Rußland und der Frieden. Eine Rede Molotows. Vor dem Zentralexetutivkomitee der Sowjetunion hielt am Sonntag der neue Borsitzende des Rates der Bolkskom- missore. M o lo to w. eine Äede, die sich— wenn die vorliegenden Berichte vollständig genug sind, um eme Beurtei- lung zu gestatten— von sonstigen sowjetrussischcn Aus- lassungen vorteilhaft unterscheidet. Es versteht sich van selbst, daß Molotow den Fünfjahresplan in den Mittelpunkt seiner Rede stellt und sich für seine Durchführung einsetzt. Was uns aber daran besonders interessiert, ist das, was der Bor - sitzende des Rates der Loltstommisiare über die außen- politischen Bedingungen für die Durchführung der bol- schewistischen Wirtschastspolitir zu sagen hat. Und das ist, kurz zusammengefaßt, das folgende: Hauptaufgabe ist Durchführung des Wirtschaftsplans: dazu ist Frieden notwendig. Die Verwirklichung des Planes erweitert die Basis für den Handel mit kapstalistifchen Ländern. Mit einer Anzahl von Staaten— Molotow nannte da in erster Linie Deutschland — sind die Handelsbeziehungen normal. Es sind Versuche zur Verstärkung der Äntisowjetaktion wahrzunehmen: diese Versuche laufen darauf hinaus, eine Intervention und neue Kriege vorzubereiten. Demgegenüber sollen die Anhänger eines wahren Friedens— und zu diesen gehört nach Molotow eben wegen seiner wirk- schaftspolitischen Zielsetzung Rußland — ernst an die Inter- essen des Friedens und an seine Festigung denken. Soweit Molotow. Würden die russische Regierung, die kommunistische Internationale und die ihr angeschlossenen Parteien immer so sprechen oder— was wichtiger ist— immer im Sinne dieser Worte handeln, so würde manches leichter werden, was bis jetzt sehr schwer ist. Vor allem würden dann die Kommunisten mehr Verständnis für die sozialdemokratische Politik gewinnen, die den Weg der Evolution beschritten hat und jede Hetze zu Krieg und Bürgerkrieg entschiede ablehnt. Die Kommunisten stellen sich ihre Weltrevolution als eine ganze Kette von Kriegen und Bürgerkriegen vor. Das scheint aber gerade dasjenige zu sein, was Molotow im Interesie Rußlands aufs dingendste zu vermeiden wünscht: denn der Ausbruch der kommunisti - scheu„Weltrevolution" würde den Zusammenbruch des Fünf- jaheplans und damit vielleicht, gewissermaßen im dialektischen Umschlag, auch den Zusammenbruch der Sowjetherrschaft zur Folge haben. Rußland will also jetzt— immer vorausgesetzt, daß wir Molotow richtig verstehen— aus Deutschland lieber die In- dustrieprodukte haben, die es zu seinem Aufbau braucht, als Nachrichten über„revolutionäre" Streiks, die die NGO. ver- anstaltet. Rußland hätte dann auch gar kein Interesse an dem Wettlauf im Nationalismus, den die deutschen Kommu- nisten zeitweilig mit den Hakenkreuzlern veranstaltet haben, es hätte dagegen das stärkste Interesse an einer wirksamen Bekämpfung des die Kriegsgefahr steigernden deutschen Faschismus. Kurz und gut, es würde sich herausstellen, daß die Politik der deutschen Sozialdemokratie nicht nur für die deutschen Arbeiter, sondern sogar auch für die russische Sowjetregierung weitaus bekömmlicher ist als die der KDD.! Daß die kommunistische Presse Deutschlands und Rußlands solche Konsequenzen mit Hohngelächter und Geschimpfe zurück- iveisen wird, ist selbswerständlich. Das entspricht ihrer bis- herigen Praxis, und das Konsequenzenziehen ist auch nie ihre Starke gewesen. Für Leute frellich, die auf Logik etwas hatten, ergibt sich aus den Worten Molotows mit unentrinn- barer Folgerichtigkeit, daß die ganze bisherige Politik der KPD - nicht nur der deutschen Arbesterbewegung zum Schaden gereicht, sondern auch dem von ihr so genannten„sozialistischen Vaterland" selbst.__ Benesch— Abrüstungs-präsident. Der Däne Münch als Vizepräsident der Abrüstungskonferenz Genf . 5. Januar. In den zwischen den Regierungen und dem Generalsekretariat des Völkerbundes geführten Verhandlungen zur Vorbereitung der Entscheidung des Völkerbundsrates über die Einberufung der Abrüstungskonferenz und der Ernennung des Konferenzpräsidenten ist jetzt, wie von gut unterrichteter Seite mitgetcUt wird, ver- cinbart worden, bah der Posten des Vizepräsidenten der Ab- rüstungskonferenz bem dänischen Außenminister Münch angeboten wird. Münch soll sich bereit erklärt haben, den Posten anzunehmen. Die Wahl B e n e s ch S zum Präsidenten der Abriistungs- konserenz gilt als gesichert, nachdem sich die meisten europäischen Großmächte bereits für die Wohl des tschechoslowakischen Außen- Ministers ausgesprochen haben. Konferenzbeginn— Frühjahr �932 London, 5. Januar. Zur kommenden Tagung des Völkerbunbsrates sagt der dipl» matische Korrespondent des„Observer": In der Frage der Fest. setzung des Datums für den Zusammentritt der Abriistungs- konserenz hat es, wie verlautet, zwischen gewissen wesenllillien interessierten Regierungen einen Meinungsaustausch gegeben. Bc- schlüsse konnten natürlich nicht vor der Ratstagung gefaßt werden, aber nach Mitteilungen von gut unterrichteter Seite würbe es nicht überraschen und dürste sogar als sicher betrachtet werden können, daß als Datum der Konferenz der t. März 1932 festgesetzt werden wird. Auch Valeniini enihütli. Wirkung der Dülow-Venkwürdigkeiten. Angesichts der Angriffe, die im ersten und zweiten Band der Denkwürdigketten des Fürsten Bülow gegen den ehemaligen Chef des Zivilkabinetts von Valeniini gerichtet worden sinb, hat sich die Familie des 192ä verstorbenen Kabinettchefs dazu entschlossen, sein« Aufzeichnungen herauszugeben. Der in Hannover wohnhafte Oberst Dr. Schwertfeger ist gegenwärtig mit der Bearbeitung des schrift- � liehen Nachlasses für die Herausgabe beschäftigt. Zw Zentrum von Amsterdam kam es zu Zusammen st äßen zwischen demonstrierenden Arbeitslosen und der Polizei. Aus Veranlassung des kommunistischen Arbeitslosen-Agitationsavs- lchusses versammelte Demonstranten versuchten in einem geschlossenen Zuge zum Rathaus vorzubringen, was die Polizei zu verhindern sticht c. Als aus den Reihen der Demonstranten heraus schließlich geschossen wurde, fetzten sich die Beamten mtt dem Säbel zur Wehr. Ein junger Demonstrant erhielt eine schwere Kopfwunde: mehrer« Personen wurden verhastet.
Feders Einzug ins dritte Reich.
„Mii Dank und Befriedigung gedenken wir Nationalsozialisten Mussolinis...* Gottsried Jeder im Rundfunk.
Mahnung zur Vernunst. Gevering über die Lage an der Ruhr.
Der preußische Innenminister Dr. Carl S e v e r i n g sprach am Montag im Berliner Rundfunk über die Lage im Ruhr- gebiet. Severing führte u. a. aus: „Die Arbeiterschaft des Ruhrgebiets hat bisher gezeigt, daß sie ohne jede ängstliche Rücksicht auf radikale Elemente von Verant- wortungsbewußtsein erfüllt ist. Die großen Bergarboiterverbäyde sind gewillt, der besonderen wirtschaftlichen Notlage auch zu ihrem Teil Opfer zu bringen, aber natürlich nur die Grenzen, die für die Arbeiter gerade noch erträglich sind. Werden diese Grenzen über- schritten, dann ösfiret man einer politischen Radikalisierung eines großen Teils der im Ruhrbergbau tätigen Arbeiterschaft Tür und Tor. Daß damit mindestens die Kommunisten rechnen, dafür liegen umfangreiche Beweise vor. Schon im September des ver- gangenen Jahres haben in langen Rundschreiben die Kommunisten im Ruhrgebiet auf die kommenden Lohukämpse im Sinne einer Politisierung hingewiesen. Sie haben schon damals, also schon vor einem Vierteljahr, Stre iks ührer ku rse organisiert, zu denen sie, sich bsmühtea. außer�ihrev. Funttipnären auch parteilose Arbeiter und Arbeiter anderer politischer Richtungen heranzuziehen. Für jede Schachtanlage hatten sie im Oktober bereits Kampfaus- schüsse eingesetzt, deren Ausgabe es war, in der Belegschaft für einen politischen Massenstreik bei Ausbruch der Lohndifferenzen zu werbein In den Gewerkschaften erblicken die Kommunisten chre schlimmsten Gegner. Deshalb haben sie die Gründung einer so- genannten revolutionären Gewerkschaftsopposition als einer Sonder- organisat'wn, betrieben, deren Ziel angeblich ist, die„Passivität" der Gewerkschaftenbürokratie zu überwinden. Unter dem Vorwand, die Einheitsfront der Arbeiter zu schaffen, wühlen die Kommunisten mittels der Revolutionären Gewerkschasts-Opposition gegen die vier alten Bergarbeitsrverbände, die als„sozialfaschistisch" und„unternehmerselig" von ihnen verschrien werden. Sie haben versucht, reoo- lutionäre Vertrauensleute in den Betrieben zu gewinnen, die als besondere Aufgabe die ständige Erfassung und Beeinflussung der un- organisierten und daher wenig politisch geschullen Arbeiter haben. In großen, 20 und 30 Seiten umfassenden Rundschreiben aus den Monaten November und Dezember, die die kommunistische Be- zirkslettung des Ruhrgebiets ihren Anhängern und Funktionären zu- gehen ließ, wird immer wieder darauf hingewiesen, daß der allgs- meine Lohnabbau in allen Industrie kressen für die Bergbauarbeiter besondere, d. h. politische Aufgaben schaffe. Di« Entsachung von Bewegungen in einzelnen Betrieben wird als wichttges Mittel zur Schürung der Erregung in Bergarbeiterkreisen dargestellt Durch lausende Mitteilungen an die Belegschaften, durch Aufrufe bei lokalen Betriebsanlässen sollten die Kampfausschüsse ihre Arbeiten vorbereiten. Eine große politische Bewegung sollt« vorbereitet und geschaffen werden. Ganz ausgesprochen stellten sich die Kommunisten die Aufgabe, die innergewerkschaftliche Front zu zerstören und zu sprengen, damit glauben sie ihr Ziel, die Entfachung eines allgcmei- nen Streiks mit politischckn Charakter und politischen Zielen zu er- reichen. Und auch aus dem über Z0seitigen eng bedruckten Rundschreiben des Monats Dezember geht klar her- vor, daß der Bergarbeiterkampf, daß der wirtschaftliche Streik von den Kommunisten unter allen möglichen Parolen zu polttischen Zwecken eindeutig ausgenutzt werden soll. Sie wollen auch unter der Formel„Kampf dem Toung-Plan" das Signal zum politischen Angriff geben. Der Kampf soll als politifcherMasfen streik entfesselt und gegen die Regierung Brüning, gegen die Preußenregierung und gegen alle politischen Parteien geführt werden. In diesem Rundschreiben der Kommunisten wird die Hoffnung ausgesprochen, daß dem Bergarbeiterstreik politische Massenstreiks nicht, nur im westlichen Industriegebiet, sondern auch im ganzen übrigen industriellen Deutschland folgen werden. Dabei ist man sich klar, daß es zu Gewalttätigkeiten lammen muß und wird, daß der Kampf darum auch zu richten sei gegen den Staatsapparat, gegen die Polizei. Deshalb, so heißt es,— ich zitiere wörtlich—„muß in den Belegschaften der kühne Kampfgeist geschürt werden, die Bürgerkriegsrüstuitz der Polizei muß mtt schärferen Maßnahmen der Reviere beantwortet werden. Gründung von Betriebswehren sollen der demonstrative Ausdruck der Antwort der Massen sein. Kein feiges Zurückweichen vor den staatlichen Ordnungshütern." All das zeigt klar die Pläne der Radikalen, d!« er- hoffen, bei diesen Löhn- und Torifkämpfen die Bergbauorbeiterschaft des Ruhrgebietes vor den Wagen ihrer politischen, von der Mehrheit abgelehnten, Ziele spannen zu können. Sie wollen den politischen Streik, sie wollen blutige Auseinandersetzungen, weil sie erwarten, die Nutznießer des dann eintretenden Chaos zu werden. B i s h e u te finddieseDersuche kläglichgescheitert. Die Stimmung der Arbeiterschaft ist nicht im Sinne der Kommunisten revolutioniert,
die Masse hat einen politischen Massenstreik abgelehnt, ist den tarif- widrigen Parolen keineswegs gefolgt. Die Arbeiterschaft weiß nur zu gut, daß die kommunistischen Parolen mit ihrer wirtschaftlichen Interessenvertretung nichts zu tun haben, daß die Befolgung dieser Parolen schließlich nur das Elend und den Lohndruck vermehren würde. Darum ist die Agitation d e r K o m m u n i st e n ohne durchgreifende» Erfolg geblieben. Nun mühen st« sich, mit Gewalt einen Streik auszulösen, aber sie wissen bereits heute, daß auch diese Bemühungen ohnmächtig sind und an der Festigkeit der Arbeiter und an der Macht der staatlichen Sicherheitsorgane scheitern werden. Trotzdem ist die politische Tragweite des Ruhrkonflikts sichtbar für die Unternehmer wie für die Arbeiter. Keiner von beiden hat ein Interesse daran, den Konflikt zu einem Streit, zu einem Kampf auswachscn zu lassen. Den NotweMgkeiten unserer politischen und wirtschaftlichen Lage muß hüben wie drüben Rechnung getragen werden. Wir können eine riesenhafte Machtprobe im Herz ek unseres Industriegebietes heute weniger denn je ertragen. Deshalb dürfen weder Arbeiter noch Unternehmer diese Auseinandersetzung verquicken mit politischen Drohungen. Zu dieser Mahnung habe ich nicht nur als Polizei- minister, sondern auch als Kommunalminister das Recht und die Pflicht. Eine Störung im Produktionsprozeß des Ruhrgebiets verringert nicht nur die Einnahmen des Reiches bei gleichzeitiger Steige- rung der Ausgaben, diese üblen Folgen würden mit besonderer Schwere alle Gemeinden des Ruhrgebiets treffen. Schon heute haben die Gemeinden schwer zu ringen, um ihren Aufgaben besonders in der Wohlfahrtspflege gerecht zu werden. Eine längere Arbeitsunterbrechung im Bergbau würde diesen Zweig der städttschen Aufgaden am hättest«» drosseln und damit auch auf diese Weis« dos Los der Asrmsten der Armen verschlechtern, gleich- zeitig aber auch neuen Zündstoff schaffen. Die friedliche Beendigung des Konfliktes im Ruhrgebiet ist darum ein Gebot politischer und wirt- s ch a f t l i ch« r Vernunft. Ick) hoffe zuversichtlich, daß Arbeiter wie Unternehmer nicht Heißspornen, sondern dieser Stimme der Vernunst Gehör schenken und Gefolgschaft leisten werden."
Die Zoffre-Legende. Wer hat Paris gerettet?- Enthüllungen des„Populaire�. Paris, S Januar.(Eigenbericht.) Gegen die Legende, die Iosfre im Widerspruch zu der histori- scheu Wahrheit zum„Sieger der Marne ", zum„Retter des Vater- londes" gestempell hat, erhebt am Montag der„Populaire" als einziges französisches Blatt seine Stimme. Er weist nach, daß „Plutarch auch wieder einmal gelogen" und dem toten Marschall eine Rolle zugeschrieben habe, die er in Wirklichkeit nicht gespielt hat. Nach der Darstellung des„Populaire" war es nicht Iosfre, sondern Galieni und Juleg Guesde, die Paris von der drohenden Besetzung durch deutsche Heere gerettet haben. Der damalige Generalissinius der französischen Armee habe in den tra- gischen Septembertagen im Gegenteil die Hauptstadt dem Feinde preisgeben wollen und sich auss cnffchiedenste einer Gegenoffensive an der Marne widersetzt. Erst in letzter Minute und aus Grund des kategorischen Befehls der Regierung hob« er sich zur Verteidigung der Hauptstadt entschlossen, die er lediglich durch kampflose Uebergabe vor der Beschießung und Zerstörung retten zu können geglaubt habe. Keiner l>abe die Szenen beschrieben, stellt der„Populaire" fest, da G a l l i c n i entrüstet in den Ministerrat hineingeplatzt sei und in höchster Aufregung die Verteidigung von Paris gefordert habe mit der Begründung, daß der Generalissimus systematisch jede Schutzmaßnahme unterlassen habe. Die Regierung sei tagelang schwankend gewesen, bis in der entscheidenden, überaus dro- matischen Beratung I» l e s Guesde aufgesprungen sei und zitternd ausgerufen habe:„Die Hoffnung tes Hauptquartiers, daß die kampflose Ueberlassung von Paris die Stadt schonen werde, ist falsch Zu dem Augenblick, da die feindlichen Truppen einmarschieren werden, wird es aus allen Fenstern der Pariser Arbeiterwohnungen schießen, und die deuischen Truppen werden die Stadl zur Strafe in Flammen stecken." Erst die Iitteroention des sozialistischen Mi- »isters hat die Regierung zu bestimmen vermocht, gegen das Haupt- quartier die Verteidigung von Paris anzuordnen, und dieser Bc« schluß habe automatisch die Schlacht an der At a r n« zur Folge gehabt, in der die Armee Galliönis die entscheidende Rolle gespielt habe. Dieser Sachverhalt, so schreibt der„Populaire". sei bereits vor Jahren von B r i a n d ansdrücklich bestätigt worden.