Xr. 5• 49. Jahrgang
2. Beilage des Vorwärts
Sonntag, 4. Januar 4934
Man ihr hier sehr bibelfest. Nur eines will da wenig paffen: Jesus soll in Kana Waffer in Wein oerwandelt haben. Wie paßt das zur Prohibition? Und so hm man Bibelausgaben gemacht, wo Jesus aus Wasser Traubensaft macht. Ob die Hochzeitsleute den dann hinterher selber vergoren haben, wie man das hier macht, kann man sich ja dann selber ausdenken, yedenjalls: Jesus wa kein Bvode�er(Zlltoholschmuggler). Ernste Männer zerreden mit solchen Dingen Abende. Aber besonders sind es die Methodisten und Baptisten. Es Hot aber doch nichts geholten, bei den Wahlen sind die Prohibitionisten beträchtlich zurückgegangen. Der eigentliche Grund für das Wahlergebnis aber war die Unzufriedenheit m i t H o o v e r. In Krisenzeiten wechseln die Partelen regelinäßig, bis ein« die Gelegenheit fand glaubhaft zu machen, daß sie die Wirtschaft wieder eingerenkt ha: oder daß sie«s wirklich fertig bracht«. Jedenfalls Hoover bringt es nicht fertig. Za diesem Monat wurde täglich spaltenlang über die Arbeitslosigkeit geschrieben und tagelang darüber geredet. Colone! Woods, der Ende Oktober ernannt wurde, redet am meisten und hat eine tüchtige Pro- paganda entfaltet, daß die Privatleute sammeln sollten und daß man neue Arbeit schassen müsse. Andere erwidern auch, daß sie 100 Leute neu einstellen wollten, oder auch 100V, oder daß auch 1000 wirklich einmal wo eingestellt wurden: trotzdem wächst die Arbeitslosenziffer. Der Gouverneur von New Pork, Roosevelt , ist entweder so menschenfreundlich oder so praktisch, daß er wirklich etwas dafür tun will und tut. Er will und wird wohl auch der nächste Präsident werden, und dazu sind die Millionen Wähler und eine weit« tstopu-- larüat sehr gut. Durch das Wahlergebnis sind 100 Millionen Dollar Anleihen genehmigt, von denen 100 auf New Jersey fallen, damit sollen Brücken und Straßen gebaut werden. Es scheint jetzt, als habe man das alles wegen der Arbeitslosigkeit getan, während man daran vorher gar nicht so dachte. Man hätte die Brücken und Straßen a u ch s o gebaut. Alles was man auch so getan hätte, läßt sich aber jetzt gut als Arbeitslosenhilfe bezeichnen. Kein Wunder, daß die Arbeitslosigkeit da nicht abnimmt. Bon den zusammengebrachten Summen veranstaltet man in den grösseren Stadien Speisungen. »nd wenn man damit auch dem Problem nicht beikommt, so ist es doch für die Betroffene» eine große Hilfe und der amerikanische SZolkscharatter zeigt sich da bei aller Krundsatzlosigkeit und Selbst- täuschung in seinem schönsten Licht. Daß trotzdem viele ohne Obdach die kalten Chikogonächte im Freien verbringen müssen und sich an einem' kleinen Feuer unter einer überdachten Straße durchfrieren, muß nicht verschwiegen werden: der große Boorlesxer
und Bandenführer Al Eapon« hat Lokale gemietet, in denen täglich 3000 Mann Kaffee, Brot oder Suppe erhalten. Auch das ist anderswo undenkbar. Aber man sieht mit Heid nach Deutschland und seiner Arbeitslojensürsorgc, die Gesetz ist und die Verantwortung der Gesellschaft zeigt, und frag» sich, warum man hier die Dividenden sicherstellt, die Arbeit aber nicht versichert. Im September wurde noch immer vorausgesagt, im Oktober noch eigentlich behauptet, daß das Geschäft sich besser«: jetzt gibt man kühl zu, daß es sich nicht gebessert, sondern sehr be- trächtlich v er s ch l e ch t e r t hat, und daß es noch gar nicht aus- gemacht sei, ob im Frühjahr alles so sicher wieder aufblühe wie die Gänseblümchen . Als Grund dafür wird nur mehr zweierlei in der Oefsentlichkeit erörtert. Und man bat sich dafür entschieden, daß die Theorie der Goldpolitik nicht haltbar sei, daß es wirklich Ueberproduktion sei, daß die Löhne nicht in demselben Maße steigen konnten wie die Produktion. Die Antwort warum wird etwas weniger offen ge» geben, daß nämlich Amerika bereits zu hoch über der Lebenshaltung der übrigen Well war, daß es diese Lebenshallung nur durch seine Zollpolitik zu schützen trachtet. Da mit dem Steigen der Produktion die Löhne nicht entsprechend stiegen, im Gegenteil, die Reallöhne heruntergingen, mußte man wirklich zur Prodnktionseinsck)ränknng greisem Das fiel um so schwerer, als Kxieg, Rachkrieg und dann die große Gefchäftsbelebung, die das Abzahlungsgeschäft gebracht hatte, die Industrie übermäßig ausgedehnt hatten. Einer Produktionsein- schränkung steht die Gesetzgebung im Wege; die A n t i t r u st- g e s e tz e hindern eine Vereinbarung, und so trachtet man nach ihrer Beseitigung, wenn man sich nicht entscheidet, sie umzudeuten. So haben die Oelgesellschaften die Produktion beschränkt, mit dem Erfolg, daß einige Gesellschaften der Standardoil- Gruppe zu- sätzliche Dividenden auswerfen konnten. In der Filmindustrie, die zum Tell gut abschnitt und Ertradividendcn hatte, schwebt zur Zell ein Prozeh wegen Umgehimg der Trustgesetze. Es handelt sich um«ine Gruppe, die 60 Proz. der Filmindustrie kontrolliert. Die Kupfer Produzenten waren vor allem durch die Steigerung der Produktion in Kanada und in Afrika gezwungen, sich zu vereinbaren. Man beschloß die Beschränkung der Erzeugung und der Preis ging gleich um 2 Cent auf 12 Cent fürs Pfund in die Höhe. Das hals aber nichts, denn man fornne das Kupfer weiter für 10'A Cent kaufen. Am interessanteste« ist hie Lage in der Stahl-
i n d u st r i e. Die Kapazität ging während des Novembers sehr zurück, die Industrie arbellet teilweise nur noch mtt 40 Proz. Ihrer Kapazität. Die Schrottpreise sind so tief wie nie seit 1921: so beschloß die Industrie, den Preis— hinaufzusetzen! Man glaubt, durch eine Preiserhöhung ein baldiges Kaufen anzukurbeln. Kaufe jetzt— ist allüberall sich o n zum Schlagwort geworden. Eine andere Lösung der Krise scheint die Kurzarbeit. für die naturgemäß noch nicht wiffenichaftlich ausgcarbeiiet ist, wo ihre beste wirtschaftliche und soziale Grenze liegt. Die Fünf- tagewoche Fords hat Nachahmung gefunden, und der bei Ford zerrüttete Mensch braucht allerdings zwei Tage Ruhe. Die fünf Eisenbahngcwerk sch ästen(315 000 Mitglieder organisiert von 1 SOOOOO Eisenbahnern überhaupt: vor acht Jahren waren die Zahlen etwa 453 000: 2000 000) beschlossen eine Kampagne für den S e ch s st u n d e n t a g an Stelle des Achtstundentages. Da aber die Löhne gleichbleiben sollen, ist an eine Durchführung um so weniger zu denken, als die Gesellschaften alle große Einbußen erlitten, teils durch die Konkurrenz der Omnibusse und Frachtautos, teils durch ihre herabgesetzten Frachtraten für die von der Trockenheit bettoffenen Farmer. Und in eine eine große Lohneinbuße würden die Eisenbahner nicht einwilligen. Immerhin wird überall die Arbeits- zcllbeschränkung und dafür Neueinstellung erörtert. Legge(Staatssekretär für Landwirtschast), der den Farmern in eigentümlicher Weise hilft, hat angekündigt, daß er sich zurück- ziehen will. Ein« Kritik an ihm ist nicht allzu laut geworden. Immerhin verwundert sick) der Amerikaner, wenn der Farmboard nun 100 Millionen Büchels Weizen aufgekauft bat. nachdem vor der Ernte dauernd versichert wurde, man werde nicht weiter kaufen, und daß hier 1,3 Millionen Ballen Baumwolle festliegen. Durch den Rückgang der Preise hat der Farmboard so 40 Millionen Dollar in Baumwolle und 25 Millionen in Weizen verloren. und es ist bei der Weltüberproduktion nicht denkbar, daß diese Ler- luste sich je ausgleichen lassen. Immerhin volkswirtschaftlich gesehen hat sich das Mittel bewährt. Die Weizsnpreise wenigstens liegen innerhalb der Vereinigten Staaten hoch über den kanadischen oder englischen Preisen. Daß freilich dadurch der Vcr� luft ausgeglichen wird, ist nicht völlig glaubhaft. Enttäuschte Kapitalisten und Börsianer. Im Goldgeschäft ist dem Amerikaner das neueste Faktum, daß auch die Bonds(festverzinsliche Papiere) nicht fest liegen, wenn schon die Aktien heruntergehen. Man hat bei den gemein- nützigen Schuldverschreibungen(public utilitz? boncks) ja einige gute Erfahrungen, da z. B. die Elektrizitätswerke gut arbeiten, weil der Hausgebrauch gestiegen ist. aber im ganzen ist zum erstenmal eine längere Schwäche und ein Zurückgehen auch auf dein Boichs- markt da, und der Amerikaner muß fein Geld anders anlegen. Im Gefolge eines Falliffements mußten kürzlich über fünfzig Banken die Tore schließen. Die Bankrotte sind gestiegen. Aber man darf das nicht überschätzen. Daneben hören wir von
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Bis zu 50% sind die Preise herabgesetzt- aber die Qualität ist lOOorozentlg
Invantur-Ausverkauf: Beginn 5. Januar