Kurt Rudolf Neubert: Stunde mit Kindern
türtischgrünen oder brandroten Kleinpflanzen, und winzige diamantglänzende Silberschiffchen zogen vorbei; erfüllt von Goldförnern. und frisch, unversehrt, quid- lebendig, trotzdem das Wasser, in dem sie leben, brodelte und dampfte. Uebrigens war das, wie ich mohl
"
Ich sehe euch zu, ihr lieben Kinder. Hinter der Gardine stehe| glaube, mir hätten nicht soviel selbstverschuldetes Elend in der Welt, wußte, nicht der einzige Fundort für Thermalalgen", aber ihn habe ich und achte auf euer Spiel. Ich sehe eure Augen leuchten und es gäbe weniger Diebstähle, Morde, Ehebrüche. ich am besten studiert, und ich habe mich davon überzeugt, daß die junge Kraft in jeder Bewegung. Wenn ich die Augen schließe, So finne ich, und die Kinder sizzen in der Laube und Gretel diese Klempflanzen nicht gedeihen, sondern sogar bald absterben, flingen eure lauten Kinderstimmen gedämpft, und ich habe einen Itest Märchen vor mit ihrer singenden Stimme. wenn man sie in fühlerem Wasser oder gar in eisfrischem Wasser schönen Traum. Ich weiß nicht, was besser ist: wenn unser Leben hält. Man hat an anderen Orten, zum Beispiel im Karisbader Traum wird oder unser Traum Leben? Sprudel, der 72,5 Grad heiß ist, auch in Japan - und Amerika , Thermalalgen in 85 Grad heißem und siedendem Waller gefunden: 2n wieder anderen Stellen sah man mit ihnen auch Sch neden einträchtig in 60 Grad heißem Wasser beisammenleben. Jedenfalls ist es durch diese übereinstimmenden Zeugnisse sichergestellt, daß es auf Erden im ersten heißen Urmeer Pflanzen gegeben haben kann.
Aber ich will jetzt nicht so weit denken, ich will mit euch plaudern, ihr Jungen und Mädchen, es soll eine feine Stunde werden. Tot und schrecklich wäre dieses große Haus, wenn ihr nicht wäret, ihr Jungen und Mädchen. Ihr aber macht es lebendig mit curem Ladjen, das niemals müde wird. Es wird mir warm ums Herz, wenn ich euch auf der Treppe höre, auf dem grünen Rafen tonzen oder in der Laube Schule spielen sehe. Eure Stimmen werden dann oft laut und flingen durcheinander, und es ist feine Ordnung bei euch. Die großen Leute im Hause werden bald un
willig und schelten euch von den Fenstern. Wenn ihr einmal über
mäßig laut seid, dann stelle ich mich nur ans Fenster und schaue cuch an. Da seid ihr still, und es wird wieder Ordnung bei euch. Junges Boll muß manchmal laut sein, darum schelte ich euch nicht, aber ich freue mich, daß ihr meinen Blick versteht. Warum soll ich cuch schelten? Das Laute an euch iſt drängende Kraft. Eure frohe Kraft jauchzt auf, um ihr eigenes Jauchzen zu hören. Und hinwiederum seid ihr manchmal so recht still und fein. Da bleiben die Bälle und Reifen auf der Erde liegen, und ihr fißt und plaudert von kleinen, duminen Dingen so ernst, so flug, und eure Kinderwünsche steigen aus dem pochenden Herzchen. Dann trete ich Icise ans Fenster und höre und lächle, bis einer von euch nicht mehr stille sitzen fann und mit dem Reifen davonläuft. springen die anderen lachend nach, und eure Kindersorgen und Kinderwünsche find im Nu vergessen.
Dann
Wie wünsche ich mir manchmal, daß ich so leicht vergessen fönnte wie ihr. Kinderkummer hat helle, leichte, flüssige Tränen, und dieser Strom findlicher Tränen schwemmt alles Betrübende aus den kleinen Herzen fort. Aber die Tränen der großen Menschen. Biele verbluten daran, denn sie können nicht weinen und lachen in einem Atemzuge wie ihr. Weinen und lachen in einem Atemzuge, ihr könnt es, ihr dort unter meinem Fenster.
Ihr wißt nicht, welch tiefer Sinn in eurem Spiel liegt. Ih: spielt das Leben. Vorwärts tommt, wer seine Hände regt. Aber auch hier sehe ich, daß die Tücke des Nächsten oft über die Anständigkeit des anderen triumphiert. Da hilft keine Aufmerksamkeit, kein Regen der ballhaschenden Hände, wenn es dem bösen Nach barn nicht gefällt. Und mit Triumphgeschrei stürzen sich die Lauernden auf den freigewordenen Platz.
Ihr spielt draußen auf dem Hofe, und ich fize hier im Zimmer und rede zu euch, ohne daß ihr es hört. llnd jeder von euch, den ich so frage, so heimlich unhörbar frage; gibt mir auch Antwort, ohne daß er es meiß. Was an euch ist, gibt mir die Antiport, euer Blick, eure Stimme, euer Gebaren.
Wenn ich dich. blonder Hans, so heimlich, unhörvar frage, was du wohl werden möchtest, so antwortet mir, ohne daß du es meist, dein heller, suchender Blick. Und wenn ich dich, fleines, zartes Gretel, so heimlich, unhörbar frage, ob du gern singst, ob du die Bögel liebst und die weißen Wolfen, so antwortet mir, ohne daß du es weißt, der verträumte Klang deiner Stimme. Ihr hüpit, lacht, fingt, und ich schaue euch zu. das Wissen in mir, wer von euch der Mutter gern jahwere Stunden bereitet.
Und es wächſt Und es wächst folgt, mer ihr
Da schelte ich dich, wilder trotziger Hugo, der du den Ball immer so wirst, daß dein Nachbar ihn unmöglich fangen fann. Es ist ja nur ein Spiel, und der Zweck dieses Spiels, den anderen von seinem Platz zu vertreiben, aber dein Lachen, Hugo, ist so greff, und feine Siegerfreude, nur Schadenfreude glinunt in deinen unruhigen Augen, wenn du dein Ziel erreicht hast.
Da schelte ich dich, so heimlich, unhörbar.
Und mir ist bang um dich. Aber bald gibst du mir Gelegenheit deine Ritterlichkeit und deinen Mut zu bewundern. Die fleine Hanne hat den Ball in mein Zimmer geworfen, er ist verloren, gefangen, alle find ratios.
Ich sehe ein recht böses Gesicht auf und schaue zum Fenster. Da ist der Schwarm in alle Winde zerstoben. In die Laube, hinter den Rosenbusch, in die Hausecke haben sie sich geflüchtet. Befriedigt trete ich zurück. Hinter der Gardine warte ich die weitere Entwick lung der Dinge ab.
Sie wagen
Langsam kommen sie aus ihren Versteden hervor. fich bis zu meinem Fenster und beratschlagen. ,, Sanne muß ihn holen!" brandet. die öffentliche Meinung unter meinem Fenster in immer lauteren Wogen. Hanne fürchtet sich. Hanne weint. Da wirft sich Hugo in die Brust und sagt heroisch: Ich gehe!"
Sie lassen ihn ziehen, in ein ungewisses Schicksal. Ich habe den wilden Kerl schon manchmal über das Knie gelegt, wenn seine Streiche das Maß überschritten. Hugo flingelt jetzt. Erst zaghaft. Dann lauter. Ich öffne nicht. Aber auf dem Hofe bittet jetzt Gretel so lieb, daß ich den Ball freiwillig zurückgebe.
Eine Stunde ist vergangen. Der Kinder Spiel ist nicht mehr so laut. Manchmal ist alles ganz still. Nur eine Stimme scheint noch Geltung zu haben. Es ist Gretels feine, träumende Stimme. Sd) stehe wieder vom Schreibtisch auf und trete ans Fenster. Da sihen sie alle in der Laube, und Gretel liest Märchen vor, mondscheinzarte Märchen. Hugo ruft zwar: Quatsch! Lies lieber was von Räubern!" Aber man achtet nicht auf ihn.
Ich höre ein Weilchen zu, und eine stille Andacht kommt in mein Herz. Warum hab ich euch so lieb, ihr Jungen und Mädchen? Weil ihr die Augen niederschlagen müßtet und eure Wangen rot würden, wenn ihr einmal unwahr reden wolltet.
Darum hab ich euch so lieb, weil ihr ein schlimmes Wort, das ein böser Mensch zu euch spräche, nicht verstehen könntet. Weil eure Herzen rein sind.
-
Da rufen die Mütter. Leben kommt in den Kreis. Man springt auf, man bittet laut: ,, Noch nicht! Noch nicht!" Nur Gretel figt ganz still. Aber dieses Mädchens Mutter rust am lautesten. Es ist feine schöne Stimme, die da ruft:„ Gretel, Herrgott, wo steckst du denn?" Da wundere ich mich, woher das Mädchen diese fingende Stimme hat. Nein, ich wundere mich gar nicht, warum das Mädchen Märchen se liebt... Mit heißen Wangen, zerzausten Haaren gehen die Kinder, gehorsam, traurig zwar. Der Hof ist leer.
Pflanzenleben in heißem Wasser Wenn man glaubt, daß bei 40 Grad Wasserwärme, also in einem Wasser, das uns brühheiß erscheint, alles Leben erstorben sein müsse, so täuscht man sich. Ich kenne einen Bunft der Erde. wo ein Pflanzenleben in heißem Wasser vorkommt. Die wunderschöne Stadt Budapest in Ungarn ist nicht mur einer der landeine Bäderstadt. Auf der Gebirgsseite der Doppelstadt an der Donau schaftlich und baulich merkwürdigsten Orte in Europa , sondern auch rauschen überall heiße Quellen in überwältigender Mächtigkeit, und wo man den Boden durch artefische Brunnen in der Tiefe erfchloffen hat, da dringt ein heißer Sprudel in solcher Menge hervor, daß man den größten Teil ungenügt verrinnen lassen muß. So hat man es auf der Margareteninsel getan; einen Bruchteil des 70 und 80 Grad heißen Wassers verwendet man zu Bädern; den größeren Rest ließ man in einem dampfenden Heißwasserfall in die größeren Rest ließ man in einem dampfenden Heißwasserfall in die Donau rauschen.
An diesem Wasserfall, der die Hand verbrühte, die unbedacht hineingriff, habe ich früher oft gesessen. Denn mir gefiel das hübsche, malachitgrüne und bronzebraune Wallen und Gleißen auf den Sprudelsteinen, und es zog mich immer geheimnisvoll an, daß in diesem fast siedenden Wasser auch Leben war. Das mußte ich nämlich; hatte ich doch mit meinem Vergrößerungsglas schon manchen Spaziergang in dieser merkwürdigen Heißwasserau unternommen. Ein üppiges Pflanzenleben herrschte in diesem wahrhaften Kochtopf. Da waren blaugrüne Fäden, schraubenförmig gewunden; voll lustiger Beweglichkeit frochen sie durcheinander wie fleine Schlangen. Da saßen ganze Polster von amethystblauen,
Das ist aber noch nicht alles. Man hat entdeckt, daß es Bazillen gibt, die noch weit mehr Hize aushalten. Es ereignet sich in der Landwirtschaft immer wieder einmal, daß eine Heumiete, namentlich nach vorausgegangenem langen Regenwetter, unter Umständen ab
brennt, die jeden Berdacht der Brandlegung oder Unvorsichtigkeit cusschließen. Man spricht dann von Selbstentzündung des Hettes und hat nach langem Bemühen auch den Uebeltäter entdeckt. Man Thermophilus nennt ihn den wärmeliebenden Bazillus heißt das in der Wissenschaftssprache und man glaubt, sein Leben davon heiß wird. Bis zu 110 Grad, also über Siedehize, fann er in folgender Art andeuten zu können. Er atmet so heftig, daß er doch nicht immer. So ist er ein Zeuge dafür, daß es wirklich fo seine Umgebung erwärmen. Zwar stirbt er selbst oft daran, aber etwas wie Feuerwesen gibt und natürlich auch früher gegeben haben kann. Daß es gerade einfache und allereinfachste Geschöpfe sind, denen des Leben in so einem Kochtopf behagt, schmeichelt natürlich der zudringlichen Vorstellung, daß einmal alles Wasser auf Erden Thermalwasser gewesen sei. Sofort ist die Phantasie bereit, ein Kolossalgemälde zu entwerfen von einem dampfenden Urmeer, das belebt ist von buntfarbigen Algen, die eben überall ausgestorben find, feitdem dieses Meer aufgehört hat zu dampfen, und die sich mur dort erhalten haben, mo als die letzten schwachen Erinnerungen an die pulkanische Glut des Erdinnern noch heißes Waffer ans Licht dringt. Man hat dieses Bild auch weiter ausgemalt, denn, so merkwürdig es flingt, die gelehrte Phantasie steht der künstlerischen in nichts nach. Es gibt an den Universitäten genug hochansehnliche Werke, in denen man die ,, Sypothese" vom kochenden Urmeer ganz ernsthaft verkündet lesen kann. Aber wie von einer fernen und uralten Sage ist davon vielleicht gerade nur ein einziges Wörtchen wahr und wirklich, nämlich: daß es heute ein Leben in heißen Quellen gibt. Alles übrige ist Zutat der Phantasie, Wunsch, Sehnsucht nach Wissen, die ein Luftschloß gebaut hat.
Was wiegt die Erde?
Hat diese Frage überhaupt einen Sinn? Kann man denn die Erde auf eine Waagschale legen und durch Gewichte ihren Druck auf die Unterlage, also ihr Gewicht, bestimmen? Nun, das kann man ganz gewiß nicht, und doch ist die Frage nicht so unsinnig, wie es auf den ersten Blid scheinen möchte. Freilich ist sie nicht ganz forreft, es handelt sich nicht sowohl um das Gewicht der Erde, als um ihre Masse. Im allgemeinen interessiert uns die Masse eines Gegenstandes viel mehr als sein Gewicht; wenn die Hausfrid ein Pfund Butter oder Zucker oder sonst etwas fauft, so fommt es ihr cuf die Menge, nicht auf das Gewicht an, und nur weil die Massen einheit mit demselben Worte Pfund bezeichnet wird wie die Gewichtseinheit, setzt man die beiden im allgemeinen Sprachgebrauch gleich und wird sich nicht klar darüber, daß es im Grunde zwei ganz verschiedene Begriffe sind. Die Masse eines Körpers ist etmas Unveränderliches, überall Gleiches, während sein Gewicht durchaus von seiner Umgebung abhängt; wenn wir Gepäck von 50 KiloGramm auf die Reise nach Aegypten mitnehmen, so ist es dort etwa 100 Gramm leichter geworden, während es bei einer Reise in die Polargegenden um etwa 100 Gramm schwerer wird. Mit einer gewöhnlichen Waage können wir das freilich nicht feststellen, weil ja die Gewichtsstücke, die wir zum Vergleichen benutzen, ebenso viel an Gewicht zu oder abnehmen wie unser Gepäd. Mittels einer Federwaage, bei der das Gewicht durch die Ausdehnung einer elastischen Feder gemessen wird, würden wir die Gewichtsveränderung sehr wohl feststellen können. Sie rührt daher, daß wir wegen der Gestalt der Erde, die nicht genau fugelförmig ist, in den Polargegenden bem Erdmittelpunkt, der zugleich ihr Schwerpunkt oder Anziehungspunti ist, etwas näher sind als in unseren Breiten, und hier noch etwas näher als in Aegypten oder gar am Aequator. Auch beim Aufsteigen im Luftballon oder Flugzeug fann man mit einer feinen Federwaage den Gewichtsverlust jeder Masse sehr wohl feststellen. Denten wir uns gar irgendein Massenstück auf den Mond versetzt, so würde es dort erheblich weniger wiegen als auf der Erde, nur etwa den 6. Teil, auf der Sonne dagegen würde es 27% mai so schwer sein, obwohl die Masse hier wie dort unverändert dieselbe
wäre.
Aber hat denn auch die Frage nach der gesamten Masse der Erde einen Sinn und läßt sie sich überhaupt beantworten? Nun, Interesse hat die Frage vor allem für die Astronomie. Die aftronomischen Berechnungen beruhen ja auf dem allgemeinen Maffenanziehungsgesetz, das von Newton am Ausgang des 17. Jahrhunderts( 1686) aufgestellt worden ist, und nach welchem sich die Massen der Sonne, des Mondes, der Planeten in Vielfachem der Erdmasse ohne weiteres bestimmen lassen. So finden wir, daß der Mond nur ein Achtzigstel, der große Planet Jupiter das 310fache, die Sonne gar über das 324 000fache der Erdmasse enthält. Schon, um die Kräfte, welche zwischen diesen Massen wirksam find, genau zu bestimmen, wäre es wichtig, die Massen selbst nicht mur im Ver gleich zu derjenigen der Erde, sondern ihrem absoluten Werte nach zu tennen. Aftronomen waren es denn auch, welche die ersten
Und darum muß ich euch so lieb haben nur ist meine Liebe Messungen zur Ermittlung der Erdmesse anstellten. Die leberhier bang und traurig daß es einmal sein könnte; legung dabei war folgende: Man weiß, mit welcher Krafi irgend daß ihr unwahr reden fönntet, ohne die Augen niederschlagen zu ein Körper an der Oberfläche der Ende, also in der Entfernung müssen, ohne rot zu werden;
ihres Halbmessers von ihrem Schwerpunkt angezogen wird. Ließe
daß ihr einmal das schlimme Mort, das ein böser Mensch zu euch sich bestimmen, mit melcher Kraft auf denselben Körper eine bespricht, verständet.
Weil eure Herzen nicht mehr rein find
Ich habe euch so lieb, ihr Jungen und Mädchen.
Es ist euch eine große Macht gegeben, ihr fleinen Menschen. Ich kenne Große, die sich verloren hatten und nur durch das Kind, ihr Kind sich von neuem fanden zu befferer Gemeinschaft. Da steht das unschuldige Wesen zwischen den beiden Menschen, die sich nicht mehr lieben zu fönnen glauben, und es wird ihnen alles wieder flar por lange verdunkelter Seele, was sie sich. gewesen sind, was sie sich gegeben haben. Da stürzen sie sich wohl wieder in die Arme
Ich glaube, wenn jeder Mensch im entscheidenden Augenblick daran denken würde, mie rein sein Herz, seine Gedanken woren, als er, ein aufhorchendes Kind, zu der Mutter Füßen saß, ich
fannte Masse in einer genau bestimmten Entfernung anziehend wirft, so würde eine sehr leichte Rechnung das gewünschte Refultaf ergeben. Der erste, der sich an diese Aufgabe wagte, war der eng lische Astronom Mastelyne im Jahre 1774. Er sagte sich, daß ein gewaltiger Berg wohl imstande sein müßte, ein leichtes Pendel aus seiner vertikalen Lage, also aus der Richtung nach dem Erdmittelpunkt, ein wenig abzulenfen und auf sich hinzuziehen. Die genaue vertikale Lage legte er durch astronomische Beobachtungen fest, und in der Tat zeigte ein Pendel in der Nähe eines großen Berges in Schottland hiervon eine geringe Abweichung. Man gibt nun gewöhnlich nicht die Masse der Erde selbst an, die ja eine ungeheure 3ahl ist, sondern teilt sie durch ihren Rauminhalt( 1083 Trillionen Rubikmeter), wodurch man die durchschnittliche Masse eines Liters erhält, die man als Dichte bezeichnet. Für diese Diczte
fand Maskelyne das überraschende Resultat 4,7, d. h. im Durchschnitt enthält die Erde in einem Liter 4,7, also fast fünfmal so viel Masse als das Wasser, von dem 1 Liter einem Kilogramm entspricht. Ueberraschend war das, meil ja die Gesteine, welche die harie Erdiruste bilden, kaum mehr als ein halbmal so dicht sind. Es ist nicht j verwunderlich, daß man daher nach genaueren Meßmethoden, momöglich mit Benuzung einer Waage, juchte, zumal ja die Masse des Berges von Masteinne nur ungenau hatte geschätzt werden können.
Nun war zur Ermittlung magnetischer und elektrischer Anziehungen die sogenannte Drehwaage tonstruiert worden. An einem feinen Seidenfaden hängt waagerecht ein leichter Stab, der an seinen Enden fleine Kugein trägt. Nähert man diesen große Bleifugein, so können sie deren Anziehung unt so leichter folgen, als sie sich ja nur horizontal, also nicht gegen die Schwere bewegen, sondern nur durch die Drillung des Seidenfadens in ihrer Lage gehalten werden. Sie gehen also aus ihrer Lage heraus und nehmen nach einigen Echwantungen eine neue Gleichgewichtslage an. Auf diesem Wege bestimmte Lord Henry Cavendish , ein Sonderling, der fich als Chemiker verdient gemacht hat, die Dichte der Erde zu 5,45, alfo faft 5%, was sicherlich ein genauerer Wert war als der früher von Masteigne gefundene.
Die genaueste Bestimmung ist am Ende des vorigen Jahrhunderts von einigen deutschen Physikern, rthur König, ranz Ridharth, Otto Kriger Menzel, mit Hilfe der Waage, die mittlerweile ja zu einem sehr genauen Präzisionsinstrument geworden war, ausgeführt worden. Man baute einen ungeheuren Bleiklotz von mehr als 100 000 Kilogramm in den Kasematten von Spandau auf, über den man eine sehr genaue Präzisionswaage stellte. An den Waagschalen waren feine Fäden befestigt, welche durch den an den betreffenden Stellen durchbohrten Bleitlojz hindurch gingen und an ihren unteren Enden wieder Waagschalen trugen, so daß die Waage je zwei Schalen über und unter dem Bleiklotz hatte. Legte man nun von zwei als ganz gleich festgestellten Massen die eine auf eine obere, die andere auf die ihr das Gleichgewicht haltende untere Schale, so blieb die Waage nicht im Gleichgewicht, da ja der Bleiklotz auf die eine Masse herabziehend, auf die andere heraufziehend wirkte. Natürlich wurden alle Vorsichtsmaßnahmen, die bei Präzisionswägungen notwendig sind, wie Schutz gegen Luftbewegungen durch Glaswände, Vermeidung jeder Temperaturänderung, daher Beobachtung durch Fernrohre, automatisches Auflegen und Entfernen der Gewichtstücke von den Schalen usw. auch bei diesen jahrelang fortgesetzten Messungen beachtet. Die Sorgfalt, mit der vorgegangen wurde, ist wohl daraus zu ersehen, daß im Jahre 1884 mit dem Ausbau zu den Messungen begonnen wurde, und erst im Jahre 1898 der Bericht über die Messungen und ihre Ergebnisse der Berliner Akademie der Wissenschaffen vorgelegt werden konnte. Als Resultat ergab sich 5,505, welche Zahl seitdem als der sehr gut bestimmte genaue Bert für die Dichter der Erde gilt.
Um die Masse der Erde selbst zu erhalten, ist diese Zahi noch mit ihrem Rauminhalt, also mit 1083 Trillionen Kubikmetern zu multiplizieren, wobei, um die Masse in Kilogramm zu erhalten, noch zu beachten ist, daß ein Kubikmeter 1000 Liter enthält. Es ergibt sich die ungeheure Zahl von 5961 915 mit 18 angehängten Nullen, d. h. 5 961 915 Trillionen Kilogramm oder auf Zentner umgerechnet fast 120 000 Trillionen Zeniner oder 6000 Trillionen Tonnen.
Falls die Erde, wie manche annehmen, durch Zusammensturz von Meteoren entstanden ist, wie fie auch jetzt noch beständig durch das Auffallen von Meteoren wächst, und wenn wir annehmen, daß in jeder Sekunde ein Meteor von einem Zentner hinzugefominen fel, so wären doch 4000 Billionen Jahre nötig gewesen, um die gewaltige Masse der Erde zusammenzubringen. Bei so ungeheuren Größen verschwindet jede Möglichkeit einer Anschauung. Um so bewundernswerter bleibt es, daß wir imftande waren, aus den langfamen Schwingungen und fleinen Ausschlägen einer Waage im sorgfältig abgeschlossenen Raum Schlüsse über so unfaßbare Größen mit derselben Sicherheit zu ziehen, als handelte es sich um ganz alltägliche und jedem vertraute Dinge.