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Beilage

Mittwoch, 7. Januar 1931

onoiff anis asun Der Abend enie

Die andere Stimme

Eine abenteuerliche Geschichte/ Von Heinrich Hemmer

Ein spaßiger Nachmittag.

Die Sache begann vergnüglich in einem Kaufhaus. Eva ist dort Leiterin einer Abteilung für Stimmaufnahmen auf Schallplatten, die eine französische Firma aus Aluminium zu einem ganz niedrigen Preise herstellt und die die Passanten, die sich hier mehr oder weniger dilettantisch produzieren, auch gleich mitnehmen fönnen... eine nicht uninteressante Beschäftigung. Die junge Frau war, bis ein gewiffer mysteriöser Mensch auftauchte, bei bestem Humor trotz des großen Andrangs in den Wochen vor den Feiertagen, oder gerade deswegen.

zu

Vor einem Mahagonitämmerchen, wo( ähnlich wie beim Photographen das Aeußere) des Menschen Stimmbild me­chanisch festgehalten wird, stand meist eine lange Schlange von Männern, Frauen und Kindern mit den verschiedenartigsten An­liegen. Das war ich ja eben aufgefordert worden, mir mitanjehen su fommen: wie lebhaft es hier im Vergleich zum Photographen zugeht, was für furiose Ideen Leute haben und wie sonderbar sie sich vor dem Mikrophon anstellen, einem mechanischen kleinen Stilohr, das in geduldiger Unparteilichkeit jedes vor ihm ge­machte Geräusch verewigt. Die meisten Kunden( fonnte ich heimlich feststellen) haben eine Heidenangst vor dem Ding, mie Kannibalen vor einer Kamera. Debütanten werden Opfer des Mikrophon­fiebers, Schmeiß bricht auf ihrer Stirn aus., hilflos würgen fie an einem Monolog, verhaspeln sich in der Rede oder verlieren sich auf dem Notizenzettel, darauf unweigerlich viel zu viel oder viel zu wenig steht( so falsch schätzt man eine Sprechminute ein).

Hauptsächlich werden gefühlsmäßig eingestellte Mitteilungen ins Mitrophon hineingesprochen( ,, Dein ist mein ganzes Herz"), Liebes- und Glückwunschbriefe schickt der moderne Mensch in rasch zunehmendem Maße zum Runterspielen auf Aluminiumblech. Die hellen Stimmen zweier feder, einander vom Mikrophon wegstoßen­der, ihre hinterpommersche Großmutti gereimt oder ungereimt gratulierender Kinder flangen erfrischender auf der Platte als die Bruft- und Herzenstöne vieler experimentierender Erwachsener.

Die Firma"( sagte mir die leitende Eva, sich mit ihrer Firma identifizierend, als sei's ihre Familie) hat an allen Ecken und Enden ter Belt Filialen: man berlinert in die tiefste Provinz hinein und es wird zurückgefächselt und geschwäbelt; von England wird herübergespoten und zurück radegebroken, ja man mcg heute unterin Christbaum ohne weiteres die Stimme feines in Afrika Löwen schießenden Sohnes hören: fo weit haben wir's gebracht.

Nun weiter: In der Mahagonizelle fiel mir ein klavier und ein Biolin pult besonders auf: Dinge, die u. a. dazu dienen mögen, murfitatisch unterstüßte Liebesanträge in die Welt hinaus­aufenden. Ein dider Herr hielt vor dem Mitrophon eine chungnolle Tischrede, was wohl den Vorzug hat, daß man sich bei dem Anlaß selbst zutrinten und hört, hört!" zurufen tann. Unter 3uziehung einer rabiaten Zimmerwirtin wurde ein sicher effeftvoller dialogifierter Berzweiflungspumpbrief an einen Studentenontel ge­sprochen. Als Darsteller jaulte ein Forterrier ins Mitrophon, nach dem die holde Herrin sein Hundeherz durch ein Lehár- Lieb gerührt. Allerhand für einen Nachmittag.

Die Sache macht Spaß. Ich kam des öfteren Eva im Kaufhaus besuchen. Bald bemerkte ich, daß das Mahagonikabinett auch seine Stcmmtunden hatte. Künstler. So die Halbprominenten, imentinegt meiterstrebende Schauspieler ließen sich Schall plattenproben von neuen Rollen anfertigen: Rollen der zahmeren Sorte. Die höchsten und tiefsten Stimmlagen, in denen sich z. B. ein Othello gefällt, fommen auf Aluminium nicht so gut wie auf Wachs zur Geltung, welch lekteres( fagt Eva) freilich auch das Bierzigfache foftet und drei Tage statt Minuten in Anspruch nimmt. Mufiter fragten, Sänger frähten, Deflamatoren tobten, und dazwischen schlüpften füße fleine Konservatoristinnen ins Mahagonistübl, um auf Schallplatten ihre Fortschritte zu verfolgen. ihre Fehlerchen zu forrigieren, ihre Lebensberechtigung objektiv etnzufchäzen.

Ein unheimlicher Besuch.

Elühend- gesunde Evchen war ängstlich, unsicher, verträumt geworden, oft zeigte sie sich hinfällig und geistesabwesend: die andere Stimme" hatte sich ihrer bemächtigt, und eines Tages lief fie milten während ihrer Dienststunde aus dem Kaufhaus und...

,, Ich lief durch Straßen und Stadtviertel gegen oder zumindest ohne meinen Willen( erzählte sie drei Tage später, als wir sie wie in den beiden vorhergehenden Tagen abends von einer vergeblichen Streife nach ihr zurückkehrend, zu Hause vorfanden), von überall drang die Stimme des Phantoms auf mich ein. Die andere Stimme dirigierte mich wie ein Dämon. Lann war mir's, als fei die andere die böse eigene Stimme, die mir Gelüfte zu rounte, die ich mir nie im Leben eingestanden hätte. So muß die Schlange zu jener anderen Eva im Paradies gesprochen haben, und ebensowenig konnte diese Eva widerstehen. Ich griff in wachsender Gier und mit Grauen zugleich nach allem, was ich paden konnte. Ich erlebte hundertfach den Sündenfall des Menschen an

mir."

Von allen Schreden der Erinnerung übermannt hielt Eva plötzlich in ihrer Rede inne, und so sehr der junge Ehegatte, der auf das Wort von den 100 Sünden einen begreiflichen Anfall von Eifersucht beftam, in sie drang, ihm zu beichten, was denn in den dreimal vierundzwanzig Stunden vorgefallen fei, war feine Silbe mehr aus der jungen Frau herauszukriegen.

Schon am nächsten Tag war sie wieder im Kaufhaus. Es herrschte jetzt nach den Feiertagen eine üble Flaute auch im Schall­plattengeschäft. Eva stand müßig und horchte nach der Konkurrenz abteilung hinüber, wo auf einer Wachs platte eine Stimme laut wurde, überlaut, als ich mit ihrem Mann gegen Geschäftsschluß eintrat: wir wollten sie vorsichtshalber abholen.

Kaum hatten wir uns aber einen Augenblid gefeßt, fpring! plöglich Evas Mann freidemeiß vor Erregung auf, und als ich mich

Shalausgabe des Vorwäre.

ambrehe: wer tommt auf das verlassene Mahagonizimmer zu ge­Schritten?

-

das Phantom"!

Die absolute Unbefangenheit, mit der der Mann eine Drei­minutenschallplatte bestellte, entwaffnete uns alle, fogar Eva. Ich hätte gedacht, daß sie bei seinem Anblick zurückprallen würde, sie entwickelte aber einen uns merkwürdig anmutenden Geschäftseifer und verschwand mit dem einzigen Kunden des Tages gegenüber, wie sie sich ausdrückte, im Mahagonizimmer. Die Platte wurde aufgenommen, probiert, bezahlt und mitgenommen- dem Phantom aber heftete sich mein Freund auf die Fersen, mir zuwinfend, ich solle bei seiner Frau zurückbleiben.

Als Eva sich anfleiden gegangen und ich in ein Gespräch mit einem der Kaufhausdirektoren geraten war, der troz Flaute bei bester Laune schien, tam mein Freund zurüď.

,, Wo warst du?"

., Bei der Kriminalpolizei

lassen."

,, Wer ist er?"

,, Ein Heiratsvermittler." ,, Gauner?"

,, Richts nachzumveisen."

den Mann feststellen

Ich erzählte die geheimnisvolle Geschichte dem Direktor. ,, Sie sehen alfo Ihren Irrtum ein", sagte der Kaufhausbonze lachend.

,, Wieso?" fragte ich etwas verärgert ,,, Können Sie mir viel. leicht eine bessere Erklärung geben?"

,, Allerdings." Der gewichtige Herr steckte sich eine Zigarre in das rote Gesicht. Zugegeben Ihre Theorie von der anderen Stimme. Aber den Urheber haben Sie nicht herausgefunden. Eve ist ganz anderen Phantomen nachgejagt, nicht die Stimme des Heiratsvermittlers hat die Kleine Frau durch alle Straßen Berlins   getrieben und-hundert Sünden begehen lassen..." ,, Sondern?"

,, Sondern der Stimme des Inventurausverkaufs ist sie erlegen. In ihrem Einkaufstaumel hat sie bundert unnötige Dinge gekauft und dann traute sie sich drei Tage nicht nach Hause." ,, Stimmt's?" lächelte der Direktor Eva zu.

Eun wurde rot bis unter die Haarwurzeln und beinahe märe fie wieder fortgelaufen.

Aus Bölsches Erinnerungen

Jugendtage des deutschen   Naturalismus

Am 23. März 1890 brachte das Berliner   Boltsblatt" einen Aufruf Billes zur Gründung einer Freien Boltsbühne. In dem Aufruf hieß es unter anderem:

,, Das Theater soll eine Quelle hohen Kunstgenusses, fittlicher Er hebung und träftiger Anregung zum Nachdenken über die großen Zeitfragen fein. Es ist aber größtenteils erniedrigt auf den Stand­puntt der faden Salongeiſterei und Unterhaltungsliteratur, des Solportageromans, des 3irfus, des Bigblättchens. Die Bühne ist eben dem Kapitalismus unterworfen, und der Geschmack der Maffe ist in allen Gesellschaftstlassen vorwiegend durch gewisse wirt­fchaftliche Zustände korrumpiert worden. Indessen hat sich unter dem Einflusse redlich strebender Dichter, Journalisten und Redner ein Teil unferes Volkes von dieser Korruption befreit. Haben doch Dichter wie Tolstoi   und Dostojewski  , Zola, Ibsen   und Kieland, sowie mehrere deutsche Realisten" in dem arbeitenden Bolte Berlins   einen deutsche Realisten" in dem arbeitenden Bolte Berlins   einen Deffentliche Aufführungen von Resonanzboden gefunden.

Stüden, in denen ein revolutionärer Geist lebt, scheitern aber gewöhnlich am Kapitalismus  , dem fie fich nicht als Raffenfüller erweisen, oder an der polizeilichen Zensur. Diese Hindernisse bestehen nicht für eine gefchloffene Gesellschaft. So ist es dem Berein Freie nicht für eine geschlossene Gesellschaft. So ist es dem Verein Freie Bühne  " gelungen, Dramen der angedeuteten Richtung zur Aufführung zu bringen."

Die ,, Volksbühne" und der Naturalismus. Die ,, Freie Bolfsbühne" tnüpfte also direkt an die Freie Bühne  an, und gerade diese Bühne wurde zu einem wesentlichen Stüßpunttbernaturalistischen Bewegung überhaupt. Im ersten Ausschuß der Freien Boltsbühne" Berlins   faßen die grundsäglichsten und folgerichtigsten Vertreter dieser Bewegung: Curt Baate, Otto Brahm  , Wilhelm Bölsche  , Julius Hart  , Conrad Schmidt   und Richard Baginsti. Später nahmen den regsten Anteil an den Ausschußverhandlungen Mag albe. Otto Erich Hartleben   Dr. Friz Mauthner. Unter den ersten Revisoren ragten Wilhelm Werner   und Alwin Gerisch   besonders hervor. In ihren Kassierer Karl Wild berger fügte sich die Freie Boltsbühne eine sehr bedeutende propa­gandistische Kraft ein, die nun eine enge Hautfühlung der Wortführer der jungen naturalistischen Richtung mit der aufstrebenden sozia­der jungen naturalistischen Richtung mit der aufstrebenden fozia

Am häufigsten kam jedoch ein Mann, der allem Anschein nach weder Neigung noch Begabung für irgendeine Kunstgattung, selbst nicht die des Bortrags an den Tag legte. Um so auffallender war das geradezu fanatische Interesse, das er an feiner Stimm­wirkung nahm. Der Mann tam öfter und öfter, schließlich ließ er sich jeden Tag eine Platte zu 1,50 und bald auch größere an­fertigen, die alle ausgezeichnet gelangen. Geradezu unheimlich war das Mißverhältnis des Aeußeren des Mannes( inklusive seiner Stimmittel) zu seiner Wirkung. Ein unansehnlicher, farbloser Mensch mit indifferenten Gesichtszügen, so sehr ohne besondere Merkmale", daß man sich faum etwas Bestimmtes von ihm ins Gedächtnis zurückrufen konnte, übt eine ungeheure Sprachy respet- listischen Arbeiterschaft herstellte. Auch in den Ordnern der Freien tive Sprechwirtung aus, obwohl er distret, sozusagen zart spricht, wie ein hypermoderner leiser Schauspieler, nur nicht elegant wir­fend, sondern magisch- suggestiv. Intonation und Artikulation der gesprochenen Worte verschmolzen vollständig mit dem Sinn, so daß das Wortgebilde, das zumeist eine Aufforderung enthielt, wie eine Art Geisterbefehl in der Luft hing.

Es war eine Folge einfachster Sätze, die der Mann ins Mikro­phon sprach, wie etwa: öre auf die andere Stimme"... a ft e"..

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So seltsam das war, nahm man schließlich die Tatsache hin mas mir zunehmend Kopfzerbrechen machte, war das Warum: der 3 week dieser geheimnisvollen Schallplattenexperimente. Das Phantom strebte( offensichtlich) nicht die musikalische Klangfarben, noch die plastische Bühnenwirkung des Sängers oder Schauspielers Das Phantom wollte so schien an, noch den Rednererfolg. mir überhaupt nicht beeindru den, sondern beeinflussen. Diese fonderbar geschmeidige Stimme sollte unmittelbar ins Leben eingreifen. Rann nicht die bloße Stimme Menschen unterwerfen, tönnen nicht függestive Zuflüsterungen sein Leben nach Belieben lenten? Das Phantom mußte ein Verbrecher sein Ein Ber­brecher, der sich durch Stimmsuggestion seiner Opfer bemächtigt und fte beherrscht, che es etwas davon ahnt So schien mir, denn

Gin furchtbares Geständnis.

Voltsbühne gewann der junge Naturalismus eifrige Werber; wir nennen hier nur Paul Pawlowitsch und Robert Berger. Die Verbindung der Berliner   Arbeiter mit Dr. Bruno Wille   und Wilhelm Bölsche   in Friedrichshagen   wurde für die Fortent wicklung des Naturalismus sehr fruchtbar. Einen vielföpfigen, recht cftiven Choros hatte nun die junge literarische Bewegung gewonnen. Recht tatkräftig griff in die soziale und literarische Bewegung dieser Tage die Zeitschrift Freie Bühne  " unter der Leitung Wilhelm Bölsches ein. In den von der naturalistischen Richtung ergriffenen Arbeitertreisen ging die Freie Bühne  " oft von Hand zu Hand. Eine freie sozialistische Weltanschauung tam hier sieghaft zum Durchbruch. Bölsche  , Bruno Wille  , die Gebrüder Hart gaben dieser Beitschrift das Programm. Es war eine Freude." so bemerkte Bölsche   ,,, wie rasch sich ein wirklich fest geschlossener und dabei doch vielseitiger Kreis auf diesen Ton zusammenfand. Alles in allem war es ja eine töftlich unruhige, aber überall ringende, gebende, hoffnungs freudiae Zeit damals, um den Anfang der neunziger Jahre. Aus den Mitarbeitern formte sich ein immer wachsender Freundesfreis. Wenn ich heute meine literarischen Duzfreundschaften zusammensuche, fo stammen fie fast alle aus diesen Tagen. Und alle diese Freunde, Helfer, Berater, diese luftige Redaktion aus Mitarbeitern, fammelten sich in Friedrichshagen  . Denn das muß ich doch sagen: eine gemüt­liche Redaktion war es."

Um das grüne Friedrichshagen   und um die grünen Hefte der Ena mar eines Tages verschwunden. Das Wesen der jungen Freien Bühne" drängte fich bald ein junger hoffnungsgrüner Kreis Frou jetzt fiel mir das erst auf hatte sich immer mehr ver naturalistischer Dichter, fozialistischer Schriftsteller und aufstrebender ändert, je häufiger der seltsame Kunde fich eingestellt und je mehr Arbeiter. Bölsche   sagt mit Recht: Im Grünen wurden die Hefte der Edhallplatten fie von ihm durchprobiert hatte. Das frisch lächelnde,., Freien Bühne" ausgeheckt, und die Debatten vorher und nachher

sind durchweg viel hübscher gewesen als alles, was in den Heften gedruckt stand." Im Friedrichshagener   Kreise bahnte sich eine ideale Gemeinschaft von geistigen und körperlichen Arbeitern an. In ihm glänzten neben Wille und Bölsche   die Gebrüder Hart, Mar Halbe, John Henry Maday, Wilhelm Hegeler  . Richard Dehmel   Otto Erich Hartleben   war ein jeltener Gast in Friedrichshagen  ; ihn hielt sein Bilsener Stammtisch in Berlin  feft. Dann tam ein erotischer Zug" in das Friedrichshagener   Bild. Mit Ola Hansson   und Laura Marholm   tauchte Strindberg auf. ,, Die Weber  " und Max Baginski  .

Wilhelm Werner   und Karl Wildberger, die Führer der Jungen", maren politisch und weltanschaulich durch viele starte Fäden mit Friedrichshagen   verknüpft. So manche politische Aktion ist in Friedrichshagen   geplant worden. Das oppofitionelle Flugblatt der Berliner   Opposition", das von Karl Wildberger verfaßt worden ist und schließlich zur Trennung dieser Berliner   Gruppe von der Sozial­demofratie führte, ift in Friedrichshagen   sehr eingehend diskutiert worden. Zu dem engeren Freundeskreise Werners und Wildbergers zählte der Schuhmacher Mag Baginsti, der in der modernen naturalistischen Literatur völlig zu Hause war. Ein origineller Kopf, ein glänzender Redakteur und wuchtiger Redner! In Amerika   hat er später die Freiheit" Johann Mosts redigiert.

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Mar Baginsti vertauschte Berlin   mit Langenbielau und murde dort Redakteur des Proletariers aus dem Eulengebirge". Er mar in den Kreisen der jüngeren Literaten und der Berliner   Opposition" sehr bekannt geworden. Jedenfalls fuchte ihn Gerhart Haupt­ mann   im Eulengebirge   auf und durchpilgerte mit ihm die Leidens stätten der Weber von Steinseifersdorf und anderen Dörfern, und hier traten Hauptmann die Gestalten seines späteren Dramas Die Weber  " lebendig vor Augen. In dem Kopfe Hauptmanns formte fich bereits der Stoff zu diesem flassischen Wert des deutschen Naturalis mus, und als Baginsti ihn fragte, welche Wirkung er sich von seinem Drama ,, Die Weber  " verspräche, antwortete der Dichter, daß ihn seine Neigungen mehr Sommernachtsträumen, fonnigen Ausblicken ent­gegenzögen, daß ihn aber ein harter innerer Druck" dazu antreibe, diese Not zum Gegenstand feiner Kunst zu machen. Und auf die Frage nach der erhofften Wirkung entgegnete Hauptmann: Die erhoffte Wirkung?" Die Menschen sind nicht gefühllos. Auch der Behagliche, Reiche muß sich im Innersten betroffen fühlen, wenn er folche Bilder entsetzlichen Menschenjammers vor seinen Augen auf­steigen sieht. Alles Menschliche stehe im Zusammenhang." Den Ein­mand Baginstis ,,, daß das Besitzrecht den darin Wohnenden Scheu­flappen vor die Augen zu legen pflegt, will Hauptmann   nicht als allgemein berechtigt gelten lassen. Es ergibt sich," so schreibt Mor Baginski in den Sozialistischen Monatsheften": Er will das werftätige Mitleid, das den Armen eine wirkliche Erleichte­rung ihres Loses verschafft. Er fügt hinzu, ihn selbst habe zu Zeiten die Not der Massen so gepeinigt, daß es ihm nicht möglich war, seine Mahlzeiten ruhig einzunehmen, die oft auch, besonders während der Züricher   Studentenzeit, farg genug gewesen seien. In solchen Augen­blicken sei schon eine Tasse Kaffee als beschämender Lugus erschienen,"

Die deutschen   naturaliftifchen Dramen, diefer Zeit sind durchweg fozial gefärbt. Die modernen naturalistischen Dichter empfingen zum Teil die nachhaltigsten Eindrüde vom modernen sozialistischen   Brole tariat. In Hauptmann   steuerte der Naturalismus, wie schon Bölsche  in seinem Essay Friedrichshagen   in der Literatur" bemerkt start nach der fozialen Seite hin. Die Freie Bühre" entstand Im Besten, die Frete Volksbühne dagegen im Osten Berlins  . Im W. war die elegante Welt, die sich mit ästhetischen Fragen be. faßte; im D. waren die Arbeiter, bei denen die soziale Bewegung grollte."( Bölsche.) Und es ist das Verdienst Bölsches, der durch seine tulturhistorischen Vorträge in Berliner   Arbeiterfreifen in die engste Berührung mit der profetarischen Seele getreten mar, daß er uns auch die fozialen Hintergründe der jungen natura. liftischen Bewegung Deutschlands   so lichtvoll erschlossen Paul Kampffmeyer  . hat.