Der Abend
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Tir. 611
B 304 47. Jahrgang
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Effen, 31. Dezember.( Eigenbericht.)
Die weitere Entwicklung des Lohnfonflifts im Ruhrbergbau ist Fhwer abzusehen. 3m Augenblid steht nur soviel fest, daß durch eine Sündigung der 300 000 Ruhrbergarbeiter die Lage bedenklich verschärft werden muß. Die Zechenbefizer beharren hari. nädig auf ihrer Forderung eines Cohnabbaues von 12 Pro 3. Die Gewerkschaften betonen demgegenüber und zwar mit sehr friffigen Gründen, daß auch nach der Senkung der Kohlenpreije cine Lohntürzung nicht notwendig ist.
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Sachliche Gründe fehlen, um das Verhalten der Rechenbarone zu erklären. Die Ruhrbergarbeiter sollen offenbar provoziert mer
Eisenbahnattentäter verhaftet.
Leiter der Bahnpotizei ats Urheber der Braunschweiger Bombenattentate enllarbt.
Braunschweig . 31. Dezember.( Eigenbericht.) In den lehten Monaten häuften sich im Gebiet des Braunschweiger Freistaates Attentate auf 3üge, bei denen vielfach Fahrgäste und Fahrpersonal verlegt wurden, ohne daß die Täter bisher festgestellt. werden konnten. Wie wir erfahren, ist jetzt unter dem
Bombenverbrecher frei!
Sollen sie auch noch amnestiert werden?
Alfona, 31. Dezember.
Für ihren Häuptling Klaus Hein ist ein Gnadengefuch an den preußischen Justizminister abgegangen. Zur gleichen Zeit find gegen die Wohnung des Amtsvorstehers in Weffelburen Handgranaten geworfen worden mit der Devise:„ Ein Weihnachtsgruß im Sinne von Klaus Hein ".
In dem Strafverfahren gegen Hein und Genoffen wegen Berbrechens gegen das Sprengstoffgesetz hat die Straftammer des Land gerichts Altona im Haftprüfungstermin heute die Haftbefehle gegen die Angeklagten Died, Cohmaun und Beder aufrechterhalten, aber beschloffen, diese Angeklagten gegen Sicherheitsleistung mit der Soll das heißen: Amnestie oder neue Bomben? weiteren Untersuchungshaft zu verschonen. Die drei Angeklagten Die Haftentlassung ist angesichts dieser Dinge ein glatter find demgemäß am 24. Dezember aus der Haft entlassen Standal. Wann find jemals Kommunisten, die Spengstoffverbrechen worden. Wegen der Erlaffung der Untersuchungshaft hat die Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß der Straffammer Be- begangen haben, so zuvorkommend aus der Haft entlassen worden? Soll der Staat sich bei den Bombenlegern noch entschuldigen, daß sie ich werde eingelegt. überhaupt verurteilt worden sind?
Bied, Lohmann und Beder sind ebenso wie Herbert Vold zu langjährigen Zuchthausstrafen verurteilt. Eine Haftentlaffung in solchem Falle ist sehr ungewöhnlich, um jo mehr, als die Bombenleger ihr Treiben wieder begonnen haben.
ringenden Verdacht der Anſtiftung und Ausführung Franzen will Hafenkreuzpolizei
derartiger Verbrechen in Salberstadt der Leiter des Bahnschuhes und der Bahnpolizei verhaftet
worden.
den.
Die Herren gebrauchen einen Bormand zur Durchführung bestinanter Pläne und halten den Zeitpunkt für günstig, weil die KPD. durch ihre Quertreiberei ihnen in die Hände arbeitet.
Herr Stegerwald verteidigt sich. Er hat den Zechenherren an der Ruhr nichts versprochen. Aus dem Reichsarbeitsministerium wird erklärt:
In der Presse ist verschiedentlich im Zusammenhange mit dem Ruhrfchiedsspruch die Behauptung aufgetaucht, die Reichsregierung habe den Zechenbesitzern eine rund 8prozentige Lohnfenfung fest zugefagt. Der für die Lohnpolitik zuständige Reichs= arbeitsminister stellt dagegen fest, daß er eine derartige 3usage nicht gegeben hat und auch angesichts der gesetzlich verbrieften Unabhängigkeit der Schlichtungsstelle gar nicht hätte geben können.
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Jeder Unternehmer in Deutschland beruft sich darauf, daß Herr Stegerwald prinzipiell für Lohnabbau eingetreten ist. Diese Berantwortung bleibt auf Stegerwald fizen!
Mehrere Häuser eingestürzt.
Im jüngsten Erdbebengebiet der Provinz Avellino find am Dienstagabend neuerdings außerordentlich heftige Erdstöße verspürt worden. In San Saffio Baronino stürzten einige Häufer ein. Durch Kurzschluß, entstanden mehrere Brände. Dutch fhnell durchgeführte Hilfsmaßnahmen konnten die Verschütteten gerettet und die Brände gelöscht werden. Der Sachschaden ist be
deutend.
Erdbeben in der Südsee.
Sidney, 31. Dezember. Nach einem Funfspruch des Dampfers Duris hat ein Erdbeben, das von einer etwa 2%-Meter- Fluiwelle begleitet war, cm Weihnachtsabend die in der Südsee nördlich von Neu- Guinea liegenden fogenannten Westlichen Inseln erschüttert. Auf den zu Ihnen gehörenden Awin- Inseln wurden Häuser und Vieh ins Meer geriffen.
Der Angeflagte als Polizeiminifter.
Braunschweig , 31. Dezember.( Eigenbericht.) Polizeiminister Franzen beginnt jetzt bei der Polizei seine Tätigkeit auszuüben. Er hat am Dienstag den Kommandeur der Schußpolizei, Oberstleutnant Siering, zum 31. Oftober 1931 in den Ruhestand verseßt und bis zu diesem Tage beurlaubt. Siering verfah seinen Dienst in mustergültiger Weise; irgendwelche Klagen sind nie bekannt geworden. Siering hat mir ein Verbrechen begangen: er hat sich zur Republik und zur Sozialdemokratischen Partei bekannt. Aus diesen Gründen entläßt ein
Nichts zu erwarten
Arbeitslosigkeit Welt krise PreisAbbau Lohn Abbo ReparationeRes
1930
Das scheidende Jahr: 3m alten Jahr haben diese Wichte teine Aufaabe gelöst. 3m neuen Jahr werden fie auch teine lösen!"
Welche Berantwortung ruht auf den zuvorkommenden Richtern Don Altona, menn Herr Herbert Bold es vorziehen sollte, wieder eine romantische Reise an die oberitalienischen Seen zu unternehmen, statt ins Zuchthaus zu gehen?
Minister, dem vom höchsten Gericht in Braunschweig bescheinigt wurde, daß er die Unwahrheit gefagt, einen pflichttreuen Beamten. Wie er die Tätigkeit der Polizei auffaßt, hat sein strafbares Berhalten in Berlin gezeigt!
Eine nicht immer erfreuliche Bilanz.
Wenn man die Bilanz dieses Jahres zieht und rückblickend an Hand nüchternen Zahlenmaterials die Beränderungen betrachtet, die sich im Leben der Reichshauptstadt in den vergangenen zwölf Monaten vollzogen haben, so ist wenig Erfreuliches zu melden.
Was zunächst die Einwohnerschaft der Reichshauptstadt betrifft, so dürfte sich zum erstenmal wieder seit einer Reihe von Jahren
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für das Jahr 1930 fein Bevölkerungszuwachs, sondern eher ein Berluff
ergeben. Während nämlich die vorhergehenden Jahre 1928 und 1929 infolge des außerordentlich regen Zuzugs vom flachen Lande in die Großstadt die Bewohnerzahlen Berlins um 80 000 bzw. 50 000 Menschen also um die Einwohnerzahlen deutscher Mittelstädte etwa von der Größe von Görlig oder Brandenburg an der Havelanwachsen ließen, was im Laufe dieses Jahres der Fortzug aus Berlin wesentlich größer als der Zuzug, so daß sich bis Anfang Dezember bereits ein Ausfall von 5644 Bersonen ergab, der noch erhöht wurde durch den negativen Verlauf der natürlichen Faktoren der Bevölkerungsbewegung: durch den leberschuß der Sterbefälle über die Zahl der Geburten, der bis zum 1. Dezember die Bevölkerung Berlins um weitere 4913 Menschen verringerte, so daß sich auf Grund der bisher vorliegenden Ermitt fugen für 1930 ein
Rückgang der Bevölkerung der Reichshauptstadt von 4 346 437 Seelen am 1. Januar auf 4 335 880 am 1. Dezember ergibt, ein Ergebnis, an dem sich im Laufe des Dezember keine nennenswerten Aenderungen ergeben dürften.
A
In ursächlichem Zusammenhang mit der Frage der Entwicklung der Berliner Bevölkerung steht ein anderes Problem, das in der ungeheuerlichen Schwere feiner Auswirkungen zu Beginn dieses Jahres nicht im geringsten vorauszuahnen war: die Arbeits losigkeit, die eine zunehmende Belastung des städtischen Wohlfahrtsetats zur Folge hatte. Die Rückwirkung dieses Problems in bevölkerungspolitischer Hinsicht liegt darin, daß durch periodisch veröffentlichte
Warnungsplatfate in den Arbeitsämtern der Provinz vor dem Zuzug in die Reichshauptstadt gewarnt
murde, da sich die Verhältnisse am Berliner Arbeitsmarkt von Monat zu Monat derart verschlechterten, daß die Zahl der Hauptunterftüßungsempfänger in der Arbeitslosenversicherung von 153 812 am