Einzelbild herunterladen
 

NolMMe Ltebevflchk. Berlin , 8. Mai. Im Reichstag nahm heute die zweite Berathung des Anti'Jmpfantrages viel Zeit in Anspruch, ohne daß dabei etwas Neues hätte vorgebracht werden können. Die Mehrheit stimmte schließlich dem modifizirten Antrage Förster > Reißhaus zu, der eine nochmalige Prüfung des Impf- Gesetzes in bezug auf die Richtigkeit seiner Voraussetzungen und in bezug auf seine Ausführung fordert, konnte sich aber nicht entschließen, gemäß dem weiteren Verlangen des Antrages die Verfolgung der Jmpfweigerer bis dahin auszusetzen. Es folgten die elsässischen und sozialdemokratischen Anträge aus Be- seitigung der Ausnahme- Preßgesetzgebung für Elsaß- Lothringen . Bueb führte zur Kritik der dortigen Zustände und zur Begründung der Anträge ein umfangreiches Material vor; einzelnes daraus hier anführen, hieße die Wirkung seiner Gesammtausführungen abschwächen. Natürlich will die Regierung, und mit ihr die Konservativen, alles beim alten lassen. Ebenso natürlich, daß der nationalliberale Herr v. Marquardseneinerseits" wohl dem Inhalte der An- träge zustimmen könnte,andererseits" den richtigen Zeit- punkt für die Aufhebung der Ausnahmegesetzgebung noch nicht für gekommen erachtet. Dagegen stimmten die Redner des Zentrums, der beiden freisinnigen Gruppen und der deutschsozialen Resormpartei kurz und bündig den Anträgen zu. Die zweite Lesung findet im Plenum statt. Ohne Debatte wurde zuletzt der Gesetzentivurfjjegen den unlauteren Wettbewerb gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und eines Theiles der Freisinnigen angenommen. Nächste -Sitzung am Montag: Zuckersteuergesetz. Das preußische Abgeordnetenhaus beschäftigte sich am -Ig reitag in dritter Berathung mit dem Gesetzentwurf be r reffend die Regelung der Richtergehälter. P)ie Debatte drehte sich auch heute ausschließlich um den in der zweiten Lesung abgelehntenAssessoren-Paragraphcn", dessen Wiederherstellung die Konservativen in einer Fcchung beantragte», wonach die Justiz- Verwaltung bereits über die Zulassung der Referendare entscheidet, wonach ferner diejenigen Referendare, welche die grobe Staatsprüfung bestanden haben, aus dem Justizdienst ausscheiden und ihre» Ein tritt in den höheren Justizdienst beim Juslizminister beantragen müssen. Die Konservativen, in deren Namen Graf Limburg - S t i r u m sprach, führten deute zwei ganz neue Momente für ihren Antrag an, indem sie einmal die Ablehnung desselben als eine Verdunkelung des Rechtes der Krone, die Beamten an- zustell'en, bezeichneten und sodann gegen die Gegner den Vorwurf erhoben, daß sie die Verantwortung dafür zu tragen hätten, wenn die Gehälter der Richter jetzt nicht geregelt würden. Thal- sächliä� sind dies aber nur Vorwände, da ein Zusammenbang zwischim§ 8 und dem übrigen Inhalt der Vorlage nicht besteht. Für den konservativen Antrag sprachen außer dem Jnstizminister S ch ö n st e d t die Abgg. K l a s i n g(k.), v. Tiedemann- Bomst sfk.) und Schettler(k.), dagegen die Abgg. P o r s ch(Z.), Hobre cht(natl.), Rickert(frs. Bg.) und Träger(frs. Vp.). Da alle Parteien in ihrer bisherigen Haltung beharrten, wurde § 8 schließlich mit 198 gegen 181 Stimmen abgelehnt. Dafür stimmten außer den beiden konservativen Parteien auch di s Nationalliberalen O l z e in und von San den sowie Dr. Hahn. Die übrigen Bestiminungen der Vorlage, welche sich auf die Regelung der Gehälter nach Dienstalteesstusen beziehen, wurden angenommen, ebenso die Vorlage im ganzen; doch ist nach der bei der zweiten Lesung abgegebenen Erklärung des Ministers keine Sluisicht vorhanden, daß die so gestaltete Vorlage Gesetz wird, selbst wenn das Herren- haus ihr zustimmt. In dritter Lesung wurde sodann noch die Kreditvorlage betreffend die Eriveiterung des StaatSeisenbahnnetzes und die Betheiligung des Staates an dem Bau von Privaleisenbahnen und Kleinbahnen sowie an der Errichtung von land- wirthschaftlichen Getreide-Lagerhäusern, und in zweiter Lesung der Gesetzentwurf über das Grundbuchwesen und die Zwa ngsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen im Kreise Lauenburg angenommen. Sonnabend: Kleinere Vorlagen, Antrag Albers betr. Schaffung eines festen Werthverhältnisses zwischen Gold und Silber. Ein neuer Skandal ist am Horizont des deutschen Kolonial wesens ausgetaucht. Eine neue Expedition zur geologischen Erforschung der Gegend im Norden von Deutsch-Ostafrika ist von einer Jrangi-Gesellschaft geplant worden. Zum Führer derselben ist ein Premier lieutenant Werther ausersehen, der bereits einmal im Auftrage der Antisklaverei-Gesellschaft eine Expedition nach dem Nianza-See geleitet hat. Auf diese Nachricht hin hat nun der Afrika -Reisende Eugen Wolf demBerl. Tageblatt" folgende Zuschrift gesandt: Nach meiner Rückkehr aus Uganda (1893) habe ich dem da- maligen Gouverneur Herrn Oberst v. Scheele in Dar-es-Salam einen Vortrag über gewisse Dinge gehalten, deren sich ein dem Antisklaverei- Unternehmen zugetheilter Offizier hatte zu schulden kommen lassen, ihm auch alle diese Angaben schriftlich gemacht. Es wurde mir mitgetheilt, daß besagter Herr nicht mehr in unsere deutschostairikanische Kolonie zurückkehren würde, und ich habe daraufhin geschwiegen. Der Herr Graf von Caprivi, welchem ich in Berlin über diese Sache ebenfalls einen Vortrag hielt, bat mich, im Interesse der Kolonie zu schweigen, mir ver. sichernd, daß der betreffende Herr nicht mehr nach Ost afrika zurückkehren werde. Aus Madagaskar ansang dieses Jahres in Berlin ein« getroffen, erfahre ich zu meiner größten Verwunderung, daß be- treffender Herr an die Spitze einer Expedition gestellt worden ist. Ich habe daraufhin bei allen betheiligten Stellen prote stirt und habe dringend gebeten, doch einem anderen Herrn die Führung der Expedition zu übertragen, und zwar lediglich im Interesse der Eingeborenen, unserer Schutzbefohlenen. Mein wohlgemeinter Rath, mein Protest hat nichts genutzt, weshalb? Der Führer der Expedition will Gold in jener Gegend entdeckt haben, und wo der mixktz- dollar mitspricht, da ist für Humanilätsgründe kein Platz. Ich weiß daß kein Gold in uyd lini Jrangi ist. ich habe es den Betheiligten gesagt, und die Zukunft wird mir recht geben. Ich protestire im Interesse unsere afrikanischen Brüder gegen die Expedition des Herrn Lieutenants Werther unter seiner Führung, ja s e l b st unter seiner Betheiligung und ich werde Sie bitten, da all mein Rathen umsonst gewesen, das Material, das ich befitze, demnächst in Ihrem Blatte zu ver- öffentlichen. Das Urtheil überlasse ich dann ruhig Ihren Lesern." Es fehlt noch an den T h a t s a ch e n, auf die Herr Wolf seinen Protest begründet. Er wird aber jedenfalls damit hervortreten müssen, und dann kann man sich ein Urtheil darüber bilden, ob wir es hier etwa mit einem zweiten Peters zu thun haben. Chronik der MajestätsbeleidigUtigS-Prozefse. M a g d e bürg. Der Vorarbeiter Paul Mäker zu Buckau geboren 18S9, kehrte eines Tages im Juli 189S mit drei ihm unterstellten Mitarbeitern in eine Restauration ein. Sie zechten zusammen und unterhielten sich mit der Wirthin. Hinterher gerieth Mäker bei der Arbeit in der Zuckerfabrik mit dem einen der Zechgenossen in Wortwechsel, and dieser denunzirte ihn dann, er habe sich bei dieser Gelegenheit des Trinkens der Kaiser- Beleidigung schuldig gemacht. Diese wurde nun zwar von den geladenen drei Arbeitern bekundet, jeder wollte aber eine andere beleidigende Aeußerung gehört haben, während die Wirthin bekundet, die Arbeiter seien angetrunken gewesen und sie habe nicht gehört, daß Mäker die zur Anklage stehenden Aeußerungen gelhan habe. Der Gerichtshof erkannte au' Freisprechung. Bamberg . Genosse Hart, Schreiner von Förch- heim, wurde vergangene Woche vom hiesigen Landgericht wegen Majestätsbeleidigung zu 3 Monaten G e f ä u g n i ß verurtheilt. Er hatte in einer Versammlungsrede zu Streilberg an einem Ausspruche des Kaisers Kritik geübt, worin eine Majestätsbeleidigung erblickt wurde Der Staatsanwalt hatte Monate Gesängniß beantragt. Genosse Hart ist ein armer Teufel, hat eine Frau und vier Kinder zu ernähren und soll nun auch die nicht unbedeutenden Gerichtskofien bezahlen. Wieder eine Lehre, mit Aussprüchen über diverse Handlungen gekrönter Häupter recht vorsichtig umzugchen. zu seiner Frau.Die Lehrerin rennat ja uns das Haus ein, wenn dem Mädel etwas passtren thät"... Lene hatte in Mühleffen sehr oft die Kühe des Lehrers gehütet. Zu der besten Sorte gehörten die ja nicht, das hatte daS ganze Dorf gesagt. Besonders die eine, welche die Roseldie Gams " nannte, war ein keckes, eingebildetes Ding. Wenn es ihr einfiel, nahm sie den Schwanz hoch und raste davon; und ob nun der Leitstrick riß, oder die Rosel und Lene hinschlugen, so lang sie waren, das kümmerte sie keinen Pfifferling. Aber gegen die Ziegen des Schneiders von Zettenberg waren die Lchrer-Kühe die reinen Schäfchen. Von einem Strickanlegen konnte da gar keine Rede sein. Einmal hatte es Lene versucht. Aber gleich hinter dem Wirthshaus hatte die ältere Gais zum Springen und Reißen angerichtet, gerade aus, nach rechts und links und im Kreise herum. Und auf einmal war die Ziege dagelegen mit verdrehten Augen und heraushängender Zunge. Nie mehr hatte das zu Tode erschrockene Mädchen seitdem an einen Strick gedacht. Wenn die Ziegen liefen, lief die Lene, und wenn sie sprangen, sprang sie auch, und wenn sie ruhten, setzte auch sie sich nieder und dachte an ihre fernen Verwandten und Bekannten. Aber das Lausen und Springen war häufiger als das ruhige Sitzen. Und oftmals lief die Lene sogar zuerst, und dann erst die Ziegen. Dem Schneider von Zettenberg ge- hört nicht ein Beet Feld, und wenn er eine Wiese gehabt hätte, so groß wie ein Betttuch, hätte er vor Freude einen Luftsprung gemacht. So blieben für seine Ziegen nur die steinigen, von Schlehdorn- und Hagebuttengestrüpp über- wucherten Hänge und Ränge, die Raine und die Straßen- grüben. Das Gras der Gräben gehörte dem Straßen- cinräumer. Aber der kam höchstens alle acht Tage einmal in die Gegend, und man konnte ihm somit ganz schön aus dem Wege gehen. Stand sich der Schneider mit den Bauern der Nachbardörfer gut, dann hatte keiner etwas dagegen, daß dessen Ziegen auf den Hängen und Rängen weideten, auf denen ja so wie so nicht viel wuchs. Aber sofort änderte sich die Sache, wenn im Wirthshause ein kleiner Streit vorgefallen war. Hatte am Abend einer der Bauern die Meinung ausgesprochen, ihm wäre ein Glas Bier zu viel aufgeschrieben worden, und hatte der Wirth Widerspruch erhoben und Zahlung gefordert, dann mußte sich am anderen Tage Lene sehr in Acht nehmen, oder sie mußte mit ihren Ziegen laufen, wie aus Leben und Tod.(Fortsetzung folgt.) 1 Deutsches Reich . Der Bundesrath hat in seiner letzten am 7. d. M. abgehaltenen Sitzung dem Entwurf eines Gesetzes wegen Abänderung des Gesetzes über die Friedenspräsenznärke des deutschen Heeres vom 3. August 1393 die Zustimmung erlheilt. Den zuständigen Aus schüssen wurden überwiesen: Die Entwürfe von Gesetzen wegen Feststellung von Nachträgen zum Reichshaushalts-Etot und zum Haushalts-Etat für die Schutzgebiete für 1396/97, der Entwurf eines Gesetzes wegen Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltung des Reichsheeres u. s. w., der Antrag AnHalls, betreffend das Verfahren bei Berechnung der in die Liquidationen der Salzsteuer-Verwaltungskoslen aufzunehmenden Gehaltsdurch schnittssätze, sowie der Entwurf von Bestimmungen über den Vollzug von Freiheitsstrafen. Außerdem wurde über den dem Kaiser zu unterbreitenden Vorschlag wegen Besetzung einer Mit- gliedsstelle bei einer Disziplinarkammer sowie über die geschäst- liche Behandlung von Eingaben Beschluß gefaßt. Auch dem Fürsten Hohenlohe wird jetzt der bevorstehende Rücktritt prophezeit und zw ar imHannov. Courier", wo es heißt:Fürst Hohenlohe hegt den sehnlichen Wunsch, sich wegen seines hohen Alters ins Privatleben zurückzuziehen und den Rest seiner Tage in Ruhe zu genießen; er hat den Kaiser neuerdings hierüber nicht im Unklare» gelassen, und dem Vernehmen nach hat der Kaiser in voller Würdigung der Motive des Fürsten Hohenlohe diesem nur das Ver- sprechen abgenommen, noch bis zum Schluß der parlamentarischen Kampagne auszuharrei� Dieses Opfer wird der Reichskanzler auch bringen. Sind Reichstag und Landtag geschlossen, so steht einem Erholungsurlaub des höchsten Beamten im Reich und in Preußen nichts mehr im Wege, und späterwird sich schon alles finden", u. a. auch die ferneren Ministerschicksale des Freiherrn V.Berlepsch. Möglich, daß seine Tage gezählt sind, möglich auch, daß sein Stern von neuem aufgehen wird. Einstweilen heißt es:Gesucht ein Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident mit einem Programm." Die Kommission für Arbeits st atistik hat in der Donnerstag-Sitzung des preußischen Abgeordnetenhauses wegen des von ihr ausgegangenen Entwurfes heftige Angriffe erfahren, insbesondere auch seitens des Abg. Engen Richter, der ihr Kompelenz-Ueberschreitungen vorwarf und die ganze Ein- richtung überhaupt als verfassungswidrig bezeichnete. Keiner dieser beiden Punkte ist indeß zutreffend, oder auch nur annähernd mit vernünftige» Argumenten zu stützen, da sie lediglich auf Er- suchen des Reichskanzlers über bestimmte, von ihm ausdrücklich bezeichnete Fragen statistische Erhebungen anzustellen und deren Ergebnisse zu begutachten hat, so kann sie natürlich, wenn eine solche Aufforderung an sie ergeht, einer Kompetenzüberschreitung sich nur schuldig machen, wenn sie Fragen, die ihr nicht vor- gelegt sind, in das Bereich ihrer Forderungen ziehen wollte, was hier nicht der Fall war, oder wenn sie die Erledigung einer solchen Akquisition ablehnen würde. Daß sie keine Vcrant- worlung trägt, was als mit der Verfassung unvereinbar genannt wurde, liegt einfach daran, daß sie keine andere, als eine berathende Stimme besitzt. Mit besserem Rechte wird man namentlich im Hinblick auf das Ausland den Vorwurf erheben können, daß die Kommission für Arbeilsstatistik noch viel zu wenig ausgebildet ist. und daß sie auch nicht annähernd das leistet, was sie bestimmungsgemäß leisten müßte. Mau ziehe zu wecken eines Vergleiches nur einmal Großbritannien heran. .ier ist das Arbeits-Departement auf grund des Memorandums vom 23. April 1893 zu einer über das ganzeLand verzweigten Organi- sation mit umfassender und vor allen Dingen regelmäßiger Wirksamkeit geworden. Ohne auf äußere Anregung zu warten, ist das Departement fortlaufend mit Untersuchungen und Spezial« erhebungen einschlägiger Fragen beschäftigt, die amtlich zu prüfen bei uns noch kaum jemandem eingefallen ist. Ueber diese Er- Mittelungen wird jährlich ein Bericht veröffentlicht, welcher thun- lichst in der Weise abgefaßt ist, daß er die Arbeiter in einer ihnen leicht verständlichen Weise über die hauptsächlichsten und für sie praktisch verwerthbaren Ergebnisse unterrichtet. Da- neben stellt das Departement auf Ersuchen der Behörden und des Parlaments Enqueten an, endlich aber giebt es eine Arbeilszeitung als Monatsschrift heraus, welche vornehmlich Nachrichten über den Stand des Arbeitsmarktes in den einzelnen Gegenden und Branchen, über Lohnbewegungen, Ausstände, über wichtige Versammlungen, Assoziationen u. dergl., außerdem aber gerichtliche Entscheidungen über Materien der Arbeits- gesetzgebung enthält. Aehnliches ist von den Vereinigten Staaten zu sagen, wo nicht nur fast in jedem einzelnen Staate ein be- sonderes Arbeilsamt besteht, sondern auch für die ganze Union ein solches durch Gesetz vom 13. Juni 1883 ins Leben gerufen ist, welchesnützliche Nachrichten über die mit der Arbeit im all- gemeinsten Sinne und in der umfassendsten Anwendung dieses Wortes im Zusammenhang stehenden Gegenstände, insbesondere über deren Beziehung zum 5kapital, zur Arbeitszeit, zum Ver- dienste der männlichen und weiblichen Arbeiter und die Mittel zur Förderung ihrer materiellen, sozialen und geistigen Wohl- fahrt" erheben und verbreite» soll. Auch in Frankreich ist demOffice du Travail" aus der Basis der Dekrets vom 19. August 1891 und vom 4. Februar 1892 ein großer Wirkungskreis zugewiesen, und Deutschland hat noch sehr viel nachzuholen, bis es wenigstens quantitativ an das heranreicht, was anderwärts als selbstverständlich gilt. Der Kampf gegen das bischen Arbeiter- schütz, das der Bnndesrath den Bäckern endlich zugebilligt hat. wird von denwahren Arbeiterfrennden", den Konservativen und Freikonservativen, unermüdlich weitergeführt. Nach ihrer Jnter- pellalion im Reichstage und ihrem Initiativantrags daselbst haben sie nun im Avgeordnetenhause folgenden Antrag eingebracht: Das Haus wolle beschließen: Die königliche Slaatsregierung zu ersuchen, im Bundesralh dahin wirken zu wolle», daß die von demselben unter dem 4. März dieses Jahres erlassenen Be- ftimmungen betreffend den Betrieb von Bäckereien und Kon- ditoreien nicht in Wirksamkeit treten. Bessere Minirer kann sich die Sozialdemokratie wahrlich nicht wünschen. Der bekannte Sozialpolitiker Dr. Rudolf Meyer, bekanntlich ein Konservativer der alten Schule, beabsichtigt der heutigen konservativen Partei mit einer scharfen Kritik zu Leibe zu gehen. Er schreibt in einem dieser Tage ver- öffentllchten Briefe:Wenn man in Berlin fragt, waS der alte Meyer macht, so theilen Sie, bitte, mit, daß ich gegenwärtig an einer Geschichte der konservative» Partei Preußens arbeite. Es soll dies»in letztes Werk sein. Ich werde darin nachweisen. daß das Preußen Friedrichs des Großen einzig und allein durch die Faulheit, die geistige Unfähigkeit und die Anmaßung der ostelbischen Konservativen wirthschastlich zu gründe gerichtet worden ist. Was man jetzt in Deutschland Judenschafl nennt, ist lediglich die Folge des schmählichen Verratvs, den die Kon- servativen an ihren Grundsätzen und an dem Vaterlands begangen haben. Deshalb werde ich den Herren in meiner jetzigen Arbeit ein. Denkmal se�en, daß kein Hund mehr....." Was alles nach der Ansicht eines Staats- anwalts bei den Arbeiternpolitisch" sein soll. In Hanau war das dortige Gewerkschaftskartell jahrelang als eine völlig lose Körperschast thätig gewesen, ohne von der Polizei belästigt zu werden. Eines schöne» Tages jedoch wurde der Vertrauensmann des 5iartells von der Polizei aufgefordert, die Statuten und das Mitgliederverzeichniß desVereins" einzu- reichen. Der Vertrauensmann erklärte, das Kartell sei kein Verein und habe keine Statuten, worauf von der Polizei ver- langt wurde, daß sofort ein Statut festgestellt werde. Um allen Störungen aus dem Wege zu geben, beschloß eine Gewerkschaftsversammlung, das Gewerkschaftskartell in einen Verein umzuwandeln und dessen Statute» nebst Mitglieder- liste der Polizei einzureichen. Nachdem dies geschehen war, er- hob die Polizei die Anklage gegen zwei Mitgliederinnen und den Vorstand: der Verein sei ein politischer und deshalb dürften ihm Fraiien nicht angehören. Diese Klage kam am 27. April vor der Strafkammer in Hanau zur Verhandlung. Der Staats- anwalt v. Jbell heißt der Herr sah den Beweis dafür, daß der Verein sich mit Politik beschäftige, in der Bestimmung des Statuts, nach welcher das Kartell auch für die Durch- führung der Arbeiterschutz-Gesetze sorgen sollte. Um dies zu er- reichen, würde der Verein auf gewisse Beamte, z. B. auf die Polizei, also Organe des Staates, einwirken, und dies wäre eine politische Handlung. Mithin müsse auch der Verein als ein politischer im Sinne des preußischen Vereinsgesetzes gellen. Der Vertheidiger, Herr Dr. Löwenthal aus Frankfurt , wies darauf hin, daß der Staat nicht nur politische, d. h. aus den Staat als ganzes sich beziehende Aufgaben, sonder» noch viele andere zu erfüllen habe. Wenn ein Polizist z. B. einen um- geworfenen, den Verkebr hemmenden Wagen beseitigt, so sei dies doch gewiß keine politische Handlung. Wenn ferner ein Schutzmann gegen die Mißhandlung eines Thieres einschreite, so sei auch dies offenbar nichts Politisches. Daher hätte bis jetzt noch kein Mensch die T�ierschntzvereine als politische hingestellt, obgleich in ihren Statuten ausdrücklich vor- geschrieben ist, daß zur Verhinderung ober Bestrafung von Thier- quälereien die Hilfe der Polizei angerufen werden soll. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Durchführung der Arbeiterschutzgesetze. Tie Thierschutzgesetze sind zum Schutze der Thiers, die Arbeiterschntzgesetze zum Schutze der Arbeiter er- lassen. Wenn ein Polizist dafür sorgt, daß diese Gesetze beachtet werden, dann habe dies mit der Politik gar nichts zu thun. Und ein Verein, der sich die Durchführung dieser Gesetze mit Hilfe der Polizei zur Aufgabe macht, sei deshalb durchaus nicht ein politischer. Das Gericht schloß sich diesen Ausführungen an und sprach sämmtliche Angeklagte frei. Der Eifer der Staatsanwaltschaft gegen die Politik der Arbeiter ist um so bezeichnender, da. wie wir kürzlich berichtet habe», die landwirthschaftlichen Vereine,»ach der Erklärung der Herren, die es am besten wissen müssen, nämlich des Vorstandes der Landwirthschaftskammer, in jener Gegend tdatsächlich poli- tische Fragen erörtern und trotzdem von allen Anklagen verschont geblieben sind. Doch das gehört ja zu unseremRechtsstaat". Von dem sozialdemokratischen Kan- didaten im 4. hannoverschen Reichstags-Wahl- kreis Osnabrück geht uns folgende Zuschrift zu: Der Ausfall der am 20. April hier stattgehabten Stichwahl zwischen dem nationalliberalen und dem welfisch- ultramontanen Kandidaten hat der welfisch- ultramontanen Partei bösen Aerger bereitet. In diesem Aerger läßt sich nun das Organ der ultra- montanen Partei, dieOsnabrücker Volkszeituug". herbei, die ozialdemokratische Partei in niederträchtlger Weise zu ver- leumden. Von feiten des sozialdemokratischen Wahlkomitees war be- kanntlich die ParoleSlimmenenthaltnng" herausgegeben. Leider war ein großer Theil von Wählern dieser Parole nicht gefolgt, ondern halte den nationalliberalen Kandidaten gewählt. Wir verurtheilen dieses gewiß auss äußerste, denn die Gründe für ein derartiges Verhalten waren nicht stichvallig; wir stehen indeß nicht an, zu erkläre», daß dieselben aber nicht unehrenhaft waren. wir werden uns damit noch kurz in einer der nächsten Nummern befassen. Das ultramontane Organ schiebt dem Verhalten eines Theiles der Wähler nun äußerst unlautere Motive unter. Das Blatt dieser Partei, welche immer sich damit brüstet, für die Wahrheit zu kämpfen, lügt m einem Artikel gegen die Nationalliberalen unter anderem folgendes: