Stichard Stuelienbeck:
Herr Reed gehörte zu jener typischen Art Engländer, die durch die Länge ihrer Gliedmaßen� ihre Shagpfeife, ihren trockenen sozu- sagen schweigsamen Humor u»d ihre Ritterlichkeit den Damen gegen über allgemein bekannt geworden sind. Er war. wie man in Deutsch fand sogt, eine Seele von euiew Menschen; ich kannte ihn seit langen Jahren und war immer wieder entzückt von seiner selbstverständlichen Kameradschaft. Jegliche praktische Hilfe konnte man von Herrn Reed haben; nsc�ts aber war schwerer, als ihn zu veranlassen, von sich und seinem Lebe�l zu e'xzählen. Ich hatte es schon oft vergeblich versucht und mich damit zufrieden gegeben, tn Reed Unergründlichkeit mit äußerster Lüdenswürdigkeit. ja offener Grazie gepaart zu finden. Wenn es sich jjin eine gemeinsame geschäftliche Unternehmung, um <üaen Ausslug, eine Iagdpartte oder gar um eine Sache handelte, die«ine gewisse Gefahr in sich schloß— in unserem Tropendasei» kam damals so etwas noch hin und wieder vor—, geriet Reed in einen jungenhaften sprudelnden Uebermut. Sowie Ich mir aber nur eine Frage danach erlaubte, ob dieses und jenes in seinem Leben auch früher so gewesen sei; ob Reed auch früher mit Freunden gefahrvolle Unternehmungen, Ausslüge ins Dschungel, Jagdpartien unternommen habe, verstummte er sogleich. Es dauerte dann immer eine Zeitlang, bis sich zwischen uns das alt« Verhältnis wieder her- gestellt hatte. Reed hatte eine Art Wahlspruch. Bei vielen Gelegen- hellen löste er Fragen, die ihm das Leben vorlegte, mit einem energischen:„Ich liebe keine Taktlosigkeiten...* Ich machte mit Reed einen Ausflug nach Ringpo, das wegen seiner Räuberbanden und taoisttschen Klöster bekannt ist. Di« Fahrt dauert Mei Tage. Am Abend des ersten Tages saßen wir zu- summen auf dem Verdeck. Reeds Wesen war mir gleich aufgefallen, als ich ihn am Quai beim Abgang des Dampfer» getroffen hatte. Er war schweigsam gewesen wie immer; aber feine Schweigsamkeit hatte«ine besondere Tiefe gehabt. Jetzt, al» er mir gegenüber saß. sah ich in seinen.Augen wieder die melancholisch« Schwärz«, die mir Unruhe bereitet ha�te. Es gab sich nun ganz von selbst, daß wir von anderen Dingen sprachen als gewöhnlich. Reeds Wesen schien sich plötzlich vom Alltag und den sonst allein wichtigen Fragen des praktischen Lebens ent- fernt zu haben. Dann fragte er mich: „Haben Sie einmal einen sehr, sehr guten Freund gehabt� Wir begannen über Freundschaft zu sprechen; ich erfuhr, daß Reed ein Telegramm aus England erhalten hatte, in dem ihm Mit- teilung vom Ableben eines Mannes gemacht wurde, der seinem Herzen sehr nahe stand. „Rennen wir ihn Berges, der Name tut ja nichts zur Sache. Ich liebe keine Taktlosigkeiten. Ich will Ihnen hier auch kein« langen Reden halten, warum mir fo schmerzlich zumute ist. Berges war das, was man einen wahren Freund nennt. Er war ein Kerl aus einem Guß, von einer Redlichkeit, wie man sie heute nur noch in Romanen findet. Er hätte jederzeit einen großen Teil seines Vermögens hergegeben, wenn er der Ueberzeuzung gewesen wäre, das sei nötig, um mir zu helfen. Merkwürdig waren die Unrstände. unter denen wir uns kennen- lernten; sie trugen sehr wenig Versprechungen in sich; ich meine da- mals, als wir beide nach Kalkutta fuhren, hätten wir alles andere eher glauben können, als daß wir einmal gute Freund« würden. Wenn öS Sie nicht langweilt, werde ich Ihnen da, so kurz wie möglich erzählen. Haben Sie jemals von der Firma Klippel und Sohn gehört? Sie waren seinerzell die mächtigsten Diamanthändler des Orients und unterhielten besonders in Indien große Zweiggeschäfte. Es waron die Jahre, als England sich Müh« gab, mit der alten indischen Zivilisation zu rivalisieren. Auf der Höh« des vlktvrianischen Zeitalters gab es für uns Kolonialengländer«in Wort, das panischen Schrecken auslösen konnte. Das war das Wort Barbaren. Die gegen uns gerichtete indisch« Propaganda benützte es häufig. Als Antwort darauf begannen wir Theatervorstellungen zu geben— sie waren übrigens schrecklich—, Bücher einzuführen und streng nach der Mode gekleidet zu gehen. Die Damen behängten sich mit faustdicken Steinen und ersehnten, den Maharadschafrauen, die doch sonst von ihnen bemitleidet und verachtet wurden, möglichst gleich zu sein. Da- mals hatten Klippcl und Sohn ihr« große Zeit; mein Onkel glaubte «ine gute Idee gehabt zu haben, als er bestimmt«, ich solle dort meine kaufmännische Lehre beginnen. Aus der„Princeß Mary" die ich in Southampton bestiegen hatte, gab es nur zwei Menschen, dl« mein Interesse erregten. Ein- mal eine Dame, in die alle männlichen Schiffsinsasien verliebt waren, und dann«in Mann, ein junger Mann wie ich, mit durchdringenden Augen und einer merkwürdig schnellen und leisen Art, sich zu be- wegen. Ich weiß nicht, ob Sie etwas Derartiges einmal erlebt haben; ich meine, wenn ein ganzes Schiff in eine Frau verllebt ist. Es herrscht dann eine unerträglich« Spannung: seder glaubt sich vorge- zogen ojzer zurückgesetzt, je nach seinem Temperament. Wir nannten die Frau sehr despektierlich die rote Katze; weil sie Haare hatte, die ins Rotbraune spielten. Den Namen habe ich längst vergessen� vielleicht habe ich ihn gar nicht gewußt, denn es wurde
immer nur von der wten Katze gesprochen. Ich liebte sie mit der verzweifelten Inbrunst der Zwanzigjährigen, die nie wissen, ob sie zu früh oder zu spät kommen. Obgleich die rote Katze noch niemals dos Wort direkt an mich gerichtet hatte, hoffte ich doch in kurzer Zeit ihr Favorit zu sein. Ich ersehnt« den Augenblick, wo ich ihr olle meine Gefühle in gesetzter Form vorsetzen könnte; ich wollte ihr kurzerhand vorschlagen, mich zu heiraten. Daß ich es in meinem Fach zum Millionär bringen würde, galt mir als ausgemacht. Wir Reeds sind Frauen gegenüber immer ein wenig unbeholfen gewesen. So große Mühe ich mir auch gab, ich fand keine Gelegen- hell, der roten Katze Geständnisse zu machen. Im Gegenteil: alle anderen Männer, besonders aber jener schnell« leise Mensch, den ich nun zu hasien begann, schienen bei der roten Katze in größerer Gunst zu stehen als ich. Der Schleicher, wie ich ihn nannte, brachte es fertig, ganz einfach auf die rote Katze zuzugehen, Ihr den Arm zu bieten und sie aufs Achterdeck zu führen, wo er in scheinheiliger Weise emen Ruhestuhl zurechtrückt� Unterdessen aber sah ihm die raiende Verliebheit aus allen Knopflöchern. Und ich? Ich schwitzte vor Auf- regung, wenn mich das Gedräng« vor dem Speisesaal in die nächste Nähe der roten Katze kommen lieh. Emmal, als ich unfreiwillig ihren Ellenbogen berührte, wurde ich von einem elektrischen Schlag getroffen, der mir den Atem nahm. Ein anderes Mal. als mir die Frau im Kajüteingang entgegenkam und weit und breit kein Mensch zu sehen war, so daß ich tatsächlich für Sekunden mit khr allein war, zitterten mir die Knie so, daß ich mich an der Wantz festhalten muhte. In dem Parfümhauch, den die rote Katze hinter sich ließ, schwankt« ich wie ein Seekranker Der Schleicher aber tanzte sogar mit ihr; er lachte mit ihr und unterhielt sich, als Hab« er seinesgleichen vor sich und nicht, wie es mir meine Sehnsucht eintrichterte, ein Wesen göttlicher Art, vor dem man nur knien könne. Ich schwankte zwischen Wut und Tiefstnn und fühlte mich am wohlsten, wenn ich in meiner Schlafkammer saß und las. Die Firma Klippel und Sohn hatte mir in London einen sehr kostbaren Schatz anvertraut, einen Satz Brillanten. Sie lagen in einem schwarzen Kästchen, das tief unter meinem Gepäck verstaut war. Ich hatte den Auftrag, den Schmuck bei meiner An- kunft in Kalkutta ohne Verzögerung abzuliefern. Ich war mir der Ehre eines derartigen Auftrages bewußt und unzählige Male ging ich in meine Kabine, um mich von der Anwesenheit des schwarzen Kastens zu überzeugen. Als ich In der Rächt auf dem Hinterdeck stand, fühlte ich mich beobachtet, ohne, daß ich ein menschliche» Wesen hätte eindecken können. Mein nervöser Zustand war aber derartig, daß ich dos Sckstinunste befürchten zu müssen glaubt«. Heber die Taktik der inter - nationalen Brillmitenräuber war ich mir klar. Da ich in dieser für mich schtaflosen Nacht aus einem Gefühl besonderer Angst den Schmuck m meiner Tasche trug, glaubt« ich, jemand, der alles wisse. sei mir gefolgt, wolle mich berauben, töten und über Bord werfen. Ein derariiger Fall war einmal vorgekommen; Ich hatte sogar mit meinem Onkel einmal davon gesprochen:«ir waren damals beide der Ueberzeugung, daß in unseren Zeiten derartig« Ueberfäll« nichl mehr auszuführen seien. Die unerträglich« Spannung, die mich erfüllte, ist der Grund ge- wesen. Als ich ein Gespräch hörte, duckte ich mich hinter«in Bündel Taue; dann als ich ein« Gestalt sah,«inen Menschen, der mir offen- bar gefolgt war, riß«». mich fort. Ich. mag. sofern ich überhaupt einen Gedanken hatte, geglaubt haben, der schnell« Augriff sei das Best«. Ich stürzte mich auf den vermeintlichen Räuber und begann ihn mit Fausthieben zu bearbeiten. Ich will Ihnen nicht viel weller erzählen. Der Räuber war Berges, der sich damals in genau der gleichen Lag« befand wie ich Er fuhr als Angestellter der Firma Klippel und Sohn nach Kalkutta Auch er führte«in Kästchen mit Brillanten bei sich und hoffte es durch alle Fährnisse nach seinem Bestimmungsort zu bringen. Dieser ileberfall war der Beginn seiner langen Freundschaft. Nie wieder habe ich derartiges erlebt. Alle Eigenschaften, die mir verdächtig vorgekommen waren, gehörten zu meines Freundes bestem Rüstzeug. „Und die rot« Katze?" fragt« ich. Herr Reed kolpfde sein« Pfeif« au». Er antwortet« nicht.
Qerdland: Sin Zuhörer fältl um... Der kleine, verwahrlost« Mann schlich müde und abgekämpft durch die Straßen. Es war die Gegend des Kriminalgerichts. Autos, Autobusse und Straßenbahnen fuhren vorbei. Mit Musik, Trara und Bumbum marschierte Reichswehr zur Kaserne. Es war ein grauer Vormittag ln Moabit Die Menschen gingen im Bogen an dem Kleinen vorbei. Sein Anblick erinnert« alle mll heftiger Aufdringlichkell und penetrant an ihr« eigene Rot, die sie sorgfällig überschminkten. Da» war ja«in Schreckgespenst, da, war die Rot. das Elend, die Verzweiflung selbst... Nur schnell vorbeil Man sah dem kleinen Mann mit dem gelben, übermüdeten, zerfurchten, bebärteten Gesicht, in dem
schäbige«, zerflickten Mantel die Nächte an, R« er im Freien«er« bracht halle, man ahnte seinen Hunger und man ahnte auch böse, oerbrecherisch« Gedanken, die in ihm erwachten. Erwachen mußten. denn er war nicht sähig mehr, zu bettern. dieser wenig vertrauen- erweckende Mann, und vielleicht... Schnell ging man weiter. vorbei... In einer Sellenstraße führte hinter einem Schaufenster ein niedliches, appetitliches Mädchen elektrische Bratöfen vor. Viele Passanten blieben stehen und sahen sich da» an. dann gingen sie hinein und nahmen Kostproben in Empfang, zarte, knusperig« Waffeln, die sie an Ort und Stelle verzehrten Der verwilderte Mann ging ganz langsam an diesem Sch<w(f«nster)spiegel vorbei. Dann ging er über den Damm zum Kriminalgericht. Er ging in einen der Zuhörereingänge hinein. Stieg die Treppen empor. Trat ein in den Zuhörerraum eines Schöffensaals. Ich folgte ihm. Der Justizwachtmeister hängte gleich nach unserem Eintritt ein« Tafel: „Der Zuhörerraum ist besetzt", vor die Tür. Tatsächlich waren nur noch zwei bescheidene Plätze frei. So saß ich neben chm. Mit strengem Blick mustert« der Justizwachtmeister den Verkommenen. Sogar der Richter und der Staatsanwoll blickten von ihren Akten auf und oerzogen die Gesichter, als sie die„Oefseittlichteit" dergestalt bereichert sahen. Man verhandelte gegen einen Hochstapler großen Formats. Er war vielfach vorbestraft, hatte seine letzte Strafe wegen schwerer Urkundenfälschung erst vor einigen Monaten abgemacht und hatte sich nun erneut wegen Heiratsschwindels zu verantworten. Sein zynisches Lächeln, feine sieggewohnte Larve waren einer scheinbaren ZerknirschtheU, einem devoten, skeichelleckenden Ton gewichen. Er habe das nur aus Not getan, betonte auch der Verteidiger... Zeuginnen marschierten auf. Junge und schön«, alle und haß - liche... Mein Nebenmann saß da. ganz in sich zusammengesunken. ein krafttoses Bündel Mensch. Ihn ging das alles nicht» an, noch weniger, als die anderen Zuhörer, die der Zufall hereingeweht hatte oder die Stammgäste in Moabit , teilweise recht verdächtige Gestalten waren... Der Hochstapler weinte. Das stand wohl in seinem Programm. Im übrigen sah er recht«okss genährt und elegam gekleidet au». Er mochte— wie man so sagt— eine gute Figur... Und nun weinte er. In ruckartigen Stößen erzählte er dem milde abwinken- den Gerichtsrat die Geschichte feines verfehlten Lebens. Zeugen wurden vereidigt. Sachverständige vernommen. Der Rechtsanwall hlell fein Plädoyer. Noch einmal betont« er die Not des An- geklagten. Das Gericht zog sich zur Beratung zurück. In diesem Moment, als das Gericht sich zurückzog, merkte ich: der kleine Mann da neben mir, der verkommene, verwilderte Kerl, war ohnmächtig geworden. Der Justizwachtmeister ließ den Zu- Hörerraum räumen. Es sollte gelüstet werden. All« erhoben sich. Keiner außer mir Halle die Ohnmacht de» Mannes bemerkt. All« gingen hinaus. Nur der Klei»« hockt« ifa, die Ellenbogen auf den Knien, den Kopf zwischen den Fäusten. Da bemerkte ihn der Wachtmeister.„Sie müssen hier raus?" tagte er,„Sie können jetzt nicht drin bleiben!" Es kostete ihn sichtlich Ueberwindung. nnt seinen Händen an den Schultern des llltonnes zu rütteln. Da fiel der Strolch, der Zuhörer im Schöffensaal de» Kriminalgerichts, hin. Es gab einen dukvpfen Aufprall. Da lag«... An der Tür drängten sich die Neugierigen... Das Letzt«, was ich sah, bevor mir die Tür vor der Nase zugehauen wurde, war dies: Der Hochstapler, noch die herausgepreßten, erkünstelten Tränen in den Augen, trat hinzu... Sem Verteidiger folgte ihm Der Hoch-- stapler flüsterte mit dem Rechtsanwalt. Der griff in fein« Tasche. In diesem Moment erschienen zwei andere Justizwachtmeister avf der Vildfläche. Man hob den Ohnmächtigen über die Barriere, die den Zuhörerraum vom Verhandlungsraum trennt, und schleppte ihn hinaus... Ich wartete nicht auf die Oessnnng des Schöffensaals. Ich höxt« nicht auf die Kombinationen der draußen Wartende« Ich rannte die Treppen hinunter. Ich hott« Angst, furchtbare, würgend« Angst...
vorgeschichtliche Handabdrücke. In der Höhle von Carga» finden sich zahlreich« prähistorische Handabdrücke, welche zeigen, daß di«se Hände, die meist von Frauen und Kindern stammen, durch Ab- schlagen von Fingern und Fingertellen verstümmelt waren. Es fehlen«in bis vier Finger, darunter manchmal auch der Daumen. Man hat dies nicht verstanden. Jetzt weist R. Easteret daraus hin, daß derartiges Fingerabschlagen bei wilden Völkern auch in neuerer Zell geübt wurde, und zwar gerade bei Frauen und Kindern als Zeichen der Trauer bei Todesfällen. So sind Bericht« vorhanden von den Tonga-Infeln, den Buschmännern. Hottentotten. Zwerg- negern vom Ngamisee und kanadische» Indianern(hier auch als Abwehropser). Die Narkose lsl etwa l<X> Zahre alt. Ihr Erfinder ist ein junger englischer Arzt Henry Hill Hickmann, der 1823 allerlei Experuncn.e mll Hunden und Katzen anstellte. Er entdeckte, daß die Narkose ken Tieren große Erleichterung gewährte und kam ms den Gedanken. die Narkose auch an Menschen anzuwenden. Niemand glaubte aber an die Erfindung des sungen Arztes und er starb arm und enttäuscht noch vor seinem 80. Lebensjahre. Erst 20 Jahre später wurde sein« Erfindung von einem anderen erprobt, woraus nun Chloro- form und Aether in allen Krankenhäusern eingeführt wurden.
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