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nach Hause gehen wollten, sagten wir uns: Ift man denn als anständiger Arbeiter in Deutschland so wehrlos, daß man zum Ver= lassen des Hauses nicht einmal die Tür benutzen darf? Und wir gingen durch die Tür, nicht auf Hinterwegen auf die Straße! Wir hatten die Pflicht zum Bekennermut, Nachgeben wäre zum Ber­brechen geworden.( Lebhafter Beifall.) Genossen, Republikaner, jeht euch diese drei hier an( neben Schneider sigen die drei Freunde des ermordeten Willi), so sehen die republikanischen Jämmerlinge" des ,, Angriff" aus. Es find ehrliche, anständige, junge Arbeiter, zu feiner Gewalttat fähig. Daß die Nazis fich in Notwehr befunden hätten, ist eine infame Lüge; mein Sohn ist, ehe er in der Wohnung überhaupt an den Hakenkreuzler herankommen fonnte, von ihm er­schossen worden.( Stürmische Pfuirufe.) In der Partei kann ich die Lücke, die der Tod meines Sohnes reißt, nicht mehr ausfüllen, id) bin seit Jahrzehnten Parteimitglied. In der Gewerkschaft kann ich ihn auch nicht ersehen, der gehöre ich ebenso lange an. Aber das Reichsbanner findet mich fortan als Mitglied und Mitkämpfer!

Stürmischer Beifall dankte dem ungebeugten Bater für feinen Betennermut in dieser schweren Stunde.

Der Vorsitzende Fehner schloß die Versammlung mit der Er. flärung: Es ist genug, wie lange sollen wir noch Opfer bringen?

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Das Nazilokal

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Wenn die Polente anrückt, dann find wir harmlose Gäfte. Und Louis verduftet durch den Hinterausgang."

Wir geloben an dieser Stelle: dem strauchelnden Bruder die Hand, dem Gegner aber die Faust aufs Auge! Im Geiste der Ermordeten fämpfen mir weiter, aber nicht in der Verteidigung, sondern in erfter Angriffslinie!

In das Hoch auf die Republik stimmten die Versammelten be geistert ein. Inzwischen hatte Genosse Crispien noch zu den Tausenden im Garten gesprochen. Immer neue Massen rückten an. Sie füllten mit den starken Reichsbannergruppen bereits den Garten, der sofort zu einer weiteren Parallelversammlung benutzt wurde. Bis an die Eingangstreppen standen die Zulegtgekommenen. Im kleinen Saal sprach der Vorsitzende des Bezirksver bandes Berlin, Reichstagsabgeordneter

Reichstagsabg. Litfe,

nachdem Kamerad Steffing in ergreifenden Worten der Er­mordeten gedacht hatte. Der Redner tennzeichnete unverhüllt das Wesen der Nationalsozialistischen Partei, die den traurigen Mut be= sigt, einen Fememörder in den Reichstag zu entsenden, der sich mit dem offenen Mord an Wehrlosen brüstet. Der Redner hielt auch mit seiner Kritik an den Behörden nicht zurück, die dem Terror der Hafen­freuzler viel zu menig Aufmerksamkeit schenke. Genosse Litke zeigte an treffenden Beispielen aus Italien , wie sich der Faschismus in Wirklichkeit auswirke, daß er sich, einmal über das Land gekommen, nur durch blutrünftige Gewalipolitif am Ruder hält. Immer wieder und wieder wurden die Ausführungen des Redners von Empörungs­

Tjen unterbrochen.

Inter gemeinsamen Gefängen und dem Hoch auf die Internatio­nale schloß auch hier die eindrucksvolle Kundgebung. Es währte ziemlich eine Stunde, ehe die Säle sich von den Versammlungsteil­nehmern leerten. Auch die ausströmenden Massen zeigten muster­gültige Ruhe und es fam an feiner Stelle zu Zusammenstößen, die ein Eingreifen der Polizei notwendig gemacht hätten.

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Der Abmarsch der Versammlungsteilnehmer ging in aller Ruhe und Disziplin vor sich. Nationalsozialisten und Kommunisten hatten sich in ihre Schlupfwinkel zurückgezogen; angesichts das starten Bolizelaufgebots wagten fie feine Störung. In den dem Wohnhause Schneiders benachbarten Straßen bildeten sich eine größere Anzahl von Gruppen erregt diskutierender Anwohner, die immer wieder die blutigen Borgänge in der Neujahrsnacht besprachen. Die Polizei benahm sich sehr zurückhaltend, fand aber auch leinen Anlaß zum Einschreiten.

Wachsende Erregung.

Polizei auf der Mörderfährte. Noch feine Berhaftung.

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Eine außerordentlich erregte Stimmung herischte in den gestrigen Mittagsstunden in der Huj elandstraße. Eine große Menschenmenge hatte sich dort angejamanelt, die eine so drohende Haltung gegen das Razilokal einnahm, daß die Polizei Mühe hatic, crnfiere Zwischenfälle zu verhindern. Die Erbitterung der Bevölke­rung ist aufs äußerste gestiegen und mehr als einmal fam aus Hunderten von Kehlen der Ruf Hitler verrede Republik er­mache!", der an den Häuserfronten ein donnerndes Echo fand.

1000 Mart Belohnung.

Wie bereits berichtet, verfolgt die politische Polizei mehrere Nationalsozialisten, die im dringenden Berdacht stehen, den Doppel­mord verübt zu haben und seit der Mordnacht, geradezu wie von Erdboden verschludt, verfdywunden sind. Entweder find die Mörder in die Provinz geflüchtet, oder sie werden in Berlin verborgen

Frauen in den Lüften

Deutsche Pilotin auf der Fahrt nach Westafrika - Amy Johnson hat Panne

Die Ungunit der Jahreszeit und der Wetterlage hält| infolge dichten Nebels die Orientierung und mußte am Sonntagnach Flieger und neuerdings besonders auch Fliegerinnen nicht ab, mittag bei dem Dorf Amelin in der Nähe des Städtchens Przasch­ihre fühnen Flugpläne durchzuführen. Der augenblidlich im niz, 95 Kilometer nördlich von Barschau, notlanden, wobei Bordergrund des Jateresses stehende Flug der englischen das Untergeste 11 des Flugzeuges leicht beschädigt wurde, Fliegerin Amy Johnson ecliff in Polen infolge Not- so daß der Weiterflug unmöglich war. Die Fliegerin selber landung der Pilotin zunächst eine Unterbrechung. In Berlin hingegen begann die deutsche Fliegerin Elli Beinhorn ihren Westafrifaflug.

Fräulein Elli Beinhorn, die erst kürzlich mit dem Silbernen Sportfliegerabzeichen ausgezeichnet wurde, startete am Sonntag früh unt 9.45 Uhr auf dem Flugplay Staaten mit ihrem 40- PS­Klemm- Flugzeug zu einem Fluge nach Westafrika . Der Flug geht über Südfranfreich, Spanien , nach Maroffo, von dort der Küste entlang über Casablanca , Agadir , Port Etienne , Dafar nach Biffao in Portugiesisch- Westafrifa. Dort wird sie mit der wissenschaftlichen Expedition des Forschers Bernagit und Prof. Dr. Strud- Dresden zusammentreffen, um mit ihrem Flugzeug zu Forschungsflügen zur Verfügung zu stehen. Die Fliegerin gebenit etwa vier bis fünf Monate in Afrika zu bleiben. Die erste Etappe hatte die Westafritafliegerin glücklich zurückgelegt; am Sonntagnachmittag landete sie auf dem Flugplaz Böb= lingen in Württemberg .

Warschau , 5. Januar.

Die englische Fliegerin Amy Johnson , die am Sonntag früh in Berlin zum Weiterflug nach Beting gestartet war, verlor

erlitt feinen Schaden. Die englische Botschaft in Warschau , die telegraphisch verständigt wurde, entsandte ein Auto, das die Flie gerin nach Warschau brachte. Ueber den Weiterflug verlautet im Augenblick noch nichts.

Amerikanischer Ozeanflug gescheitert.

New York , 5. Januar.

Kapitän William Maclaren und Frau Baryl Hart, die Sonnabendmittag( ME3.) zum Ozeanflug nach Paris mit 3wischenlandung auf den Bermudasinseln gestartet waren, mußten nach dem amerikanischen Festlande zurückfliegen, da ihnen die Linse des Sertanten während des Fluges zerbrach. Sie landeten in Marineflughafen von Hamptonroads bei Norfolk im Staate Virginia .

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Do. X am 20. Januar startbereif. Nach einer Meldung des New Yort Herald" aus Lissabon , soll das deutsche Flugschiff Do. X nadh Ausbesserung der Brandschäden an den Tragflächen nunmehr am 20. Januar wieder startbereit sein.

Der Pfennig regiert die Stunde

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Käufermaffen strömen zu den 3nventurverkäufen

Bas weihnachtliche Kauflust übrig ließ, oder wegen allzu| Sonterfei betrachten zu fönnen. Wirtschaftsartitel find sehr schmalen Geldbeutels übrig lassen mußte, das wurde eiligst beiseite geräumt und blieb liegen bis zum Inventurverkauf. Berge hauch feiner Seidenstrümpfe, die sich unheimlichen Fingern gleich ineinanderverschlingen, eine haushohe bunte utpyramide, wahllos aufeinander gepackt, das Oberste zu unterst, verbeult, ver­drückt, jetzt Ramschware, deren Preis auf Pfennige herabgesetzt ist. Flinke Berkäuferinnen, denen man die Schwerstarbeit der letzten Woche kaum noch anmerkt, haben nicht ände, Beine, Augen und Ohren genug, das Heer der Kauflustigen zu bedienen. Großkampftag ist am Lager der billigen und billigsten Bedarfsartifel. Angeftaubte Handtücher und andere Wäsche gegenstände gleiten durch fachmännisch prüfende Hausfrauenhände, die Lager der Stoff­reste und lächerlich billigen Stoff- Musseline das Meter zu 25 Pf., Flanell 65 Pf. werden von einer undurchdringlichen Menschen­mauer umringt. Strümpfe, Hüte usw. werden wahllos, fast ohne hinzusehen, angefaßt und gekauft. Die Spiegel sind dicht umiagert. Kaum ist ein Fleckchen vorhanden, um sein

gehalten. Der Polizeipräsident hat jest 1000 Mark Be lohnung ausgesetzt, die dem zufallen, der zur Ermittelung der Flüchtigen beiträgt. Bermutlich werden schon in Laufe des heutigen Tages an den Anschlagfäulen die Aufrufe des Polizeipräsidenten, die u. a. eine eingehende Beschreibung des Haupttäters enthalten, platatiert werden.

In der Sylvesternacht wurde der 19jährige Eduard Reiser aus der Danziger Straße 75 in der Nähe seiner Wohnung von politischen Gegnern im Verlaufe einer Schlägerei durch einen Stich niedergestreckt. Der Berletzte fand im Krankenhaus Am Friedrichshain Aufnahme, wo er am Sonntag gestorben ist. Die Politische Polizei hat die Nachforschungen nach dem Täter

aufgenommen.

Kaas gegen Hitler .

Eindeutige Erklärungen des Zentrumführers.

In Kaffel hat sich am Sonntag Erstaunliches zugetragen: ein bürgerlicher Parteiführer hat die Kühnheit besessen, den National­sozialisten einige Wahrheiten zu sagen. Nach der allgemeinen Katz­budelei vor den Siegern des 14. September, wie sie im bürgerlichen Lager fast allgemein üblich geworden ist, wirkt die Rede, die Herr taas gestern auf einer Beamtentagung gehalten hat, beinahe als Sensation. Das ist um so mehr der Fall, als Herr Kaas sonst kein großer Freund von Eindeutigkeiten ist. In Kassel aber, von einem Zwischenrufer herausgefordert, sagte er:

Wenn ich den Nationalsozialisten raten soll, dann so: nehmen jie Urlaub von der Politit! Aber möglichst ohne Retour billett! Denn nur so tönnen Sie dem deutschen Volk einen Dienst erweisen! Benn uns nicht die Verantwortung abhielte, dann würden wir aus pädagogischen Gründen den Nationalsozialisten Blayz machen, damit das deutsche Boll ihre blutige Ignoranz erkennt. Aber das Experiment scheint uns zu gewagt, weil ich nicht glaube, daß es naher noch etwas zu retten geben würde."

Dr. Kaas warf dann den Nationalsozialisten vor, daß sie aus dem Reichstag eine Kashemme machten und sagte weiter:

"

Wir sind im Verlangen bescheidener, obwohl wir selbst mehr Wert auf den Schädel inhalt legen als sie auf die Schädel for m. Ueberfchägung der eigenen Kraft hat das deutsche Bolt zweimal ins Inglück geführt: in den Weltkrieg und in den Ruhrkampf. Diefe Spuren follten schrecken und zu anderer Erkenntnis leiten."

Die Aeußerungen des Herrn Kaas sind um so erfreulicher, als fie Seltenheitswert befizen. Denn im allgemeinen haben die burger­lichen Parteien den Kampf gegen den Nationalsozialismus so gut mie allein der Sozialdemokratie überlassen.

Wirtschaftspartei deckt Drewig.

Coloffer foll ausgefchloffen werden.

Der Reichsausschuß der Wirtschaftspartei befundete am Sonn­tag dem Reichstagsabgeordneten Dremiß sein Vertrauen. Das Verhalten des Abg. Colosser, der in letzter Zeit wiederholt gegen Drewig öffentlich hervorgetreten ist, wurde mißbilligt. Coloffer wird aller Wahrscheinlichkeit nach von dem Barteigericht einstimmig

begehrt, Töpfe und Teller werden liebevoll beäugt, auch hier wiederum die Lager der beschädigten, fehlerhaften und darum herab­gesetzten Ware. Billig, billig ist die Devise, der Pfennig regiert. In den Schuhläden fizen sie dichtgedrängt. Die pitfeinen, glänzenden Lackschuhe für ein Fünfmarkstück ziehen magisch an: da wird probiert, die Verkäuferin muß raten, mitbewundern, Akrobatenkunst­stücke auf der Leiter vollführen, wo sie all die Heißbegehrten aus den Regalen holt. Strümpfe. Ueberschuhe und wiederum das Lager der ganz preiswerten Rest- und Einzelpaare. Drinnen tobt der Kampf der Käufer, gibt das Berkaufspersonal jsein Letztes an Kraft. Die großen Warenhäuser und Spezialgeschäfte wurden von den Räuferscharen seit dem frühen Morgen blodiert. Infolge des un­gewöhnlich starken Andrangs wurde z. B. das Haus N. Israel schon in den ersten Vormittagsstunden mehrfach geschlossen. Erst um 11 Uhr fonnte der zweite Käuferschwarm das Haus betreten. Aehn­lich ging es an anderen Stellen zu. Die sämtlichen zur Stadt führenden Verkehrsmittel maren am Morgen vollkommen überfüllt.

aus der Wirtschaftspartei ausgeschlossen werden.

Der engere Prüfungsausschuß hatte den Rücktritt des gesamten Parteivorstandes verlangt.

Curtius' Stoßgebet.

Eine Rede vor den Boltsparteilern in Pforzheim . Auf einer voltsparteilichen Tagung in Pforzheim hielt der Reichsaußenminister Dr. Curtius eine Rede, in der er sagte, er wolle sich für seinen schweren Gang nad Genf " das Vertrauen seiner nächsten Parteifreunde sichern. Der Minister fuhr dann fort:

Jah fann Ihnen nicht versprechen, daß wir in Genf in den entscheidenden Fragen unseres Baterlandes große außen­politische Erfolge werden erzielen fönnen, ich fann huen aber wohl versprechen, daß ich meine ganze Persönlichkeit für Deutschland und für Deutschlands Ehre einsehen werde. Ich hoffe, den Widerhall der ganzen Nation dafür zu finden, was ich in Genf zu erklären habe. Im gegenwärtigen Augenblid stehen die Fragen des nationalen Staates und der nationalen Idee im Bordergrund unseres gesamten innerpolitischen Geschehens. Sie find leider zu einem parteipolitischen Kampfobjekt erniedrigt."

,, Das Tragische an der Lage des Außenministers ist, daß er genötigt ist, fortwährend seine ganze Kraft darin zu sehen, die nationalen Leidenschaften zurückzudämmen und fie in ein Klär­becken der Vernunft zu leiten, und daß manchmal auch die eigenen Borteifreunde nicht verstehen, warum der Außenminister so und nicht anders gehandelt hat."

Dazu ist zu bemerken, daß kein vernünftiger Mensch von der bevorstehenden Ratstagung große Erfolge in entscheidenden Fragen erwarten fann. Aber selbst wenn diese Tagung mehr bringen follte, als eigentlich zu erwarten ist, so würde Herr Curtius doch bei seiner Rückkehr mit einem vielstimmigen Verräter"-Gebrüll empfangen werden. Dazu sind alle Borbereitungen bereits getroffen und die Ausführung des Programms fann durch kein Genfer Ergebnis beein­flußt werden.

Die Lage des Außenministers wäre gar nicht so tragisch, wenn er mur den Mut hätte, die elende Demagogie der Hakenkreuzler und die hoffnungslose Dummheit des Spießbürgertums ins rechte Licht zu setzen.

Erdrutsch im Saartal.

Wohnhaus von Gesteinsmaffen zrrfrümmert.

Köln a. Rh., 5. Januar. 3m unteren Saarial ereignete fich am Sonntagmittug ein Bergrutsch, durch den ein Wohnhaus zum Einsturz gebracht wurde. Die Regenfälle der letzten Zeit hatten die Gesteinsmaisen eines mit Bäumen bewachsenen Berganteils eines Feldufers unter fpült, und am Sonntagvormittag gerieten nun die Erd- und und ver­Gesteinsmaffen plöhlich in Bewegung fchütteten das darunterstehende Wohnhaus. Die auf das Haus herabfallenden mehrere hundert Zentner schweren Erdmassen 3 er störten das Haus fast vollständig. Ein Nachbarhaus, für das man gleichfalls das schlimmste befürchtete, mußte geräumt werden. Glücklicherweise famen Personen nicht zu Schaden.