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Max Dortu  : Die Insel Robinson

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Ein Seglerstück

Frei- Welt: allen Freunden in der Heimat! Da wären wir nun auf der Robinson- Insel   wir Weltenfegler, an Bord des ,, Lampo", an Bord des Blitz", beheimatet in Triest  : auf Reisen rings um die Erde.

munter, Bortolo hatte Steuerwache und seine schwarzhaarige Lucia blieb bei ihm: seine Segelmaatin: fier die Schot! Schaa un was fam dann? Dann kamen Wochen auf Wochen alle gleich leer, wir friegten große Sehnsucht auf Land

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redt, umgeben von schweigenden Bäumen. Dort ist der Marit, und um ihn herum alte Häuser, die in dieser Nacht mit dem Schein unnahbarer Bornehmheit umgeben sind. Obdachlosenafyl" steht an dem einen, Polizeiwache" an dem anderen Eingang. Etwas weiter ein Denkmal.

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Der Mond wird auch müde. Wolken umhüllen sein mildes ein großes Bunder, denn schon eine Viertelstunde später hat die Lächeln. Laternenlicht zaubert groteste Schatten. Das alles ist wie Straßenbahn die Grenze der kleinen Stadt weit hinter sich gelassen, ist im Bereich des nachbarlichen Riesen, der klingenden, der leuchten­den, der hastenden Weltstadt. Dort gibt es keinen Schlaf und keine

Robinson- Insel  , wie die ſiegt? Einsam in der Südsee, un sollen wir auf Chile   rüber halten: auf Iquique   oder auf Anto- Stifle. hier hann ber Mond nicht mehr verweilen, hier pact thr

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fagasta Isole Fernandez  !

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die jagende Hast, hier geht sein Glanz unter in den flutenden Wellen der Lichtreflame und der zahllosen elektrischen Lampen. Um so größer ist das Wunder der nächtlichen Kleinstadt, die zu Füßen dieses ewig wachen Riesen schläft....

chilenischen Ozean, 670 Kilometer von Valparaiso   das wäre 10 weit wie von Hamburg   nach London  . Die Robinsan- Insel heißt in der Lokalsprache: Mas- a- tierra, auf deutsch  : Mehr dem Lande zui Sm Westen liegt nocy  ' ne Schwesterinsel: Mas- a- fuera: Insel mehr draußen! Und dann is noch' ne ganz tleine Insel da: Santa Clara, nicht viel größer als ein Möwenei. Alle drei Inseln heißen, die Isolas Juan Fernandez nach ihrem Entdecker: dem Senor Aben- des Bai

wollt ihr, sollen wir? No Signore sempre avanti: An Deck: ahoi Land vorneaus! Aah, die Herzen klopften uns höher: wir umarmten uns alle da vorne steigt es braun und hoch auf: Insel Robinson! Mitten im chilenischen Ozean. Wo landen wir? In der Bai San Juan Bautista im Hafen des Norden der Alexander

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teurer Juan, der fie auf einer ſpaniſchen Karavelle ums Jahr 1572 Insel, geſchüßt, vor den ſchweren Gibſtürmen. Im Sajen liegen ron Sacher- Majoch: Der graue Vogel

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enideckte. Im 16. und 17. Jahrhundert wehte auf den Fenandez: Inseln die rote Seeräuberslagge- Fitbustierschiffe, schnell fahrende ichlante Segler hatten hier ihre Schlupfwinkel: hierher brachten die Flibustier die geraubten Frauen: braune und weiße und schwarze. Die Fernandez- Inseln waren Raub-, Sauf- und Liebes­inseln!

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Mas- a- tierra, der schottische Seemann Alexander Selkirk   lebte hier einsam von Anno 1706-1710. Sein Leben hat der englische  Dichter Defoe verglorifiziert als Robinson romantisch gestaltet. Von der ganzen Romantik des Robinson leben auf Mas- a- tierra nur noch einige hundert verwilderte Ziegen. Die heutigen Bewohner von Mas- a- tierra sind alles andere mur nicht romantisch ver­anlagt: fie fämpfen einen bitteren Kampf mit der See Fischer Fischer sind sie: hart und schweigsam und mißtrauisch ihre Sprache ist ein olter spanischer Dialett, Ueberbleibsel aus der spaniolischen Can quistadorenzeit. Wie groß die Robinson- Insel   ist? So groß wie Sylt genau fo groß: Sylt hat 96 Quadratkilometer Flächengehalt und die Robinson- Insel   hat 95 Quadratkilometer. Sylt zählt 5000 Be­wohner und Mas- a- tierra hat 300 Einwohner das is' n Unterschied, gellet? Kürzlich hat die Robinson- Insel   noch' nen Bürger zubekommen erschreckt nicht: unsere Kameradin unser Bordmädel Lucia, die hat' n Kind gefriegt! Dgottogottogoit: herrijeh, herrijoi' n Kind, die Lucia? Wer is denn der Vater? Der Vater is unser Capitanos, Genosse Bortolo, Kommandant des ,, Lampo", der Blih" jagt um die Welt!

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Nun erzähl doch mal wie ging denn das zu mit dem Kind und was sagt denn die blonde Gretel dazu und was denkt Mani und Spitbart drüber? Caracho, was soll'n die drüber denken: die freuen sich natürlich ein junges Menschenleben is immer wie ' ne aufgefangene Sternschnuppe: das Glüd fliegt dir vom Himmel halte mal immer die Hände auf, dann fängste auch baid Liebe weht über alle Meere.  

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herab das Glüc

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Na, ich will mal erzählen: Alles haargenau! Bon Panania aus freuzten wir immer Kurs Süd meit ab vom Land fein Segel, fein Rauch, feine Möwe wochenlang nur fliegende Fische um uns. Drüben, wußten wir: da liegt Land Peru   aber unser Ziel war Robinson- Insel  : und unsere Ziele erreichen wir inumer die Mannschaft vom Bliz" hat einen eisernen Willen. Imuner gegen den harten Wind an gegen den Südpassat und gegen Strom auch noch rauschend stand der Perustrom gegen uns wir famen nur langsam vorwärts. Es war eintönig an Bord Dann aber ward es zweitönig: eines Abends erklärten uns Bortolo und Lucia, daß sie sich verloben wollten mir andern, mir waren wie aus dem Wasser gezogen: vor Ueberraschung Berlobung auf dem Lampo"? Womit sollen wir das denn feiern? Keinen Bein, feinen Whisky und keinen Brandy an Bord womit sollen mir das proften? Vielleicht mit dem warmen öligen Tantwasser? Aber wir haben doch gefeiert wir haben' nen starten schwarzen Tee gefocht' ne Büchse Zungenragout machten wir auf: leider war fie faul marsch: über Bord damit! Gretel wußte Rat: sie buck Pfannetuchen dazu gab es Drangengelee und den starten Tee dabei für die Damen Zigaretten und für uns Männer Zigarren jedem drei. Lange saßen wir in dieser Nacht auf Ded die Sterne spritzten Feuerwert die See sang an Bug und Sed rauschende Sirenenlicher und wir andern, wir sangen europäische Heimatslieder: Barcarole und Serenaten und deutsche Bolkslieder: italienisch und deutsch   immer schön mischmasch. Un: ein Uhr wurden wir dreie müde das Brautpaar aber blieb

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Willy Möbus:

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zwei oder drei Rahensegler, am Großmast die freudige weißrote Flagge, mit dem blaufilbernen Stern: Freistaat Chile  ! Wir tippten mit unserer roten Sozialistenflagge unser Blitz" warf Anker. Hafen Robinson.

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Lucia und Bortolo erklärten uns ganz energisch: hier machen wir zwei Hochzeit! Va bene. All right. Gut also. Wir nehmen Quartier an Land in der Stadt": etwa hundert arme Fischer häuschen sind die Stadt San Juan. Es ist auch ein sclides festes Haus da hier wohnt der Gouverneur, der Staatsbeamte der hlienischen Provinz Valparaiso  . Staatsamt und Standesamt: beides verwaltet der Gouverneur. Er war sehr höflich und gefällig, der Sior Jao Panorum: er reichte uns Brautzeugen mit einer tiefen Berbeugung die rote Feder, mit roter Tinte schrieben wir tiefen Berbeugung die rote Feder, mit roter Tinte schrieben wir den Kontrakt. Bortolo und Lucia sind Eheleute! Nach vierzehn Tagen schrieben wir nochmal was beim Sior Jao Panorum, wieder mit roter Tinte diesmal waren wir Geburtszeugen: ein fräftiger junger Seemann is da, das Kind von Lucia und Bortolo heißt: Robinson Bliz! Er soll dereinst die Welt durchsausen wie ein rotes Gewitter: Freiheit allen Segeln der Welt!

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er

ein

Wir haben der Lucia auch was zur Hochzeit geschenkt Hündchen, Biba heißt sie: ein Monstrum aus sechs verschiedenen Rassen, eine Hündin: nicht Pudel und nicht Spitz, nicht Affe und nicht Papagei aber unsere Biba hat treue braune Augen: gerade solche Augen wie unser liebes Hündchen Albaturco sie hatte: der istrianische Bottelspitz, den uns die wilde Karibische See   in einer Orfannacht von Deck riß.

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Nun noch was von unserer Insel. Das Klima ist hier wie auf Madeira  : mild und feucht Insel Robinson liegt auf dem gleichen Breitengrad wie Madeira   und Marokko  : nur füdlich des Aequators  . Die Insel ist vulkanisch einst von mächtigen Titanenhänden ous der See herausgehoben. Die Titanen der Unterwelt wollten Freiluftarbeit machen sie hämmern immer noch: jede Nacht, droben am tausend Meter hohen Amboßberg: am Cerro del Junque mie Funten spritzen die Sterne der schwere Südpassat donnert um Mas- a- tierra, die Insel zittert im Sturm! Wir schlafen mohlig in der gemieteten Fischerhütte auf einmal wachen wir auf: erschreckt was is denn los mordsjämmerlich schreit unser fleiner Robinson: Lucia, gib ihm doch Futter!

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Tagsüber machen mir Ausflüge: durch die Schluchten bergauf. Durch Urmalb bahnen wir uns mühsam vor. Ei, du meine Güte: was gibt es dahier für Pflanzen: so was femmen wir ja gar nicht, derlei Pflanzen haben mir noch nie gesehen Pflanzen, wie aus einer Urmelt: halb Schachtelbaum, halb Riefenjarn diese Insel hat ihre befondere Flora. Große Käfer in Bernstein   und Gold­nachts, wenn fie fliegen, tragen sie grüne Laternen. Wie' s duftet, die Blüten von irgendwo: Duft wie Banille!

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Wir fahren auch mit den Fischerbooten auf die roten Klippen und Schären hinaus da fargen wir Langostas: eine Hummer­artgefotten: geben die' ne gute Krebsfuppe, mir tuen Peperoni und Reis dran. Was wir trinfen? Robinsonwein er ist tintig und süß, er schmeckt ein ganz bißchen nach Schwefel vulkanisch. Soo das war unser Bericht. Und nun proviantieren wir unseren Sportfutter gut ein vor allem viel Trinkwasser und getrocknete Matreelen und Feigen in Bastkörben. Wir haben' ne weite Tour cor uns Wir fahren quer durch die Südsee nach Samoa  . Wenn wir gut hinkommen: dann schreiben wir euch mal wieder. Schreiben wir nicht dann sind wir tot, dann hat Bater Neptun uns alle sechse in sein rotes Rorallenschloß hinabgezogen­wer weiß, wie' s wird? Niemand weiß das.

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Kleinstadt vor den Toren

Nächtlicher Gang durch Teltow  

Der Mond steht in einem hellen Kreis von Violett, von Blau  | Buch. Ihre Lippen bewegen sich. Großmutter denkt wohl an den und Grau. Durch einen Schleier fällt sein Glanz auf unsere Welt. Mond der Vergangenheit. Sie sieht nicht die Gegenwart. Viele Biele Er geht mit uns durch die Straßen der kleinen Stadt, durch diese Jahre ist sie über die Straßen der kleinen Stadt gewandert und hat seltsamen, leeren, breiten Straßen. Er leuchtet heller als die sich gewundert, wie die Weltstadt von Norden her immer näher und Flammen der Laternen, die in dieser Nacht eigentlich schlafen fönn- näher fam, wie sie ihre Boten: Eisenbahn, Straßenbahn und Auto­ten. Dann wäre der Zauber vollendet, der Zauber einer unbegreif- bus, herüberschickte. Gottlob, die Eisenbahn liegt noch einige Kilo. lichen Stille eines seltsamen Ausruhens. meter meit vor der Stadt, Straßenbahn und Autobus fahren nur durch wenige Straßen. Aber dicht daneben lebt noch die Bergangen. beit mit stillen Gassen, kleinen Häusern und engen Gängen. Da gibt es auch noch breite Eingangstore mit starten, gemauerten Pfeilern und schweren eichenen Flügeln. Auf den Höfen sind noch wie einst die Holzstöße geschichtet, die der winterlichen Kälte ge= opfert werden. Da sind auch noch die kleinen Hütten für die Hunde, die wachsam auf sanften Füßen schleichen. Zuweilen bellen sie den Mond an, denn gegen jede Neugier sind sie mit starkem Mißtrauen erfüllt.

Da stehen Häuser, wie man sie auf alten Stahlstichen und Kupfern sieht. Steif, glatt, mit Fenstern, die so geradezu in die tahle Front hineingebrochen wurden, viereckig, ohne jeden lleber gang. Niedrig find diese Häuser, sie ducken sich am Tage unter den Strahlen der Sonne, in der Nacht lastet das Mondlicht auf ihnen. Selbst der Sternenglanz reißt sie nicht zum Himmel empor. Sie verkriechen sich vor den fallenden Flocken des Winters, sie frieren, wenn der Regen fällt. Breit aber führen Treppen zu vielen Häusern empor. Schmiede gaben ihnen kunstlose Geländer. Ihre Stufen find ausgetreten von zahllosen Tritten. Jahrzehnte, viel­leicht Jahrhunderte sind über sie hinweggeschritten, haben den Stein gewekt, gehöhlt, geschliffent. Sie tragen die Zeichen der Zeit. Diese Treppenschliffe zeigen auch in der Nacht, daß die kleine Stadt nicht tot ist, daß Menschen in ihr wirken und nicht nur hinter verschlosse­nen Türen und Fenstern geheimnisvoll verborgen sind.

Das ist eine jener Städte, die Andersen kannte, als er dem Monde gebot, ihm seine Geschichten zu erzählen. Andersen war ein fluger Mann. Er mußte, daß der Mond viele Geschichten fannte, er wußte, daß ein Dichter mit dem Monde Freundschaft halten soll. Der Mond sieht unendlich viel, diefer Mond, der mit uns gemächlich durch die Straßen gleitet, der stehenbleibt, wenn wir verweilen, der Zeit hat, wenn wir sie haben, der mit uns eilt, wenn uns die Haft ergreift.

Aus einer schmalen, langen Fensterspalte fällt ein zarter Licht­strahl auf die von nächtlichem Glanz erfüllte Straße. Der Mond

Schout durch ein Gewirr von gestickten Vorhängen durch diesen Spalt in eine feine Stube. Da steht ein Tisch. Großmutter fikt einsam, die Brille tief auf der Naje. Großmutter liest. Vor ihr ein bides

Großmutter nicht, ihr Kinn senft sich herab, ihre Augen sind müde vom Lesen und vom Schauen vergangener Dinge. Leise, leise, Großmutter will schlafen. Hauchstill gleitet der Mond davon. Der Duft einer Taverne liegt über der Straße. Aus einer winzigen, dicht verschlossenen Gaststube dringt Stimmengewirr. Nicht laut, nicht deutlich. Die Luft der kleinen Stube ist sicherlich mit Müdigkeit gefüllt. Der Geruch von Bier und Schnaps zieht in breiten Schwaden dahin. Auch das gehört zu der kleinen Stadt. So haben es die Großväter gehalten, so ist es geblieben bis heute. Gut, daß die Gaststube so flein ist:.

Und dann wieder dunkle Fenster, aber aus einem Edfenster leuchten die Kerzen eines Weihnachtsbaumes und Kinderstimmen fingen etwas von einer stillen Nacht. Der Mond bleibt stehen und horcht. Aber der Gesang verflingt, die Lichter löschen aus, eines nach dem anderen. Nun ist alles wieder still und stumm.

Aus der Ferne flingt der helle Pfiff einer Lokomotive, zuweilen

hört man ben dunklen Ruf bes Autos, den grellen Klingelflang einer Straßenbahn. Aber das ist irgendwo da draußen. Hier ist Ver­lasenheit, da fteht die Kirche, die ihren Turns dem Monde entgegen

über seinem Kopf. Zwei Scheiben waren zersplittert: Es war Winter. Bon der Welt trennte ihn das große Viereck des Dachfensters An den Deffnungen strich grauer Dunst vorüber. Irgendwo hinter den dumpfen Konturen der Stadt spannte die Dämmerung, ein großer Vogel, ihre Schwingen aus und kam näher. Die Scheiben erblindeten davon. Seine Nahrung seit drei Tagen waren Gedanken. Er erzeugte sie selbst und verbrauchte sie dann gewissenhaft. So habe ich mich redlich aus mir selbst ernährt", dachte er gerade ab­schließend und schloß die Augen... Wenn wir in wachem Zu­stand in einen dunklen Raum treten, sind unsere Sinne geschärft für Geräusche. Und so hört jetzt er, der durch das einfache Zu­souverän verlöscht hatte, die Geräusche der Stadt, die aus der großen flappen seiner Augendeckel alle Lichter der Welt für sich selbst Tiefe sonst nur schwach zu ihm heraufdrangen. Den Rest des Lärms verschlang die Gewöhnung. So zerpflüdte er wie ein Gott, der, das All durchdringend, überall beheimatet ist, den tausendfältigen Lärm. Bieles   verstärkte er in sich und ließ es immer wieder und wieder er­flingen. Das sind die Räder", dachte er ,,, die ich aus meiner Kind­heit tenne". Und es fielen ihm Sinnsprüche ein, wie Die Zeit tommen, wenn du so weiter machst, mein Junge!" Das waren die rollt wie ein Rad durch das Au" oder Du wirst unter die Räder Worte des Vaters. Erfreut griff er nach neuer Nahrung. Einmal ging er vor langer Zeit in einer anderen, kleineren Stadt neben dem Vater in die Dämmerung hinein. Ein großer und ein kleiner Mann auf dem Heimweg in eifrigem Gespräch. Denn er reichte dem Bater damals faum bis an die Hüfte. Da jah er dieses Bild zum erstenmal. Einmal blieb er stehen und zeigte auf die Stadt, die näher fam, und hinter die verstreut aufblizenden, ersten Lichter in die Ferne, wo die Kette der Berge verblaßte:

,, Was ist das für ein großer, grauer Bogel   hinter der Stadt?" ,, Das ist die Dämmerung", jagte der Vater und sah ihn be­fümmert an.

,, Kein Beruf, der seinen Mann ernährt, Gedanken aufzuschreiben oder Gefühle." Er war ein gutes Stück gewachsen und fam einmal in jene Stadt heim. Ziemlich abgerissen und verlottert. Sie führten feine langen Gespräche mehr. Denn er war durch die kleine Tür einer hohen Mauer eingetreten in eine andere Welt, und als er sich umblidte, fonnte er den Vater und die anderen nicht mehr sehen. Und es stimmte, daß er immer mehr unter die Räder fam. Die Räder stießen ihn blutig, öffneten viele Wunden an seinem Körper, und durch die Wunden drang ein fremdes, seltsames Leben in ihn ein, start fchmerzend, ohne daß er dafür konnte, Lange Zeit wohnte er überhaupt nicht.

Hier brach die Gedankentette ab. So fönnte man seine Bip­graphie beginnen", sagte er, die Augen öffnend. Das Biereck des Fensters war verschwunden, die Dunkelheit herrschte. Als er auf­stand, um einen Gang durch die Stadt anzutreten, fam er sich wie ein geprellter Betrüger vor. wie ein geprellter Betrüger vor. Denn in der rechten Rocktasche spürte er die Zehnpfennigmünze, um die es an jenem Nachmittage gegangen war. Ein heftiger Kampf war ausgefochten worden, denn im Dachraum, den man, wenn man Lust hatte, auch hoch­trabend ,, Atelier" nennen fonnte, befand sich ein Gasautomat Gas für zehn Pfennige reichte zwar nicht zu einem soliden Selbst­mord, aber es war angenehm, diese verlockende Möglichkeit, die man aus furzen Zeitungsnotizen fannte, vor Augen zu haben. Andern­teils fonnte man für zehn Pfennige drei Brötchen kaufen. Jetzi war auch das vorbei, denn die Läden schlossen um sieben. Gedanken­nahrung füllte den Magen nur mangelhaft. Wir gehen aus", fagte er zu seinem schäbigen Ueberzieher, während er ihn anzog. Auf den Straßen herrschte ungewöhnlich reges Leben, die Gegend der Gedächtniskirche war hell erleuchtet, die Kaffees, Bars und Tanz­Ictale waren bis auf den letzten Platz besetzt und er begegnete auj seinem Weg zum nahe gelegenen Künstlerlokal etwa zwanzig Be­trunkenen. Raketen und Feuerwerk flogen durch die Luft. Im kleinen Lokal war die Stimmung weit fortgeschritten. Er geriet mitten in eine Gesellschaft unbekannter Leutchen, die seine traurige Gestalt mit großem Hallo begrüßten und ihn sofort in ihre Mitte luden. Viele Getränke unbestimmbarer Natur rannen während der nächsten zwei Stunden durch seine Kehle und sein ausgehungerter Magen reagierte prompt auf den Wink des Alkohols. Um zwölf Uhr wurde er darüber aufgeklärt, daß alle soeben über die aus= getretene Schwelle des alten hinüberstiegen in ein neues Jahr, und er freute sich kindisch darüber, dieser Zeitspanne, die ihm viel Hunger Später teilte sich die im Lokal anwesende Gesellschaft in zwei und Entbehrung gebracht hatte, mit heiler Haut entronnen zu sein. Gruppen, die verschiedenen radikalen politischen Richtungen an­gehörten und eröffneten die Feindschaft. Einige Fensterscheiben und Spiegel wurden zertrümmert. Gegen drei Uhr morgens befand er sich am Arm einer jungen Dame, die Hilde oder ähnlich hieß und gerade über kein passendes Nachtlogis verfügte, auf dem Heimweg. junge Dame hatte zwei Stullen in ihrem Handtäschchen, die noch im Er berichtete überschwänglich von seiner prachtvollen Wohnung. Die Treppenflur unter großem Lärm und Gepolter verzehrt wurden. denn die Leitung war infolge chronischen Nichtbezahlens der Licht­Oben angelangt, tamen sie nicht in die Verlegenheit, Licht zu machen, rechnung schon seit langem gesperrt. Es herrschte empfindliche Kälte im Raum, aber da es feinen Ofen gab, sparten sie die Mühe, Feuer zu machen. Als er sich im Dunkeln neben die neu gewonnene Ge­fährtin unter die einzige Dede legte, die er besaß, wunderte er sich über die Leere des Zimmers. Und nach einer Weile, als bereits vollkommene Stille herrschte und nur die Fugen des Dachgebälts leise im Bind fnarrten, der durch die zerbrochenen Fensterscheiben strich, fuhr er noch einmal auf und fagte laut in das Schweigen: ,, Die Gedanken find fort, ich bin hungrig!" Aber niemand antwortete ihm.

Durch Trockenlegung der durch Sturmfluten entstandenen Meer­bufen in den Niederlanden haben die Holländer im Laufe der Zeit rüdgewonnen. Dieses ist eine Fläche, die etwa dem Areal don ein Gebiet im Umfange von 3600 Quadratkilometer dem Meer zu= Braunschweig   gleichkommt.