Dagmar Sperk: Ich werde ausziehen
Ich werde also am Ersten ausziehen, wie man aus allen möblierten Zimmern einmal auszieht. Vielleicht wird es an diesem Tage gerade regnen und ich werde traurig sein, des Wetters wegen und auch wegen des Abschieds, damit die Wirtin über meinen Mangel an Anhänglichkeit nicht getränkt ist.
Bor einem halben Jahr bin ich eingezogen und jedesmal, wenn mich während dieser Zeit jemand besuchte, hörte ich:„ Scheußlich ist die Bude!" und nach einer fleinen Bause:„ Na, und was zahlst du?" Ich nannte den Breis. Unverschämtheit von der Wirtin, so viel zu perlangen." Mein Gott, was willst du, sie ist doch eine Witwe!" Und jetzt werde ich ausziehen aus diesem Fuchsloch, dessen Decke so niedrig ist, daß ich sie mit den ausgestreckten Händen berühren fann. Ich teile es allen Bekannten mit, die ich treffe, und schreibe es seit drei Wochen dick unterstrichen in jedem Brief, aber erst vor drei Tagen, am 25., geschah es, daß diese Tatsache wirklich in mein innerstes Bewußtsein eindrang.
Es war Sonntag und ich wurde um 9 Uhr auf tattvolle Weise von meiner Wirtin gemedt. Sie müssen aufstehen, wenn Sie noch mas brauchen. Um 10 Uhr werden die Geschäfte gefchloffen." Sie schlursie in ihren Pantinen in die Küche und holte Woffer, Sann fam sie zurück und sagte: ,, llebrigens fönnen Sie mir bei ber Gelegenheit gleich was mitbringen. Sie müffen sich aber beelfen, sonst spring ich lieber selbst rasch runter." Am Schluß ging ich.
Es mar ziemlich fühl unten, aber sonnig and herrlichster Blauer Himmel. Das hatte ich in meiner Kammer nicht gemerft.
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Alles war beglückend frisch und hell, als wäre es ein Morgen im zeitigen Frühjahr. Ich lief zu einem Bäcker, bei den man zu 25 Pfennig ein ganzes Kuchenbrot mit einer Unmenge Rosinen bekommt. Das gibt es gewiß sonst nirgends in ganz Berlin !" fuhr es mir durch den Kopf, schon sicher nicht in meiner neuen Gegend." Es ist sonderbar, aber dieser alberne, lächerliche Gedanke, dessen ich mich entschieden schäme, machte es mir bewußt, daß ich nun fortziehe.
Die Straße und das Haus und die Leute, mit denen ich zu: fammen wohnte, das alles, was ich ein halbes Jahr hindurch täglich gesehen habe, drängt sich, als ich wieder in meiner Kammer fige, auf einmal mit Hartnädigteit in meine Gebanten. Die Straße hat ihr eigenes Leben und das Haus mit dem Hof und die Menschen; aber sie sind durch eine traurige Parallelität des Schicksals mitein ender verbunden. Es ist wie in einem großen Roman, in dem sich alles dem Ende entgegenformt, aber es liegt nicht fern wie dieser, fondern gang ganz nahe dem eigenen Sch".
Die Häuser find alt. Sie werden abgerissen, neue aufgebaut. Smmer geht man an Bauzäunen entlang. Die Straße ist so ständig in einem llebergangsstadium. Daneben sind Geschäfte, die pleite machen, und andere, die einen unvermuteten Aufschwung nehmen. Eines jeden Schicksal vollendet sich hier rasch, schneller als andersmo, und die ganze Straße ist 3euge. Sun Berbergen, ainm fchonungsvollen Raschieren bleibt feine Zeit.
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Eine Geschirrhandlung war in der Straße, zwei große Schau fenster mit Ware. Jeder konnte sehen, daß die Geschäfte nicht recht gingen. Also rote Zettet mit: Bollständiger Ausverkauf". -Ein paar Tage lang billige Töpfe und Pfannen. Der Rest wird dann eines Morgens auf einem Wagen fortgebracht. Vorbei. Aus. Wenige Tage später drängen sich schon wieder die Leute vor den felben Scheiben. Ein Damenmodenhaus" hat sich im gleichen Laden etabliert.
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Nichts scheint gewiß in dieser Straße, nichts als der Zusammen bruch hat hier feine sichere Heimat. Dit stehen an den Eden Straßenverläufer, ein offenes töfferchen vor sich mit unwahrschein lish billigen Dingen, waren aus der Konkursmasse irgendeiner großen Firma. Unverrüdbarer aber noch in ihrer Eristenz hier als die Straßenverkäufer sind die geschminkten Mädchen, die nach mittags und abends und die ganze Nacht durch bis in die Morgen stunden an den Eden auf und ab promenieren. Sie sind immer da. Vielleicht sind sie das einzig Bleibende und wirklich Fest stehende, sie gerade, die gestrandet, die ganz entwurzelt sind.
Das Haus, in dem ich wohne, ist schäbig und all. Oft funktio niert das Licht nicht, und manchmal läßt sich die Haustür nicht richtig fließen. Es ist ein Haus, das so, wie es ist, gerade in die Straße paßt.
Su Beginn meiner Aera war ein munteres, verträgliches Leben in der Wohnung. Alles war beseyt. Die Wirtin hatte nur ein Simmer für fich beholten, und das teilte jie noch mit einer Bettgeherin. Als die auszog, nahm sie gleich eine neue, eine hübsche Blonde Berkäuferin. Das große Hinterzimmer bewohnte eine Mutter samt Tochter und Bräutigam. Borne heraus" hatte ein schon längere Jahre verheiratetes, aus Mecklenburg stammendes Ehepaar gemietet, und in der früheren Badestube haufte ich. Alles wäre ruhig und friedlich geblieben, hätte die Wirtin nicht das blonde Fräulein genommen und wäre nicht Mutter samt Tochter und Bräutigam ausgezogen und statt ihrer ein zweites Ehepaar gefommen. Leute vom Lande. Der Mann war von Beruf Bauarbeiter. Die Frau hatte einmal früher bei einent Studienrat in Lichterfelde als Mädchen gedient und war selig, endlich wieder in der Großstadt zu sein. Sie war glücklich über den Gaskocher in der Küche und daß man das Wasser nicht vom Hofe holen mußte, und dann noch elektrisches Licht überall! Dem Mann hatte man Arbeit versprochen, und sie wollte sich eine Stelle als Aufwartung suchen. Vorläufig war aber jedenfalls noch etwas Geld da, denn die Frau hatte, als sie nach der Stadt zagen, ihr kleines Erbe ver= tauft.„ Wenn wir dann überhaupt erst beide verdienen, dann merd'n wir uns schon feste was spar'n", sagte die Frau.
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In der Küche sprachen wir immer alle zusammen. Die beiden alten Frauen und die Wirtin redeten vom Kochen, und die Männer famen nachsehen, wie lang's noch dauert. Am Sonntagnachmittag haßen die neuen in ihrer Stube, und das andere Ehepaar tam zu ihnen auf Besuch. Der Mann war euch lange schon ohne Arbeit, aber er hatte auch nicht einmal eine Aussicht, welche zu bekommen. Seine Frau war flink und geschickt und nähte für ein Geschäft Blufen, Stück zu 60 Pfennig. Er hingegen ging stempeln, lang weilte fich, und wenn er fonnte, verschwand er ins Wirtshaus auf
einen Stat
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An einem solchen Sonntagnachmittag tam ihm der Gedanke: mal mit dem andern zusammen loszuziehen". Die Frauen machten Einwände, aber nach einer halben Stunde gondelten die beiden Kanaliere doch los. Die vom Lande legte fich gleich nachher zu Bett. Die andere, mütend, zog ihr bestes Kleib an und entschied ich pafir, mit der blondan Berkäuferin in ein Tanglokal zu gehen. Die beiden Kanaliere zogen gegen 4 Uhr früh mit leeren Lafchein heim Beim Stat verloren.--- Einige Tage später tam es aber heraus, daß fie das Geld mit Frauenzimmern vertan batten. Es gab Standal und Tränen, nicht sehr arg, aber die Stimming blieb von nun an gedrückt. Die Männer gingen zuweilen gemeinsam weg, Tags aufs Arbeitsamt und auch andersmohin. Die Flinte nähte meiter Blusen fürs Geschäft, aber sie beste fich with fe. Die embere fand eine Stelle als Aufwartung und
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Abwäscherin in einem Meinen Café. In der Früh um 7 Uhr ging fie fort und fam erst abends wieder. Sie bekam volle Ber: pflegung und brachte den größten Teil davon nach Hause.„ Ein Mann ber muß doch ordentlich zu essen haben!" Manchmal war er nicht da, menn fie fam, dann wußte sich die Frau vor Unruhe und Unrast nicht zu lassen. Sie ging vom Zimmer in die Küche immer hin und her, framte nervös in sämtlichen Schüben und Käften bei sich und legte sich dann schließlich zu Bett.
Bielleicht, daß sie an diesem Abend noch unruhiger gewesen war? Ich weiß es nicht mehr. Es war schon spät nachts, aber das Licht brannte noch bei ihr im Zimmer. Ich konnte es vom Fenster meiner Stammer aus sehen.
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Die Flurtür wurde geöffnet und wieder abgeschlossen. Der Mann war nach Hause gekommen. und ich möcht wissen, was de mit die jemacht hast, mit die zwanzig Mart, hörste?" Da... haste dafür, da!" Irgend etwas, ein nasser Lappen oder ein Handtuch, flatschte auf nadies Fleisch. Noch!... noch!„ Sei du nur janz schichtern, sei du nur janz schichtern In einer Nacht geschah es zum erstenmat. In der Straße weht eine scharfe Luft. Resch, vorwärts, eines jeden Schicksal muß sich hier bald
rollenden.
TIKE POST
Die Frauen sind nicht mehr sehr befreundet. Der hat bloß mein Mann verdorben, vorher war der gar nich so!" sagt jede. Auch die andere Frau scheint jetzt mandymal Arbeit außer Hause zu haben. Ihr Mann muß meistens selbst für fich fochen, und das blonde Fräulein, sie ist übrigens inzwischen auch stellungsles geworden, hilft ihm aus Gefälligkeit öfter dabel.
Cines Morgens bekommt die Grou ,, unerwarteten Besuch".. Es ist der Tag, an dem ihr Mann immer stempeln geht. Kaum ist der meg, padt fie in fieberhafter Eile ihre Sachen zusammen. Schon den Koffer in der Hand, reißt sie bei der Berläuferin noch die Tür auf:„, So, jetzt fönnen Sie sich mit meinem Mann alleine amüsieren" und peng fnafft hinter ihr die Tür ins Schloß. Die Frau ist also dem Mann davongelaufen. Er schreibt ihr eimmal, zweimal, hofft ein paar Tage lang, daß sie vielleicht doch wieder zu ihm zurückkehrt. Dann sieht er ein, daß seine Be
Borchardt:
mühungen hoffnungslos find. Am 15. hat er gefündigt. Er wird fich jetzt ein fleineres 3immer nehmen.
Der Bauarbeiter hat noch immer feine Arbeit befommen. Der andere hat zum Bummeln feine Lust mehr, so zieht er alleine los. Wenn die Frau deswegen einmal aufmuckt, so drischt er sie:„ Der wird die Frau noch mal totschlagen", sagen die Leute im Haus. Sie haben oft Gelegenheit, es zu sagen. Eines Tages, vielleicht war der Mann noch rabiater als sonst, haben, s die Leute mit der Angst bekommen und haben die Polizei geholt. Edhutzleute tamen in die Wohnung, zwei, drei, und schaffen Ruhe. Es gibt großes Aufsehen im Haus, und die Wirtin sieht sich genötigt, den beiden zu fündigen. So' ne Schande fann ich in meiner Wohnung nicht dulden."
Die werden also auch ziehen... und überhaupt in Berlin ". sagt die Frau einige Tage später zu mir ,,, wissen Se, da ist wirklich nischt los, reine jar nischt." Boll Berachtung sagt sie das und ist in Wirklichkeit nur fürchterlich beschämt und enttäuscht. Das blonde Fräulein wird zu ihrer Tante ziehen. Sie ist ja cuch arbeitslos, und dort kann sie umsonst wohnen.
Die Wirtin wird allein zurückbleiben. Vor faum mehr als einem Monat, mie sonderbar, dachte noch feiner an wegziehen. Keiner ahnte sein Schicksal. Vielleicht wäre dies anderswo mit ihnen allen milder gewesen und hätte länger gezögert sich zu erfüllen oder hätte wenigstens den nahenden Zusammenbrach schonungslos vor fremden Augen verborgen.
Ich werde jetzt in eine andere Straße ziehen, wo die Häuser ruhig und gepflegt sind und Leute mit menigftens nach außen hin gesichert erscheinender Existenz wohnen. Auch ihr Leben wird sich vielleicht nur durch eine dünne Wand von mir getrennt abspielen, aber ich werde wahrscheinlich nichts von den Erschütterungen ihrer Existenz mahrnehmen. Und es wird, wenn ich schon längst wieder weggezogen bin, sich ihr Leben kaum von einer Phase zu seiner nächsten gemandelt haben.
Der Schwanz des Eichhörncheus. Wenn wir ein Eichhörnchen gewandt daherfaufen fehen, fällt uns nicht zum menigsten sein langer buschiger Schwanz auf. Dieser soll aber nicht die Schönleit des Tieres erhöhen, sondern er dient ihm während des Sprunges auf den Bäumen gewissermaßen als Fallschirm, als Balancierstange und als Steuerrute. Der Schwanz fördert die Weite der Sprünge, hilft dem Körper das Gleichgewicht halten und befähigt das Eichhörnchen, selbst während des Sprunges die Richtung zu ändern.
Der Raman- Effekt Erna Bilfing: Arabische Namen
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Wer ist Raman und was ist der Raman Effett? Beide Worte sind in sehr vieler Leute Munde, ohne daß diese doch eine bestimmte Borstellung damit verbinden. Zwar wer Raman ist, weiß man zur Not noch; Tschandrasechar Bentatram Raman ist ein jüngerer indifcher Physiker, der in Kaltutta mirtt und vor wenigen Wochen mit dem diesjährigen Nobelpreis für Phyfit ausgezeichnet wurde, und zwar für feine Arbeiten auf dem Gebiet der Lehre von Licht, insbesondere für die Entdeckung einer neuen Erscheinung, die man eben nady ihm den Raman- Effekt nennt. Benn es nach Einsteins treffendem Wort beschämend ist, daß so viele Menschen die Darbietungen des Rundfunks gern an annehmen, ohne pon seinen Grundlegen mehr zu wissen als die Kuh von den Eigenschaften der Pflanzen, die ihr zur Nahrung dienen, so sollten auch alle, die von Raman und dem Raman- Effekt sprechen, persuchen, sich eine Vorstellung davon zu bilden, um mas es sich dabei handelt, llebrigens ist es überaus interessant, daß die neue es Erscheinung, die Raman vor 2% Jahren nachweisen fonnte, fcjon fünf Jahre vorher von einem beutfchen Phyfiter, Adott Smetai, auf Grund logischer Ueberlegungen vorhergesagt wurde. Er ging dabei von der modernen von Pland und Einstein begründeten Lehre pon den Lichtquanten aus, wonach in Lichtwellen sogenannte Lidytquanten vorhanden sind, welche bestimmte Energiequanten mit sich tragen. Stoßen nun solche Lichtquanten mit den fleinsten Teilchen der Körper, in die das Licht eindringt, zusammen, so fann es nicht ausbleiben, daß verschiedentlich Lichtquanten Energie an die Körperteilchen( Moleküle) abgeben und mit geringerer Energie weiter gehen. Nach der Quantenlehre hängt aber die Energie der Lichtquanten mit der Farbe zusammen; je mehr diese sich dem violetten Ende des Spektrums nähert, um so größer ist die Energie, je meiter die Farbe nach rot liegt, um so geringer ist die Energie. Berfieren also Lichtquanten violetten Lichtes einen Teil ihrer Energie, so muß das Licht in seiner Farbe geändert werden.
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Diese Erscheinung als wirklich vorhanden nachzuweisen, gelang Raman nach angestrengter fünfjähriger Arbeit, die die Experimentierkunst die höchsten Anforderungen stellte. Als Lichtquellen kann ntaürlich nicht das weiße Licht der Sonne oder einer Bogenlampe benutzt werden, in welchem alle möglichen Farben arten vorhanden sind, wie man ja bei der Zerlegung in ein Spelirium erkennt, denn das Spektrum besteht aus einem von violett bis rot reichenden Farbenband. Raman benutzte das Licht glühenden Quecksilberdampfes, das bei der spektralen Berlegung einzelne getrennte helle farbigen Linien zeigt. Läßt man falch Licht, durch eine Linje fonzentriert, in eine flare Flüssigkeit fallen, so erblickt man darin einen sehr schmach bläulich leuchtenden Kegel, dessen Licht bei spektraler Zerlegung wieder die Linien des Queck silberdampjes( kurz gesagt die Quecksilberlinien) zeigt. Raman gelang nun der Nachweis, daß entsprechend der Voraussage Smetals neben den Quecksilberlinien noch andere nach dem roten Ende des Spektrums perschobene Linien auftreten, die eben den RamanEffekt darstellen.
Bei der großen Lichtschwachheit der Erscheinung fann fie nur mit Hilfe der photographischen Platte nachgewiesen werden, die ja auch die schwächsten Lichteindrüde bei genügend langer Belichtung aufnimmt. Um was für geringe Lichtstärken, um was für zarte Erscheinungen also es sich handelt, und welche Geduld zum Nach meis gehörte, wird einem flar, wenn man hört, daß bei den ersten gelungenen Versuchen Ramans Belichtungen bis zur Dauer von 100 Stunden notwendig waren, um das Spektrum des bläulichen Lichtschimaners mit den gegen die Quecksilberlinien verschobenen Linien auf der Platte sichtbar zu erhalten. Seitdem ist in allen Kulturländern an dieser Erscheinung vielfach gearbeitet und die Technik erheblich verbessert worden, so daß man heute mit Belichtungen von 2 bis 2½ Stunden auskommt.
Einen unmittelbaren prattischen Nutzen hat die Erscheinung, von der mir hier nur den einfachsten Grundzug schildern können, durchaus nicht, und es ist auch gar nicht abzusehen, ob sie ihu je Danach fragt ja aber der Forscher, der die uns erlangen wird. umgebende Natur zu erkennen sucht, in feiner Weise, ihn treibt lediglich der Erkenntnisdrang, in beffen Befriedigung er seinen Bohn und sein Glück findet. Die wissenschaftliche Bedeutung der Ramanschen Entdeckung liegt in der schönen Bestätigung, die die Quantenlehre durch sie gefunden hat, und in den vermehrten Einbliden, die sie uns in die innersten Borgänge der fleinsten Körperteilchen zu geftatten verheißt.
Die arabische Kultur ist uralt, fie tft von größtem Einfluß auf Europa gewesen und doch ist sie uns im Wesenstern heute wieder fremb. Es mangelt an den richtigen Bermittlern. Wir lesen Reisebeschreibungen über Arabien , die im leichten Plauderton zufällig Interessantes für Typisches ausgeben, wir bekommen politisch oder wirtschaftlich gefärbte Berichte zu Gesicht, die letzten Endes persuchen, den Leser in den Interessenkreis des Schreibers einzuspannen und
Arabien selbst bleibt uns fern. Es hat bestimmt enorme Schmierigfeiten für den Europäer, sich geistig mit ihm bekannt zu machen, da die arabische Sprache zu den schwersten Sprachen der Welt gehört. die nur ein ganz besonders Sprachbegabter lernen fann, falls er in der Lage ist, diesem Studium mehrere Jahre seines Lebens zu opfern. Ein interessantes Kapitel sind schon die arabischen Namen, Bei ihnen ist ein großer Unterschied zu machen betreffs der Zeit por und nach dem Islam . Während vor dem Islam die Kinder nach Steinen, Tieren, Blumen, Waffen und Naturereignissen genannt murben, tritt nach der Stiftung der neuen Religion durch Mohammed in ber Ramensgebung ein bedeutender Umschwung ein. Alte Namen 3. B. sind Essad( Löwe), Djahsch( Esel), Thaalaba( Fuchs), Hadichar ( Stein), Saif, Feissal, Hisam( Schwert), Bart( Bliz), Abd Schams ( Sklave der Sonne) usw. Nach Mohammed aber gab man den Kindern die Namen des Propheten und seiner ersten Gefährten. Ebenso wählte man die Bezeichnung der guten Eigenschaften als Bornamen. Darin liegt eine ganz ungeheure, fein durchdachte feelische Beeinflussung; denn der Mensch, der seinen Namen pollinhaltlich fennt, ist bestrebt, ihm gerecht zu werden. Die Erziehung tut dann das ihrige, damit das Kind sich seinem Namen gegenüber verpflichtet fühlt. Wie eben im ganzen ikamischen Orient nicht der durch irgendwelche Zufälligkeiten berühmte Mann, sondern der gute Mensch als Borbild dient. Tagesberühmtheiten und Reichtum spielen feine bedeutende Rolle, der gute, weise Mensch aber hat tiefen Einfluß im Bolt.
Bei den Namen unterscheidet man, auch heute noch, drei Kategorlen. Ism( Borname), Kunia( Familien oder Stammesname) und Lakab ( Spigname). Untereinander nennen sich die Araber nur mit ihrem Bornamen. Die Familiennamen hingegen sind vielfach identisch mit den Stammesnamen, wie überhaupt in der arabischen Gesellschaft Stamm und Famille nicht poneinander zu trennen sind. Diese Namen zerfallen, nach der Größe des Stammes, in Untergruppen oder, durch Wanderungen usw. hervorgerufen, in Abänderungen. Dabei ist in Arabien die Familien- und Stammesfunde außerordentlich genau überliefert. Während man in Deutschland jetzt erft begint Bürger und Familienfunde zu treiben, ist dieses Wissen um die Vorfahren in Arabien auf das allersorgfältigste gepflegt. Der einfache Mann in Deutschland , der in der Schule freilich start mit dem Auswendiglernen der Herrscher- und Fürstenfamilien in Haupt- und Nebenlinien behelligt wurde, weiß faum, mas seine Großmutter für eine Geborene ist. In Arabien jedoch tönnen piele Familien 1500 Jahre und noch mehr zurüdrechnen.
Der Spitzname fann von ungeheurer Bedeutung werden. Es ist sehr üblich, sich seiner zu bedienen und die Gemeinschaft warnt fich förmlich vor einem Menschen, der einen schlechten Spitznamen hat. Wieviel man auf einen Beinamen gibt, mag folgende lleine Geschichte erläutern. Ein Herrscher hatte einen thm politisch unangenehmen Menschen aufhängen lassen. Da ward aber der Hingerichtete von Dichtern besungen, die ihm einen guten Namen beilegten. Die Lieder drangen ins Bolt, wurden Allgemeingut und der ehrgeizige Herrscher sagte traurig: ,, Ach, wäre ich doch der Aufgehängte". Er wußte ganz genau: Mein Name wird vergessen, jedoch der Mensch, bem man die vielen guten Eigenschaften nachrühmt, deffen Andenken bleibt, denn es lebt fort im Herzen des Bolkes".
Für die Frauenvornamen wählt man meistens Blumennamen oder die Namen der Frauen, die im Leben des Propheten eine Rolle spielten. Das waren Wijcha, Khadidscha, Zeinab als Grauen, Fatima als Tochter, Nemina als Mutter. Unter den Blumennamen hat man viele Zahra( Blume), Barda( infe) und Nardschis( Marziffe). Sehr oft marden Frauen mit Stofenamen gerufen, mobel aus Aemina Ammum wird, was so niel bedeutet, als ob wir unsern Bornamen ein ,, chen" ader fein beifügen. Die Frau behält auch in der Ehe ihren, das heißt, ihres Baters Stamunesnamen; denn daß die Frauen, als ob sie Sachgut wären, mit ihrer Berheiratung den Namen ihres Mannes annehmen, diese Mode blieb der europäischen Kultur vorbehalten.