vom Baugewerbe abhängig sind, so sieht man, daß die gegenwärtige Mehrbelastung des Arbeitsmarktes zum erheblichen Teil auf die Ermürgung der öffentlichen Wirtschaft zurückzuführen ist.
In den besten Monaten blieben in diesem Jahre 40 Proz der Bauarbeiter auf der Estraße, mehrere hunderttausende konnten das ganze Jahr hindurch keine Woche Arbeit erhalten. Sie find alle Opfer der rücksichtslosen, verantwortungslofen Politik des Bürgertums, das auf diese Weise die deutsche Wirtschaft von den Feffeln der falten Sozialisierung" zu befreien versuchte!
Eduard Davids Einäscherung.
Die Trauer der Mainzer Bevölkerung.
Mainz , 30. Dezember.( Eigenbericht.) In Mainz , dem Ort seiner frühesten politischen Wirtfamkeit, hier wo er feine Wahlheimat gefunden hatte, wo er auch seine letzte Ruhe zu finden wünschte, wurde Eduard David am Dienstagnachmittag eingeäjchert.
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Die Liebe und Verehrung der engeren Parteigenossen, das große Ansehen, das David auch in den übrigen Bevölkerungsfreisen besaß, drückte fich aus in der ungeheuren Beteiligung feinem Leichenbegängnis. Seit Jahren, ja seit Jahrzehnten hat Trauerzug, viele Taufende auf den Straßen. Mainz eine solche Beerdigung nicht mehr gesehen. Taufende im
Kurz nach 2 Uhr nachmittags setzte sich vom Schloßplatz aus der Die eigentliche Depression machte sich seit An- Bug der Partei- und Gewerkschaftsorganisationen nach dem Bahnhof fang 1930 fühlbar, seitdem gingen Produktion, Verkehr und zu in Bewegung. Dumpfe Trommelwirbel und die Klänge des volkswirtschaftliche Umsätze zurück, die Massenarbeitslosigkeit Chopinschen Trauermarsches flangen durch die Straßen Um 43 Uhr griff auf fast alle Berufe und Wirtschaftszweige über. Zum wurde am Bahnhof der Sarg in Empfang genommen. Sechs Teil hing die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage Schupobeamte trugen den Garg aus dem Waggon zum Leichen Deutschlands mit dem Abschwung der Weltwirtschaft zu- wagen. Reichsbannerkameraden mit brennenden Fackeln bildeten sammen. Man darf aber nicht vergessen, daß die deutschen Berluste auf dem Weltmarkt verschwindend sind und nur im geringen Maße das Zusammenschrumpfen der Produktion
erflären fönnen.
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Ausschlaggebend ist die allgemeine Unsicherheit der wirtschaftlichen und politischen Lage, die jede Unternehmungsluft schen Lage, die jede unternehmungsluft tötet, die Erweiterungen der Produktion und Neuinvestierungen unmöglich macht, die wirtschaftliche Tätigkeit verlangsamt und herabdrückt.
Zugleich treten auch die Folgen der früheren Fehlinvestierungen unter dem Schutz der Kartelle in Erscheinung. Die Führer der Wirtschaft greifen zum altbewährten Mittel der Kapitalflucht und bringen damit ihr Schäflein ins trockene. Der Arbeiterschaft ist jedoch dieser Weg, um sich vor den Folgen einer Krise zu retten, versperrt.
So fam es Ende 1930 zu den mehr als 4 Millionen
Arbeitslosen. Etwa die Hälfte davon würde dem normalen Stand des Arbeitsmarktes zu dieser Jahreszeit entsprechen, die Mehrbelastung des Arbeitsmarttes ist also auf rund 2 Millionen zu schäßen. Davon ist etwa eine halbe Million der Zerrüttung der Bauwirtschaft zu verdanken, und ebensoviel auf das Konto der Rationalisierung zu setzen, etwa eine Million bleibt als die eigentliche Auswirtung der tonjunkturellen Depression übrig.
Die Arbeiterschaft, auf deren Schultern die gesamte Last der Depression drückt, erhebt die schärffte Anklage gegen die jenigen, die durch ihre furzsichtige Politik die Wirtschaft in dem Maße desorganisiert haben und ihre Desorganisation immer weiter verschärfen.
Was hilft es aber anzuflagen? Es muß nach den Wegen zur Linderung der Not und leber windung der Krise gesucht werden. Die Forderungen der Arbeiterschaft sind bekannt: Arbeitsstreckung und im weiteren die dem Fortschritt der Technif entsprechende Verkürzung der Arbeitszeit! Aufrechterhaltung der Kauftraft der Bollsmassen und Festigung des Binnenmarktes! Erweite rung der öffentlichen Wirtschaft und in erster Linie der öffentlichen Finanzierung des Wohnungsbaues! Deffentliche
Kontrolle der Kartelle!
Vor allem muß aber die politische Sicherheit wieder hergestellt werden. Dafür gibt es nur ein Mittel: die Sozialdemokratie und die Gewertschaften, die das Rückgrat der Republit bilden und Träger ihres fozialen Inhaltes sind, müssen gestärkt werden! Ist es nicht die Spaltung des Proletariats, die den Rechtsradikalen die Kräfte gibt und das Gespenst eines Butschversuches auftauchen läßt? Wie anders wäre die ganze politische und wirtschaftliche Lage Deutsch lands gewesen, falls das Proletariat einig und geschlossen in Reih und Glied unter seiner Fahne stände!
Dies muß also erfannt werden: eine der wichtigsten Quellen der herrschenden Not ist die durch die Spaltungsabenteurer von rechts und links verursachte Schwäche des Proletariats. 3 um Kampf gegen die Not gehört deshalb in erster Linie Kampf um die Einig feit, Stärtung der politischen und wirt schaftlichen Organisation des Proletariats, der Sozialdemokratischen Partei und der
Gewerkschaften.
Die Schnorrende Volkspartei. Und der Commis voyageur der Hakenkreuzler. Die Bereinigung für Handel und Industrie bei der Deutschen Bolkspartei Berlin hat sich an sogenannte Wirtschaftsführer um finanzielle Subventionen gewandt. Ueber diese Tatsache höhnt das nationalsozialistische Organ in Berlin . Es spricht von der Kunst des Schnorrens". Die Volkspartei schnorrt tatsächlich, aber sie begnügt fich wenigstens damit, Briefe zu schicken. Die National sozialistische Deutsche Arbeiterpartei jedoch schickt Herrn Hitler im Frad als Commis voyageur bei der Schwerindustrie umher damit er dort persönlich um Subventionen für die Kasse seiner Partei bittstellern soll. Der Hohn über die schnorrende Volkspartei ist nur ein Konkurrenzmanöver jener sogenannten„ Arbeiterpartei", die die Gelder der Schwerindustrie in ihre eigene Tasche lenfen will. Es wird im übrigen versichert, daß Hitler im Frack bei solchen Gelegen heiten allerhand Demütigungen über sich ergehen lassen muß.
Ernst Posselt, der Pressebeirat des deutschen Gesandten in Bern , unferes alten Freundes und Genossen Dr. Adolf Müller, ist plöglich gestorben. Posselt war gebürtiger Deutschböhme und viele Jahre Redatteur in München und Hamburg .
Das Straßer- Blatt vor Gericht. Wegen öffentlicher Beleidigung des Polizeivizepräsidenten Dr. Bernhard Weiß wurde der verantwortliche Schriftleiter des ,, Nationalen Sozialist", Herbert Blant, vom Schöffengericht Berlin- Mitte zu 100 Mart Geldit ra fe verurteilt.
Spalier.
Von dort aus bewegte sich dann der eigentliche Trauerzug zum Krematorium. Eine unendliche Menschenmenge umsäumte den Bahnhofsplay. Dem Trauerzug voran schritt das Reichsbanner, eine Hundertschaft Schupo und die Fahnengruppen der Gewerkschaften und Arbeitervereine. Dann folgte der Leichenwagen, dahinter die nächsten Angehörigen, die Bertreter der Mainzer Parteiorganisation, die gesamte Stadtratsfraktion, die Parteivertreter aus dem ganzen Lande Hessen , die Jugend, die Vereine und dann die große Zahl der übrigen Leidtragenden.
Als erster widmete ihm sein langjähriger Freund und Kampfgenosse Staatspräsident Dr. Adelung tief empfundene Worte. Es scheine nicht faßbar, sagte er, daß dieser Mund perftummt sei, daß dieses Herz stille stehe, das so warm für die Unterdrückten und Enterbten geschlagen habe. Adelung knüpfte an die Worte des Reichswehrministers Groener bei der Berliner Trauerfeier für David an und nannte ihn einen Battioten im edelsten Sinne des ortes, der aber gleichwohl mit Mut und Energie Bande internationalen Berstehens zu allen Völkern zu knüpfen fuchte. Dann gedachte Adelung der großen Berdienste, die sich
David um seine engere Heimat, das Heffnland, besonders in der Bejazungszeit erworben habe. Der Staatspresident legte im Namen der hessischen Regierung, die vollzählig bei der Beisehung vertreten war, einen herrlichen Kranz nieder.
Der Mainzer Oberbürgermeister Dr. Külb drückte in einer herzlichen Ansprache den Dank der Stadt Mainz aus für die großen Dienste, die David der Stadt geleistet hat. Mit dem Löbnis das Andenken Davids in treuem Gedenten zu halten, legte er Oberbürgermeister im Namen der Stadt Mainz einen Kranz nieder, Für den Republikanischen Reichsbund sprach Reichsags abgeordneter Hildenbrand, der gleichzeitig einen Kranz niedr legte. Er hob besonders hervor, daß sich die Trauer um den Toten nicht auf den Kreis der Partei beschränke, sondern weit darüber hinausgreife. Hildenbrand würdigte insbesondere die internationale Tätigkeit Davids in der Interparlamentarischen Union , und er forderte, daß man David dadurch ehre, daß man in seinem Geiste weiter arbeite.
Landtagsabgeeordneter Raul midmete für die hessische sozialdemokratische Landtagsfrattion dem Toten den legten Blumengruß mit einer kurzen Ansprache, in der er den Stolz der Fraktion hervorhob, daß David jahrelang ihr Freund, Mitkämpfer und Führer gewesen sei.
Kränze legten mit furzen Ansprachen nieder Widmann für die Landesorganisation der Sozialdemokratischen Bartei Hessens, Parteisekretär Freitag für die sozialdemokratische Organisation von Groß- Mainz und Rheinhessen , Thomas für die Mainzer Gewerkschaften und für die Mainzer Konsumgenossenschaften, deren Gründer Eduard David war, Landtagsabgeordneter Stord für den Gau Hessen des Reichsbanners und Reuter für das Mainzer Reichsbanner. Dann folgten die Sportorganisationen und die Arbeitervereine, auswärtige Parteiorganisationen und zahlreiche andere Kranzipenden.
Wieder ertönte Chorgesang. Dann wurde unter den Klängen der Trauermusik der Sarg in das Innere des Krematoriums getragen und der Leib Eduard Davids den Flammen übergeben. Die Mainzer Parteigenoffen und die Bevölkerung haben ihren Dank an Eduard David abgestattet. Aus ihrem Gedächtnis wird er nie entsch minden!
Parteiführer zum neuen Jahr.
Verschiedene Meinungen und Wünsche.
Das Nachrichtenbüro des Vereins Deutscher Zeitungs-| nen Verpflichtungen zur Einstellung ihrer Rüstungen verleger hat an die Vorsitzenden der Reichstagsfraktionen Sie unerfüllt laffen. Frage gerichtet, welche Wünsche sie dem deutschen Volke zum Jahreswechsel aussprechen möchten. Von den zahlreich eingegangenen Antworten seien die folgenden drei wörtlich wiedergegeben:
Dr. Breifſcheid( Ooz.):
Der Wünsche, die ein Sozialdemokrat an das Jahr 1931 richten muß, find zahlreich. Ich erwähne mur ein paar von den wesent
lichsten:
1. Der politische Rampf möge nicht länger mit Bomben, Schlagringen, Revolvern und Dolchen, sondern wieder mit den affen des Geiftes ausgefochten werden.
2. In dieser Auseinanderseßung möge das deutsche Volk zu der Ueberzeugung fommen, daß nicht eine irgendwie geartete Dittatur, sondern die Demokratie das Fundament bildet, auf dem es seine Zukunft aufbauen kann.
3. Es möge sich die Erkenntnis durchsetzen, daß die Wirtschaftstrifis, unter der die Welt leidet, ihre letzten Wurzeln in der kapitalistischen Wirtschaftsordnung hat, und daß nur der Sozialismus der„ marristische Sozialismus das Uebel zu bannen vermag.
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4. Es möge auch unter der Herrschaft des tapitalistischen Systems alles geschehen, was die Folgen der Krisis namentlich für die deutschen Arbeiter zu lindern vermag. Es möge insbesondere der Erwerbslosigkeit durch Verkürzung der Arbeitszeit, durch Stärkung der Kauffraft der Massen, nicht aber durch Lohnabbau zu Leibe gegangen werden
5. Es möge jenseits der deutschen Grenzen das Verständnis dafür wach werden, daß die deutschen Zahlungsverpfliche tungen nicht nur im Interesse Deutschlands , sondern in dem der Welt herabgesetzt und in einer weit fürzeren als der im Young Plan vorgesehenen Zeit beendet werden müssen.
6. Es möge dieses Ziel angestrebt und erreicht werden durch eine Politik gegenseitiger Berständigung unter Verzicht auf Gewalt und Bedrohung, und nicht zuletzt mögen die Siegerstaaten fich bewußt werden, welche Folgen für Europa entstehen, wenn fie die im Versailler Vertrag und im Völkerbundspatt übernomme
Dr. Frick( Nat.- Goz.):
Dem deutschen Volte wünsche ich fürs neue Jahr, daß ihm die Berrätern und Betrügern und ihren Bür bürgerlichen elfer shelfern in das heutige politische und wirtschaftliche Elend geführt worden zu sein, und daß es danach neue Bahnen beschreite, um mit der zur Willenseinheit geballten Kraft der Nation sich die innere und äußere Freiheit zu erfämpfen.
Dr. Kaas( 3.):
Das Jahr 1931 wird außenpolitisch- und damit rüdwirtungs weise auch innenpolitisch im Zeichen des Revisions. und Evolutionsgebankens stehen.
Die These vom status quo
ist eine Friedhofsthese. Wer sie vertritt, wird bewußt oder un bewußt zum Schrittmacher des chronischen Unfriedens. Europa wird erst dann gefunden und gedeihen können, wenn Deutschlands Lebensrechten in ehrlicher Barität mit den übrigen Bölkern des Kontinents Raum gegeben wird. Der Weg zu diesem Ziele wird lang und hart sein. Nur ein einiges Bolt wird ihn bis zum glücklichen Ende gehen können. Darum fann die Parole des tommenden Jahres mur heißen: Sammlung und nicht: Berklüftung.
Parteien hat nur die des Volksparteilers Dingelden Von den neun eingegangenen Antworten der fleinen einiges politisches Interesse. Sie spricht die Hoffnung aus nach einer Umschmelzung der aufbraufenden vaterländischen Bewegung", alfo nach jenem Prozeß, den die Deutsche Allgem. Beitung" sehr bildhaft als die Kanalisierung des Nationalsozialismus" bezeichnet hat. Ferner wünscht Herr Dingelden den Geist der Volksgemeinschaft, der die Kraft befigt, eine neue Form der 3 usammenbindung von Unternehmern und Arbeitnehmern in Anerkennung des Privateigentums und der freien Berfönlichkeitsrechte in allen Lagern unseres Volkes zu schaffen und um so von den Fieberqualen wirtschaftlicher Not und Kämpfe zu befreien".- Schade nur, daß Herr Dingelden nicht sagt, wie man das macht!
Die Krise in der Wirtschaftspartei.
Das sächsische Parteiorgan prophezeit Führerwechsel.
Die Krise in der Wirtschaftspartei ist trog der amtlichen Befanntmachungen des Barteivorstandes anscheinend nicht mehr aufzuhalten. Aus der Mitteilung des Parteivorstandes schien hervorzugehen, daß der Parteivorsitzende Drewig das volle Vertrauen des Parteivorstandes besäße und daß alle von dem Abgeordneten Coloffer gegen ihn gerichteten Vorwürfe haltlos feien. Um so auffälliger ist die Stellungnahme des Sächsischen Kuriers", der dem früheren Abgeordneten Beier nahesteht, ber zur Zeit der Borsigende des Untersuchungsaus. schusses im Fall Drewig- Colosser ist. Das sächsische Organ der Wirtschaftspartei brachte gestern folgende Meldung:
,, Durch die Preise gehen Einzelheiten über eine Dentichrift des Reichstagsabgeordneten Colosser, die sich gegen den Führer der Wirtschaftspartei, den Reichstagsabgeordneten Drewig, richtet. In der Angelegenheit ist ein Untersuchungsausschuß eingesetzt worden, deffen Borsitzender der frühere Reichstagsabge
ordnete Blajerobermeister Beier- Dresden ist. Die Arbeiten diefes Ausschusses sind noch nicht abgeschlossen, stehen aber turz por dem Abschluß.
Es ist ohne allen Zweifel, daß ein Wechsel in der Parteileitung eintreten wird. Nicht erst die Veröffentlichung von Einzelheiten der genannten Dentschrift hat dazu beigetragen, daß der Führerwechsel tommt, sondern schon die bereits geleisteten Arbeiten des Untersuchungsausschusses haben die Notwendig feit des Führerwechsels erbracht."
Aus dieser Mitteilung geht auch hervor, daß der Untersuchungsausschuß entgegen den offiziösen Mitteilungen des Parteivorstandes noch feineswegs feine Tätigkeit eingestellt hat, obmohl in einem Kommuniqué behauptet worden war, daß der Abgeordnete Coloffer feine Vorwürfe gegen Drewig zurückgenommen habe. Colosser be streitet, daß er die gegen Drewig erhobenen Beschuldigungen zurückgenommen habe.