Beilage
Sonnabend, 10. Januar 1931
A
jatel kiold allt Der Abend
Shalausgabe der Vorwärts
Schicksalswende an der Westfront
Chemin des Dames-Marne- Villers Cotterêts
| Wie z. B. um Tannenberg, wo Zehntausende Russen im Sumpf erstickt sein sollen, haben sich auch um Billers Cotterêts Legenden gebildet. So hat die Sage den Angriff von Billers Cotterêts zur Kriegsentscheidung gestempelt. Das ist er aber in feiner Hinsicht gewesen. Im Gegenteil. Fochs strategisch großer Gedanke wurde in den Großkampftagen bei Soissons- Marne- Reims nur zum geringsten Teil in die Tat umgesetzt. Lag es an den Reibungen der einzelnen französischen Armeeführer, war die Truppe nicht mehr recht angriffsfähig, sobald sie aus der Trommelfeuerzone herans fam? War schließlich die Widerstandskraft der deutschen Truppen noch erheblich größer, als die feindliche Heeresleitung fie eingeschätzt hatte? Eicher haben alle diese Momente bei dem Mißlingen der Fachschen Gegenoffensive mitgesprochen, entscheidend aber mar, daß die
Die deutschen Truppen, die in den ersten Junitagen 1918 an der Westflante der Offensivfront Soissons- Compiègne- Billers Cotterêts den Angriff weiter tragen sollten, merkten bald, daß ihnen schmerste Stunden bevorstehen sollten. Frische, aus. geruhte Truppen warfen sich den in achttägigem Angriff bereits dezimierten deutschen Divisionen entgegen; um jedes Dorf, jeden Waldrand, jeden Bachübergang wurde erbittert gefochten. Das Feuer neu eingesetzter massierter Batterien schlug aus den Wäldern von Billers Cotterêts weit in das Hinterland, Fliegerschwärme graften die Straßen ab, turzum, alles deutete darauf hin, daß hier an ein Fortführen des Angriffs nicht mehr zudenken fei. Mitte Juni erstarrte denn auch die Front in einer für die Deutschen denkbar ungünstigen tattischen Lage. Die meit nach Süden vorgetriebene Ausbeutelung der Front bis zur Marne forderte mit ihrer langgestreckten offenen Westflante geradezu einen Flanfenangriff der Franzosen heraus. Das 28ort eines höheren deutschen Generalftäblers, der feindliche Heer führer, der uns so stehen läßt, Derbiente gehängt zu werden", fällt in diesem Zusammenhang besonders ins Gewicht. Dazu fam, daß die hier eingesetzte deutsche Infanterie in dünner Linie zunächſt nöllig schutzlos den mächtig auflebenden feindlichen Feuerüberfällen preisgegeben war, da die notdürftigsten Gräben und Berhaue erst in modhenlanger Arbeit geschaffen merden mußten. Un geheuerlich mar ber Raubbau an Menschentraft, der infolge fehlender Reserven auf deutscher Seite getrieben murde. Während die Franzosen , Engländer und Ameritaner ihre Rampftruppen fast restlos am vierten Schlachttag abgelöst hatten, blieben die deutschen Divisionen im Durchschnitt zehn bis vierzehn Tage ununterbrochen in Front. Von den bei Soissons eingesetzten beiden brandenburgischen Dinifionen( 5. und 6.), die mit dem größten Teil der übrigen Angriffsdivisionen bereits bei der Amiens = offensive schwere Blutopfer gebracht hatten, wurden die Truppen erst nach fiebzehn Kampftagen herausgezogen. Bei einer Kampftraft von höchstens 6000 Mann hatte die 5. Division 101 Offiziere und 3445 Mann verloren. Nicht viel besser erging es anderen Truppe teilen. Viele Kompagnien wiefen noch eine Kampffraft, pon 30 bis 50 Mann auf, es gab aber bereits Bataillone, die mur wenig über 100 Gemehre zählten. Neben den blutigen Berlusten forderte dazu die Grippeepidemie schmere Opfer.
Reimsoffensive und Marneübergang.
Die deutsche Heeresleitung sah mit dem Abmarsch der feindlichen Reserven von der Flandernfront den 3wed der Offensive im wesentlichen erfüllt. Sie bereitete zur Abschnürung von Reims und zum Ausgleich der Marne und Champagnefront eine lebte Teiloffenline in der Champagne und über die Marne bis Epernay por, um sodann zum entscheibenden Schlage in Flandern Anfang August auszuholen. Hierfür waren bei der Heeresgruppe Rupprecht von Bayern 32 Divisionen aufgespart worden. Die deutsche 7. Armee zij hen Aisne und Marne hatte wiederholt und dringend auf die Gefahren der offenen eft flante hingewiesen. Bon Anfang Juni bis Mitte Juli maren bereits 40 feindliche Teil. angriffe gegen die dortige Front vorgeprellt. Die Truppe meldete instematisches Einschießen der französisch- amerikanischen Batterien. Daß die Operationsabteilung der Obersten Heeresleitung diefe Warnungen und Hilferufe als Gespensterjeherei abiat, ist vor der Geschichte durch nichts zu rechtfertigen; auch nicht durch die Ermartung, dem Gegner bei Reims und an der Marne zuvorzu
tommen.
Dieser Angriff, on 15. Juli, sollte zu einer schweren Niederlage werden. Er war in allen seinen Einzelheiten teils durch Spionage, teils durch erpreste Gefangenenaussagen bekanntgeworden. Entscheidend waren aber die Aussagen eines deutschen Pionierhauptmanns, der entgegen stritten Befehl über die Marne geschwommen war und gefangen wurde. In diesem Falle ist offenbar bewußter Berrat verübt worden. So vorbereitet, ermariete die französische Armee den Angriff sozusagen mit der Hand am Abzugsbügel. Das deutsche Trommelfeuer in der Champagne lag wirkungslos über den geräumten ersten Stellungslinien und vor dem dichtbesetzten zweiten und dritten Stellungssystem erfplitterten die deutschen Angriffstruppen in zweitägigen verluftreichen Kämpfen. Stunden des Grauens durchlebten inzwischen die Sturmtruppen an der Marne . Die Uferränder und der Fluß lagen in den Morgenstunden des 15. Juli unter verheerendem feindlichem Sperrfeuer. Zwischen den hochauffprizenden Fontänen wanden sich die Pontons der Pioniere mit ihrer Menschenfracht. 3a hIreiche Bolltreffer in den überfüllten Booten riefen grauenhafte Berluste hervor. Trotzdem ging der Stoß filometertief südlich der Marne vor, lief fich aber dann vor Epernay fest. Nach der schweren Niederlage in der Champagne fonnte die Räumung dieses mit schwersten Blutopfern erfämpften Marnebogens nur eine Frage von Tagen sein.
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Die Hauptstraße fönnen wir nicht ziehen, da ist Munition in Brand geraten. Auf Umwegen durch das brennende Dormans. Die Gardebrüde ist zerstört. 3wei Divisionen auf dem Rückzug ohne Brücke! Bei Vincennes kommen wir endlich über die dortige noch erhaltene Brüde." ( Bericht des Batterieführers.)
,, Nach Einbruch der Dunkelheit verlassen die Jäger truppe weise die blutgetränkte Wahlstatt. Im Glanz des Mondes liegt das Marnetal. Wie ein Leichentuch breitet sich mitleidig ein Nebelschleier über Wald und Flur. Silberhell glänzt der Schicksals fluß. Nach Mitternacht hatten die Trümmer des Regiments auf der einzigen Brücke, die in der Mitte schon tnietief im Wasser lag, und auf schwankenden Stegen die Marne tro schmerer Beschießung überschritten. Als um 5 Uhr der letzte Jäger den Fluß hinter sich hatte, sprengten Pioniere die Brücke in die Luft. ( Geschichte des Jäger- Regts. 3.)
Der Keim zur späteren Niederlage.
Am fünften Tage der Offensive sah sich Foch veranlaßt, in die Führung Pétains einzugreifen. Die deutsche Abwehrtaftit an den gefährdeten Flantenpunkten rüdte feinen Blan ,,, die deutschen Kräfte füdlich der Aisne zu vernichten", in immer weitere Ferne. Er befahl daher, durch zusammengeballte Stöße wenigstens eine dieser beiden Flanken zum Einsturz zu bringen. Dazu war es jedoch nach Eintreffen deutscher Heeresreserven bereits zu ipät. Foch tonnie zwar auf einen Tiefeneinbruch bis zu 9 Kilo metern und eine Beute von 25 000 Gefangenen zurückbliden, aber die heiß erstrebte Entscheidung durch Abschnüren des Frontjades gelang ihm nicht. Unterdessen hatte es auch bei der deutschen Führung schwere Differenzen gegeben. Die Heeresgruppe Kronprinz drängte auf Rüdverlegung der deutschen Front bis zur Besle südlich der Aisne , um neben der Kräfteersparnis damit auch der Nachschubschwierigkeiten und der ständigen Flankenbedrohung zu begegnen. Die Oberfte Heeresleitung dagegen trug fich sogar mit dem Gedanken eines Gegenstoßes, da sie durch die schnelle Ueberwindung der Krise bei der Truppe die Lage wieder erheblich günstiger beurteilte. Diese Gedankengänge der Heeresleitung zeigen eine ganz grobe Bertennung des physischen und moralischen Zustandes der überanstrengten und abgekämpften Truppen, die sich in den folgenden Monaten noch furchtbar rächen sollte. Der endgültige Rückzug hinter die Besle und Aisne murde schließlich gegenüber der Obersten Heeresleitung zum 1. Auguft doch durchgesetzt und reibungslos vollzogen. Damit waren die am 27. Mai durch die deutsche Offensive begonnenen Kämpfe zwischen Soissons - Marne und Reims zunächst abgeschlossen.
angegriffene deutsche 7. Armee, deren Barmungen von der Obersten Heeresleitung so oft in den Bind geschlagen waren, sofort die zentralen Gefahrenzonen bei Soissons und Reims erfannte und alle verfügbaren Kräfte zum Abstüßen dieser Fronten einfegte. Es lag auf der Sand, daß das Schidjal| diefer ganzen Armee besiegelt mar, menn es Pétain gelang, die deutsche Front an diefer öftlichen und meitlichen Ede aus den Angeln zu heben. Auch für die vier Divisionen, die jenseits der Marne in flachem Boğan lagen, bestand die Gefahr, in den Fluß geworfen und vernichtet zu werden, falls her Gegner hier gleich am 18. Juli tonzentrisch angriff. Da die Marne selbst unter somerem Dauerfeuer lag und ein Teil der Rotbrüden den ständigen Fliegerangriffen zum Opfer gefallen war, mußte eine Unterstügung der südlich des Fluffes liegenden Truppen als aus geflossen gelten. Unbegreiflicherweise unterblieb der feindliche Angriff, obwohl der dichte Feuervorhang über dem Fluß das ergste befürchten ließ. So fonnte in der Nacht zum 20. Juli die Räunung des füdlichen Marnebogens ungehindert vom Gegner vor sich gehen. ,, Es ist halb zwölf.. Um 12 Uhr soll das letzte Geschütz, imm 3 Uhr die letzte Infanterie drüben sein. Uns fehlen noch Pferde, eine elende Sache. Die 7. Batterie tommt im Trabe vorbei geprescht. Mit zwei Pferden und dem letzten Geschütz kommen wir in S. an. An einem Brunnen saufen wir wie das Bieh.
Focs Gegenoffensive bei Billers Cofferèfs. Ludendorff war nach der Einstellung der Reimsoffensive am 17. Juli nach Mons in das Hauptquartier der Heeresgruppe Rupprecht von Bayern gefahren Mitten in die Besprechungen fiber die Vorbereitungen des Flanderangriffs raffelt das Telephon. Ludendorff wird verlangt. Was er aus den furzen drängenden Morten entnimmt, ist, daß aus den Wäldern von Billers Cotterêts ren Soissons bis zur Marne ein französischer Maffen angriff eingesetzt hat. Hunderte Don neuartigen Sants, fleine, niedrige, äußerst bewegliche Maschinen haben an zahlreichen Stellen die Front durchbrochen, wilde Infanteriefämpfe find im Gange. Die Lage sei sehr ernst. Ludendorff bricht die Besprechungen ab und fährt sofort in das Große Hauptquartier
zurüd.
Foch hatte bereits mitte Juni einen Großangriff gegen die so leichtfertig entblößte Bestflante der deutschen Front beschlossen. Sein Plan ging aber weiter. In einer gewaltigen 3ange, beren eine Klque bei Soissons , die andere südwestlich Reims anpaden foute, gedachte er die 7. deutsche Armee in einem riesigen Sad abzuschnüren. Dazu mußte er aber erft den deutschen Angriff bei Reims und an der Marne abwarten. Unt Priegerische Ereignisse bilden fich bekanntlich sehr schnell Legenden.
Kriegsentscheidend war also der großangelegte Fochsche Zangan angriff nicht geweien Die ihm durch die schweren Fehler der e deutschen Heeresteitung bangebotene glänzende Gelegenheit einer Bernichtungsschlacht nach dem Muster von Tannen berg und ber Winterschlacht von Masuren hatte die Standhaftigkeit ber deutschen Truppe verhindert. Kriegsentscheidend aber mar die durch Fochs Angriff erhärtete Tatsache, daß die deutschen . Offensiven des Jahres 1918 die Reserven ter Entente feinesmegs aufgebraucht hatten, daß diese im Gegenteil noch derari ftart maren, um nun den Generalangriff auf die deutsche Westfront zu beginnen. Mit dem Gegenangriff Fochs aus den Wäldern von Billers Cotterêts bis nach Reims war Hindenburg und Ludendorffdas Heft aus der Hand genommen. Das Gesez des Handelns. wurde jetzt von der Entente diftiert.
So trifft das Reichsarchiv mit der tritischen Feststellung das Richtige, daß in dem Siege vom Chemin des Dames die Reime zu unserer späteren Niederlage verborgen lagen. Dr. Rolf Bathe.
SPASS BEI DER ARBEIT
NACH KINDERBERICHTEN VON CARL DANTZ
Die Arbeit der Bäter ist durchweg eine gleichförmige, nüchterne und langweilige Angelegenheit. Wer nun aber glauben wollte, daß diejenigen, die sie ausüben, damit ebenso dumpf und stumpf geworden wären, der irrt gewaltig. Es ist ein Gebot der Selbsterhaltung, das schwer Erträgliche mit Humor zu würzen, und so ist gerade der Arbeiter allezeit aufgelegt, irgendeinen Jug bei seiner täglichen Beschäftigung anzustellen.
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Da wird das Werkzeug versteckt oder festgebunden, um die allzu Cifrigen zu bremsen. Da wird der elektrische Strom an die Wasserleitung oder an einen Metallgriff eingeschaltet, damit der erste, der ihn anfaßt meistens ein unbeliebter Rollege oder Bor gesetzter einen gehörigen Schlag erhält. Da wird irgendein Neuling getauft, indem dieser beim Deffnen einer Zür eine verborgene Schnur betätigt, die einen oben angebrachten Eimer Wasser zum Kippen bringt. Neulinge sind besonders die Stifte, die am 1. April, einem Jurtage erster Ordnung, allen möglichen Schaber: nad über sich ergehen lassen müssen.
Ueber der Arbeit fliegen Scherzmorte hinüber und herüber. Lieber Gott, laß Abend werden, möglichst noch vor Frühstück! lautet ein oft geäußerter Stoßjeufzer. Wer fein Frühstück ver geffen und nur ein aus dem nächsten Laden besorgtes Burstende zu verzehren hat, tröstet sich mit dem nedischen Spruch: In der Not
schmeckt die Wurst auch ohne Brot.
Der Beneidenswerte, der statt Brot Kuchen vom letzten Fest tag mitbekommen hat, entschuldigt fich ob feiner Schlemmerei mit
den Worten: Not lehrt Butterfuchen essen.
3ur Arbeit nicht, zum Müßiggang find wir bestimmt auf Erden!
So verändert einer ein flaffisches Sitat, indem er sich wieder an die Wertbant begibt. Imerhin soll man mit der Arbeit haus hälterisch umgehen.
Arbeit triegen ist leicht:
Arbeit behalten, das ist die Ruft!
Ein Wort, das in diefer arbeitsknappen Zeit wirklich eine traurige Berechtigung hat.
Tröstlich verkündet ein Spruch an der Wertstellenwand: Wer Dag for Dag sien Arbeit deit und jümmer op den Boften steit, und deit dat god und deit dat gern, de dorf sick of mal amüseern!
Kommt aber der verhaßte Montag, so singt mohl ein Uebermütiger in froher Erinnerung an den fidelen Feiertag:
So lang de Buf in de Weſt noch past, wird feine Arbeit angefaßt!
In Wirklichkeit aber hat der luftige Sänger feine Arbeit niel 311 fieb, als daß er fie leichtfertig verfcherzen oder fahren laffen mürbe. Nach der einstimmigen Meinung aller Arbeiter hat es mit dem Lohntag felten seine Richtigkeit: er fällt durchweg mindestens einen Tag zu spät in der Woche.
Ich wollte, wir triegten Mittwochs Geld,
dann hätt ich wenigstens am Donnerstag noch was! Das ist ein trauriger, aber oft nur allzu berechtigter Wunsch. Im übrigen ist der Lohntag ein so hoher Festtag, daß der Arbeiter ihn mit den gewiß respettvollen Borten begrüßt:
Alle Seufzer und alle Scherze, die die tägliche Arbeit be gleiten, zeigen im letzten Grunde, wie innig und mit allen Fasern der Arbeiter mit ihr verwachsen ist; fie bilden die Würze zu dem harten Brot seiner Lebenstage, bei welchem er manchesmal reichere 3ufost entbehren muß. Der Humor föhnt ihn mit dem Bittersten aus. Mögen Denter sich um die Lösung sozialer Probleme ab mühen der Witzbold schlägt sie alle aus dem Felde mit der einfachen Ueberlegung:
Ich wollt, ich wär ein Huhn, bann braucht ich nichts zu tun. Ich legte frühmorgens mein Ei und hatte den ganzen Tag frei!